Sprengstoff
Die Erfindung betrifft einen Sprengstoff.
Bei bekannten modernen Sprengstoffen, wie beispielsweise Trinitrotoluol (TNT) oder Hexogen (HMX) werden zu deren Herstellung Nitrogruppen, das heißt NO2-Gruppen, in ein kohlenstoff- und stickstoffhaltiges organisches Molekül durch eine Nitrierungsreaktion eingebaut. Auf diese Weise wird der für die Verbrennung beziehungsweise für die explosionsartige Umsetzung des Sprengstoffs notwendige Sauerstoff in der wirksamen chemischen Verbindung des Sprengstoffs selbst verankert. Die sogenannten Sprengstoffe sind sehr energiereich und sind mit weiteren Sprengstoffen, wie zum Beispiel Octogen (RDX), in vielen Applikationen im industriellen Einsatz.
Ein Nachteil dieser Sprengstoffe besteht darin, dass die Sprengstoffe selbst sehr giftig sind, wobei beispielsweise TNT bei Hautkontakt allergische Reaktionen auslösen kann und Hexogan sogar eine karzinogene Wirkung hat.
Zudem ist nachteilig, dass derartige Sprengstoffe, wie zum Beispiel TNT, keine ausgeglichene Sauerstoff-Kohlenstoff Bilanz aufweisen, und dass die Ausgangsstoffe zur Herstellung der Sprengstoffe gefährlich sind.
Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, einen hochenergetischen, leicht handhabbaren Sprengstoff bereitzustellen, der in vielen industriellen Applikati- onen einsetzbar ist.
Zur Lösung dieser Aufgabe sind die Merkmale des Anspruchs 1 vorgesehen. Vorteilhafte Verwendungen, Varianten, Ausfuhrungsformen und Weiterbildungen der Erfindung sind in den Ansprüchen 2 bis 7 beschrieben.
Der erfindungsgemäße Sprengstoff enthält als wirksame chemische Verbin- düng 2,6, 10-Trinitro-s-heptazin und/oder dessen Derivate.
Die wirksame chemische Verbindung kann generell einen Sprengstoff oder einen Bestandteil des Sprengstoffs bilden.
Dabei kann im erfindungsgemäßen Sprengstoff, alternativ oder zusätzlich zu 2,6,10-Trinitro-s-heptazin, als chemisch wirksame Verbindung 2-Amino-6,10- dinitro-s-heptazin oder 2,6-Diamino-lO-nitro-s-heptazin, das heißt Derivate von 2,6,10-Trinitro-s-heptazin, vorgesehen sein.
Ein wesentlicher Vorteil von 2,6,10-Trinitro-s-heptazin als chemisch wirksame Verbindung in dem erfindungsgemäßen Sprengstoff besteht darin, dass diese eine vollkommen ausgeglichene Sauerstoff-Kohlenstoff-Bilanz aufweist. Bei Initiierung eines Zerfalls des Sprengstoffs zersetzt sich 2,6,10-Trinitro-s- heptazin, dessen Summenformel C6 Nio O6 lautet, quantitativ in Kohlenmono- xid (CO) und Stickstoff gemäß der Beziehung
C6 N10 O6 → 6 CO + 5 N2
Diese komplette Zersetzung in thermodynamisch stabile Gase macht 2,6,10- Trinitro-s-heptazin zu einer chemisch wirksamen Verbindung mit hohem Energiepotential. Somit ist 2,6,10-Trinitro-s-heptazin, ebenso wie auch seine Derivate, ein hochexplosiver Sprengstoff, der in einem breiten Anwendungsfeld, insbesondere auch als Treibladung, einsetzbar ist.
Besonders vorteilhaft kann der erfindungsgemäße Sprengstoff, bestehend aus den vorgenannten chemisch wirksamen Verbindungen, auch als Gasgenerator
eingesetzt werden. Derartige Gasgeneratoren werden beispielsweise im Fahrzeugbau, beispielsweise zur Herstellung von Airbags, Gurtstraffersystemen und dergleichen verwendet.
Derartige Einsatzfalle des erfiridungsgemäßen Sprengstoffs sind insbesondere auch deshalb möglich, da die chemisch wirksamen Verbindungen nicht giftig, gefahrlos und einfach handhabbar sind.
Ein weiterer wesentlicher Vorteil der Erfindung besteht darin, dass zur Herstellung von 2,6,10-Trinitro-s-heptazin und/oder seiner Derivate 2-Amino-6,10- dinitro-s-heptazin und 2,6-Diamino-lO-nitro-s-heptazin chemisch inerte und toxikologisch unbedenkliche Stoffe verwendet werden können.
Als Ausgangsstoff für diese chemisch wirksame Verbindung kann einerseits Triamino-s-heptazin, bekannt unter dem Namen Meiern, verwendet werden. Andere Bezeichnungen für Meiern sind Triamino-tri-s-triazine, Cyamellurtria- mide oder 1, 3, 4, 6, 7, 9, 9b - Heptaazaphenalene-2,5,8-triamine.
Ein weiterer möglicher Ausgangsstoff für die chemisch wirksame Verbindung des erfindungsgemäßen Sprengstoffs ist das Polymerisat des 2,6,10-Triamino- s-heptazins, bekannt unter dem Namen Melon.
Besonders vorteilhaft eignet sich als Ausgangsstoff für die erfindungsgemäße chemisch wirksame Verbindung das unter dem Markennamen REGl ® von der Firma HEF-Durferrit GmbH, Mannheim (DE) hergestellte und vertriebene Regenerierungsmittel für Nitrocarburiersalzbäder, welches ein Gemisch von Melon und Meiern enthält.
Ein wesentlicher Vorteil von Meiern, Melon und auch von REG1® besteht darin, dass diese Stoffe chemisch inert und ungiftig sind.
Generell wird zur Herstellung von 2,6,10-Trinitro-s-heptazin oder seiner Derivate Meiern, Melon oder REG1® unter Einsatz von geeigneten nitrierenden Reagenzien nitriert. Im Falle, dass REG1® als Ausgangsstoff verwendet wird, wird bei der Nitrierung eine Mischung von 2,6,10-Trinitro-s-heptazin, dessen Derivaten und einer weiteren chemisch wirksamen Verbindung erhalten, die sich generell bei Behandlung von REGl ® mit Nitriersäure oder nitrierenden Reagenzien ergibt, und welche im Folgenden Nitromelon genannt wird.
Dieses Nitromelon als neuartige chemisch wirksame Verbindung kann allein oder in Mischung mit 2,6,10-Trinitro-s-heptazin und dessen Derivaten als che- misch wirksame Verbindung in dem erfindungsgemäßen Sprengstoff eingesetzt werden.
Dabei weist Nitromelon weitgehend Eigenschaften auf, die denen von 2,6,10- Trinitro-s-heptazin und seinen Derivaten entsprechen.
Die Erfindung wird im Folgenden anhand von Beispielen und Darstellungen erläutert. Dabei zeigen:
Figur 1 : Strukturformel von Trinitro-s-heptazin.
Figur 2: Strukturformel von Triamino-s-heptazin.
Figur 3: Strukturformel von Trikalium-Cyamellurat.
Figur 4: Strukturformel von Cyamellursäure.
Figur 5: Strukturformel von Trichlor-s-heptazin (Trichlorcyamellurate).
Figur 6: Nitrierung von Trichlor-s-heptazin.
Figur 7: Strukturformel von Melon.
Figur 8: Strukturformel von Nitromelon.
Figur 1 zeigt die Strukturformel von 2,6,10-Trinitro-s-heptazin, welches als chemisch wirksame Verbindung im erfindungsgemäßen Sprengstoff zum Einsatz kommt. Alternativ oder zusätzlich können auch die Derivate von 2,6,10- Trinitro-s-heptazin, nämlich 2-Amino-6,10-dinitro-s-heptazin und 2,6- Diamino-10-nitro-s-heptazin, als chemisch wirksame Verbindung des erfindungsgemäßen Sprengstoffs eingesetzt werden.
Diese chemisch wirksame Verbindung bildet einen Sprengstoff mit hohem Energiepotential und ausgeglichener Sauerstoff-Kohlenstoffbilanz, wobei sich diese bei einer Explosion des Sprengstoffs vollständig in Kohlenmonoxid und Stickstoff umsetzen. Damit bildet die chemisch wirksame Verbindung Treibmittel und insbesondere Gasgeneratoren, die beispielsweise für Airbags eingesetzt werden können.
Das 2,6,10-Trinitro-s-heptazin ist durch Nitrierung von 2,6,10-Trinitro-s- heptazin bekannt als Meiern oder Triamino-tri-s-triazine, herstellbar.
Figur 2 zeigt die Strukturformel von Meiern. Die Nitrierung von Meiern erfolgt unter Anwendung bekannter Nitrierungsreaktionen, wie sie etwa beschrieben sind in Organikum, Wiley VCH, Weinheim 2001 (ISBN 3-527-29985-8), Seiten 188 ff und 358-361. In dieser Veröffentlichung werden als Substanzen, die das Nitrylkation NO2 + liefern, insbesondere Salpetersäure oder Nitriersäure (ein Gemisch aus Salpetersäure und Schwefelsäure) erwähnt. Die Substanzen 2- Amino-6, 10-dinitro-s-heptazin und 2,6-Diamino-lO-nitro-s-heptazin sind in ähnlicher Weise durch unvollständige beziehungsweise abgebrochene Nitrierung herstellbar. Eine andere Synthesemöglichkeit besteht in der Diazotierung und anschließenden Nitrierung des 2,6, 10-Triamino-s-heptazins.
Anstelle von Meiern, das in reiner Substanz nur schwer zugänglich ist (Juer- gens, Irran et al., J.Am.Chem.Soc.2003 125 (34) 10288-10300) kann als Aus-
gangsstoff für die genannten chemisch wirksamen Verbindungen auch REG1®, ein organisches Regenerierungsmittel für Nitrocarburiersalzbäder der Firma HEF - Durferrit GmbH / Mannheim (DE), eingesetzt werden. REG1® ist ein Gemisch aus Melon, einem Polymerisat des Triamino-s-heptazins der Brutto- formel [C6H3Ng]x und Meiern.
Die Strukturformel von Melon ist in Figur 7 dargestellt. Die chemisch wirksamen Verbindungen werden durch Nitrierung von REGl ® hergestellt, wobei auch hier die vorgenannten Nitrierungsreaktionen zum Einsatz kommen können.
Als alternativer Ausgangsstoff zur Herstellung des erfindungsgemäßen 2,6,10- Trinitro-s-heptazins kann Trikaliumcyamellurat (Figur 3), das Tri-Kaliumsalz der Cyamellursäure oder andere Alkalisazle der Cyammellursäure (Figur 4), zum Beispiel das Natrium- oder Lithiumsalz, verwendet werden. Trikaliumcyamellurat hat die Bruttoformel K3C6N7O3. Man erhält Trikaliumcyamellurat durch 24 stündiges Kochen von REG1® oder von Melon in konzentrierter Kalilauge in sehr guter Ausbeute. Es enthält in kristallisierter, ungetrockneter Form Kristallwasser, das durch Erhitzen im Vakuum entfernt werden kann. Bei der Umsetzung von REG1® mit Alkalihydroxid werden die in REG1® enthaltenen C-NH-C beziehungsweise C-N-C-Brücken des Bestandteils Melon ge- spalten, das energiereiche s-Heptazin-System „C6N7" (alternative Bezeichnung: Tri-s-triazin-System oder Cyamellur-System) bleibt aber erhalten. Auf diese Weise kann man aus Melon eine relativ große Menge des energiereichen Tri-s-triazin-Systems in Form des Alkali-Salzes der Cyammelursäure gewinnen. Die Herstellung von K3C6N7O3 ist beschrieben bei: Kroke et al., New. J. Chem., 2002 (26) 508 - 512. Aus K3C6N7O3 kann dann das 2,6,10-Trinitro-s- heptazin durch folgende Nitrierungsreaktion hergestellt werden:
C6N7(OK)3 + 6 HNO3 → C6N7(NOa)3 + 3 KNO3 + 3 H2O + 3/2 O2
Das erfindungsgemäße 2,6,10-Trinitro-s-heptazin kann auch aus dem Chlorid der Cyamellursäure synthesiert werden, indem die Chloratome durch Nitro- Gruppen substituiert werden (Figuren 5 und 6). Cyamellursäurechlorid (Trich- lor-tri-s-triazin) erhält man durch Umsetzung des Alkali-Salzes der Cyamellur- säure mit PC15. Die Herstellung von Cyamellursäurechlorid (C6N7Cl3) ist bei Kroke et al., New. J. Chem., 2002 (26) 508 - 512 beschrieben sowie in Schroeder und Kober, J. Org. Chem. 1962 (27) 4262-4266.
Weitere potentielle Ausgangsstoffe für die Herstellung von Trinitro-tri-s-triazin durch Nitrierung findet man bei Horvath-Bordon, Kroke et. al., Dalton Trans., 2004, 3900-3908.
Figur 8 zeigt die Strukturformel einer weiteren chemisch wirksamen Verbindung, im Folgenden Nitromelon genannt, welche alternativ oder zusätzlich zu den bisher genannten chemisch wirksamen Verbindungen, 2,6,10-Trinitro-s- heptazin, 2-Amino-6,10-dinitro-s-heptazin und 2,6-Diamino-10-nitro-s- heptazin, im erfindungsgemäßen Sprengstoff zum Einsatz kommen kann.
Der Name Nitromelon ist in Anlehnung an die Bezeichnung von Nitrocellulose gewählt.
Nitromelon kann durch bekannte Nitrierungsreaktionen erhalten werden, indem man Nitriersäure oder nitrierende Reagenzien, zum Beispiel Acerylnitrat oder - arbeitstechnisch sicherer - ein Gemisch aus Essigsäureanhydrid, in wasserfreier Essigsäure unter Zusatz von konzentrierter Salpetersäure bei guter Kühlung auf REG1® einwirken lässt.
Je nach spezifischem Prozessablauf der Nitrierung von REGl ® wird ein Gemisch von Nitromelon und 2,6,10-Trinitro-s-heptazin und seinen Derivaten erhalten, wobei dieses Gemisch als Sprengstoff verwendet werden kann.