Verwendung von modifizierten Lebensmittelinhaltsstoffen zur Vorbeugung der Entwicklung eines Diabetes Mellitus (IDDM) bei bestehendem epidemiologisch begründeten Risiko
BESCHREIBUNG
Die Erfindung betrifft die Verwendung von Lebensmittelinhaltsstoffen, die für die Herstellung von Lebensmitteln, insbesondere von Säuglingsund Kindernahrungen einschließlich Nahrungsergänzungsmitteln und Lebensmittelzusatzstoffen eingesetzt werden oder einsetzbar sind, die tierischen, pflanzlichen, mikrobiologischen und/oder gentechnischen jedoch nicht humanen Ursprungs sind und die auf bestimmte Art und Weise modifiziert wurden, zur Reduktion des epidemiologisch begründeten Risikos von Diabetes mellitus Typ I.
Für die Entwicklung und Entstehung von mehreren degenerativen Erkrankungen sind epidemiologisch begründete Risiken im Zusammenhang mit Ernährungsfaktoren, Ernährungsformen und Diäten bekannt. Es wird dabei auch diskutiert, ob die Ernährung von Säuglingen mit muttermilchfremden Lebensmittelprodukten eine Rolle spielt. Die ursächlichen Initialreaktionen und die Zusammenhänge mit den Folge- prozessen der Pathogenese solcher oft erst nach langer Zeitspanne diagnostizierbaren Erkrankungen sind jedoch meist unbekannt geblieben oder wenig geklärt worden. Beispiele für derartige Erkrankungen, für die epidemiologisch begründete Risiken hinsichtlich Ernährungsfaktoren, Ernährungsformen und Diäten bekannt sind, sind beispielsweise rheu- matoide Arthritis, Systemischer Lupus Erythematosus, gastrointestinale Erkankungen und viele andere mehr.
Es ist bekannt, daß der Darm des Menschen in den verschiedenen Lebensphasen durch andere strukturelle Merkmale geprägt ist als der Darm des Kalbes/Rindes. Zudem ist der Darm des menschlichen Säug-
lings funktioneil und strukturell verschieden von demjenigen des erwachsenen Menschen und unterliegt verschiedenen Entwicklungs-, Übergangs- und Reifungsphasen. Im Gegensatz zum Darm des erwachsenen Menschen hat der Säugling einen Darm mit noch nicht oder wenig entwickelter selektiver Semipermeabilität (sog. "offener" Darm) für verschiedene Molekülgrößen (insbesondere große Proteinmoleküle) aus Lebensmittel. Als natürliches Lebensmittel ist hierbei in erster Linie die menschliche Muttermilch zu nennen und nicht etwa "Ersatzprodukte", die aus Kuhmilch oder anderen tierischen und pflanzlichen Produkten, ins- besondere Soja, Weizen usw., hergestellt wurden.
Daher können auch größere Proteinmoleküle (beispielsweise lmmunglo- buline), wenn auch nur in geringen Mengen, vom Säuglingsdarm in den Blutkreislauf noch übertreten. Dies kann potentielle Risiken bei muttermilchfremden Ernährungsfaktoren, Ernährungsformen und Diäten zur Folge haben und begründen.
Der menschliche Fötus kann beispielsweise durch die Plazenta mit den mütterlichen Immunoglobolinen versorgt werden, so daß der Mensch bei Geburt schon einen weitgehend passiven Immunschutz von der Mutter übernommen hat. Beim Rind ist dies weitgehend nicht der Fall. Vielmehr ist die reichlich Immunogloboline enthaltende Kuhmilch sehr wichtig für den Erwerb des postnatalen Immunschutzes. Dementsprechend sind auch die Zusammensetzungen von menschlicher Muttermilch und von Kuhmilch verschieden. Oben geschilderte Zusammenhänge stellen einen der Gründe dar, warum nach dem heutigen Erkenntnisstand Muttermilch als die beste Ernährung für Säuglinge angesehen wird. Künstliche Nahrungen bzw. Babynahrungen einschließlich Infant Formulae müssen jedoch auf Basis anderer Grundstoffe hergestellt werden, wobei beispielsweise Kuhmilch und andere tierische und pflanzliche Produkte, insbesondere Soja, Weizen usw. verwendet werden. Auch in diesem Fall versucht man jedoch, die künstliche Nahrung möglichst derjenigen der Muttermilch anzupassen. Gleichwohl bleibt das Problem bestehen, daß
Kuhmilch und die anderen Ausgangsprodukte anders zusammengesetzt sind als die Muttermilch. Da es nun nicht möglich ist, nur und ausgerechnet diejenigen Bestandteile aus der Kuhmilch und den anderen Ausgangsprodukten zur Herstellung von künstlichen Nahrungen zu ver- wenden, die sich auch in der Muttermilch finden oder den Bestandteilen der Muttermilch zumindest ähnlich sind, gelangen bei der Herstellung von künstlichen Nahrungen auf Basis der geschilderten Ausgangsprodukte auch solche Bestandteile in die künstliche Nahrungen, die an sich in der Muttermilch nicht zu finden sind. Somit sind muttermilch- fremde Ernährungsfaktoren, Ernährungsformen und Diäten durchaus mit einem potentiellem Risiko zur Entwicklung und Entstehung von degenerativen Erkrankungen behaftet.
Das ß-Zellgewebe des Pankreas beim Menschen ist der Synthese- und Exportort des für den Körperstoffwechsel außerordentlich wichtigen Insulins. Dieses ß-Zellgewebe ist außerordentlich empfindlich gegen viele Arten von Störfaktoren, die zu einer Beeinträchtigung der Entwicklung und der Funktion des ß-Zellgewebes führen können. Die hohe Anfälligkeit des ß-Zellgewebes gegen diese Störfaktoren kann zu einer selektiven Zerstörung der endokrin aktiven Zellen und damit zu einem relativen oder absoluten Insulinmangel als Kernstück der Krankheit des Diabetes mellitus führen. Beim juvenilen (insulinabhängigen) Diabetes mellitus (Typ I; "Insulin-Dependent Diabetes Mellitus" nachstehend "IDDM" genannt) sind die ß-Zellen nach Zahl und Volumen verringert und nicht in der Lage, den Bedarf des Organismus an Insulin zu decken.
Zu der in den letzten Jahrzehnten bemerkbaren, überdurchschnittlich starken Zunahme des menschlichen IDDM wurden zahlreiche epidemiologische Studien angefertigt. Diese Untersuchungen zeigten ein epidemiologisch begründetes Risiko zur Entwicklung und Entstehung der genannten degenerativen Erkrankungen im Zusammenhang mit der Fütterung von Säuglingen mit muttermilchfremden Ernährungsfaktoren, Ernährungsformen und Diäten. Demzufolge besteht ein epidemiologisch
begründetes, besonders hohes Risiko durch die Ernährung von Säuglingen mit Lebensmitteln auf der Basis von Kuhmilch und bestimmten pflanzlichen Mitteln, insbesondere Soja und Weizen. Weitere Untersuchungen führten zu der Hypothese, daß bestimmte Lebensmittel ver- schiedene zelluläre Prozesse einleiten oder verändern können, durch die beim Menschen mit genetisch geprägte Dispositionen das Immunsystem gegen das eigene Gewebe abnormal zu reagieren beginnt und im Laufe einer bestimmten Zeitspanne eigenes Gewebe durch Autoimmunreaktionen zerstören kann. So sollen im Falle des IDDM Lebens- mittelkomponenten, die sich von den Komponenten der menschlichen Muttermilch unterscheiden, auslösende Faktoren für eine sich entwickelnde Autoimmunreaktion sein, die gegen die ß-Zellen gerichtet ist und die im Laufe der jugendlichen Entwicklung zur nahezu vollständigen Zerstörung der sekretorischen Inselzellen führt.
Nach dem gegenwärtigen Stand der Kenntnis sind die genauen auslösenden Mechanismen der Initialprozesse von Autoimmunerkrankungen und insbesondere von IDDM ein vielseitig kontrovers diskutiertes Thema. Viele Problemstellungen sind dabei noch ungelöst. So bleibt nach wie vor die Frage offen, ob nicht immunologische lnitial- mechanismen, die erst nach langer Zeitspanne über Autoimmunreaktionen zu diagnostizierbarem IDDM führen können, beteiligt sind. Neue Untersuchungen zeigen richtungsweisend darauf hin, daß IDDM eine multifaktorielle Krankheit ist, deren eigentlicher Trigger immer noch unbekannt ist, und an der sowohl Antigen-spezifische (immunologische) und Antigen-unspezifische (nicht-immunologische) Prozesse beteiligt sind.
Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, einen Weg zur Ernährung von Säuglingen und Kindern aufzuzeigen, der vorbeugend ein epidemiologisch begründetes Risiko der Entwicklung und Entstehung von IDDM vermindern kann, wobei bisher eingesetzte oder einsetzbare
Inhaltsstoffe bzw. Nahrungsmittel insbesondere auf Basis von Kuhmilch sowie Soja und Weizen, Anwendung finden können.
Gelöst wird diese Aufgabe durch die Lehre der Ansprüche.
Überraschend wurde gefunden, daß viele Lebens-, Futter-, Diät- und Genußmittel, Ersatz- und Zusatzstoffe, die ein epidemiologisch begründetes Risiko zur Entwicklung und Entstehung von IDDM beinhalten, Nahrungsinhaltsstoffe mit hohen Gehalten an Oligomeren und Polymeren enthalten, die starke Bindungs- und Fällungseigenschaften für Zinkionen (nachstehend Zinkionenbinder genannt) haben und die die Funkti- onen von Zellen abträglich beeinflussen können. Zu diesen Zinkionenbindern gehören insbesondere hoch phosphorylierte Proteine und Pep- tide, insbesondere die Caseine der Kuhmilch, sowie hochphosphorylierte Kohlenhydrate insbesondere solche pflanzlicher Herkunft, insbesondere Phytin (Inositol-hexakisphosphat) und die Salze davon (Phytate). Dies gilt somit beispielsweise auch für Säuglingsmilchen und andere künstliche Nahrungen zur Ernährung von Säuglingen, die auf Basis von Kuhmilch und anderen tierischen und pflanzlichen Produkten hergestellt wurden.
Ferner wurde nun überraschend gefunden, daß die Lebensmittel- inhaltsstoffe, die zur Herstellung der genannten Nahrungen einschließlich Säuglingsnahrungen etc. verwendet wurden und die an sich ein epidemiologisch begründetes Risiko zur Entwicklung und Entstehung von IDDM beinhalten, derart modifiziert werden können, daß gegen das genannte epidemiologisch begründete Risiko vorgebeugt werden kann. Dazu wird die Fähigkeit dieser Nahrungsinhaltsstoffe, Zinkionen zu binden oder zu fällen, um mindestens 20 % reduziert. Die Bindung von Zink an diese Nahrungsinhaltsstoffe und insbesondere an Proteine kann mit Hilfe der Gleichgewichtsdialyse in Kombination mit der klassischen Atomabsorptionspektroskopie gemessen werden. Bezüglich weiterer Einzelheiten wird verwiesen auf "Binding of zinc to bovine and human
milk proteins, von H. Singh, A. Flynn, PF. Fox in J. Dairy Res 1989, 56, 235 - 248.
Erfindungsgemäß werden somit Lebensmittelinhaltsstoffe, die in der sich von Muttermilch unterscheidenden Milch anderer Spezies, insbesondere Kuhmilch und anderen tierischen und pflanzlichen Produkten vorkommen, in der beschriebenen Weise modifiziert. Diese modifizierten Lebensmittelinhaltsstoffe werden dann zur Herstellung von Nahrungen, insbesondere für Säuglinge und Kinder, eingesetzt und ersetzen die bisher verwendeten Lebensmittelinhaltsstoffe zumindest teilweise. Werden derartige erfindungsgemäß modifizierte Lebensmittel inhaltsstoffe in Säuglings- und Kindernahrungen zur Anwendung gebracht, dann wird dadurch auch das epidemiologisch begründete Risiko von Diabetes mellitus Typ I reduziert, unabhängig von der Frage, welcher Entstehungsmechanismus dieser Krankheit zugrunde liegt.
Wenn erfindungsgemäß davon die Rede ist, daß die modifizierten Lebensmittelinhaltsstoffe bei Säuglingen und Kindern zur Reduktion des epidemiologisch begründeten Risikos von Diabetes mellitus Typ I verwendet werden, dann ist damit zumindest ein Verwendungszeitraum von der Geburt bis zu einem Alter von 12 Jahren einschließlich umfaßt.
Nach einer bevorzugten Ausführungsform werden die erfindungsgemäß modifizierten Lebensmittelinhaltsstoffe auf enzymatische, chemische (z.B. Erhitzen bei unterschiedlichen pH-Werten), biologische, physikalische und/oder gentechnische Weise modifiziert.
Bei den Nahrungsinhaltsstoffen handelt es sich vorzugsweise um Pro- teine, insbesondere um Milchproteine und am meisten bevorzugt um zur Ernährung geeignete Caseine, hier bevorzugt modifiziert durch den Einsatz von Phosphatase, gewonnen z. B. aus der Kartoffel, aus anderen Pflanzen (z.B. Bohnen), aus Pankreas(-saft), oder aus Mikroorganismen oder von Phosphatase gentechnologischen Ursprungs. Für die Modifizie- rung kann das Enzym in freier oder gebundener (z.B. Membran-gebun-
den oder gebunden an andere Trennmedien oder Trägermedien) eingesetzt werden.
Nach einer weiteren bevorzugten Ausführungsform handelt es sich bei den Proteinen (Proteiden) um Sojaproteine, die insbesondere bevorzugt durch ein enzymatisches Verfahren unter Verwendung von Phytase modifiziert wurden.
Mit anderen Worten, erfindungsgemäß werden übliche Ausgangsstoffe zur Herstellung von Säuglings- und Kindernahrungen, insbesondere Caseine und Sojaproteine bzw. Sojaproteide, derartig modifiziert, daß ihre Fähigkeit Zinkionen zu binden oder zu fällen, zumindest um 20 % und vorzugsweise um 30 % und insbesondere bevorzugt um 50 - 80 % reduziert wurde. Diese modifizierten Nahrungsinhaltsstoffe werden dann dazu verwendet, die bisher eingesetzten Nahrungsinhaltsstoffe und insbesondere Caseine und Proteine zumindest teilweise in den Säuglings- und Kindernahrungen zu ersetzen.
Die Erfindung wird im folgenden anhand der nachstehenden, bevorzugter Ausführungsformen beschreibender Beispiele näher erläutert.
Beispiel 1
Herstellung einer adaptierten Säuglingsnahrung mit dephosphoryliertem Casein:
70 kg Casein (90 % Protein) werden in 60 °C warmen Wasser gelöst. Nach einem Pasteurisierungsschritt wird dem Ansatz saure Phosphatase zugegeben und die Lösung für mindestens 5 h bei 4 °C bis 55 °C inkubiert. Nach Inaktivierung des Enzymes bei 85 - 90 °C werden nachein- ander 290 kg Molkenpulver (13 % Protein), 67 kg Molkenproteinkonzentrat (76 % Protein), 154 kg Laktose, 49 kg Maltodextrine, 285 kg einer geeigneten Lipidmischung und die für Säuglingsnahrungen empfohlenen Mengen Mineralstoffe, Spurenelemente und Vitamine zugegeben. Nach dem vollständigen Lösen aller Bestandteile wird die Lösung
homogenisiert, pasteurisiert und auf einen Trockenmassegehalt von 35 - 45 % eingedampft. Als letzter Schritt erfolgt eine Sprühtrocknung.
Beispiel 2
Herstellung einer adaptierten Säuglingsnahrung auf Hydrolysatbasis: 70 kg Casein (90 % Protein) werden in 60 °C warmen Wasser gelöst. Nach einem Pasteurisierungsschritt wird dem Ansatz saure Phosphatase zugegeben und die Lösung für mindestens 5 h bei 4 °C bis 55 °C inkubiert. Nach Inaktivierung der Phosphatase bei 85 - 90 °C wird der Ansatz auf 20 - 30 °C abgekühlt und ein Gemisch verschiedener Pro- teasen (wie Pepsin, Trypsin, Chymotrypsin und/oder mikrobieller Pro- teasen) hinzu gefügt und der Ansatz 30 min bis 10 h inkubiert. Nach Ultrafiltration dieses Ansatzes werden nacheinander 1 12 kg Molken- proteinhydrolysat (79 % Protein), 380 kg Laktose, 49 kg Maltodextrine, 285 kg einer geeigneter Lipidmischung und die für Säuglingsnahrungen empfohlenen Mengen Mineralstoffe, Spurenelemente und Vitamine zugegeben. Nach dem vollständigen Lösen aller Bestandteile wird die Lösung homogenisiert, pasteurisiert und auf einen Trockenmassegehalt von 35 - 45 % eingedampft. Als letzter Schritt erfolgt eine Sprühtrocknung.
Beispiel 3
Milchfreie Spezialnahrung für Säuglinge und Kleinkinder auf Sojabasis: 750 I Wasser werden auf 50 °C erwärmt. Hierin werden 80 kg mit Phytase (entsprechend den heute üblichen Methoden) behandeltes Sojaprotein gelöst. Anschließen werden alle notwendigen Mineralstoffe und Vitamine gelöst und der pH-Wert auf 7,2 eingestellt. In diesem Ansatz werden nacheinander 24 kg Instantstärke, 120 kg Dextrose und 150 kg Maltodextrine gelöst. Die Lösung wird auf 70 °C erwärmt und 125 kg einer Fettmischung, versetzt mit einem Emulgator, zugegeben. Anschließend wird der Ansatz homogenisiert, pasteurisiert und auf einen Trockenmassegehalt von 35 - 45 % eingedampft und sprühgetrocknet.
Beispiel 4
Salzfreies Casein der Kuhmilch wird proteolytisch nach literaturbekannten Methoden in seine Spaltprodukte ("Phosphopeptide") zersetzt (300 - 3O00 Dalton); diese werden in neutralisiertem Wasser aufgenommen, auf die gewünschte Konzentration eingestellt, bzw. durch Lyophilisieren als Trockensubstanz erhalten. Das Produkt wird in zwei Ansatzportionen aufgetrennt; davon wird der eine Ansatz zur Dephosphorylierung mit saurer Phosphatase aus Kartoffelwasser behandelt; nach Beendigung der Reaktion können durch Lyophilisieren die freien, dephosphoryiierten Peptide als Trockensubstanz erhalten werden. Das Präparat, das der Dephosphorylierungsreaktion unterzogen worden war, enthält die erfindungsgemäßen modifizierten Proteine zur weiteren Verwendung.