Verfahren zur präventiven bedarfsweisen hormonalen Kontrazeption
Beschreibung:
Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur hormonalen Kontrazeption, bei dem eine mindestens ein Gestagen enthaltende pharmazeutische Zubereitung bedarfsweise und einmalig vor einem erwarteten Geschlechtsverkehr transdermal verabreicht wird.
Die hormonale Kontrazeption mit täglich oral verabreichten niedrigen Dosierungen von synthetischen Estrogenen und Gestagenen ist zur Zeit die effektivste reversible Methode zur Kontrazeption.
Neben den Estrogen und Gestagen enthaltenden, sog. Kombinationspräparaten sind Präparate verfügbar, die nur Gestagene enthalten.
Die Verabreichung hormonaler Kontrazeptiva erfolgt normalerweise oral. Daneben ist aber auch eine Verabreichung von Gestagenen als Depotpräparat möglich. Hierunter fallen sogenannte Injektionspräparate, Intrauterinpessare und Implantate. Auch die transdermale Verab- reichung einer Estrogen/Gestagen-Kombination freigesetzt aus einem Pflaster ist auf dem Markt.
Seit den 70er Jahren ist in den europäischen Ländern die "Postcoitalpille" erhältlich, ebenfalls zur Prävention einer unerwünschten Schwangerschaft. Diese enthält eine hochdosierte Kombination von Ethinylestradiol und Gestagenen.
Seit wenigen Jahren steht ein hochdosiertes Gestagenpräparat zur Verfügung, das postcoital innerhalb von 72 Stunden einmalig - beziehungsweise fraktioniert mit einer zweiten Administration innerhalb von 16 Stunden nach der ersten Verabreichung - nach dem Versagen einer anderen Verhütungsmethode oder ungeschütztem Geschlechtsverkehr oral angewendet wird.
Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur hormonalen Kontrazeption bereitzustellen, welches im Vergleich zu hormonalen postkoitalen Methoden eine höhere kontrazeptive Sicherheit gewährleistet, unter der Kontrolle der Frau steht und keinen Abort induziert. Weiterhin soll eine höhere Verträglichkeit als bei anderen hormonalen Mitteln zur Kontrazeption erreicht werden.
Erfindungsgemäß wird diese Aufgabe durch ein Verfahren zur hormonalen Kontrazeption gelöst, bei dem eine mindestens ein Gestagen enthaltende pharmazeutische Zubereitung bedarfsweise einmalig vor einem erwarteten Geschlechtsverkehr transdermal verabreicht wird. Die höhere Verträglichkeit wird durch die - im Vergleich zur oralen Anwendung - niedrigere Dosierung des transdermal verabreichten Gestagens gelöst.
Als Gestagen werden dabei sowohl das Progesteron, welches in der zweiten Zyklushälfte vom Ovar gebildet wird, als auch dessen in ihrer biologischen Funktion hinsichtlich Ovulations- hemmung und Schwangerschaftserhaltung übereinstimmenden synthetischen Derivate bezeichnet.
Der Erfindung liegt die überraschende Erkenntnis zugrunde, dass durch die praecoitale Verabreichung der pharmazeutischen Zusammensetzung, eine hohe kontrazeptive Sicherheit erreicht werden kann. Kommt es nicht zum Geschlechtsverkehr, ist das Pflaster leicht wieder zu entfernen. Bei erfolgtem Geschlechtsverkehr hat die Administration des Gestagens über zwei oder drei Tage in sehr geringer Dosierung folgende Vorteile:
• Eine hohe kontrazeptive Sicherheit wegen der verlängerten und beständigeren Einwirkungsdauer im Vergleich zur oralen Applikation.
• Geringere Nebenwirkungen wegen einer im Vergleich zur oralen Applikation geringeren Dosis von Gestagen bzw. von Kombinationen von Estrogen und Gestagen.
• Die nur einmalige Applikation des Pflasters zur Erzielung der erforderlichen Wirkspiegel über einen Zeitraum von mindestens drei Tagen, das heißt Kontrazeptionsschutz für mindestens drei Tage.
Das erfindungsgemäße Verfahren zur hormonalen Kontrazeption ist für Frauen mit unregelmäßigem und/oder seltenem - also von zum Beispiel zwei- bis dreimal monatlich - stattfindendem Verkehr von großer Bedeutung. Einerseits erlaubt es die aktive Entscheidung für die Kontrazeption durch die Frau beziehungsweise das Paar. Andererseits wird bei im Vergleich zur Notfallkontrazeption deutlich verringerter Dosis, verlängerter Anwendung und beständigerem Wirkspiegel die Ovulation zuverlässig gehemmt. Das Endometrium wird durch diese Behandlung in seiner Rezeptivität vermindert. Dies ist eine Folge des etwa 48stündigen An- wendungs- und damit Wirkvorsprungs des Praecoital- gegenüber dem Postcoitalverfahrens.
Die Anwendungshäufigkeit sollte möglichst auf zwei- bis dreimal pro Zyklus beschränkt werden, da es bei häufigerer Anwendung zu Zyklusstörungen kommen kann.
Bedarfsweise bedeutet bei diesem erfindungsgemäßen Verfahren aber nicht optional. Vielmehr muss die Frau, um nicht schwanger zu werden, das erfindungsgemäße Verfahren in je- dem Fall, in dem sie eine nicht erwünschte Konzeption erwarten kann, anwenden.
Im Falle der transdermalen Anwendung bedeutet einmalige Verabreichung das einmalige Aufkleben eines entsprechend dimensionierten Pflasters mit definierter Freisetzung von Gestagen über zwei bzw. drei Tage. Findet der Geschlechtsverkehr nicht statt, wird das Pflaster entfernt und innerhalb kurzer Zeit ist das Gestagen aus dem Organismus weitgehend elimi- niert. Nach etwa 8 Stunden wird ein ausreichender Wirkspiegel des Gestagens erreicht und bleibt bei aufgeklebten Pflaster für mindestens 48 Stunden im gleichen Niveau. Damit wird eine hohe Zuverlässigkeit des kontrazeptiven Verfahrens erreicht.
Für die Ausführung der Erfindung besonders geeignete Gestagene sind Desogestrel, Etonor- gestrel, Gestoden, Levonorgestrel oder Trimegeston.
Die im Falle des praecoitalen Pflasters einmalig zu verabreichende Gestagenmenge liegt zum Beispiel bei ca. 50 - 100 μg Gestoden-Freisetzung in 24 h aus einem 10 bis 30 cm2 großen Pflaster oder eine wirkäquivalente Menge eines anderen Gestagens.
Zur angegebenen transdermalen Gestodendosis wirkäquivalente Mengen eines anderen Gestagens lassen sich auf Basis der zur Ovulationshemmung erforderlichen oralen Gestagen- mengen unter Berücksichtigung der oralen im Vergleich zur transdermalen Bio Verfügbarkeit der Gestagene berechnen.
Bei der transdermalen Verabreichung kann das Gestagen beispielsweise in ein Pflaster eingearbeitet und so direkt dem Blutkreislauf zugeführt werden.
Um einen ausreichenden Wirkstoffspiegel nach Anwendung des praecoitalen Pflasters zu ge- währleisten, ist eine ausreichende Pflastergröße nötig. Im Falle von Gestoden, entsprechend einer täglichen Freisetzung von 50 - 100 μg, beträgt die Pflastergröße ca. 10 bis 30 cm2, vorzugsweise 10 bis 20 cm2.
Erfindungsgemäß ist auch die zusätzliche Aufnahme einer Östrogen Komponente in das prae- coitale Pflaster möglich. Bei einer solchen zusätzlichen Verwendung eines Östrogens im
Pflaster wird vorzugsweise Ethinylestradiol in einer Dosis, die zu einer täglichen Freisetzung von 10 bis 30 μg Ethinylestradiol ausreichend ist, eingesetzt.
Die Erfindung bezieht sich auch auf das praecoitale Pflaster als solches, zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens. Dabei enthält das beanspruchte praecoitale Pflaster als Wirk- stoff ausschließlich ein oder mehrere Gestagene, bevorzugt Gestoden. Aus diesem Pflaster von einer Größe von 10 bis 30 cm2, bevorzugt 10 bis 20 cm2, werden täglich 50 bis 100 μg Gestoden - oder eine zu dieser Gestodenmenge wirkäquivalente Menge eines anderen Gestagens - freigesetzt. Ebenfalls erfindungsgemäß ist ein pharmazeutisches Kit, welches zumindest ein transderma- les Pflaster enthaltend als Wirkstoff entweder nur ein Gestagen oder eine Wirkstoffkombination aus Gestagen und Estrogen, bevorzugt Gestoden und Ethinylestradiol, sowie eine Produktinformation beziehungsweise Gebrauchsanleitung entsprechend dem erfindungsgemäßen Verfahren, umfasst.
Nachstehend wird die Erfindung anhand von Ausfuhrungsbeispielen weiter erläutert, aus denen sich weitere Merkmale, Vorteile und Ausführungsformen der vorliegenden Erfindung ergeben. Diese Ausführungsbeispiele dienen lediglich der Erläuterung. Sie wirken daher in keiner Weise beschränkend auf den Schutzgegenstand der vorliegenden Anmeldung.
Beispiel 1: Herstellung eines erfindungsgemäß zu verwendenden Pflasters Das Praecoitalpflaster wird wie folgt hergestellt:
380 g Gestoden werden zusammen mit Dioxan in einem Kessel gerührt und solange gemischt, bis sich die Substanz gelöst hat. Diese Lösung wird in einen zweiten Kessel überführt, in dem sich 57,2 kg des Klebers Arcare MA24A - bestehend aus 68 % Heptan und 31 % des Klebers (1 bis 25 % Rosinester und 75 bis 99 % Polyisobutylen) - und ungefähr 1 % Irganox befinden. Die Mischung wird gerührt und danach auf einen „Release Liner" (Polyester Film 1876- 75 μm, erhältlich von 4P, Forchheim, Deutschland) so aufgetragen, dass eine Flächengewicht von 100g/m2 erzielt wird. Diese Schicht wird getrocknet und danach mit der „Backing Layer" (Cotran 9720, erhältlich von 3 M, St. Paul, USA) laminiert. Die Schichtdicke des Endprodukts (Laminat) beträgt 100 μm. Aus dem Laminat werden die Pflaster mit einer Fläche von 10 cm2 ausgestanzt.
Das resultierende Pflaster (10 cm2) hat folgende Zusammensetzung:
Gestoden 0,9 mg
Kleber 1,9 mg
Release Liner > 10 cm2
Backing Layer 10 cm2
In analoger Weise unter Einsatz von beispielsweise Durotak® als Kleber können weitere erfindungsgemäße Pflaster hergestellt werden.
Beispiel 2:
Werden anstelle der 380 g Gestoden (Beispiel 1) nur 253 g eingesetzt so hat das resultierende Pflaster die folgende Zusammensetzung:
Gestoden 0,6 mg
Kleber 1,9 mg
Release Liner > 10 cm2
Backing Layer 10 cm2
Beispie! 3: Bestimmung der täglichen Freisetzungsrate
Die Herstellung der Pflaster wird wie in Beispiel 1 oder 2 beschrieben durchgeführt. Die Formulierung wird am in-vitro Mouse-Skin-Permeation-Test getestet. Der Test wird unter Verwendung von Nacktmaus Hautpräparaten (HsdCpb: NMRI-nu) von Harlan Bioservice for Science GmbH, Walsrode, Deutschland durchgeführt. Die Formulierung wird an der Außenseite der Hautprobe angebracht. Beides wird so in eine Permeation-Messzelle gesetzt, dass die Hautinnenseite mit dem Rezeptormedium in Berührung kommt. Als Rezeptormedium wird ein HEPES-Puffer verwendet. Natriumazid wird zur Verhinderung von Keimwachstum hinzugefügt und die Rezeptorlösung auf 32° C temperiert. Innerhalb definierter Zeitintervalle werden Proben der Rezeptorlösung genommen und die Konzentration von Gestoden mittels HPLC bestimmt. Die Freisetzungsrate wird dann als freigesetzte Wirkstoffmenge pro Flä- chen- und Zeiteinheit [μg/cm2 • 24h] unter Verwendung der berechneten Mengen an aktiver Substanz bestimmt.
Im in-vitro Test wird so eine Freisetzungsrate von 30,9 μg/cm2 • 24h gemessen.
Beispiel 4: Bestimmung des resultierenden Hormonspiegels
Jeweils ein Pflaster nach Beispiel 1 oder 2 wurde weiblichen Probanden am Oberarm appli- ziert und die Konzentration von Gestoden im Serum verfolgt.
Dazu wurde ein Aliquot von Serumproben mit Ether extrahiert, die Etherschicht abgetrennt und unter einer Stickstoffatmosphäre eingedampft. Der gelöste Rückstand wurde mit Kanin- chen-Antiserum und 3H-markiertem Gestoden inkubiert. Die Trennung des antikörpergebunden und ungebundenen Gestodens erfolgte mittels Aktivkohle. Die Gestoden-Konzentration wurde dann radioimmunologisch bestimmt.
Je nach Konzentration von Gestoden im Pflaster wurden Serumspiegel zwischen 1500 und 2200 pg/ml (Beispiel 1) bzw. 900 und 1300 pg/ml (Beispiel 2) erreicht.
Für einen kontrazeptiven Effekt sicher wirksame Spiegel (> 500pg/ml) wurden über 7 Tage erzielt. Etwa 100 Stunden nach der Entfernung der Pflaster war der Gestoden-Serumspiegel auf den Ausgangswert zurück gefallen.
Die in der vorstehenden Beschreibung und in den Ansprüchen offenbarten Merkmale der Er- findung können sowohl einzeln als auch in beliebiger Kombination für die Verwirklichung der Erfindung in ihren verschiedenen Ausfuhrungsformen wesentlich sein.