Rekursives, zeitreihenbasiertes Verfahren zur Zustandsermittlung eines elektrochemischen Reaktors
Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur Zustandsermittlung eines elektro- chemischen Reaktors. Die Erfindung betrifft ferner ein Diagnosesystem zur Zustand- sermittlung eines gattungsgemäßen elektrochemischen Reaktors, ein Computerpro- grammprodukt zur Zustandsermittlung sowie ein Speichermittel mit einem darauf ge- speicherten Computerprogrammprodukt.
Aus dem Stand der Technik ist es bekannt, elektrochemische Reaktoren wie Brenn- stoffzellensysteme mittels Signalanalyse zu überwachen. Hierbei kann einem den zumindest im Wesentlichen bildenden elektrochemischen Reaktor bildenden Elektro- denabschnitt, beispielsweise einem Brennstoffzellenstapel des Brennstoffzellensys- tems, ein harmonisches oder periodisches Strom- und Spannungssignal eingeprägt werden, wobei anschließend ein daraus resultierendes periodisches Antwortsignal ausgelesen wird. Basierend auf dem Antwortsignal können nun Rückschlüsse über den Zustand des elektrochemischen Reaktors gezogen werden. Eine derartige Zu- standsermittlung kann als eine Art Impedanzspektroskopie verstanden werden.
Zur Auswertung des Antwortsignals ist ein sogenanntes THDA-Verfahren (Total Harmonie Distortion Analysis) bekannt. Im Rahmen eines solchen Verfahrens ist es üblich, eine Fast Fourier Transformation (FFT) durchzuführen, um eine Amplituden- schätzung von harmonischen Störgeräuschen im elektrochemischen Reaktor durch- zuführen und dadurch eine Aussage über den Zustand des elektrochemischen Zu- stands treffen zu können. Diese Methode hat jedoch den Nachteil, dass damit Stör- geräusche, die beispielsweise durch Ventile im elektrochemischen Reaktor verur- sacht werden können, nicht hinreichend von einem durch Aufprägung erzeugten Antwortsignal unterschieden werden können. Die FFT kann nicht zwischen solchen Störgeräuschen und Antwortsignalen unterscheiden. Störgeräusche bewirken in ei- nem Frequenzspektrum zusätzliche Peaks bzw. Signalspitzen und Verzerrungen. Befinden sich nun in einem Frequenzbereich, welcher von Störgeräuschen verzerrt wird, Antwortsignale, so überlagern sich die Amplituden der Störgeräuschen und der Antwortsignale. Es kann nicht unterschieden werden, ob eine geschätzte Amplitude an einem definierten Frequenzpunkt von dem Störgeräusch oder dem Antwortsignal stammt. Ungenauigkeiten bei der Signalanalyse können folglich zu entsprechend un- genauen Aussagen bezüglich des Zustands des elektrochemischen Reaktors führen.
Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, der voranstehend beschriebenen Prob- lematik zumindest teilweise Rechnung zu tragen. Insbesondere ist es Aufgabe der Erfindung, ein Verfahren, ein Diagnosesystem, ein Computerprogrammprodukt sowie ein Speichermittel für eine besonders zuverlässige und möglichst genaue Zustand- sermittlung für einen elektrochemischen Reaktor zu schaffen.
Die voranstehende Aufgabe wird durch die Patentansprüche gelöst. Insbesondere wird die voranstehende Aufgabe durch das Verfahren gemäß Anspruch 1 , das Diag- nosesystem gemäß Anspruch 10, das Computerprogrammprodukt gemäß Anspruch 12 sowie das Speichermittel gemäß Anspruch 13 gelöst. Weitere Vorteile der Erfin- dung ergeben sich aus den Unteransprüchen, der Beschreibung und den Zeichnun- gen. Dabei gelten Merkmale und Details, die im Zusammenhang mit dem Verfahren zur Zustandsermittlung des elektrochemischen Reaktors beschrieben sind, selbst- verständlich auch im Zusammenhang mit dem erfindungsgemäßen Diagnosesystem, und jeweils umgekehrt, sodass bezüglich der Offenbarung zu den einzelnen Erfin- dungsaspekten stets wechselseitig Bezug genommen wird bzw. werden kann.
Gemäß einem ersten Aspekt der vorliegenden Erfindung wird ein Verfahren zur Zu- standsermittlung eines elektrochemischen Reaktors zur Verfügung gestellt. Das Ver- fahren weist die folgenden Schritte auf:
Betreiben eines Elektrodenabschnitts des elektrochemischen Reaktors zur Er- zeugung eines harmonischen Strom- und/oder Spannungssignals durch den Elektrodenabschnitt, und modelbasierte Schätzung von Amplitude und/oder Phase des harmonischen Strom- und/oder Spannungssignals, wobei auf Basis der Schätzung der Zu- stand des elektrochemischen Reaktors ermittelt wird, wobei zur Schätzung von Amplitude und/oder Phase des harmonischen Strom- und/oder Spannungssignals ein rekursives, zeitreihenbasiertes Verfahren verwendet wird.
D.h., erfindungsgemäß wird sich erstmals von der bisher üblichen FFT zur Schät- zung von Amplitude und/oder Phase abgewandt. An Stelle der Verwendung der FFT wird ein grundlegend neuer Weg über das rekursive, zeitreihenbasierte Verfahren bestritten. Dadurch sind Signalauswertungen veränderlicher Signale möglich, die an-
deren Ursprungs als Einprägesignale sind. Rekursive, zeitreihenbasierte Verfahren sind zudem besonders für vorliegend zu bevorzugende Onlineverfahren von Vorteil, da sie im Gegensatz zur FFT keine sogenannten Fensterfunktionen („Windowing“) benötigen, welche Verzögerungen verursachen.
Mit Hilfe eines rekursiven, zeitreihenbasierten Verfahrens ist die Isolation eines Stör- signals möglich, wodurch wiederum eine genauere und detaillierte Analyse des peri- odischen oder harmonischen Strom- und/oder Spannungssignals und dadurch eine entsprechend bessere Zustandsanalyse des elektrochemischen Reaktors ermöglicht werden. Das erzeugte periodische bzw. harmonische Strom- und/oder Spannungs- signal ist eine Anregungsantwort. Besonders bevorzugt werden mit dem erfindungs- gemäßen Verfahren eine Amplitude und eine Phase von harmonischen Strom- und Spannungssignalen modellbasiert geschätzt.
Als Beispiel für einen Einsatz des erfindungsgemäßen Verfahrens sein genannt, dass es dadurch möglich ist, zu ermitteln, ob sich ein elektrochemischer Reaktor mit einem Elektrolyten nach dem gleichen Wirkprinzip wie Naflon in einem ausgetrockne- ten oder gefluteten Zustand befindet und/oder eine Medienverarmung wie Brenn- stoffverarmung zu erkennen.
Unter einem rekursiven Verfahren ist vorliegend ein aufbauendes und/oder sich ständig aktualisierendes Verfahren zu verstehen. Die Aktualisierung findet bevorzugt nach bzw. mit jedem neuen Messwert, welcher einen Zwischenwert darstellen kann, der anhand des Strom- und/oder Spannungssignals ermittelt wird, statt. Bei dem zeit- reihenbasierten Verfahren handelt es sich demnach um ein dynamisches Verfahren. Anders als beispielsweise bei einer FFT, bei welcher erst am Ende einer Wertereihe von zum Beispiel 2048 Werten eine Schätzung abgegeben wird, findet bei einem er- findungsgemäßen rekursiven Verfahren die Aktualisierung wie vorstehend beschrie- ben nach bzw. mit jedem neuen Messwert statt. Das erfindungsgemäße Verfahren ist also dafür geeignet, gemessene Daten on-line, d. h. in diesem Zusammenhang ver- zögerungsfrei und ohne Mittelung über eine Zeitdauer eines Messfensters zu verar- beiten. Da das erfindungsgemäße Verfahren rekursiv arbeitet, wird ein aktueller Wert auf Grundlage vorangegangenener Werte geschätzt; das rekursive Verfahren führt gleichsam eine Extrapolotion durch. Grundsätzlich ist es jedoch auch möglich, mit dem erfindungsgemäßen Verfahren Daten off-line zu verarbeiten.
Das rekursive, zeitreihenbasierte Verfahren wird vorzugsweise mittels eines linearen mathematischen Modells durchgeführt. Durch das lineare mathematische Modell wird das aus superpositionierten harmonischen Grundsignalen bestehende Antwortsignal beschrieben. Das lineare mathematische Modell kann grundsätzliche für alle techni- schen Systeme, zumindest in einem Bereich um einen definierten Arbeitspunkt, ge- funden werden. Dadurch kann eine schnelle und einfache Erlangung der benötigten Daten für die Schätzung der Amplitude und/oder der Phase des harmonischen Strom- und Spannungssignals erreicht werden. Unter der modellbasierten Schätzung kann mithin eine mathematische Schätzung, insbesondere eine Schätzung unter Verwendung des linearen mathematischen Modells, verstanden werden.
Die Zustandsermittlung wird als signalbasiertes Diagnoseverfahren durchgeführt. Für das rekursive, zeitreihenbasierte Verfahren werden insbesondere beobachterbasierte Schätzverfahren verwendet. Diese haben bei umfangreichen Versuchen im Rahmen der vorliegenden Erfindung zu besonders genauen Analysedaten geführt. Unter dem Elektrodenabschnitt ist vorzugsweise ein Brennstoffzellenstapel mit einem Anoden- abschnitt und einem Kathodenabschnitt zu verstehen. Zur Erzeugung des Strom- und/oder Spannungssignals mit harmonischen Signalanteilen (Antwortsignal) kann ein Elektrodenabschnitt mit elektrischen Mischsignalen (entweder Strom- oder Span- nungsmischsignal) angeregt werden. Das Mischsignal setzt sich zusammen aus ei- nem Gleich- und einem Wechselanteil. Der Wechselanteil der Strom- oder Span- nungsanregung setzt sich aus einem oder mehreren periodischen Signalen zusam- men, die nicht notwendigerweise sinusförmig sein müssen. Die periodische Anre- gung kann jedoch auch auf anderem Wege erfolgen, beispielsweise durch Schallan- regung. Grundsätzlich ist es unerheblich, ob es sich bei dem Einprägesignal um eine vordefinierte oder durch die Betriebsumgebung aufgeprägte Anregung handelt. Es ist grundsätzlich auch nicht erforderlich, dass das Anregungsmuster bekannt oder zeit- lich invariant ist, da sich das Verfahren durch eine Verwendung des FFT-Algorithmus erweitern lässt. Durch Anregung wird ein entsprechendes Spannungs- und Strom- signal mit Amplituden harmonischer Funktionen mit entsprechend spezifischen Fre- quenzen erhalten.
Das erfindungsgemäße Verfahren wird insbesondere zur Amplitudenschätzung von Störgeräuschen in einem elektrochemischen Reaktor durchgeführt. Unter der Zu- standsbestimmung kann eine Bestimmung des Betriebszustandes und/oder eines
Gesundheits- bzw. Alterungszustandes des elektrochemischen Reaktors verstanden werden. Das Verfahren wird insbesondere für elektrochemische Reaktoren wie Brennstoffzellen, Batterien oder Elektrolyseure verwendet.
Des Weiteren sei darauf hinzuweisen, dass die Anwendung von rekursiven, zeitrei- henbasierten Verfahren zur Herausfilterung von Störsignalen auf dem Gebiet der elektrochemischen Reaktoren grundsätzlich bekannt ist. Allerdings wurden die mit Hilfe solcher Verfahren gefilterten Signale noch nie als Messergebnis verwendet, wie es erfindungsgemäß vorgeschlagen wird. Und erst dadurch wird eine besonders prä- zise Schätzung von Amplitude und/oder Phase der harmonischen Strom- und/oder Spannungsantwort ermöglicht, wodurch wiederum der Zustand des elektrochemi- schen Reaktors entsprechend genau ermittelt werden kann.
Gemäß einer Weiterbildung der vorliegenden Erfindung ist es möglich, dass das re- kursive, zeitreihenbasierte Verfahren eine Kalman-Filterung aufweist. D.h., zur Schätzung von Amplitude und/oder Phase des harmonischen Strom- und Span- nungssignals wird eine Kalman-Filterung verwendet bzw. durchgeführt. Unter Ver- wendung der Kalman-Filterung haben sich bei Versuchen im Rahmen der vorliegen- den Erfindung besonders genaue Analyseergebnisse hinsichtlich der Schätzung feststellen lassen. Durch die Kalman-Filterung können insbesondere dynamische Größen im elektrochemischen Reaktor wie zum Beispiel Druck, Temperatur, oder Geschwindigkeit zuverlässig ermittelt werden. Dafür werden durch das erfindungs- gemäße Verfahren Signalanteile eines Messsignals (das sind harmonische Funktio- nen) geschätzt. Auf Basis der harmonischen Komponenten kann über bestimmte Zu- sammenhänge auf einen Zustand im Reaktor (wie z. B. Austrocknung, Flutung und/oder Brennstoffverarmung) und/oder auch andere Größen geschlossen werden. Die Kalman Filterung kann auch zur Parameterermittlung herangezogen werden, wenn dynamische Modelle für die zeitliche Entwicklung von Parametern eingeführt werden. Bei der Verwendung der Kalman-Filterung werden vorzugsweise die durch die Kalman-Filterung gewonnenen Messergebnisse sowie eine Prozessrauschen- Kovarianzmatrix verwendet, um die Filterung anzupassen (zu tunen) bzw. zu verbes- sern. Dadurch wird ein erhöhter Freiheitsgrad beim Tunen von Parametern möglich, wodurch wiederum eine individuelle Gewichtung jeder einzelnen harmonischen Schätzung möglich wird. Die Kalman-Filterung kann ferner parametrisiert werden, um
ein unbekanntes Störrauschen im Strom- und/oder Spannungssignal besser heraus- zufiltern.
Ferner ist es möglich, dass bei einem erfindungsgemäßen Verfahren das rekursive, zeitreihenbasierte Verfahren mehrere parallel laufende Kalman-Filterungen aufweist. Bei umfangreichen Versuchen hat sich herausgestellt, dass sich dadurch die Genau- igkeit bei der Schätzung erhöhen lässt, wodurch der erhöhte Aufwand bezüglich der parallelen Betriebsweise gerechtfertigt wird. H ierbei werden vorzugsweise mehrere Kalman-Filter mit unterschiedlichen Eigenschaften initialisiert.
Außerdem ist es bei einem Verfahren gemäß der vorliegenden Erfindung möglich, dass das rekursive, zeitreihenbasierte Verfahren ein RLS-Verfahren aufweist. D.h., zur Schätzung von Amplitude und/oder Phase des harmonischen Strom- und Span- nungssignals wird ein RLS-Verfahren verwendet bzw. durchgeführt. Unter einem RLS-Verfahren ist ein Recursive-Least-Squares-Verfahren oder ein Verfahren unter Verwendung eines Recursive-Least-Squares-Algorithmus zu verstehen. Unter Ver- wendung des RLS-Verfahrens haben sich bei Versuchen im Rahmen der vorliegen- den Erfindung ebenfalls besonders genaue Analyseergebnisse hinsichtlich der Schätzung feststellen lassen. Bei dem RLS-Verfahren wird vorzugsweise nur ein ein- zelner Skalar bzw. Vergesslichkeitsfaktor verwendet, um den Parameter und/oder den Algorithmus zu tunen. Durch diesen insbesondere nur einen einzigen (leicht in- terpretierbarer) Tuningparameter ist ein schnelles Tunen für störungsfreie Messun- gen möglich. Durch weniger Freiheitsgrade kann es sein, dass sich im Allgemeinen jedoch in einem gestörten Fall das Antwortsignal zumindest nicht in einer einfachen Art und Weise extrahieren lässt.
Gemäß einer weiteren Verfahrensvariante der vorliegenden Erfindung wird für die Zustandsermittlung ein Messaufbau verwendet und das Eigenrauschen des
Messaufbaus während der Schätzung auf über -80 dBV eingestellt. Besonders be- vorzugt ist es, wenn für die Zustandsermittlung ein Messaufbau verwendet wird, des- sen Eigenrauschen während der Schätzung nach Möglichkeit weniger als -60 dBV beträgt. Die Grenze von -80 dBV hat sich als ausreichend niedrig herausgestellt, um aussagekräftige Ergebnisse zu erlangen und trotzdem keinen zu hohen bzw. kosten- intensiven Aufwand hinsichtlich des Messaufbaus betreiben zu müssen.
Weiter kann es von Vorteil sein, wenn bei einem erfindungsgemäßen Verfahren wäh- rend der Schätzung zumindest zeitweise eine Fast Fourier Transformation zur Loka- lisierung von Frequenzbereichen, in welchem die Schätzung stattfindet, durchgeführt wird. Unter zumindest zeitweise wird im Rahmen der Erfindung insbesondere zumin- dest in periodischen Abständen verstanden. Die Schätzung kann jedoch vorteilhaft aus fortlaufend durchgeführt werden. Durch die ergänzende FFT kann die Schätzung gezielt und dadurch entsprechend aussagekräftig durchgeführt werden. Die ergän- zende FFT führt ferner zu einer vorteilhaften Aktualisierung von bekannten Frequen- zen. Dies ist ein vorteilhafter Kompromiss zwischen einer Verwendung von erweiter- ten Filtern und komplexen nicht-linearen Modellen bei unbekannten Ausgangsfre- quenzen. Sind die Anregungsfrequenzen bekannt, reicht ein lineares Modell für eine genaue Schätzung aus. Ein solches lineares Modell erfordert nur wenig Rechenauf- wand. Sind die Anregungsfrequenzen allerdings unbekannt oder unterliegen einem sogenannten„Drift“, führt diese nun variierende Frequenz zu einem nicht-linearen Modell. Dadurch ist eine gleichzeitige Schätzung von Amplitude, Phase und Fre- quenz in einem Schritt nur mehr über beispielsweise erweiterte (extended) Kalman Filter (oder anderen nicht-linearen Schätzverfahren) möglich, was jedoch mit einem erhöhten Rechenaufwand einhergeht und unter Umständen nicht mehr on-line fähig ist.
Günstig ist es, wenn nach der erfolgten Schätzung von Amplitude und/oder Phase des harmonischen Strom- und/oder Spannungssignals ein restlicher Signalanteil wei- ter ausgewertet wird. Nach der Bestimmung der vorgegebenen harmonischen Anteile durch das rekursive, zeitreihenbasierte Verfahren (beispielsweise RLS- oder KF- Verfahren) kann noch ein sonstiger oder restlicher Signalanteil übrigbleiben. Dieser wird dann weiter ausgewertet, um zusätzliche Informationen über den Betriebszu- stand abzuleiten.
Darüber hinaus kann es von Vorteil sein, wenn die Zustandsermittlung im Rahmen eines Online-Diagnoseverfahrens durchgeführt wird. Der elektrochemische Reaktor ist beispielsweise in Form eines Brennstoffzellensystems, insbesondere eines PEM- Brennstoffzellensystems bzw. eines Niedertemperatur-Brennstoffzellensystems aus- gestaltet. D.h., erfindungsgemäß kann der Zustand eines Brennstoffzellensystems entsprechend ermittelt werden. Darüber hinaus kann der elektrochemische Reaktor auch als Elektrolyseur oder als Batterie ausgebildet sein.
Gemäß einem weiteren Aspekt der vorliegenden Erfindung wird ein Diagnosesystem zur Zustandsermittlung eines elektrochemischen Reaktors vorgeschlagen. Das Diag- nosesystem weist eine Schätzvorrichtung zur modelbasierten Schätzung von
Amplitude und/oder Phase eines harmonischen Strom- und/oder Spannungssignals eines Elektrodenabschnitts des elektrochemischen Reaktors für die Zustandsermitt- lung des elektrochemischen Reaktors auf, wobei die Schätzvorrichtung für die Schätzung von Amplitude und/oder Phase des harmonischen Strom- und/oder Spannungssignals konfiguriert und ausgestaltet ist, ein rekursives, zeitreihenbasier- tes Verfahren zu verwenden. Damit bringt ein erfindungsgemäßes Diagnosesystem die gleichen Vorteile mit sich, wie sie ausführlich mit Bezug auf das erfindungsgemä- ße Verfahren beschrieben worden sind.
Zudem ist es bei einem erfindungsgemäßen Diagnosesystem möglich, dass dieses zur Zustandsermittlung gemäß einem wie vorstehend im Detail beschriebenen Ver- fahren konfiguriert und ausgestaltet ist. So kann die Schätzvorrichtung konfiguriert und ausgestaltet sein, eine wie vorstehend beschriebene Kalman-Filterung und/oder ein RLS-Verfahren anzuwenden.
Weiterhin wird erfindungsgemäß ein Computerprogrammprodukt vorgeschlagen, das auf einem Speichermittel gespeichert und zur Durchführung eines wie vorstehend beschriebenen Verfahrens konfiguriert und ausgestaltet ist. Zudem wird ein Spei- chermittel bereitgestellt, auf welchem ein solches Computerprogrammprodukt ge- speichert ist. Demnach bringen das erfindungsgemäße Computerprogrammprodukt sowie das Speichermittel ebenfalls die vorstehend dargestellten Vorteile mit sich.
Das Computerprogrammprodukt kann als computerlesbarer Anweisungscode in je- der geeigneten Programmiersprache wie beispielsweise in JAVA oder C++ imple- mentiert sein. Das Com puterprogramm produkt kann auf dem computerlesbaren Speichermittel wie einer Datendisk, einem Wechsellaufwerk, einem flüchtigen oder nichtflüchtigen Speicher, oder einem eingebauten Speicher/Prozessor abgespeichert sein. Der Anweisungscode kann einen Computer oder andere programmierbare Ge- räte, beispielsweise ein Steuergerät des Diagnosesystems, derart programmieren, dass die gewünschten Funktionen ausgeführt werden. Ferner kann das Computer- program m produkt in einem Netzwerk wie beispielsweise dem Internet bereitgestellt werden bzw. sein, von dem es bei Bedarf von einem Nutzer heruntergeladen werden kann. Das Computerprogrammprodukt kann sowohl mittels eines Computerpro-
gramms, d.h. einer Software, als auch mittels einer oder mehrerer spezieller elektro- nischer Schaltungen, d.h. in Flardware, oder in beliebig hybrider Form, d.h. mittels Software-Komponenten und Flardware-Komponenten, realisiert werden bzw. sein.
Weitere, die Erfindung verbessernde Maßnahmen ergeben sich aus der nachfolgen- den Beschreibung zu verschiedenen Ausführungsbeispielen der Erfindung, welche in den Figuren schematisch dargestellt sind. Sämtliche aus den Ansprüchen, der Be- schreibung oder der Zeichnung hervorgehende Merkmale und/oder Vorteile, ein- schließlich konstruktiver Einzelheiten und räumlicher Anordnungen können sowohl für sich als auch in den verschiedenen Kombinationen erfindungswesentlich sein. Es zeigen jeweils schematisch:
Figur 1 ein Blockschaltbild zum Erläutern eines erfindungsgemäßen Diagnosesys- tems,
Figur 2 ein Flussdiagramm zum Erläutern eines Verfahrens gemäß einer erfin- dungsgemäßen Ausführungsform, Figur 3 ein Flussdiagramm zum Erläutern eines Verfahrens gemäß einer erfin- dungsgemäßen Ausführungsform für Systeme mit unbekannter oder zeit- lich veränderlicher Anregung,
Figur 4 ein Flussdiagramm zum Erläutern eines Verfahrens gemäß einer erfin- dungsgemäßen Ausführungsform für Systeme mit variablem oder verän- derlichem stark dynamischem Antwortverhalten,
Figur 5a ein Diagramm zum Erläutern des Unterschieds in der Qualität der Mes- sung in gestörter Testumgebung zwischen einer erfindungsgemäßen Schätzung und einer Schätzung mittels FFT,
Figur 5b einen Ausschnitt aus Figur 5a, Figur 6 ein weiteres Diagramm zum Erläutern des Unterschieds in der Qualität der
Messung in gestörter Testumgebung zwischen einer erfindungsgemäßen Schätzung und einer Schätzung mittels FFT,
Figur 7 a und 7b Diagramme zum Erläutern des Unterschieds zwischen einer er- findungsgemäßen Schätzung einer harmonischen und einer Schätzung mittels FFT.
In Fig. 1 ist schematisch ein erfindungsgemäßes Diagnosesystem 3 zur Zustandser- mittlung eines elektrochemischen Reaktors 1 in Form eines Blockschaltbildes darge- stellt. Das Diagnosesystem 3 weist eine Schätzvorrichtung 4 zur modelbasierten Schätzung von Amplitude und/oder Phase eines harmonischen Strom- und Span- nungssignals eines Elektrodenabschnitts 2 des elektrochemischen Reaktors 1 für die Zustandsermittlung des elektrochemischen Reaktors 1 auf, wobei die Schätzvorrich- tung für die Schätzung von Amplitude und/oder Phase des harmonischen Strom- und Spannungssignals konfiguriert und ausgestaltet ist, ein rekursives, zeitreihenbasier- tes Verfahren zu verwenden. Der in Fig. 1 dargestellte elektrochemische Reaktor 1 soll in Form eines Zellstapels ausgebildet sein (z. B. eines Batteriestapels), welcher beispielsweise Bestandteil einer mobilen Anwendung sein kann.
Das in Fig. 1 dargestellte Diagnosesystem 3 weist ferner ein Speichermittel 6 mit ei- nem darauf gespeicherten Com puterprogramm produkt 5 auf. Das Computerpro- grammprodukt ist zur Durchführung eines wie anschließend im Detail beschriebenen Verfahrens konfiguriert und ausgestaltet.
Mit Bezug auf das in Fig. 2 dargestellte Flussdiagramm wird nun ein Verfahren zur Zustandsermittlung des elektrochemischen Reaktors 1 erläutert. In einem ersten Schritt S1 wird zunächst der Elektrodenabschnitt 2 des elektrochemischen Reaktors 1 betrieben, während darauf ein harmonisches Stromsignal oder Spannungssignal- eingeprägt wird. In einem zweiten Schritt S2 wird durch die Strom- oder Spannungs- einprägung ein entsprechend harmonisches Spannungs- oder Stromsignal durch den Elektrodenabschnitt 2 generiert (Antwortsignal). Anschließend wird in einem dritten Schritt S3 eine modelbasierte Schätzung von Amplitude und Phase des harmoni- schen Strom- oder Spannungssignals bzw. des Antwortsignals durchgeführt, wobei auf Basis der Schätzung der Zustand des elektrochemischen Reaktors 1 ermittelt wird. Zur Schätzung von Amplitude und Phase des harmonischen Strom- und Span- nungssignals wird ein rekursives, zeitreihenbasiertes Verfahren verwendet. Dieses Verfahren wird angewendet, wenn die Frequenzen der externen Anregung bekannt sind. Dabei ist das Antwortverhalten des Elektrodenabschnittes 2 statisch. Die Fre- quenzen der relevanten harmonischen Signale sind bekannt.
Für die Zustandsermittlung wird ein Messaufbau verwendet, wobei das Eigenrau- schen des Messaufbaus während der Schätzung auf über -80 dBV eingestellt wird.. Die Zustandsermittlung wird im Rahmen eines Online-Diagnoseverfahrens durchge- führt.
In einer weiteren Ausprägungsform der Schätzeinrichtung wird ein FFT-Algorithmus mit dem rekursiven, zeitreihenbasierten Verfahren kombiniert. Dies ist in Fig. 3 ge- zeigt. Dabei wird der Elektrodenabschnitt 2 neben bekannten Anregungsfrequenzen noch mit unbekannten oder veränderlichen Frequenzen angeregt. Die vorgeschlage- nen rekursiven Filterverfahren beinhalten in ihrer klassischen Ausprägung keine Ana- lyse des derzeitigen Frequenzspektrums des zu untersuchenden Signals. Jedoch müssen die Frequenzen der auszuwertenden harmonischen Anteile bei der Paramet- rierung des Filters angegeben werden; dies ist bei bekannten Anregungsfrequenzen und bekannter typischer Antwortcharakteristik leicht möglich. Ändern sich jedoch die Frequenzen der Einprägung und/oder des Antwortsignals, so muss das jeweilige Frequenzspektrum on-line ermittelt werden. Bei der on-line Berechnung des Fre- quenzspektrums mittels FFT handelt es sich dabei nicht um eine quantitative (fehler- anfällige) Berechnung der jeweiligen Amplitudenhöhen, sondern um eine Ermittlung der Frequenzen von - für die Zustandsüberwachung des Elektrochemischen Reak- tors 1 bedeutsamen - frequenzdriftenden Signalanteilen (harmonischen Signalantei- len). In diesem Fall ist es notwendig, zur Parametrierung der Amplituden- und Pha- senschätzung die Frequenzlagen der Signale fortlaufend zu ermitteln.
Fig. 4 zeigt einen weiteren Anwendungsfall mit stark dynamischem Verhalten der re- levanten Amplituden und Phasen, wobei die Phasen und Amplituden parallel mit un- terschiedlich konfigurierten Schätzern geschätzt werden.
Sowohl eine Kalman-Filterung als auch ein RLS-Verfahren sind im Stand der Technik als Solche grundsätzlich bekannt und sollen deshalb zur Vermeidung unnötiger Aus- führungen nicht vollumfänglich beschrieben werden. Anschließend werden deshalb nur ausgewählte Beispiele für Verfahrensabschnitte einer Kalman-Filterung sowie eines RLS-Verfahrens dargestellt.
Anwendung eines RLS-Verfahrens:
Signal wird anhand von Summe harmonischer Signale geschätzt:
Partitionierung von Regressormatrix und Signalvektor für neuen Wert zur Zeit k+1 :
Weiterführung zu einer rekursiven Variante der Least-Square-Schätzung:
Der Skalar l wir dabei verwendet, um die Wichtigkeit von neuen Daten im Vergleich zu alten Daten zu gewichten, d.h., um das Reaktionsvermögen zu tunen bzw. zu steigern.
Anwendung einer Kalman-Filterung: Im vorliegenden Beispiel liegt ein dynamisches Model mit unbekannten Parametern vor, wobei angenommen wird, dass sich die Parameter nur langsam verändern, wo- bei ein stochastisches Prozessrauschen vorhanden ist (w(k)). Das stochastische Prozessrauschen ermöglicht die Zeitvariante Schätzung der Parameter. Der Rausch- prozess gemäß (8) ist somit essenziell.
Die Kovarianzmatrix des Prozessrauschens ist dabei neben der Kovarianz des Mess- rauschens ein Tuningparameter des Kalmanfilters.
Dabei ist E{w(k)T w(k)} der Erwartungswert und Q die Kovarianzmatrix des Prozess- rauschens.
Das Schema ist ähnlich wie bei dem vorstehend dargestellten RLS-Verfahren, wobei der Kalman-Filter-Gain unter Verwendung der Kovarianz von Prozess- und Messrau- schen, welche als Tuningparameter verwendet werden, bestimmt wird. Allerdings ist die Gleichung (1 ) um einen (linearen) Störterm erweitert, wodurch eine Filterung von
Störgeräuschen ermöglicht ist. Das Prozessrauschen ist beim Kalmanfilter essenzi- ell, da es sich bei der Kovarianz des angenommenen Prozessrauschens um den maßgeblichen Tuningparameter handelt, der u. A. auch die Isolation von Stör- und Antwortsignal ermöglicht. Die zusätzlichen Freiheitsgrade im Tuning des Kalmanfil- ters erlauben eine Kalibration und Gewichtung von Antwort- und Störsignalen.
Mit Bezug auf Fig. 5a, 5b und 6 wird der Unterschied zwischen einer Schätzung B einer harmonischen Amplitude A mittels Kalman-Filterung und einer Schätzung D un- ter Verwendung einer FFT dargestellt. Im dargestellten Diagramm ist die Amplitude über die Zeit in Sekunden aufgetragen. Wie anhand des Diagramms in Fig. 5a und 5b (in Fig. 5b ist ein Ausschnitt gemäß Fig. 5a gezeigt) zu erkennen, ist die Schät- zung B unter Verwendung der Kalman-Filterung deutlich näher am tatsächlichen Signal der harmonischen Amplitude A als die Schätzung D unter Verwendung einer FFT. In Fig. 5a und 5b ist ein inhärenter Schätzungsbias (Leck-Effekt) der FFT ge- zeigt, welcher durch die Kalmanfilterung verhindert wird. Im Gegensatz dazu tritt im Beispiel gemäß Fig. 4 kein Leck-Effekt in der FFT auf, da die Anregungsfrequenz mit einem Frequenzgitterpunkt der FFT zusammen fällt. Dies wurde jedoch im Beispiel der Fig. 6 künstlich erzeugt; praktisch ist ein Eintreten eines solchen Falles sehr un- wahrscheinlich. Erneut ist die schnellere Konvergenz der Kalmanfilterung gegenüber der FFT ersichtlich. Fig. 7a und 7b zeigt die Mächtigkeit der neuen Methode mittels Kalman-Filter (Fig.
7b) im Vergleich zur bekannten, reinen FFT-Methode (Fig. 7a) in rauer Umgebung, wobei das Störsignal isoliert wurde.
Die Erfindung lässt neben den dargestellten Ausführungsformen weitere Gestal- tungsgrundsätze zu. D.h., die Erfindung soll nicht auf die dargestellten Ausführungs- formen beschränkt betrachtet werden.
Bezugszeichenliste
1 Elektrochemischer Reaktor
2 Elektrodenabschnitt
3 Diagnosesystem
4 Schätzvorrichtung
5 Computerprogrammprodukt
6 Speichermittel
A Tatsächliches Signal
B Schätzung unter Verwendung eines RLS-Verfahrens
C Schätzung unter Verwendung einer Kalman-Filterung
D Schätzung unter Verwendung einer FFT