Beschichtung mit adsorbierenden Eigenschaften für
Innenraumflachen
Gegenstand der vorliegenden Erfindung ist eine Beschichtung mit adsorbierenden Eigenschaften für Innenraumflachen.
Seit etwa 1975 erlangt das Thema Gebäudeschadstoffe immer größere Bedeutung. Durch die Verwendung von Stoffen wie Asbest, Holzschutzmittel und Produkten mit leicht flüchtigen organischen Inhaltsstoffen wie z. B. Formaldehyd, PCB und anderen kam und kommt es zum Teil zu Belastungen der Raumluft, die gesundheitliche Risiken in sich bergen.
Schadstoffhaltige und/oder emittierende Bauteile stellen nicht nur ein raumlufthygienisches Problem dar, sie können auch einen bedeutenden negativen Einfluss auf den Wert einer Immobilie haben, wenn dadurch deren Nutzbarkeit eingeschränkt wird. Bauherren, Eigentümer und Nutzer haben daher ein berechtigtes Interesse am Auffinden von Schadstoffquellen, insbesondere aber an deren Beseitigung, wobei Innenräume und hier vor allem Wohnbereiche von vorrangigem Interesse sind.
Im Sondergutachten des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen 1987 sind "Innenräume" wie folgt definiert: "Wohnungen mit Wohn-, Schlaf-, Bastei-, Sport- und
Kellerräumen, Küchen und Badezimmern; Arbeitsräume bzw. Arbeitsplätze in Gebäuden, die nicht im Hinblick auf Luftschadstoffe arbeitsschutzrechtlichen Kontrollen unterliegen (so z. B. Büros und Verkaufsräume); öffentliche Gebäude (Krankenhäuser, Schulen, Kindergärten, Sporthallen, Bibliotheken, Gaststätten, Theater, Kinos und andere Veranstaltungsräume) sowie die Aufenthaltsräume von Kraftfahrzeugen und alle öffentlichen Verkehrsmittel". Der nachfolgend gebrauchte Ausdruck "Innenraum/Innenräume" unterliegt dieser Definition.
Schon aus der Vielzahl der in diesem Sondergutachten angeführten Aufenthaltsmöglichkeiten lässt sich die Menge und Komplexität der möglichen Quellen für Schadstoff- und Geruchsbelästigungen erkennen. Die folgende Aufzählung gibt eine Auswahl an organischen und anorganischen Schadstoffen wieder, wie sie in z . T. grenzwertüberschreitenden Mengen in Innenräumen nachzuweisen sind:
Leichtflüchtige Aldehyde (wie z. B. Formaldehyd,
Acetaldehyd) , - Ozon,
Kohlendioxid und Kohlenmonoxid, Schwefeldioxid und
Schwefeltrioxid, Stickoxide,
(halogenierte) Kohlenwasserstoffe (PCB, PCP, PAK, FCKW) ,
Schwefelwasserstoff, Cyanwasserstoff, - Schwermetalldämpfe (z. B. Quecksilber),
Lösemitteldämpfe (z. B. Benzol, Toluol, Kresol, Xylol) ,
Der Rauch brennender Zigaretten enthält weitere zumindest gesundheitsbeeinträchtigende Stoffe wie z. B. Nitrosamine, Benz (a)pyren, Benz (a) anthrazene, Hydrazin, Anilin,
Vinylchlorid sowie Metalle wie Arsen, Blei, Chrom, Cadmium und Nickel .
Eine Verbesserung der Luftqualität kann neben der generellen Vermeidung von Emissionsquellen auch die Verarbeitung sog. funktionaler Baustoffe bewirken. Deren Funktionalität kann zum einen in der chemischen Umwandlung von Schad- und Geruchsstoffen zu weniger toxischen und riechenden Verbindungen bestehen, zum anderen aber in einer Immobilisierung der Schad- und Geruchsstoffe an geeignete Trägermaterialien, die sich auf den Oberflächen befinden.
Die Verarbeitung derartiger funktionaler Baustoffe ist aus dem Tunnelbau bekannt, wo die Innenwand- bzw. Bodenflächen mit entsprechend funktionalen Beschichtungen versehen werden, die i. d. R. Aktivkohle enthalten und die den Gehalt an
Inhaltsstoffen aus den Abgasen von Verbrennungsmotoren in der Tunnelluft verringern sollen.
Derartige Beschichtungen haben aber z. T. völlig anderen Anforderungen (Abriebfestigkeit, Klimaschwankungen,
Chemikalienbeständigkeit u. ä.) zu genügen, wie sie bspw. an Innenraumbeschichtungen gestellt werden, weshalb sie dafür ungeeignet und auch zu teuer sind.
Wirkungsweisen und Mechanismen von Aktivkohlen sind eingehend untersucht worden und bestens bekannt. Die Adsorption von flüchtigen Aldehyden durch Aktivkohlen ist ebenfalls hinhänglich bekannt und wird in der Technik routinemäßig unter anderem bei der analytischen Bestimmung von Formaldehyd-Konzentrationen sowie zur Luft-, Wasser- und Rauchgasreinigung eingesetzt.
Ebenfalls aus der Analytik ist der Einsatz von Molekularsieben bekannt. Diese basieren auf Alkali- und Erdalkali-Aluminiumsilikaten, sog. Zeolithen. Ihre Wirkung beruht auf der Molekül-Einlagerung in innere Hohlräume, die durch Fenster bzw. Kanäle zugänglich sind. Wie mit Aktivkohlen, kann auch mit Zeolithen eine deutliche Konzentrationsverminderung leicht flüchtiger Stoffe aus der Raumluft erzielt werden, weshalb sie in entsprechenden (Reinraum-) Luftfiltern eingesetzt werden.
Für die vorliegende Erfindung hat sich die Aufgabe gestellt, eine Beschichtung für Innenraumflachen zu entwickeln, die das Raumklima verbessert, indem sie in der Raumluft vorhandene
Schadstoffe reduziert bzw. entfernt. Eine solche Beschichtung sollte im Wesentlichen (an-) organische Bindemittel sowie Füllmaterial enthalten. Die Beschichtung soll außerdem in einfacher Weise und preiswert herzustellen sowie auf herkömmliche Art und Weise zu verarbeiten sein und allen Anforderungen, die an moderne Beschichtungen im Innenraumbereich gestellt werden, gerecht werden.
Gelöst wurde diese Aufgabe mit einer Beschichtung, die als Zusatzstoffe Teilchen mit adsorbierenden Eigenschaften in Anteilen zwischen 0,5 und 20 Massen-% enthält.
Überraschenderweise wurde gefunden, dass über die Oberflächen der erfindungsgemäßen Beschichtungen Schadstoffe aus der Raumluft oder dem Mauerwerk von Innenräumen aufgenommen werden und durch chemische Reaktion und/oder physikalische Immobilisierung bei üblichen Raumtemperaturen umgewandelt oder festgelegt werden, so dass eine signifikante und nachhaltige Verringerung der Konzentration von Schad- und Geruchsstoffen in der Raumluft von Innenräumen messbar ist. Zudem sind die weiteren Zusätze in die meist putzartigen Beschichtungen völlig homogen einzubringen, sie entmischen sich nicht und verleihen den erfindungsgemäßen Beschichtungen eine gleichmäßige Optik.
Zusatzstoffe mit adsorbierenden Eigenschaften lassen sich grob in zwei Gruppen unterteilen. Die eine Gruppe ist aufgrund ihrer großen (inneren) Oberfläche in der Lage, bestimmte Stoffe aus gasförmigen (und flüssigen) Mischungen an ihrer Grenzfläche selektiv anzureichern (physikalisch zu adsorbieren) . Je feiner eine bestimmte Menge des Adsorbens zerteilt ist, umso höher ist auch die Adsorptionsfähigkeit. Deshalb sind poröse Stoffe mit narbigen Oberflächen im allgemeinen gute Adsorbentien. Die zweite Gruppe ist aufgrund ihrer MolekülStruktur in der Lage, mit den Schadstoffen chemische bzw. ionische Wechselwirkungen zu bilden, oder die Schadstoffe aufgrund einer chemischen Reaktion unschädlich zu machen (Chemisorption) . Die Stoffe der zweiten Gruppe können vorteilhaft ebenfalls eine große innere Oberfläche besitzen. Für die adsorbierende Wirkung ist dies in diesem Fall aber nicht zwingend erforderlich.
Zur effektiven Reduzierung von Schad- oder Geruchsstoffen aus der Raumluft haben sich Beschichtungen als besonders geeignet
erwiesen, die die genannten erfindungswesentlichen Zusatzstoffe in Anteilen zwischen 1,0 und 10 Massen-% enthalten.
Aus der Vielzahl möglicher Stoffe, die als Zusatzstoffe geeignet sind, kommen vornehmlich solche mit großer innerer Oberfläche, d.h. innerer Oberfläche zwischen 10 und 1.500 m2/g gemäß der BET-Methode (DIN 66131), in Frage.
Bei der Bestimmung der Oberflächen- und Porengröße mittels der Bestimmung der Adsorptionsisotherme nach Brunauer, Emmet und Teller (BET-Methode) wird die Anlagerung weiterer Molekülschichten und der Übergang zur Kapillarkondensation berücksichtigt. Bei diesem Verfahren bietet man einer definierten Menge an Festkörper eine definierte Menge an flüssigem Stickstoff an. In der Regel adsorbiert eine Monolage Stickstoff an den Festkörper. Das nicht adsorbierte Gasvolumen wird gemessen. Danach heizt man den Festkörper, um den adsorbierten Stickstoff zu desorbieren und bestimmt dessen Volumen. Man erhält so zwei Messwerte: Volumen von nichtadsorbiertem Stickstoff und von desorbiertem Stickstoff. Anschließend wird rechnerisch die innere Oberfläche bestimmt.
Bevorzugte Stoffe mit großer innerer Oberfläche sind Aktivkohlen (innere Oberfläche zwischen 500 und 1.500 m /g) , Aluminiumoxide (ca. 300 m2/g) , Kieselgele (ca. 800 m2/g) , Ruße (ca. 10 bis 1.000 m2/g) , Diatomeenerde (ca. 2 bis 20 m2/g) und Zeolithe (typische Oberflächen von 250 bis 1.000 m2/g, abhängig von der eingestellten Porengröße) . Besonders bevorzugt sind Aktivkohle, Diatomeenerde und Zeolithe.
Als Zusatzstoffe mit adsorbierenden Eigenschaften kommen jedoch auch Schwefel, Jod, Metalloxide insbesondere Schwermetalloxide, wie z. B. Bleioxid in Betracht; auch Erdalkalimetalloxide, wie z. B. das Bariumoxid, und organische Verbindungen vom Typ der Cyclodextrine können
herangezogen werden. Oberflächenaktive Substanzen sind aufgrund ihres amphiphilen Charakters geeignet, Schad- bzw. Geruchsstoffe mit z. B. hydrophilen oder lipophilen Eigenschaften aus der Raumluft zu binden. Sog. Radikalfänger können ebenfalls als erfindungsgemäße Zusatzstoffe mit adsorbierenden Eigenschaften verwendet werden, da sie in der Lage sind, strahlungsinduzierte Aktivstoffe (Radikale wie bspw. das Hydroxylion, Singulet-Sauerstoff) oder aber Ozon und seine Folgeprodukte (Peroxide) zu eliminieren.
Dabei sind für die jeweils tatsächlich eingesetzten Stoffe mit adsorbierenden Eigenschaften selbstverständlich auch deren toxische Eigenschaften zu berücksichtigen und in jedem einzelnen Anwendungsfall sowohl deren Desorptionsverhalten, also die Wiederabgabe der adsorbierten Stoffe, als auch die möglichen umweltgefährdenden Belastungen, die von den Adsorptionsmitteln selbst ausgehen, zu prüfen.
In einem weiteren Aspekt betrifft die Erfindung eine Beschichtung für Innenraumflachen, enthaltend im wesentlichen (an-) organische Bindemittel sowie Füllmaterial, dadurch gekennzeichnet, dass sie als Zusatzstoffe Stoffe mit adsorbierenden Eigenschaften, bevorzugt mit großer innerer Oberfläche, wie Aktivkohle, Diatomeenerde und Zeolithe, und/oder Schwefel, Iod, Metalloxide, Cyclodextrine, oberflächenaktive Substanzen, Radikalfänger sowie Mischungen daraus in Anteilen zwischen 0,5 und 20 Massen-% enthält.
Typische Vertreter von organischen und/oder anorganischen Bindemitteln, die für die erfindungsgemäße Beschichtung mit als Grundstoff dienen, sind Zement, Kalk, Gips, Ton, natürliche oder künstliche Puzzolane, Wasserglas und Polymerharze. Entsprechend dem gewünschten Einsatzzweck können sie in trockener, gelöster oder dispergierter Form der Beschichtung zugesetzt sein.
Ein weiterer Grundstoff für die Beschichtung gemäß Erfindung sind Füllmaterialien, von denen die Erfindung bevorzugt Schwer- und Leichtzuschlagstoffe, wie z. B. Quarz, Kalkstein, Marmor, Basalt, Schwerspat, Dolomit, Ton, Kreide, Bims, Perlite, Blähglas, Bentonit, Talkum, Kaolin und Glimmer vorsieht .
Schließlich kann die Beschichtung gemäß vorliegender Erfindung noch sog. Hilfsstoffe enthalten, worunter vorzugsweise Hydrophobierungsmittel, Fliessmittel, Thixotropierungsmittel, Wasserrückhaltemittel, Luftporenbildner und Luftporenstabilisatoren, Entschäumer, Haftungsverbesserer, Abbindebeschleuniger, Abbindeverzögerer, Expandiermittel, Pigmente und Farbstoffe zu verstehen sind.
Die (an-) organischen Bindemittel, das Füllmaterial und die Hilfsstoffe erlauben durch ihre breiten
Kombinationsmöglichkeiten Beschichtungen, die hinsichtlich ihrer Gestaltungsmöglichkeiten (z. B. Oberflächenstruktur, Farbe) und physikalisch/chemischen Eigenschaften (z. B.
Nassfestigkeit, Elastizität, Chemikalienbeständigkeit) allen modernen Erfordernissen gerecht werden.
Nicht zuletzt deshalb beansprucht die vorliegende Erfindung neben der Beschichtung selbst auch deren Verwendung zur Ab- und/oder Adsorption von organischen und/oder anorganischen Schad- und Geruchsstoffen aus der Luft von Innenräumen und hier insbesondere von Wohnräumen. Bevorzugt wird erfindungsgemäß eine Beschichtung enthaltend Schwefel zur Ab- und/oder Adsorption von Quecksilber bzw. Aktivkohle zur Ab- und/oder Adsorption von Formaldehyd und/oder leichtflüchtigen halogenierten Kohlenwasserstoffen, insbesondere PCB und/oder PCP, verwendet.
Die nachfolgenden Beispiele veranschaulichen die Vorteile der erfindungsgemäßen Beschichtung sowie ihrer Verwendung in Innenräumen.
Beispiele
1. Immobilisierung von Schwermetaildämpfen
Beispielhaft wurde ein offenporiger Sanierputz mit 2 Massenprozent elementaren Schwefels dotiert und mit der Raumluft eines quecksilberkontaminierten Innenraumes in Kontakt gebracht .
Als Wirksamkeitsnachweis für die erfindungsgemäße Beschichtung wurde neben einer Raumluftanalyse zur Bestimmung der Hintergrundbelastung an vier geputzten Testflächen das Ausgasungsverhalten von Quecksilber bestimmt. Die dafür verwendete Saugglocke wurde an die Testflächen gepresst und mit Hg-freier (Au-Falle) Außenluft gespült (20-facher Luftaustausch) . Die Messung des Hg-Gehaltes im Saugglockenraum erfolgte jeweils direkt nach der Spülung. Wie die Werte in nachfolgender Tabelle demonstrieren, konnte mit dem schwefeldotierten Sanierputz eine erhebliche Verringerung der Quecksilberkonzentration in der Raumluft erzielt werden, da der elementare Schwefel mit dem Luftquecksilber zu schwerflüchtigem also immobilisiertem Quecksilbersulfid reagierte.
Diese Vorgehensweise ermöglicht ebenso die Immobilisierung von über längere Zeit im Mauerwerk angereicherten Quecksilberverunreinigungen.
2 . Adsorption von Formaldehyd
Ein Kalk-Zement-Putz wurde mit 5 Massenprozent Aktivkohle Precolith FK 345-HS versetzt. Nach dem Anmischen mit Wasser wurde eine 200 x 200 mm Probeplatte mit 20 mm Schichtdicke hergestellt und nach dem Erhärten in eine spezielle Prüfkammer gestellt. Die Atmosphäre in der Probekammer wurde mittels einer Injektionsspritze bis zur doppelten der maximalen Arbeitsplatzkonzentration mit Formaldehyd (FA; MAK = 0,6 mg/m3) eingestellt. Nach fünf Stunden wurde die Formaldehydkonzentration der Prüfkammer-Luft erneut bestimmt: Der Formaldehyd-Gehalt der Luft war nach 5 Stunden bis auf die Hälfte des zugelassenen MAK-Wertes abgesunken und näherte sich in den folgenden Stunden der Nachweisgrenze an.