Verfahren und Fahrzeugassistenzsystem zur Verhinderung von Kollisionen oder Verminderung der Kollisionsstärke eines
Fahrzeugs
Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren und ein Fahrzeugassistenzsystem zur Verhinderung von Kollisionen oder Verminderung der Kollisionsstärke eines Fahrzeugs.
Zur Vermeidung von Kollisionen von Fahrzeugen, insbesondere Kraftfahrzeugen, bzw. zur Verminderung der Kollisionsstärke, sind Verfahren und Vorrichtungen bekannt, welche bei der Be¬ wertung der über Sensoren generierten Umgebungsinformationen lediglich auf das die Hauptgefährdüng darstellende Objekt, z.B. ein Fahrzeug, das Hauptaugenmerk richtet. Ein solches automatisches Bremssystem eines Radmotorfahrzeugs ist in der EP 1 323 603 A2 beschrieben.
Dieses bekannte System weist einen Kollisionsvermeidungsbeur- teilungsabschnitt auf, welcher auf einer relativen Verbindung zwischen dem eigenen Fahrzeug und einem voranfahrenden Fahr¬ zeug basiert. Auf jener Basis wird eine Beurteilung ausge¬ führt, ob eine mögliche Kollision durch die Betätigung des Lenkrades und eines Bremspedals vermeidbar ist oder nicht.
Darüber hinaus verfügt dieses bekannte System über einen KoI- lisionsvermeidungsschätzabschnitt, welcher basierend auf der
relativen Verbindung eine Schätzung ausführt, ob nach dem Ab¬ lauf einer vorbestimmten Zeit von der Zeit der Detektion der relativen Verbindung eine mögliche Kollision durch Betätigen zumindest des Lenkrades und/oder des Bremspedals vermeidbar ist. Wenn der Kollisionsvermeidungsschätzabschnitt schätzt, dass die mögliche Kollision vermeidbar ist, wird eine niedri¬ gere Bremskraft erzeugt, und wenn der Kollisionsvermeidungs- beurteilungsabschnitt beurteilt, dass die mögliche Kollision unvermeidbar ist, wird eine höhere Bremskraft erzeugt. Bei der Abschätzung bzw. Beurteilung der Verkehrssituation wird dabei jedoch lediglich das vorausfahrende bzw. vorangehende Fahrzeug erfasst und fließt bei der Beurteilung der Verkehrs- Situation mit ein.
Es ist deshalb Aufgabe der vorliegenden Erfindung, ein Ver¬ fahren und ein Fahrzeugassistenzsystem zur Verhinderung von Kollisionen oder Verminderung der Kollisionsstärke eines Fahrzeugs bereitzustellen, wodurch die Sicherheit der Fahr- zeuginsassen weiter gesteigert wird.
Erfindungsgemäß wird diese Aufgabe durch ein Verfahren mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 und ein Fahrzeugassis¬ tenzsystem mit den Merkmalen des Patentanspruchs 15 gelöst.
Die der vorliegenden Erfindung zugrundeliegende Idee besteht insbesondere darin, Informationen über das Umfeld des Fahr¬ zeugs, nicht nur über ein die Hauptgefährdung darstellendes Objekt bzw. Fahrzeug, zu nutzen. Diese Umfeldinformationen werden erfasst und bewertet, um explizit bekannte Freiräume zum Ausweichen gegebenenfalls unter Reduktion der Geschwin¬ digkeit des Fahrzeugs oder explizit bekannte Objekte bzw. Fahrzeuge, die ein Ausweichen in eine bestimmte oder eine be¬ liebig mögliche Richtung ausschließen, zu identifizieren.
Dadurch wird das Eingreifen eines Fahrzeugassistenzsystems beispielsweise durch Warnhinweise an den Fahrer oder durch konkrete Brems- und/oder Lenkeingriffe umfassend an eine aku¬ te Verkehrssituation angepasst.
In der vorliegenden Erfindung wird das eingangs erwähnte Problem insbesondere dadurch gelöst, dass ein Verfahren zur Verhinderung von Kollisionen oder Verminderung der Kollisi¬ onsstärke eines Fahrzeugs mit den Schritten bereitgestellt wird:
Erfassen zumindest der Geschwindigkeit und Bewegungsrich¬ tung des Fahrzeugs als Bewegungsgrößen des Fahrzeugs; Detektieren der Lage von Objekten im Fahrzeugumfeld; Erfassen zumindest der Geschwindigkeit und der Bewegungs- richtung der Objekte relativ zum Fahrzeug als Bewegungs¬ größen der Objekte;
- Vorausberechnen der zukünftigen Lage der Objekte relativ zum Fahrzeug anhand der erfassten Bewegungsgrößen; Bewerten der gegenwärtigen und zukünftigen Lage der Objek¬ te relativ zum Fahrzeug; und
- Ausgabe einer Warnung an den Fahrer, um ihn zum Lenken und/oder Bremsen des Fahrzeugs aufzufordern, oder Durch¬ führung eines automatischen Lenk- und/oder Bremseingriffs durch ein Assistenzsystem des Fahrzeugs in Abhängigkeit der vorangehenden Bewertung, wenn eine Kollision mit einem Objekt gemäß der vorangehenden Bewertung ohne Systemein¬ griff unausweichlich ist.
In den Unteransprüchen finden sich vorteilhafte Weiterbildun¬ gen und Ausgestaltungen des vorliegenden Erfindungsgegenstan¬ des.
Gemäß einer bevorzugten Weiterbildung erfolgt die Vorausbe¬ rechnung der zukünftigen Lage der Objekte relativ zum Fahr-
zeug mittels eines rekursiven Filters, insbesondere mittels eines Kaiman-Filters. Der Einsatz eines Kaiman-Filters zur Prädiktion der Bewegung eines Fahrzeugs bzw. eines Objektes ermöglicht eine einfach realisierbare Vorausberechnung. Neben einem herkömmlichen Kaiman-Filter ist auch der Einsatz ande¬ rer Tracking und Filterverfahren denkbar, beispielsweise der Einsatz von so genannten Extended Kaiman-Filtern, Unscented Kaiman-Filtern oder Partikel-Filtern.
Die Genauigkeit der Vorausberechnung der zukünftigen Position der Objekte lässt sich verbessern, indem weitere Bewegungs¬ größen des Fahrzeugs und/oder der Objekte erfasst und bei der Vorausberechnung berücksichtigt werden, beispielsweise die Beschleunigung Fahrzeugs bzw. die Beschleunigung der Objekte.
Gemäß einer weiteren bevorzugten Weiterbildung erfolgt die Erfassung der Geschwindigkeit und der Bewegungsrichtung des Fahrzeugs mittels RaddrehzahlSensoren, vorzugsweise unter Zu¬ hilfenahme von SensorInformationen eines Gierratensensors, sowie von Fahrzeuglängs- und oder Querbeschleunigungssenso- ren. Dies birgt den Vorteil, die Fahrzeuggeschwindigkeit und die Bewegungsrichtung des Fahrzeuges auch noch während eines Schleudervorganges oder eines beginnenden Schleudervorganges des Fahrzeuges erfassen zu können, um die Fahrzeuglage rela¬ tiv zu den das Fahrzeug umgebenden Objekten für eine Voraus¬ berechnung bestimmen zu können.
Gemäß einer weiteren bevorzugten Weiterbildung fließt mehr als ein erfasstes Objekt in die Bewertung der zukünftigen La¬ ge der Objekte relativ zum Fahrzeug mit ein. Somit sind even¬ tuelle Ausweichräume für das Fahrzeug nicht nur unter dem die Hauptgefährdüng darstellenden Objekt berücksichtigt, sondern werden nach Möglichkeit alle in der Peripherie des Fahrzeugs liegende Objekte bei der Berechnung eines Brems- bzw. Aus-
weichmanövers des Fahrzeugs mit einkalkuliert .
Gemäß einer weiteren bevorzugten Weiterbildung erfolgt die Detektion der Lage von Obj ekten im Fahrzeugumfeld mittels Ra¬ dar- , Lidar- , Video- und/oder Ultraschallsensoren . Auf diese Weise können vorteilhaft Obj ekte in ihrer Lage bezüglich des Fahrzeugs über optische Sensoren (Lidar- , Videosensoren) und/oder hochfrequenztechnische Sensoren (Radar- , Ultra¬ schallsensoren) identifiziert werden, wobei gegebenenfalls eine Kombination der Sensoren zum Einsatz kommt , wie bei ¬ spielsweise eine Videosensorik zur Erfassung der Lage und Be¬ wegung der Obj ekte relativ zum Fahrzeug und einer Radarsenso- rik zur Erfassung der Geschwindigkeit und des Abstandes rela¬ tiv zum Fahrzeug . Zusätzlich kann auch noch ein satellitenge¬ stütztes Navigationssystem, insbesondere das GPS- oder Gali ¬ leo-System, zum Einsatz kommen, das anhand einer elektroni ¬ schen Straßenkarte Informationen über stehende Obj ekte am Straßenrand, über die Straßenführung und über die Anzahl der Fahrspuren l iefern kann . Diese Zusatzinformationen können in die Bewertung der Lage der detektierten Obj ekte und in die Vorausberechnung der zukünftigen Lage der Obj ekte hineinflie¬ ßen und somit einer genauere Bewertung oder eine genauere Vorausberechnung der zukünftigen Lage der Obj ekte ermögli¬ chen .
Gemäß einer weiteren bevorzugten Weiterbildung erfolgt aus¬ schließlich eine Betätigung der Lenkeinrichtung des Fahrzeugs oder eine Betätigung der Bremseinrichtung des Fahrzeugs oder eine kombinierte Betätigung der Lenk- und Bremseinrichtung des Fahrzeugs . Bewertet das Fahrzeugassistenzsystem die Ver¬ kehrssituation der Gestalt , dass ein Bremsvorgang zu einer Unfallvermeidung nicht beitragen könnte , gegebenenfalls bei glatter Fahrbahn, j edoch ein am Objekt vorbei führendes Lenk¬ manöver Erfolg verspricht , so wird lediglich ein solches
durchgeführt. Ist ein Ausweichen aufgrund der Objekte um das Fahrzeug, die bereits in der direkten Peripherie des Fahr¬ zeugs gegeben sind, oder sich dieser entsprechend nähern, nicht möglich, so bleibt lediglich die Betätigung der Brems¬ einrichtung, selbst wenn ein Unfall damit nicht mehr vermie¬ den werden kann, um zumindest die Geschwindigkeitsdifferenz zwischen dem Fahrzeug und dem in Bewegungsrichtung des Fahr¬ zeugs liegenden Objekt zu minimieren.
Gemäß einer weiteren bevorzugten Weiterbildung werden bei der Betätigung der Bremseinrichtung einzelne Räder des Fahrzeugs selektiv und unabhängig voneinander gebremst. Vorteilhaft da¬ bei ist insbesondere, dass durch das gezielte Abbremsen nur eines Rades das Fahrzeug stabilisiert oder auch bewusst in Rotation um seine Hochachse versetzt werden kann, um in einen Freiraum zur Vermeidung einer Kollision manövriert zu werden.
Gemäß einer weiteren bevorzugten Weiterbildung werden durch ein aktives Fahrwerksystem zur Wank- und Nickstabilisierung des Fahrzeugs durch Verspannen des Fahrwerks RadaufStands- kräfte an den Räder mindestens einer Radachse derart beein- flusst, dass aufgrund eines eingestellten Vorspurwinkel an den Rädern unterschiedliche Seitenkräfte erzeugt werden und ein daraus resultierendes Giermoment aufgebaut wird. Dieses Giermoment kann als Lenkeingriff gezielt aufgebaut werden, um das Fahrzeug zur Kollisionsvermeidung in einen Freiraum zu manövrieren.
Gemäß einer weiteren bevorzugten Weiterbildung findet vor dem Betätigen der Lenk- und/oder der Bremseinrichtung des Fahr¬ zeugs durch das Assistenzsystem eine Bewertung statt, mit welchem Objekt für eine gegebenenfalls selbst bei einem Ein¬ griff des Assistenzsystems unausweichlichen Kollision als Kollisionsgegner die geringsten Kollisionsfolgen, insbesonde-
re Personenschäden, auftreten. Weiterhin kann die Bewertung eine Klassifikation der Objekte vorsehen, beispielsweise da¬ hingehend, ob es sich hierbei um ein stehendes oder bewegtes Objekt handelt oder um eine Person, einen Personenkraftwagen, einen Lastkraftwagen, eine Leitplanke, eine Tunnelwand etc. Dies birgt den Vorteil, dass das System in einem Worst-Case- Szenario, d.h. bei einem zwangsläufigen unausweichlich bevor¬ stehenden Unfall, vom Fahrzeugassistenzsystem das Objekt als Unfallgegner selektiert wird, bei welchem die geringsten Un¬ fallfolgen für beteiligte Personen zu erwarten sind.
Gemäß einer weiteren bevorzugten Weiterbildung wird bei einer nach der Bewertung als unausweichlich identifizierten Kolli¬ sion der Kollisionsgegner mit der geringsten relativen Ge¬ schwindigkeit zum Fahrzeug durch das Assistenzsystem ausge¬ wählt. Durch diese Auswahl werden vorteilhaft die möglichen Unfallfolgen minimiert.
Gemäß einer weiteren bevorzugten Weiterbildung wird bei der Bewertung eine durch das Assistenzsystem zu bewirkende Betä¬ tigung der Lenk- und/oder Bremseinrichtung des Fahrzeugs mit eingerechnet. Daraus ergibt sich der Vorteil, dass eine mög¬ liche Bremsung oder ein Ausweichmanöver, welches vom Fahr¬ zeugassistenzsystem durchgeführt wird, in die Berechnung bzw. Bewertung der Verkehrssituation, d.h. insbesondere die Bewe- gungstrajektorien der Objekte mit eingerechnet wird, um eine Kollision zu vermeiden oder die Kollisionsfolgen abzuschwä¬ chen.
Gemäß einer weiteren bevorzugten Weiterbildung werden die ma¬ ximale Querbeschleunigung und/oder die maximale Verzögerung des Fahrzeugs als Grenzwerte der Haftung bei der Bewertung vor der Betätigung der Lenk- und/oder Bremseinrichtung durch das Assistenzsystem berücksichtigt . Bei der Bewertung der
Verkehrssituation, insbesondere der zukünftigen Lage der Ob¬ jekte relativ zum Fahrzeug werden folglich nur für das Fahr¬ zeug physikalisch mögliche Verzögerungen bzw. Lenkkorrekturen durch das Assistenzsystem mit eingerechnet. Ein kontrollier¬ ter stabiler Fahrzeugzustand wird so auf vorteilhafte Weise bereitgestellt.
Gemäß einer weiteren bevorzugten Weiterbildung wird bei der Grenzwertberücksichtigung in der Bewertung der Reibwert der Fahrbahn mit eingerechnet, insbesondere wird zwischen trocke¬ ner und nasser Fahrbahn unterschieden. Die Haftreibung der Reifen des Fahrzeugs auf der Fahrbahn wird insbesondere durch Feuchtigkeit auf der Fahrbahn bedeutsam herabgesetzt, woraus die Möglichkeit nur noch einer reduzierten Bremsverzόgerung und eines weniger harten Ausweichmanövers durch das Fahrzeug¬ assistenzsystem resultiert. Zur Erkennung einer nassen Fahr¬ bahn besteht beispielsweise die Möglichkeit auf Informationen eines Regensensors zur Scheibenwischersteuerung zuzugreifen, wodurch direkter Regen oder Sprühwasser identifiziert werden kann, um im Fahrzeugassistenzsystem den Parametersatz für ei¬ ne feuchte Fahrbahn einzusetzen.
Gemäß einer weiteren bevorzugten Weiterbildung erfolgt eine Betätigung der Lenkeinrichtung des Fahrzeugs nur, wenn da¬ durch eine Kollision mit einem Objekt vermieden oder in sei¬ ner Stärke vermindert werden kann. Daraus ergibt sich der Vorteil, dass ein Eingriff in das Lenksystem unterbleibt, wenn keine Chance eines Ausweichens mehr besteht und ledig¬ lich ein Bremseingriff zur Verminderung der Unfallfolgen zweckdienlich ist.
Gemäß einer weiteren bevorzugten Weiterbildung steht das As¬ sistenzsystem des Fahrzeugs mit Assistenzsystemen von Objek¬ ten, insbesondere anderer Fahrzeuge, in Verbindung und nimmt
mit diesen eine geraeinsame Bewertung vor, so dass das Fahr¬ zeug und die Obj ekte aufeinander abgestimmte Lenk- und /oder Bremseingriffe durch deren Assistenzsysteme durchführen . Durch die vorteilhafte Verknüpfung der Fahrzeugassistenzsys¬ teme , welche miteinander Informationen austauschen und einen auf einer gemeinsamen Bewertung der Verkehrssituation basie¬ renden Lenk- und/oder Bremseingrif f des Fahrzeugs sowie der anderen Fahrzeuge vornehmen, kann ein koordiniertes Brems- / Ausweichmanöver anhand der Verkehrssituation beteiligter Fahrzeuge mit Fahrzeugassistenzsystem erfolgen .
In den Zeichnungen sind Verkehrssituationen zur Erläuterung von Ausführungsbeispielen der Erfindung dargestellt und in der nachfolgenden Beschreibung näher erläutert .
Es zeigen :
Fig. 1 Eine schematische Darstellung einer Verkehrssitua¬ tion in Draufsicht zur Erläuterung einer Ausfüh¬ rungsform der vorliegenden Erfindung;
Fig. 2 eine schematische Darstellung einer weiteren Ver¬ kehrssituation zur Erläuterung einer Ausführungs¬ form der vorliegenden Erfindung;
Fig. 3 eine schematische Draufsicht einer Verkehrssituati¬ on mit einer sich ergebenden zusätzlichen Fahrbahn zur Erläuterung einer Ausführungsform der vorlie¬ genden Erfindung; und
Fig. 4 eine schematische Draufsicht einer Verkehrssituati¬ on mit drei Fahrspuren zur Erläuterung einer Aus¬ führungsform der vorliegenden Erfindung.
In den Figuren bezeichnen gleiche Bezugszeichen gleiche oder funktionsgleiche Bestandteile.
In der schematischen Draufsicht einer Verkehrssituation in Fig. 1 ist ein Fahrzeug 10 dargestellt. Das Fahrzeug 10 be¬ findet sich auf der linken Spur C einer mit zwei Fahrspuren B, C und einer Standspur A versehenen Straße, welche lateral von Leitplanken 11 begrenzt ist. Das Fahrzeug 10 weist ein Assistenzsystem auf, welches unter Verwendung umgebungserfas- sender Sensoren, wie beispielsweise Radar-, Lidar-, Video-, und/oder Ultraschallsensoren, Objekte inklusive deren Bewe¬ gung, Fahrspuren und Freiräume im Fahrzeugumfeld detektiert. Darüber hinaus weist das Assistenzsystem des Fahrzeugs 10 ei¬ ne Einrichtung zur Erfassung der Geschwindigkeit- und Bewe¬ gungsrichtung des Fahrzeugs 10 und eine Einrichtung zum Er¬ fassen der Geschwindigkeit und der Bewegungsrichtung von Ob¬ jekten 11, 12, 13, 14 in der Fahrzeugperipherie zumindest re¬ lativ zum Fahrzeug auf.
Darüber hinaus ist eine Rechnereinheit zum Vorausberechnen der zukünftigen Lage der Objekte 11, 12, 13, 14 zumindest relativ zum Fahrzeug Teil des Assistenzsystems des Fahrzeugs 10. Dabei werden sowohl die Objekte 11, 12, 13, 14 als auch die sich entsprechend ergebenden Freiräume beispielsweise durch ein Kaiman-Filter oder andere Tracking-Verfahren inklu¬ sive einer Prädiktion ihrer Lage und Bewegung, d.h. der Bewe¬ gungstrajektorien in nächster Zukunft, d.h. etwa bis zu 20 Sekunden im Voraus, berechnet. Daraufhin erfolgt eine Bewer¬ tung der gegenwärtigen und der vorausberechneten zukünftigen Lage der Objekte 11, 12, 13, 14 und entsprechend der Freiräu¬ me relativ zum eigenen Fahrzeug 10 im Hinblick auf deren Ein- fluss bezüglich der verbleibenden Handlungsmöglichkeiten des Fahrers, wenn er einen Warnhinweis vom Assistenzsystem erhält und/oder des Assistenzsystems durch einen selbsttätigen Brems- und/oder Lenkeingriff, um Kollisionen zu vermeiden bzw. die Kollisionsfolgen zu vermindern. Somit erfolgt eine Berücksichtigung der Bewertung der gegenwärtigen und der vor-
ausberechneten zukünftigen Lage der Objekte 11, 12, 13, 14 relativ zum Fahrzeug 10.
Bei einem derartigen Assistenzsystem zur Kollisionsvermeidung bzw. Verminderung der Kollisionsstärke sind sowohl Brems- als auch Ausweichmanöver als mögliche Eingriffe sowohl des Fah¬ rers als auch des Assistenzsystems für sich in Betracht zu ziehen. Insbesondere muss die Berechnung von sinnvollen Warn¬ oder EingreifZeitpunkten für bzw. durch das Assistenzsystem des Fahrzeugs 10 situationsabhängig abgeschätzt werden, wel¬ che der beiden möglichen Aktionen Bremsen oder Ausweichen oder eine Kombination aus beiden noch eine Kollision vermei¬ den kann.
Zur Charakterisierung beider Möglichkeiten werden z. B. zwei Zeiten ttb, d.h. die verbleibende Zeit bis zur letztmöglichen Kollisionsvermeidung durch Bremsen, und tta, d.h. die verbleibende Zeit bis zur letztmöglichen Kollisionsvermeidung durch Ausweichen, eingesetzt. Insbesondere bei höheren Ge¬ schwindigkeiten kann meist noch ausgewichen werden, wenn die verbleibende Zeit nicht mehr für eine Bremsung ausreicht. Durch eine umfassendere Nutzung der UmgebungsInformationen, d.h. insbesondere einer detaillierteren Erfassung von Objek¬ ten im Fahrzeugumfeld inklusive deren Bewegung, können gewis¬ se Handlungsoptionen ausgeschlossen werden. Die entsprechend eingeengten Möglichkeiten eines Eingriffs durch den Fahrer angezeigt durch das Assistenzsystem oder automatisiert durch das Assistenzsystem können entsprechend berücksichtigt wer¬ den.
Gemäß der Verkehrssituation in Fig. 1 bewegen sich die Fahr¬ zeuge 12 und 13 auf der rechten Fahrspur B in etwa mit glei¬ cher Geschwindigkeit. Das vor dem mit dem Assistenzsystem ausgestattete Fahrzeug 10 befindliche Fahrzeug 14 auf der
linken Fahrspur C ist deutlich langsamer als das Fahrzeug 10. Aufgrund der linken Leitplanke 11 und der weiteren Fahrzeuge 12, 13 auf der rechten Fahrspur B besteht für das auf das vo¬ rausfahrende Fahrzeug 14 auffahrende Fahrzeug 10 nicht die Möglichkeit nach links oder rechts auszuweichen, um eine Kol¬ lision aufgrund des Geschwindigkeitsüberschusses des Fahr¬ zeugs 10 zu umgehen. In der Verkehrssituation gemäß Fig. 1 scheidet ein Ausweichen somit aus, d.h. die Zeit tta kann nicht berücksichtigt werden. Das Assistenzsystem des Fahr¬ zeugs kann somit lediglich die Zeit ttb verwenden, d.h. le¬ diglich ein Bremsmanöver durchführen, um eine Kollision mit dem vorausfahrenden Fahrzeug 14 zu vermeiden. Um zu diesem Bewertungsschluss zu kommen, ist es erforderlich, dass das Fahrzeug 10 mit Assistenzsystem neben dem vorausfahrenden Fahrzeug 14 und der Geschwindigkeitsdifferenz zwischen beiden Fahrzeugen auch die Objekte 12 und 13 (Fahrzeuge) , sowie die Leitplanke 11 als Objekt erfasst.
Die schematische Draufsicht der Verkehrssituation gemäß Fig. 2 zeigt das Fahrzeug mit Assistenzsystem 10 auf der linken Fahrspur C, welches sich mit einem Geschwindigkeitsüberschuss einem vorausfahrenden Fahrzeug 13 annähert. Auch gemäß Fig. 2 liegt eine zweispurige Fahrbahn mit den Fahrspuren B und C sowie einem Standstreifen A begrenzt durch eine linke und rechte Leitplanke 11 zugrunde. Gemäß Fig. 2 nähert sich je¬ doch von hinten auf der rechten Fahrspur B ein weiteres Fahr¬ zeug 12 an, welches eine noch höhere Geschwindigkeit als das Fahrzeug 10, insbesondere als das Fahrzeug 13 aufweist. Das Assistenzsystem des Fahrzeugs 10 erfasst neben der linken Leitplanke 11, welche ein Ausweichen nach links ausschließt, und dem langsameren vorausfahrenden Fahrzeug 13 auf der glei¬ chen linken Fahrspur C ebenfalls das sich von hinten auf der rechten Fahrspur B schnell nähernde Fahrzeug 12.
Das Assistenzsystem des Fahrzeugs 10 bewertet die Verkehrssi¬ tuation gemäß Fig. 2 dahingehend, dass weder ein Ausweichen nach links aufgrund der Leitplanke 11 noch ein Ausweichen nach rechts aufgrund des sich von hinten schnell nähernden Fahrzeugs 12 auf der rechten Fahrspur B in Betracht zu ziehen sind und folglich lediglich ein Bremsmanöver in Frage kommt. Sollte die von der Bremseinrichtung generierte Verzögerung nicht ausreichen, um eine Kollision mit dem vorausfahrenden Fahrzeug 13 zu vermeiden, welches vom Assistenzsystem vor¬ zugsweise mit berücksichtigt wird, so erfolgt dennoch kein Spurwechsel (angezeigt für den Fahrer oder automatisiert) durch das Assistenzsystem des Fahrzeugs 10, und eine Kollisi¬ on unter Vollbremsung bzw. Notbremsung des Fahrzeugs 10 mit dem Fahrzeug 13 wird in Kauf genommen.
Der schematischen Verkehrssituation in der Draufsicht gemäß Fig. 3 lieg zunächst die dieselbe Situation vor, wie nach Fig. 2, wobei in naher Zukunft neben den beiden Fahrspuren B und C eine zusätzliche Fahrspur D beginnt, auf welche ausge¬ wichen werden kann. Das Assistenzsystem im Fahrzeug 10 er¬ kennt die sich demnächst auftuende weitere Fahrspur D, um dem langsameren Fahrzeug 13 auf der Fahrspur C durch ein Auswei¬ chen auf Spur D nicht gefährlich nahe zu kommen, ohne die rechts befindliche Fahrspur B zu benutzen, auf welcher sich ein Fahrzeug 12 mit hoher Geschwindigkeit von hinten annä¬ hert. Neben einer Bremsung des Fahrzeugs 10 durch den Fahrer gegebenenfalls nach einem Warnhinweis durch das Assistenzsys¬ tem oder einer automatischen Bremsung durch das Assistenzsys¬ tem besteht gemäß Fig. 3 also zusätzlich die Möglichkeit ei¬ nes Ausweichens, d.h. die Zeit tta ist neben der Zeit ttb für die Bremsung ebenfalls zu beachten.
Die schematische Verkehrssituation in Draufsicht gemäß Fig. 4 zeigt das Fahrzeug 10, welches über ein Assistenzsystem ver-
fügt, auf der mittleren Fahrspur C einer Straße mit drei Fahrspuren B, C, D und einer Standspur A, welche wiederum von zwei Leitplanken 11 links und rechts begrenzt wird. Die Fahr¬ zeuge 12, 13, 14 auf der rechten Fahrspur B weisen in etwa die gleiche Geschwindigkeit auf. Das Fahrzeug 10 mit Assis¬ tenzsystem ist schneller als das vorausfahrende Fahrzeug 15 auf der mittleren Fahrspur C. Neben diesen Gegebenheiten er- fasst das Assistenzsystem des Fahrzeugs 10 darüber hinaus das sich von hinten auf der linken Fahrspur D schnell nähernde Fahrzeug 16, welches zum aktuellen Zeitpunkt ein dem Fahrzeug 15 ausweichendes Fahrmanöver des Fahrzeugs 10 auf die linke Fahrspur D unmöglich macht. Bei der Erfassung und Bewertung erfolgt über die aktuelle Situation hinaus auch eine prädik- tive Bewertung der Verkehrssituation in naher Zukunft, aus welcher sich ergibt, dass das Fahrzeug 16 auf der linken Spur D bereits das Fahrzeug 10 und das Fahrzeug 15 auf der mittle¬ ren Fahrspur C überholt haben wird und die Fahrspur D somit für ein Ausweichmanöver des Fahrzeugs 10 wieder frei sein wird, noch bevor es zu einer Kollision zwischen dem voraus¬ fahrenden Fahrzeug 15 und dem Fahrzeug 10 auf der mittleren Fahrspur C gekommen ist. Gegebenenfalls ist ein Bremsmanöver des Fahrzeugs 10 erforderlich, um eine Kollision mit dem vo¬ rausfahrenden Fahrzeug 15 zu vermeiden. Das Fahrzeugassis- tenzsystem 10 gibt dem Fahrer einen entsprechenden Hinweis oder führt die entsprechende Betätigung der Brems- und/oder Lenkeinrichtung spätestens zum vorbestimmten letztmöglichen Zeitpunkt aus.
Obwohl die vorliegende Erfindung vorstehend anhand bevorzug¬ ter Ausführungsbeispiele beschrieben wurde, ist sie darauf nicht beschränkt, sondern auf vielfältige Art und Weise modi¬ fizierbar. So dienen die in den Figuren 1 bis 4 aufgezeigten Verkehrssituationen lediglich einer beispielhaften Erläute¬ rung und beschränken nicht die Funktionalität des Fahrzeugas-
sistenzsystems bzw. des entsprechenden Verfahrens zur Vermei¬ dung von Kollisionen bzw. zur Verminderung der Kollisionsfol¬ gen eines unausweichlichen Unfalls. Die Erfindung kann insbe¬ sondere auch zur Unterstützung des Fahrers an Kreuzungen und Einfahrten eingesetzt werden.