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Die Erfindung betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Ziehen von Blechen, insbesondere mit kleinen Radien, mittels einer ein Werkzeugoberteil, ein Werkzeugunterteil, vorzugsweise Matrize und Stempel, und einen Blechhalter umfassenden Ziehvorrichtung, wobei das zu ziehende Blech im Randbereich unter Einwirkung der Blechhalter durch Klemmen gehalten wird.
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Die Erfindung betrifft ganz allgemein das Ziehen von Blechen, beispielsweise zur Herstellung flächiger Karosseriebauteile aus Blech. Dabei kann es sich um beliebige Blechteile handeln, beispielsweise um Fahrzeugdächer, Motorhauben, etc. Die Bauteile erfordern eine hinreichende Festigkeit über die gesamte Bauteilfläche hinweg. Außenhautteile für Pkws müssen höchsten Ansprüchen genügen. Sie dürfen an den lackierten, sichtbaren Außenflächen keinerlei Beeinträchtigungen aufweisen.
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Insbesondere beim Ziehen von kleinen Radien besteht das Risiko von Markierungen auf der Blechoberfläche, oft als Laufkanten bezeichnet. Solche Markierungen entstehen dann, wenn sich das Blech während dem Ziehen bewegt und das durch den Ziehvorgang örtlich ausgedünnte Blech auf der Außenhaut zum Stehen kommt. Je nach Ausprägung ist eine solche Markierung bzw. Laufkante auf der Außenhaut sichtbar und stellt eine nicht akzeptable Beeinträchtigung dar.
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Die 1 und 2 zeigen die grundsätzliche Entstehung von Laufkanten beim Ziehen kleiner Radien, wobei das Blech im Radienbereich dünner wird (1).
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Aufgrund von Spannungsunterschieden fließt das Blech entsprechend der Darstellung in 2 über den Stempel. Der ursprünglich ausgedünnte Bereich des Blechs „wandert” in den Bereich der sichtbaren Außenhaut und hinterlässt dort auf der Oberfläche eine Markierung, eine sogenannte Laufkante, die auch nach dem Lackieren sichtbar ist. Eine solche Beeinträchtigung ist in der Automobilindustrie nicht akzeptabel.
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3 zeigt ebenfalls den Stand der Technik am Beispiel einer Motorhaube, die dort lediglich zur Hälfte in Draufsicht dargestellt ist. Das Blech fließt über die sogenannte Stylingkante in Teilrichtung nach außen, wodurch im Sichtbereich eine Laufkante entsprechend der Darstellung in den 1 und 2 entsteht.
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4 zeigt den grundsätzlichen Aufbau eines aus der Praxis bekannten Ziehwerkzeugs, umfassend eine Matrize als Werkzeugoberteil und einen Stempel als Werkzeugunterteil. Ein Blechhalter wirkt zur Bildung einer sogenannten Ziehsicke mit der Matrize zusammen. Laufkante und Stylingkante sind angedeutet.
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Der Blechhalter wird über einen Unterluftbolzen betätigt. Der Stempel sitzt auf einer Grundplatte.
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Das die ungewünschte Laufkante betreffende Problem ist im Stand der Technik bereits erkannt worden. Diesem Problem versuchte man bereits durch eine geeignete Werkzeugmodifikation entgegenzuwirken, nämlich durch ein Ziehwerkzeug entsprechend der Darstellung in 5.
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Um dem Problem einer Laufkante entsprechend den Darstellungen in den 1 und 2 entgegenzuwirken, hat man auch bereits einen starren Ziehwulst im Umriss hinzugefügt, d. h. dem eigentlichen Ziehteil vorgelagert. Unter Zugrundelegung des in 5 gezeigten Werkzeugkonzepts wird das Blech zuerst über die Ziehwulst gereckt und kann dann von außen in hinreichender Menge nachfließen. Nachteilig ist der sehr große Materialverbrauch, nämlich unter Zugrundelegung einer zusätzlichen Ziehwulst vor dem eigentlichen Ziehteil. Das gesamte Material links neben der Schneidkante ist Abfall.
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Voranstehende Ausführungen machen deutlich, dass es trotz vorangegangener Überlegungen zur Vermeidung sogenannter Laufkanten einen anhaltenden Bedarf zur einwandfreien Fertigung gezogener Blechteile gibt, insbesondere mit kleinen Radien, wobei es zwingend erforderlich ist, dass die Ziehteile im Sichtbereich laufkantenfrei sind. Außerdem gilt es Material einzusparen.
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Die voranstehende Aufgabe ist in Bezug auf ein erfindungsgemäßes Verfahren dadurch gekennzeichnet, dass das Blech zunächst mit geringer Umlenkung am Teilradius gereckt wird, wobei das Blech über einen beweglichen Spannrahmen umgelenkt und nach außen gezogen wird, und dass danach die restliche Teilform zur Fertigform ausgeformt wird.
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In erfindungsgemäßer Weise ist verfahrensbestimmend, dass das Blech zunächst mit geringer Umlenkung über den beweglichen Spannrahmen gereckt wird. Dem Niederhalter kommt insoweit eine untergeordnete Funktion zu. Außerdem setzt der Niederhalter erst nach erfolgtem Ausrecken auf der Teilform auf und verhindert dabei ein weiteres Nachfließen.
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In Bezug auf eine erfindungsgemäße Vorrichtung ist die voranstehende Aufgabe durch die Merkmale des nebengeordneten Patentanspruchs 7 gelöst. Danach ist die gattungsbildende Vorrichtung dadurch gekennzeichnet, dass das Blech zunächst mit geringer Umlenkung am Teilradius gereckt wird, wobei das Blech über einen beweglichen Spannrahmen umgelenkt und nach außen gezogen wird. In vorteilhafter Weise kann ein Niederhalter vorgesehen sein, der im Anschluss an die Ausreckung das Blech auf den Stempel drückt, um nämlich ein weiteres Nachlaufen des Blechs zu verhindern. Danach ist die restliche Teilform zur Fertigform ausformbar.
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Erfindungsgemäß ist erkannt worden, dass es insbesondere bei kleinen Radien von Vorteil ist, wenn das Blech zunächst mit geringer Umlenkung am Teilradius gereckt wird. Dabei ist wesentlich, dass das Blech über einen beweglichen Spannrahmen umgelenkt und nach außen gezogen wird. Entsprechendes gilt für die erfindungsgemäße Vorrichtung, wonach entsprechende konstruktive Vorkehrungen zur Anwendung des erfindungsgemäßen Verfahrens realisiert sind.
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In vorteilhafter Weise kann ein Niederhalter vorgesehen sein, der im Anschluss an die Ausreckung das Blech auf den Stempel drückt, um nämlich ein weiteres Nachlaufen des Blechs zu verhindern. Danach ist die restliche Teilform zur Fertigform ausformbar.
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In erfindungsgemäßer Weise lässt sich eine laufkantenfreie Blechumformung realisieren. Außerdem geht mit dem erfindungsgemäßen Verfahren eine erhebliche Blecheinsparung einher.
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Es gibt nun verschiedene Möglichkeiten, die Lehre der vorliegenden Erfindung in vorteilhafter Weise auszugestalten und weiterzubilden. Dazu ist einerseits auf die dem Patentanspruch 1 nachgeordneten Patentansprüche und andererseits auf die nachfolgende Erläuterung eines bevorzugten Ausführungsbeispiels der Erfindung anhand der Zeichnung zu verweisen. In Verbindung mit der Erläuterung des bevorzugten Ausführungsbeispiels der Erfindung anhand der Zeichnung werden auch im Allgemeinen bevorzugte Ausgestaltungen und Weiterbildungen der Lehre erläutert. In den Zeichnungen zeigen
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1 und 2 in schematischen Ansichten das im Stand der Technik entstehende Problem von Laufkanten im Sichtbereich eines Ziehteils,
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3 in schematischer Ansicht die im Stand der Technik auftretende Problematik am Beispiel einer Motorhaube, die dort hälftig in Draufsicht gezeigt ist,
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4 in einer schematischen Seitenansicht, geschnitten, den grundsätzlichen Aufbau eines aus der Praxis bekannten Ziehwerkzeugs, wobei dort zum Halten des Blechs eine Ziehsicke erzeugt wird,
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5 in einer schematischen Seitenansicht, geschnitten, den grundsätzlichen Aufbau ein weiteres Ausführungsbeispiel eines aus der Praxis bekannten Ziehwerkzeugs, wobei dort dem eigentlichen Ziehteil ein starrer Ziehwulst vorgelagert wird, der anschließend abzuschneiden ist,
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6 in einer schematischen Ansicht die grundsätzliche Vorgehensweise im Rahmen des erfindungsgemäßen Verfahrens,
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7 in einer schematischen Ansicht die Anwendung des erfindungsgemäßen Verfahrens unter Nutzung eines beweglichen Spannrahmens,
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8 in einer schematischen Seitenansicht, geschnitten, den grundsätzlichen Aufbau eines erfindungsgemäßen Werkzeugs zur Nutzung des erfindungsgemäßen Verfahrens,
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9 bis 11 in schematischen Seitenansichten, geschnitten, die Funktionsweise des erfindungsgemäßen Werkzeugs aus 8, wobei dort die einzelnen Arbeitsstationen gezeigt sind.
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6 zeigt in einer schematischen Ansicht die Wirkungsweise eines erfindungsgemäßen Werkzeugaufbaus, welches das erfindungsgemäße Verfahren nutzt.
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Abgesehen davon, dass mit dem erfindungsgemäßen Verfahren, unter Nutzung einer erfindungsgemäßen Vorrichtung, eine laufkantenfreie Blechumformung möglich ist, lässt sich gegenüber dem Stand der Technik gemäß 5 eine erhebliche Blecheinsparung realisieren.
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Das Blech wird zunächst mit einer geringeren Umlenkung am Teilradius gereckt, wobei das Blech über einen beweglichen Spannrahmen umgelenkt und nach außen gezogen wird, und zwar ohne in den 1 und 2 gezeigte Einschnürung zu erzeugen. In vorteilhafter Weise kann ein Niederhalter vorgesehen sein, der im Anschluss an die Ausreckung das Blech auf den Stempel drückt, um nämlich ein weiteres Nachlaufen des Blechs zu verhindern. Danach ist die restliche Teilform zur Fertigform ausformbar.
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7 zeigt die Vorgehensweise gemäß erfindungsgemäßen Verfahren beim Ziehen einer Motorhaube. Genauer gesagt zeigt 7 eine hälftige Motorhaube in Draufsicht, wobei dort die Wulst des Spannrahmens angedeutet ist. Im Gegensatz zum Stand der Technik gemäß 5 ist der Spannrahmen beweglich ausgeführt. Er kann umlaufend ausgebildet sein, oder aber auch lediglich bereichsweise zum Einsatz kommen. Abhängig von der Teilform kann er auch in Form eines Einsatzes im oder am Stempel sitzen. Eine Ausgestaltung entsprechend dem Bedarf ist von Vorteil.
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Grundsätzlich bewegt sich der Spannrahmen in Arbeitsrichtung. Entsprechend dem Bedarf ist es jedoch auch möglich, dass die Bewegungsrichtung des Spannrahmens von der Arbeitsrichtung abweicht oder dass einzelne Segmente des Spannrahmens sich unterschiedlich bewegen. Auch hier lässt sich eine optimale Anpassung an den tatsächlichen Bedarf des jeweiligen Bauteils vornehmen.
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Die 8 bis 11 zeigen am Beispiel des Ziehens einer Motorhaube den grundsätzlichen Aufbau einer erfindungsgemäßen Vorrichtung, d. h. eines erfindungsgemäßen Werkzeugs, welches das erfindungsgemäße Verfahren nutzt. Insbesondere sind dort die jeweiligen Arbeitsstationen im Detail gezeigt.
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Gemäß der Darstellung in 8 ist das Werkzeug bei eingelegtem Blech geschlossen. Neben der Matrize und dem Stempel ist ein Spannrahmen vorgesehen, der wiederum einen Blechhalter trägt. Zwischen dem Spannrahmen und der Matrize wirkt ein Distanzteil zur Definition des Abstands unter Berücksichtigung der Geometrie des Blechhalters.
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Der Matrize ist unter Zwischenschaltung eines Druckelements bzw. einer Druckeinrichtung ein Niederhalter zugeordnet, der gegen den Stempel wirkt.
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Wie im Stand der Technik ist eine Grundplatte vorgesehen, die eine gesteuerte Druckeinheit trägt. Die gesteuerte Druckeinheit wirkt gegen den Spannrahmen. Außerdem erstreckt sich durch die Grundplatte hindurch ein Druckbolzen, der gegen den Blechhalter wirkt.
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9 zeigt die erfindungsgemäße Vorrichtung in einer ersten Station, in der der Blechhalter und der Spannrahmen gegenüber der Darstellung in 8 hochgefahren sind. Die Matrize hat mit einer Kraft F1 gegen den Blechhalter mit einer Kraft F2 die Ziehsicke geformt und sitzt auf dem Blechhalter auf. In diesem Zustand ist das Blech ringsum eingespannt. Ab jetzt kann der eigentliche Ziehvorgang beginnen.
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10 zeigt die erfindungsgemäße Vorrichtung in der zweiten Station. Die Matrize fährt mit der Kraft F1 nach unten und verdrängt den Blechhalter mit der Kraft F2. Dabei fließt das Blech über den Spannrahmen und reckt die Teilform aus.
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Gegen Ende des Reckvorgangs sitzt der kraftbeaufschlagte Niederhalter auf der Teilform auf und verhindert mit einer Anpresskraft F4 einen weiteren Blechfluss. Station 2 ist dann beendet, wenn die Matrize auf der den Abstand definierenden Distanz bzw. dem Distanzstück aufsitzt.
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Eine Kraft F3, ausgeübt von der gesteuerten Druckeinheit, ist so groß, dass der Spannrahmen bis zum Ende der zweiten Station in seiner obersten Stellung verbleibt.
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11 zeigt die dritte Station der erfindungsgemäßen Vorrichtung, wobei der vollständig geschlossene Zustand des Werkzeugs angedeutet ist. Ab der zweiten Station fährt die Matrize mit der Kraft F1 nach unten und verdrängt dabei die Kraft F2 über den Druckbolzen. Außerdem verdrängt die Matrize mit der Kraft F1 die Kraft F3 über die Distanz wie auch die Kraft F4 des Druckelements.
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Während des Hubs bewegen sich der Blechhalter und der Spannrahmen nach unten. Das Blechteil wird dabei fertig gezogen. Das Druckelement rückt mit der Kraft F4 den Niederhalter gegen das Blech und verhindert dadurch ein Nachfließen des Blechs.
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In der vierten Station, die in den Figuren nicht gezeigt ist, fährt das Werkzeug auseinander, um nämlich das gezogene Bauteil entnehmen zu können. Dabei ist es erforderlich, dass die Kraft F2 des Druckbolzens und die Kraft F3 der gesteuerten Druckeinheit solange auf Null gesetzt wird bzw. auf Null gesetzt bleibt, bis der Niederhalter abgehoben hat. Die Matrize fährt solange hoch, bis der Weg des Druckelements vollkommen ausgenutzt ist und der Niederhalter abgehoben hat. Jetzt können auch Blechhalter und Spannrahmen hochfahren, so dass das Ziehteil angehoben und entnommen werden kann. Nun ist der gesamte Arbeitsgang entsprechend dem erfindungsgemäßen Verfahren unter Nutzung der erfindungsgemäßen Vorrichtung abgeschlossen.
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Auch ist es denkbar, beim Auseinanderfahren der Werkzeugteile den Niederhalter in seiner oberen Position zu verriegeln. Im Rahmen einer solchen Vorgehensweise lassen sich der Blechhalter und der Spannrahmen sofort hochfahren, so dass eine schnellere Entnahme des Ziehteils möglich ist.
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Hinsichtlich weiterer vorteilhafter Ausgestaltungen der erfindungsgemäßen Vorrichtung sowie des erfindungsgemäßen Verfahrens wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den allgemeinen Teil der Beschreibung sowie auf die beigefügten Patentansprüche verwiesen.
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Schließlich sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das voranstehend beschriebene Ausführungsbeispiel der erfindungsgemäßen Lehre lediglich zur Erörterung der beanspruchten Lehre dient, diese jedoch nicht auf das Ausführungsbeispiel einschränkt.