Verfahren und Vorrichtung zur Gewinnung von sekundären Pflanzeninhalts- stoffen
Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur Gewinnung von sekundären Pflanzeninhaltsstoffen sowie eine Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens.
Die Kultivierung von Zellen zur Erzeugung von Zellmaterial und insbesondere zur Gewinnung von metabolischen Produkten aus diesen Zellen hat in den letzten Jahren ständig an Bedeutung zugenommen. Da die chemische Synthese derartiger metaboli- scher Produkte häufig schwierig oder gar unmöglich ist oder sich gegenüber der biochemischen Produktion als unwirtschaftlich erweist, hat die Wirkstoffproduktion bereits seit langem im großen Umfang durch Kultivierung von Hefen, Schimmelpil- zen und Bakterien zur Herstellung bestimmter Produkte an Bedeutung gewonnen. Das Marktvolumen für aus Pflanzen gewonnene Arzneistoffe erreichte beispielsweise 1997 alleine für die pharmazeutische Industrie 22,6 Milliarden US-Dollar. Aus Pflanzen gewonnene Verbindungen sind ebenfalls für Kosmetika, als Nutraceuticals und als chemische Stoffe in der Landwirtschaft erforderlich.
Die Ermittlung geeigneter Kultivierungsbedingungen und der damit verbundenen hohen Ausbeuten von metabolischen Produkten der gezüchteten Zellen ist daher ein vordringliches Ziel der Forschung.
Von den pflanzlichen (oder auch tierischen) Zeil- und Gewebekulturen (vorwiegend Zellsuspensionen, Kalluskulturen) sind pflanzliche Organkulturen (transformierte Wurzelhaar-(hairy root), Wurzel- oder Sprosskulturen (shooty teratomas)) streng zu unterscheiden. Für die Fermentation wurden bislang vor allem Zellsuspensionskulturen eingesetzt, welche aus undifferenzierten Einzelzellen oder Zellaggregaten beste- hen. Es hat sich jedoch herausgestellt, daß Zellsuspensionskulturen genetisch häufig instabil sind, was einen gravierenden Einfluß auf die Wirkstoffproduktion mit sich bringt. Selbst viel versprechende Hochleistungszelllinien können daher nach einigen
Zyklen starken Schwankungen in der Produktion der metabolischen Produkte unterworfen sein, bzw. kann die Produktion dieser Produkte auch vollständig unterbunden werden.
Pflanzliche Organkulturen, und hier vor allem die kommerziell interessanten transformierten Wurzelkulturen, bilden aus differenziertes Gewebe, welches sich auch in Langzeitkulturen als genetisch deutlich stabiler erweist als Zellsuspensionskulturen. Dank des schnellen Wachstums von transformierten Wurzelkulturen, welche häufig vergleichbare Wachstumsraten wie Zellsuspensionskulturen aufweisen, sind diese Organkulturen für die fermentative Produktion von kommerziell interessanten Inhaltsstoffen besonders geeignet. Vor allem können transformierte Wurzelkulturen - anders als Zellsuspensionskulturen - ohne Wachstumsregulatoren kultiviert werden. Die Vermeidung des Einsatzes von Wachstumsregulatoren ist deswegen von Vorteil, da diese die Biosynthese von Sekundärmetaboliten hemmen können. Zur Züchtung von Geweben ist es notwendig, die für die Ernährung der Zellen notwendigen Mineralstoffe, eventuell Wachstumsregulatoren, Kohlenstoffquellen (normalerweise Saccharose, Fructose oder Glucose), so wie ggf. Gase wie Sauerstoff oder Kohlendioxid den Zellen regelmäßig zuzuführen.
Die einfachste und wirtschaftlichste Form der Kultivierung von Zellen ist die oben angesprochene Suspensionskultur, wobei isolierte Zellen in einer Nährflüssigkeit suspendiert sind, verbrauchte Nahrungsbestandteile der Nährlösung regelmäßig zugeführt werden und ggf. eine Begasung zur Aufrechterhaltung der Suspension und Ernährung der Zellen durchgeführt wird. Durch entsprechende Wachstumsregulato- ren wird ein Zusammenwachsen der Zellen zu größeren Aggregaten verhindert. Als nachteilig erweist sich dabei, daß viele Pflanzen- oder Tierzellen in dieser Form nicht lange lebensfähig sind und die Bildung von aus der Kulturflüssigkeit schlecht eliminierbaren Metaboliten eine häufige Übertragung der Zellen in frische Nährlösung erfordert.
Um die Nachteile der Suspensionskulturen isolierter Zellen zu vermeiden, ist man daher dazu übergegangen, aus differenzierte Kulturen, wie beispielsweise transfor-
mierte Wurzelhaarkulturen bzw. Wurzelkulturen oder „hairy roots" oder Pflanzensprossen bzw. Blattgewebe zu kultivieren. Solche größeren Aggregate neigen in Suspension zur Endhomogenisierung, insbesondere in größeren Reaktoren, wodurch eine Abänderung bzw. Anpassung der Verfahrensbedingungen erforderlich wurde, durch die eine gleichmäßige Versorgung der Zellaggregate mit Nährlösung und den notwendigen Gasen erreicht wird.
In technischer Hinsicht können bei den Fermentationsverfahren im allgemeinen drei unterschiedliche Verfahrenstypen unterschieden werden:
An erster Stelle steht die sog. Batch-Fermentation, die auch als Batch-Kultur bzw. diskontinuierliche Fermentation bezeichnet wird. Bei der Batch-Fermentation wird von folgender Prozessführung Gebrauch gemacht:
Das Nährmedium wird zu Beginn des Fermentationsprozesses beimpft und die Fermentation nach Verbrauch des limitierenden Substrats - oder zu einem anderen geeigneten Zeitpunkt, beispielsweise der Zunahme eines hemmenden Produktes, beendet. Eine Batch-Fermentation wird als geschlossenes System bezeichnet. Bei einer Batch-Fermentation ändert sich die Substrat-, Zeil- und Produktkonzentration stän- dig. Die Batch-Fermentation führt zu einer charakteristischen Wachstumskurve, bei der mehrere Wachstumsphasen unterschieden werden. Auf die Lag-Phase, in der sich die Zellen nach dem Inokulieren an die neuen Bedingungen adaptieren, folgt die sog. exponentielle Wachstumsphase (oder Log-Phase), während der sich die Zellpopulation mit konstanter Wachstumsrate vermehrt. Am Ende der Log-Phase verlangsamt sich das Zellwachstum und in der darauf folgenden stationären Phase nimmt die Zellzahl nicht mehr zu. Nach der vergleichsweise kurzen stationären Phase sterben die zu kultivierenden Zellen in der Absterbephase langsam ab. In der submersen Batch- oder Chargenkultur bedeutet daher die stationäre Phase, daß meist ein oder mehrere Substrate bereits verbraucht sind, und sich ein toxisch wirkendes Stoffwech- selprodukt bereits so stark angereichert hat, daß die Zellmasse nicht mehr zunimmt. Die spezifische Wachstumsrate beträgt damit Null. Die Zellen verstoffwechseln ihre Reservestoffe, was zwangsläufig relativ rasch zur Absterbephase führt.
Die zu gewinnenden Wirkstoffe werden dann aus der Biomasse extrahiert. Von Nachteil ist bei diesem Verfahren, daß die Ausbeute der zu erzeugenden Wirkstoffe für jeden Ansatz vergleichsweise gering ist.
Im Gegensatz hierzu steht die sog. kontinuierliche Kultur (bzw. kontinuierliche Fermentation). Einem biologischen System wachsender Zellen wird permanent frische Nährlösung zugeführt und andererseits gleichzeitig Kulturlösung einschließlich der Substrate, Produkte, Zellen ständig abgezogen. Im Gegensatz zum Batch-Ver fahren handelt es sich um ein "offenes System oder um eine sog. einstufige Fließkultur. Nachdem sich die Organismen auf die Fließrate eingestellt haben, erreicht das System unter bestimmten Voraussetzungen einen Fließgleichgewichts-Zustand (steady State), in dem alle Konzentrationen und Umsatzraten konstante Werte annehmen.
Kontinuierliche Fermentationsverfahren werden häufig im Labormaßstab eingesetzt, haben jedoch in der industriellen Praxis wegen der durch das offene System bedingten Infektionsprobleme nur geringen Stellenwert.
Eine Zwischenstellung nimmt das sog. Fed-Batch- Verfahren ein, bei dem es sich um ein geschlossenes System handelt (vergleichbar der Batch-Fermentation), dem kontinuierlich oder in Intervallen ein Volumenstrom mit frischen Nährstoffen zugeführt wird, wobei aber keine Kulturlösung abgezogen wird. Zwar ist es bei diesem Verfahren möglich, die stationäre Phase zu verlängern, jedoch ist auch hier durch das Auftreten von toxischen Metaboliten die stationäre Phase beschränkt, bzw. können die Wirkstoffe nur durch Biomasseextraktion gewonnen werden. Eine Abreicherung von Metaboliten ist im Fed-Batch-Verfahren nicht vorgesehen.
Die bisher bekannten geschlossenen Verfahren (d.h. Batch- und Fed-Batch- Verfahren) leiden alle unter dem Nachteil, daß die Wirkstoffproduktion im wesentli- chen auf die Log-Phase beschränkt ist, während der im Gegensatz zur stationären Phase Wirkstoffproduktion und Wachstum um die gleichen Präkursoren konkurrieren, und die Ausbeute der zu erzielenden Produkte dementsprechend gering ist.
Die kontinuierlichen oder offenen Fermentationsverfahren leiden, wie oben angesprochen, unter dem Nachteil, dass die sehr empfindlichen Zellkulturen einem erhöhten Infek- tionsrisiko ausgesetzt sind, wodurch die Anwendbarkeit für die industrielle Praxis eitestgehend eingeschränkt ist.
Es ist daher die Aufgabe der vorliegenden Erfindung, ein verbessertes Verfahren zur Gewinnung von Sekundärmetaboliten aus pflanzlichen Organkulturen bereitzustellen, das bei gleichzeitiger Vermeidung einer Infektion der Organkultur eine weit höhere als bisher mögliche Ausbeute an Produkten ergibt.
Diese Aufgabe wird durch die in den unabhängigen Patentansprüchen dargelegten Merkmale gelöst. Bevorzugte Ausführungsformen der Erfindung sind in den Unteransprüchen angegeben.
Voraussetzung für die Entwicklung eines verbesserten Produktionverfahrens ist ein Verfahren, bei dem über einen ausgedehnten Zeitraum die Sauerstoff- und Nähr- stoffvers orgung zuverlässig gewährleistet wird und zudem toxische Metabolite, die von den Organkulturen gebildet werden, abgereichert werden. Dadurch wird ein frü- her Übergang von der stationären Phase in die Absterbephase verhindert. Dies kann er fmdungs gemäß durch ein geschlossen ablaufendes Langzeitkulturverfahren erreicht werden. Unter Langzeitkulturverfahren ist ein Kulturverfahren zu verstehen, das mindestens 1-2 Monate lang zur Wirkstoffproduktion verwendet werden kann, ohne daß die Biomasse selbst extrahiert werden muß.
Da, wie eingangs angesprochen, die stationäre Phase besondere Vorteile hinsichtlich der Bildung von Sekundärmetaboliten bietet, da hier keine Konkurrenz zwischen Wachstum und Produktion herrscht, ist der besondere Vorzug des erfindungsgemäßen Verfahrens, dass es eine verlängerte stationäre Phase in einem dennoch ge- schlossenen Fermentationssystem bereitstellt.
Eine Verlängerung der stationären Phase bietet folgende Vorteile:
1. Das Wachstum der Organkulturen geht gegen Null. Dadurch wird die Dynamik des Prozesses reduziert und die Steuer- und Regeltechnik vereinfacht.
2. Die Organkulturen weisen in der stationären Phase häufig eine höhere Sekun- därstoffproduktion auf, da Produktion und Wachstum invers korrelieren.
3. Organkulturen können über chemische oder physikalische Streßfaktoren (Effektoren) zur periodischen Ausschleusung von Wirkstoffen gebracht werden. Dies ermöglicht die kontinuierliche Gewinnung der Wirkstoffe und reduziert die Kosten über das Down-Stream-Processing (= Produktaufarbeitung, d.h. diejenigen Verfahrensschritte, die vom Fermentationsfluid bis zum Endprodukt erforderlich sind).
4. Die Biomasse selbst muß nicht extrahiert werden, sondern kann periodisch oder kontinuierlich bezüglich der Wirkstoffe und der toxischen Nebenprodukte abge- reichert werden. Durch die Beseitigung der toxischen Nebenprodukte wird ein früher Übergang in die Absterbephase verhindert.
Bei dem erfindungsgemäßen Verfahren handelt es sich um ein zweiphasiges Fermentationsverfahren:
In der ersten Kulturstufe wird während der Log- Wachstumsphase ein optimales Wachstumsmedium zugesetzt, abhängig von der jeweiligen pflanzlichen Organkultur. In der zweiten Kulturstufe (stationäre Phase) wird mit einem optimierten Produktionsmedium gearbeitet. Im geschlossenen Kreislauf werden über geeignete chromatographische Vorrichtungen, welche in dem sterilen Prozess ausgetauscht werden können, Sekundärmetabolite wie Wirkstoffe und toxische Metabolite aus dem Nährlösungskreislauf ausgeschleust, wodurch eine Schädigung des Wurzelgewebes verhindert werden kann.
Der erfindungsgemäße Verfahrensablauf weicht vom herkömmlichen Paradigma der Selektion nach schnell wachsenden Kulturen ab und setzt auf die häufig produktivere stationäre Phase. Anhand des eingangs angesprochenen Schemas der Batch-, Fed-
Batch und kontinuierlichen Fermentationsverfahren läßt sich das erfindungsgemäße Verfahren am besten als „modifiziertes Fed-Batch-Verfahren" einstufen.
Im Rahmen des erfindungs gemäßen Verfahrens werden bevorzugt die bereits be- kannten und besonders vorteilhaft einsetzbaren transformierten Wurzelhaarzellen verwendet. Transformierte Wurzelhaarzellen stellen ein genetisch stabiles, schnell wachsendes und physiologisch anspruchsloses, heterotrophes Organkultursystem dar, welches bezüglich der Akkumulation von pflanzlichen Sekundärstoffen meist einen vergleichbaren Fingerprint liefert wie die Wurzeln der unbehandelten Mutterpflanze. Es ist damit zu rechnen, "daß der Wirkstoffgehalt in transformierten Wurzelhaarzellen gleich oder sogar höher ist als in den Wurzeln der Ausgangspflanze. So akkumulierten beispielsweise transformierte Wurzelhaarzellen von Linum flavum bezogen auf das Trockengewicht 1,5-3,5% 5-Methoxy-Podophyllotoxin. Das ist das 2- bis 5- fache des Gehalts der Wurzeln der differenzierten Pflanze und das 5-12-fache des Gehalts von Zellsuspensionskulturen.
Pflanzen können verwundet und vorsätzlich mit Agrobakterien, wie beispielsweise A. rhizogenes infiziert werden. Dies hat oftmals das Entstehen von genetisch veränderten Wurzeln an der verwundeten Stelle zur Folge. Diese Wurzeln werden dann als transformierte Wurzelhaarzellen oder „hairy roots" bezeichnet, weil sie meist eine hoch verzweigte und haarige Morphologie zeigen, die sich von normalen Wurzeln unterscheidet. Diese transformierten Wurzelhaarzellen stellen ein ideales Kultursystem dar, weil sie schnell wachsen, nur ein sehr einfaches Wachstumsmedium benötigen und über eine verlängerte Zeitspanne genetisch stabil bleiben. Mit der hier be- schriebenen Technik können auch zwei verschiedene Wurzelspezies parallel in einem Bioreaktor kultiviert werden, wodurch Sekundärmetabolite von der einen Spezies produziert und durch die andere Spezies biotransformiert werden können.
Bei dem erfindungsgemäßen Verfahren werden in der stationären Phase zur Steige- rung der Ausbeute an den gewünschen Stoffwechselprodukten vorzugsweise Effektoren eingesetzt. Diese können periodisch oder kontinuierlich eingesetzt werden. Effektoren sind Stressfaktoren, die bei Pflanzen biochemische und physiologische
Veränderungen hervorrufen. Beim Einsatz der Effektortechnik muss zwischen biotischen (Pilzwandextrakte, Chitin, Chitinhydrolysaten), abiotischen (UV, pH, seltene Erden, Schwermetalle, elektrische Reize) und endogenen (Methyljasmonsäure, Jas- monsäure, Salicylsäure, Wachstumsregulatoren) Effektoren unterschieden werden.
Es konnte bisher bei einer Vielzahl von Pflanzen festgestellt werden, dass diese Se- kundärmetabolite induktiv produzieren. Das heißt, der Kontakt mit biotischen, abiotischen oder endogenen Effektoren steigert die Biosynthese der Metaboliten. Einer der wichtigsten endogenen Effektoren ist Methyljasmonsäure.
Beipielsweise reagieren Tabakzellsuspensionskulturen bei Zugabe verschiedener biotischer, abiotischer und endogener Effektoren (Pilzwandextrakte von Phytophtho- ra, Methyljasmonsäure) mit einer verstärkten Produktion von Capsidiol sowie einer verstärkten Biosynthese der tabakspezifischen Sesquiteipen-Synthase.
Durch den Einsatz von abiotischen Effektoren (z.B. pH-Erniedrigung) lässt sich e- benfalls eine Produktionssteigerung und verstärkte Ausschleusung der Wirkstoffe erzielen. Erfindungsgemäß kann weiterhin die Elektroporation zum Einsatz kommen, wobei das Gewebe unter elektrische Spannung gesetzt wird. Dabei werden die Zell- wände reversibel permeabilisiert und die Ausscheidung von Zellinhaltsstoffen gefördert. Dieser Ansatz kann auch in Kombination mit anderen Effektortechniken eingesetzt werden.
Eine periodische Abreicherung von Sekundärmetaboliten in der stationären Phase kann gemäß einer Ausführungsform wie folgt durchgeführt werden:
Zunächst werden Effektoren zugesetzt, wodurch die Ausschleusung und ggf. die Produktion von Sekundärmetaboliten, insbesondere von Wirkstoffen, erhöht wird. Nach erfolgter erhöhter Ausscheidung der Wirkstoffe durch die pflanzlichen Organ- kulturen werden die Wirkstoffe über den geschlossenen Nährlösungskreislauf (über eine entsprechende Voπichtung) abgereichert. In der Phase des Wirkstoffproduktionsabfalls erfolgt dann ein weiterer Zusatz von Effektoren zu den pflanzlichen
Organkulturen. Zweckmäßigerweise werden die nunmehr gebildeten toxischen Me- tabolite in der Zeitspanne zwischen dem erfolgten weiteren Zusatz der Effektoren bis zur erhöhten Ausscheidung der Wirkstoffe durch die pflanzlichen Organkulturen ebenfalls über den geschlossenen Nährlösungskreislauf (vorzugsweise jedoch über eine andere Abreicherungs Vorrichtung als die Wirkstoffe) abgereichert. Diese Schritte können dann ein- oder mehrmals wiederholt werden.
Eine Vorrichtung zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens umfasst die folgenden Merkmale: a) ein Fermentergefäß, b) eine Zuführung für Nährlösung und/oder Gase in das Fermentergefäß, c) eine Abführung für Nährlösung und/oder Gase aus dem Fermentergefäß, d) einen Nährlösungstank, e) eine oder mehrere Vorrichtungen zur Abreicherung von Sekundärmetaboliten, wobei a) - e) einen geschlossenen Nährlösungskreislauf bilden.
Ein Beispiel für eine derartige Vorrichtung ist in Abbildung 2 dargestellt.
Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform kann der Nährlösungstank aus einem Gammastrahlen-sterilisierten Kunststofftank mit integriertem Portsystem bestehen.
Die Vorrichtungen zur Abreicherung von Sekundärmetaboliten kann beispielsweise durch Säulen erfolgen, welche unter sterilen Bedingungen ausgetauscht werden können und mit unterschiedlichen chromatographischen Säulenmaterialien (z.B. XAD- Harze) gefüllt werden.
Die Säulen können dabei bevorzugt als autoklavierbare Kunststoffkartuschen mit Vorrats- behältnis ausgestaltet sein.
Vorteilhafterweise enthält die Vorrichtung weiterhin ein Zusatzbehältnis, das an den Nährlösungskreislauf angeschlossen ist und zur Aufnahme einer wässrigen Lösung von Effektoren vorgesehen ist.
Die vorliegende Erfindung wird im folgenden anhand der beigefügten Abbildungen sowie eines Ausführungsbeispiels ausführlicher beschrieben.
In den Abbildungen zeigen:
Abb. 1 eine schematische Darstellung des Zweiphasen-Langzeitkulturregimes mit periodischer Ausschleusung der Metaboliten.
Abb. 2 eine schematische Darstellung eines Beispiels für ein erfindungsgemäßes zirkulierendes Nährlösungssystem mit Doppelsäulenaufreinigung.
Abb. 3 ein HPLC Chromatogramm eines O. basilicum Extraktes einer hairy roots- Kultur (HRC).
Abb. 4 eine quantitative Analyse von Proben, die einer 4 Monate alten O. basilicum HRC entnommen wurden.
Abb. 5 den Rosmarinsäure (RA)- Gehalt gemessen im Medium einer O. basilicum hairy root-Schüttelkolben-Kultur nach Elicitierung mit 10 μM Methyljasmonsäure. Punkte repräsentieren Durchschnittswerte von zwei Proben. O = Behandlung mit MeJ, D = Kontrolle
Die Erfindung wird im Folgenden anhand der transformierten Wurzelkulturen erläutert, wobei sie auf diesen Aspekt nicht beschränkt ist.
Beispiel: Produktion von Rosmarinsäure
Rosmarinsäure ist ein Ester der Kaffeesäure sowie der 3,4- Dihydroxyphenyllaktonsäure. Rosmarinsäure wird als Antioxidanz in der Kosmetikindustrie eingesetzt und zeigt antimikrobielle, antitumorale, antiinflammatorische, sowie antivirale Eigenschaften. Die Reinsubstanz wird zur Zeit mit einem Kilo- grammpreis von rund 2500 € gehandelt. Rosmarinsäure kommt in hohen Konzentrationen u.a. in transformierten Basilikumwurzeln vor.
Samen von rosmarinsäurehaltigem Basilikum (Ocimum basilicum unterschiedlicher Varietät) werden mit Natriumhypochlorit für 10 min. oberflächensterilisiert und im Dunkeln bei 28 °C zum Keimen gebracht. Die- Transformation durch Co- Kultivierung mit Agrobacterium rhizogenes (z.B. Stamm 9402) erfolgt mit 3 — 4 Tage alten ganzen Keimlingen mittels Vakuuminfiltration im Exsikkator bei 80 mbar. Dadurch kann im Hochdurchsatzverfahren eine grosse Zahl an Keimlingen transformiert werden. Der Nachweis der Transformation erfolgt mittels PCR. An- schliessend erfolgt eine Selektion von einzelnen transformierten Basilikumwurzeln in Petrischalenkulturen, welche eine für das Design des Bioreaktor-Trägers geeignete Morphologie besitzen.
Die selektierten transformierten Basilikumwurzeln werden direkt am Träger eines Sprühreaktors (z.B. des von der Fa. ROOTec entwickelten LCMB (Low cost mist bioreactor)) immobilisiert und die so bereits unter produktionsähnlichen Bedingungen kultivierten transformierten Wurzelkulturen werden direkt einem zweiten Selek- tionsprozess unterworfen, der u.a. den aufwendigen Einsatz von Schüttelkolbenkultu- ren erübrigt. Das Immobilisieren der transformierten Basilikumwurzeln erfolgt in einem mit einer Hebevorrichtung versehenen Speziallaminarflow. Dieses Lami- narflowgerät ist so konzipiert, dass gleichzeitig ein Sprühreaktor sowie ein Beladebehältnis (oder zwei Sprühreaktoren) eingeführt werden können. Über eine Hebevorrichtung wird der Träger des Sprühreaktors in das Beladebehältnis eingeführt. In dem Beladebehältnis befinden sich die in dem ersten Selektionsprozess ausgewählten transformierten Basilikumwurzeln. Diese werden über Verwirbelung auf den Träger des Sprühreaktors aufgebracht und bleiben dort an Haken hängen. Der Träger wird danach aus dem Beladebehältnis hochgezogen und wieder in den Sprühreaktor einge-
f hrt. Dieser Vorgang wiederholt sich mit mehreren Sprühreaktoren und kann automatisiert werden.
Anders als bei herkömmlichen Fermentationsprozessen, welche eine Selektion von Zelllinien erst im Labormaßstab (Schüttelkolben) betreiben, danach in den Pilotmaßstab und schlussendlich in den Produktionsmaßstab übergehen - bei jeweils veränderten Prozessbedingungen, erfolgt die Selektion in diesem Fall direkt von der Petri- schale in den Sprühreaktor. Ein weiterführendes Scale-up erfolgt über die Multiplikation der Sprühreaktoren ohne dass sich die Prozessparameter nochmals verändern. Dies beschleunigt massiv die Entwicklung eines industriellen Produktionsverfahrens für Rosmarinsäure.
Nach dem Immobilisieren der transformierten Basilikumwurzeln werden diese in dem Sprühreaktor für 2-3 Wochen kultiviert. Dazu wird vor allem ein l_ MS (Muras- higge & Skoog) + B5 Vitamin - Medium mit 3% Zucker eingesetzt. Danach wird der Träger unter sterilen Bedingungen hochgezogen und die einzelnen Wurzelgeflechte getrennt analysiert (Biomassenzuwachs, Rosmarinsäuregehalt). Der Rosmarinsäure- gehalt liegt bei einzelnen Kulturen deutlich über 10 % des Trockengewichtes. Hochertragskulturen werden anschliessend in dem Sprühreaktor bis zum steady State hochgefahren, wobei bis zu 10 kg Biomasse generiert werden. Diese Kultivierung erfolgt ebenfalls mit Vi MS + B5 Vitamine mit 3 - 8% Zucker. Nach erreichen des steady-states wird der Phosphatgehalt des Mediums deutlich reduziert (um deutlich mehr als 50%). Dadurch wird das Wachstum der transformierten BasilikumWurzel- kulturen gestoppt und gleichzeitig die Produktion der Rosmarinsäure zusätzlich an- geregt.
Rosmarinsäure wird von einzelnen transformierten Wurzeln zu mehr als 30 % ausgeschieden und löst sich problemlos in Wasser. Durch die periodische (intervallgesteuerte) Zirkulation des Nährmediums und einen darin integrierten Abreicherungspro- zess wird die Biosynthese angeregt. Die Abreicherung erfolgt in der Weise, dass die Nährlösung, welche in einem Nährlösungs- / Gasmix auf die transformierten Wurzelkulturen aufgesprüht wird, abtropft und danach aus dem Bioreaktor abgepumpt
wird. Die abgepumpte Nährlösung wird daraufhin in eine autoklavierbare Kunsstoff- kartusche mit Vorratsbehältnis eingepumpt. Die Vorratskammer entspricht dem Volumen, welches in einem Sprühintervall durch das Bioreaktorsystem gepumpt wird. Das Medium läuft anschliessend passiv durch eine Säule, wodurch ein optimale Ab- reicherung der Rosmarinsäure erfolgen kann. Das Füllmaterial der Säule besteht aus verschiedenen XAD-Harzen, wobei unter anderem XAD-4 gute Ergebnisse zeigt. Die Kartusche ist so entwickelt, dass sie regelmässig unter sterilen Bedingungen ausgetauscht und für die Aufreinigung der Rosmarinsäure in chromatographische Auftrennungs System (präparative HPLC) eingefügt werden kann.
Über ein Zusatzbehältnis, welches über ein 3 -Wege- Ventil an die Nährlösungs Versorgung angeschlossen ist, können in wässriger Lösung gelöste Elicitoren (Effektoren) in das System eingeschleust werden. Unter anderem kann durch periodische Zugabe von Methyl-jasmonsäure die Produktion und Ausschleusung von Rosmarin- säure deutlich erhöht werden.
Der Prozess wird offline durch regelmässige Probennahmen aus dem Sprühreaktor kontrolliert. Zwei Sprühreaktoren mit jeweils rund 100 Liter Gasvolumen sind in einem mobilen Rollwagen integriert. Dieses Doppelbioreaktorsystem kann autonom - dabei komplett von der Gasversorgung abgekoppelt - in dem Speziallaminarflow steril für Probennahmen geöffnet werden. Die Probennahmen aus dem Medium erfolgen über ein Septum, welches über einen Schlauch an den Nährlösungstank angebracht ist. Die Probennahme ermöglicht unter anderem die Analysen des Zuckers, Phosphat, Nitrat, Ammoniums, Leitfähigkeit, pH- Wert, Rosmarinsäure und anderer Stoffwechselprodukte. Die Analysen erfolgen mittels HPLC, Photospektrometrie, Konduktometrie und pH-Messung.
Die Versorgung der trans formierten Basilikumwurzeln mit Nährlösung erfolgt über einen 20-Liter Kuns stofftank (Einwegsack aus gammasterilisiertem Polyethylen), welcher in einem Rollwagen am Boden angebracht ist. Der Tank kann bei Langzeit- kulturprozessen unter sterilen Bedingungen ausgetauscht werden. Die Langzeitkultur der Basilikumwurzeln gelingt in dem Sprühreaktor durch eine kontinuierliche Bega-
sung mit computergesteuerten Intervallen, bei denen der Nährlösungs- / Gasmix in das Bioreaktorvolumen eingesprüht wird. Die Feinheit des Sprühnebels kann durch den Winkel des Verwirbelungsgasstrom.es sowie durch den Druck des Gasstromes verändert werden. Je feiner der Nebel, desto besser die Befeuchtung der transfor- mierten Wurzeln in den Kernzonen des Trägers.
Die Basilikumwurzeln zeigen in diesem aeroponischen Sprühreaktor-System ein normales Wachstum mit der Ausbildung von Wurzelhaaren, welche nicht durch mechanische Einwirkungen (z.B. Scherkräfte) zerstört werden. Durch die optimale Gas- / Nährlösungsversorgung auch in die Kemzonen der transformierten Wurzelkulturen gelingt die Langzeitkultivierung mit erhöhter Produktivität über mehrere Monate.
Wird von 10 kg FG (FG= Frischgewicht) Biomasse einer selektierten BasilikumWurzelkultur nach 4 Wochen, entsprechend 1 kg TG (TG = Trockenge- wicht) und mit einem Rosmarinsäuregehalt von 10 % des TG (100 g Rosmarinsäure) ausgegangen und ein 14-tägiger Elicitorzyklus unter steady State Bedingungen durchgeführt, so werden bei 50% Ausschleusung und 80% Rückgewinnung durch Säulenreinigung unter Einsatz von XAD-4 Harz 40 g Rosmarinsäure erhalten. Bei einer Langzeitkultur über 2 Monate werden so ca. 150 g Rosmarinsäure erhalten.