Verfahren zum Entschichten von Körpern
Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zum Entschichten von Körpern, versehen mit einer Hartstoffschicht aus einer Ti-Verbindung in einer alkalischen Lösung, enthaltend
- Wasserstoffperoxid
- mindestens eine Base
- mindestens eine Säure und/oder ein Salz einer Säure .
Die DD 228 977 beschreibt ein Verfahren zum Entschichten von TiN-Schichten, insbesondere zum Entschichten von auf Nickelsubstraten aufgebrachten TiN-Schichten. Dabei werden die zu behandelnden Teile für ca. 3 Min. bei einer Temperatur von ca. 70°C bis 80°C in einer Wasserstoffperoxidlösung mit einem Gehalt von 35 Ma% Peroxid eingebracht, danach in Wasser gespült, getrocknet und anschliessend abgemullt. Für das Entschichten von TiAlN-Schichten ist dieses Verfahren ungeeignet, weil sich das TiAlN in einer Wasserstoffperoxidlösung schlecht löst .
Gemass der GB 2 127 042 werden Titannitrid-Hartstoffschichten auf Substraten aus rostfreiem Stahl in wässriger Salpetersäure bei Temperaturen über 70°C entschichtet. Die Entschichtungszeit für eine 1 μm dicke Schicht beträgt, bei 70°C, ca. 50 Stunden. Diese äusserst lange Entschichtungszeit ist sehr nachteilig.
Ein Verfahren für die Entschichtung von Hartstoffschichten auf verschiedenen Metallsubstraten ist aus der US 4 746 369 be- kannt. Das saure Entschichtungsbad setzt sich aus Wasserstoffperoxid als Oxidator und einer Phosphorsäure oder Salpetersäure
zusammen. Weiter kommen verschiedene oberflächenaktive Stoffe zur Anwendung. Der sehr niedrige pH-Wert der Lösung von weniger als 0,5 ist für die Anwendung auf Schnellarbeitsstahl-Substrate - HSS (High Speed Steel) - sehr nachteilig.
Gemass der DE 41 10 595 wird vorgeschlagen, Hartstoffschichten von Werkzeugoberflächen in einer durch Komplexbildner stabilisierten Wasserstoffperoxid-Lösung durchzuführen, wobei als Komplexbildner Kalium-Natrium-Tartrat-Tetrahydrat oder Natrium- Gluconat verwendet wird. Dadurch werden einerseits TiAlN- Schichten nicht mit befriedigender Geschwindigkeit entschichtet, anderseits ergeben die eingesetzten Stabilisatoren nur eine beschränkt stabilisierende Wirkung.
Aus der DE 41 01 843 ist ein Verfahren zum Entschichten von mit Hartstoffschichten beschichteten Gegenständen bekannt, wobei die Gegenstände mit einer Lösung, enthaltend Tetra-Natrium- Diphosphat und Wasserstoffperoxid, behandelt werden. Typisch sind die Wasserstoffperoxid-Konzentrationen von 8 bis 12 %, die relativ hohe Tetra-Natrium-Diphosphat-Konzentration von 8 bis 12 %, die hohe Prozesstemperatur, bei Siedetemperatur, und der hohe pH-Wert von 8 bis 12. Ist die Lösung auf etwa die Hälfte des Ausgangsvolumens eingedampft - was bei den hohen Temperaturen relativ rasch erfolgt - kann eine Phosphatierung der bereits entschichteten Oberfläche auftreten. Es werden Titannitrid- und/oder Titannitrid/Karbid-Hartstoffschichten entschich- tet.
Schliesslich sind aus der DE 43 39 502 schichtmaterialspezifi- sche Verfahren zum Entschichten von Metallsubstraten, insbesondere auch von Hartmetallsubstraten, bekannt, welche Hartstoff-
schichten entweder aus TiN, aus TiCN oder aus TiAlN aufweisen, oder aber von Schichtsystemen aus TiN/TiAlN.
Dabei wird eine alkalische Lösung mit Wasserstoffperoxid, mindestens einer Base sowie mindestens einem Salz von Mono- und - Dikarbonsäuren eingesetzt .
Es setzt sich das Lösungsbad, je nach zu entfernender Schicht und unter Schonung der Substrate, schichtmaterialspezifisch aus einer Vielzahl von Komponenten zusammen.
Ausgehend von den letzterwähnten schichtmaterialspezifischen Verfahren ist es Aufgabe der vorliegenden Erfindung, ein Verfahren vorzuschlagen, mit welchem wesentlich einfacher und flexibler grossindustriell Schnellarbeitsstahl-Substrate entschichtet werden können, und zwar unabhängig davon, ob sie mit einer TiN-, einer TiCN und/oder TiAlN-HartstoffSchicht be- schichtet sind. Im Unterschied zum obgenannten Verfahren soll mithin erfindungsgemäss ein und dasselbe Verfahren für die Ent- schichtung aller erwähnten Hartstoffschichten von HSS- Substraten ermöglicht werden.
Definitionen :
1) Schnellarbeitsstahl :
Ein Schnellarbeitsstahl wird charakterisiert durch hohe Koh- lenstoffkonzentrationen, bis zu 1,5 %, und Zusätze von stark karbidformenden Elementen wie Chrom, Molybden, Wolfram und Vanadium. Bis zu 12 % Kobalt ist in einigen der mehr komple- xen Sorten enthalten.
Schnellarbeitsstahl wird so genannt, weil er seine hohe Härte bei Hochgeschwindigkeitsanwendungen behält (siehe D.T.
Llewellyn, Steel: Metallurgy and Application, Butterworth- Heihemann Ltd., Oxford 1992, p. 174).
2) Phosphat :
Als Phosphat wird ein Salz einer Phosphorsäure, Diphosphor- säure, Triphosphorsäure etc. verstanden. Z.B. ist das Phosphat "Kalziumphosphat" ein Salz von Phosphorsäure, "Di- Natriumdihydrogenphosphat" ein Salz der Diphosphorsäure , weiter "Penta-Natriumtriphosphat" ein Salz der Triphosphorsäure etc .
3) Phosphonat :
Unter Phosphonat wird ein Salz einer Phosphonsäure , insbesondere einer organischen Phosphonsäure, d.h. einer Phosphonsäure mit organischen Substituenten, verstanden.
Die erwähnte Aufgabe wird dadurch gelöst, dass für die Ent- Schichtung von HSS-Substraten mit mindestens einer Schicht aus TiN, TiCN oder TiAlN, mindestens eine Substanz aus der Gruppe der Phosphate, Phosphonate und Phosphon-Säuren eingesetzt wird.
Bevorzugterweise kommen folgende spezifische Verfahrensführungen alternativ oder in Kombination zum Einsatz :
- Als Phosphat wird di-Natriumdihydrogenpyrophosphat , Na-H2P207 und/oder penta-Natriumtriphosphat (NasP3O10) bevorzugt eingesetzt;
- Als Phosphon-Säure wird bevorzugterweise Aminotri- (methylenphosphonsäure) und/oder 1-Hydroxyethan (1,1- diphosphonsäure) eingesetzt. Dabei werden diese Phosphonsäu- ren als solche direkt in die Lösung eingebracht . Dies gilt
generell für den Einsatz von Phosphonaten, Phosphaten und Phosphonsäuren .
Dabei hat es sich mindestens vorläufig gezeigt, dass der Einsatz der l-Hydroxyethan(l,l-diphosphonsäure) besonders geeig- neter ist.
- Die Prozesstemperatur des Lösungsbades wird, gegebenenfalls durch Heizen und/oder Kühlen, auf 20°C bis 80°C gehalten (die Bereichsgrenzen sind eingeschlossen) ;
- Die Peroxidkonzentration wird zwischen 5 und 50 Gew.% gewählt (die Bereichsgrenzen sind eingeschlossen) ;
- Die Konzentration von Phosphat und/oder Phosphonat und/oder Phosphon-Säure wird zwischen 0,1 und 10 Gew.% gewählt (die Bereichsgrenzen sind eingeschlossen) ;
- Es können auch grössere Lösungsbadvolumina, z.B. > 50 1 oder gar > 100 1, stabil betrieben werden;
- Die Lösung besteht vorzugsweise aus destilliertem Wasser, Wasserstoffperoxid, der erwähnten Base, beispielsweise NaOH, und den erwähnten Phosphaten und/oder Phosphonaten und/oder Phosphon-Säuren, mindestens in weitaus überwiegendem Anteil.
Dadurch wird eine schichtmaterialspezifische und komplexe Lösungszusammensetzung umgangen und die Möglichkeit geschaffen, jede der erwähnten HartStoffschichten von HSS-Substraten mit derselben Lösung zu entschichten. Im weiteren entfällt der sehr grosse apparative Aufwand, der betrieben werden muss, wenn ein alkalisches Wasserstoffperoxid-Bad mit einem pH-Wert von 8 bis 12 im Siedetemperatur-Bereich betrieben wird. Auch entfällt dank der tiefen Prozesstemperaturen, bei denen das erfindungs-
gemässe Lösungsbad betreibbar ist, die Phosphatierungsgefahr, welche, bei hohen Prozesstemperaturen im Siedetemperaturbereich, durch schnelles Eindampfen besteht.
Damit ist für wirtschaftliche und grossindustrielle Entschich—- tung die Möglichkeit gegeben, erfindungsgemäss Entschichtungs- bäder mit grossen Volumina z.B. von über 50 1 oder gar von über 100 1 stabil zu betreiben. Es können damit grosse Mengen von hartstoffbeschichteten HSS-Substraten, wie beispielsweise Werkzeuge, innerhalb von einigen Stunden entschichtet werden.
Im Gegensatz zu TiN und TiCN löst sich TiAlN in Wasserstoffperoxid-Lösungen auch bei erhöhten Temperaturen nicht . Wird der pH-Wert der Wasserstoffperoxid-Lösung durch Zudosierung einer Base, wie von NaOH, angehoben, bis in den alkalischen Bereich mit pH > 7 , dann werden nebst den erwähnten TiN- und TiCN- Schichten auch TiAlN-Schichten gelöst. Erfindungsgemäss wurde erkannt, dass dies auch bei tiefen Prozesstemperaturen der Fall ist .
Vorteil des alkalischen Wasserstoffperoxids ist die hohe Pro- zessicherheit mit Bezug auf Korrosion von HSS-Material . In al- kaiischen Medien verhält sich HSS sehr edel. Damit besteht auch dann keine Korrosionsgefahr für das HSS-Substrat, wenn längere Entschichtungszeiten einzusetzen wären.
Das Problem der Instabilität von alkalischen Wasserstoffperoxid-Lösungen, indem eine Autooxidation des Wasserstoffperoxids stattfindet, welche durch Metallionen katalysiert wird, die beim Entschichtungsvorgang in die Lösung freigesetzt werden, was wiederum zu Überhitzung und Überkochen des Entschichtungs- bades führt, wird erfindungsgemäss durch die Zudosierung mindestens eines Phosphates und/oder Phosphonates und/oder minde-
stens einer Phosphon-Säure als Stabilisator gelöst. Hinzukommend wird durch diesen Zusatz die EntSchichtung beschleunigt, und zwar bezüglich aller erwähnten Hartstoffschichten. Durch diese Zudosierung wird die Badstabilität so verbessert, dass das Entschichtungsbad auch bei erhöhter Temperatur stabil betrieben werden könnte. Für die Aufrechterhaltung der Badtemperatur kann eine Heizung und/oder Kühlung vorgesehen sein, gegebenenfalls wird die Badtemperatur auf einen Sollwert geregelt, mit Heizung und/oder Kühlung als Stellglied.
Zum Wirkungsunterschied von Phosphaten und/oder Phosphonaten und/oder von Phosphon-Säure in der erfindungsgemäss eingesetzten Lösung:
Bei Einsatz allein von Phosphat ist die Badstandzeit relativ gering, beträgt im Normalfall zwischen 1 und 3 Chargen, was selbstverständlich in gewissen Fällen durchaus ausreicht . Diese relativ geringe Badstandzeit beruht auf der doch beschränkten Stabilität von Polyphosphaten. Die Stabilität von Polyphospha- ten in alkalischen Lösungen ist nur massig, in sauren Lösungen schlecht . Durch Hydrolyse werden die Polyphosphate in Ortho- phosphate überführt, die für die Stabilisierung der Peroxidlösungen weit weniger wirksam sind.
Anders verhält sich dies bei den organischen Phosphonaten und Phosphon-Säuren. Im Vergleich zu anorganischen Polyphosphaten besitzen Phosphonate und Phosphon-Säuren eine sehr gute hydro- lytische Stabilität . Dies ist auf die sehr hohe Stabilität der C-P-Bindungen der Phosphonate und Phosphon-Säuren zurückzuführen. Neben der erhöht stabilisierenden Wirkung, Erhöhung der Badstandzeit, bewirken Phosphonate und Phosphon-Säuren zudem eine weitere Beschleunigung der Entschichtungsreaktion.
Beispiel I :
Als Entschichtungsbad wurde folgende Lösung angesetzt :
- 125 1 Wasserstoffperoxid, 17,5 Gew.%
- 1,25 kg NasP3O10
- 500 g NaOH
Das Bad wurde auf 60 °C aufgeheizt und 500 Stück 12 mm HSS- Schaftfräser, beschichtet mit einer TiAlN-Schicht , in die Lösung eingebracht. Nach 3 Std. waren die Werkzeuge vollständig entschichtet und die Badtemperatur war stabil auf 60 ± 2°C ge- blieben.
Beispiel II:
Es wurde folgende Entschichtungslösung angesetzt:
- 125 1 Wasserstoffperoxid, 17,5 Gew.%
- 0,2 mol/1 Aminotri- (methylenphosphonsäure) ATMP
- 0,4 mol/1 NaOH
Die Temperatur der Entschichtungslösung wurde durch Heizen/Kühlen auf ca. 60°C konstant gehalten, und es wurden 500 Stück 12mm-HSS-Schaftfräser, beschichtet mit einer TiAlN- Schicht, in die Lösung eingebracht. Nach drei Stunden waren die Werkzeuge vollständig entschichtet, und die Badtemperatur war dabei stabil auf 60 ± 2°C geblieben. Es konnten mehrere der erwähnten Chargen in der gleichen Lösung entschichtet werden. Verglichen mit dem Einsatz von Polyphosphaten gem ss Beispiel I konnte die Bandstandzeit um einen Faktor von 2 bis 4 verlängert werden.
Beispiel I I I :
Es wurde folgende Entschichtungslösung angesetzt :
- 125 1 Wasserstoffperoxid, 17,5 Gew.%
- 2 Gew.% l-Hydroxyethan(l, l-diphosphonsäure)HEDP
- 0,4 mol/1 NaOH
Betrieben und beladen gemass Beispiel II ergaben sich, jedoch bei verkürzten Entschichtungszeiten, dieselben Resultate wie gemass Beispiel II.
Vorteil der vorliegenden Erfindung ist die einfache Lösungszu- sammensetzung, die einfache Prozessführung und die kurze Entschichtungszeit. Bei Lösungstemperaturen deutlich unterhalb des Siedepunktes kann schon innerhalb von wenigen Stunden ent- schichtet werden. Bezüglich Korrosion an HSS-Substraten besteht hohe Sicherheit: Weil die Entschichtungslösung alkalisch ist, findet keine Korrosion von HSS statt.
Ein wesentlicher Vorteil ist weiter, dass im gleichen Arbeitsgang, d.h. mit derselben Entschichtungslösung, eine grosse Zahl von HSS-Substraten, z.B. gemischt mit TiN-, TiCN- und/oder TiAlN-Schichten, entschichtet werden können, u.a. indem hohe Volumina an Lösung, z.B. von über 50 1 oder gar von über 100 1, mit wenig Aufwand stabil betrieben werden können.