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Den induktiven Spannungsabfall kompensierende elektrische Freileitung
Elektrische Freileitungen haben je nach dem gegenseitigen Abstand und dem Durchmesser
der Leiter eine Induktivität, die bei Belastung der Leitung einen induktiven Spannungsabfall
hervorruft. Den induktiven Spannungsabfall kann man kompensieren, indem man im Zuge
der Leiter Kondensatoren einschaltet. Bei einer sehr langen Übertragungsleitung
schaltet man zur Stabilisierung Querdrosselspulen ein, wodurch der Wellenwiderstand
der Leitung vergrößert und die Größe der natürlichen Leistung verkleinert wird.
Man kann aber eine lange Leitung auch stabil machen, indem man statt der Querdrosselspulen
im Zuge der Leitung Kondensatoren einschaltet. Da diese Kondensatoren im Zuge der
Leitung sehr teuer sind und zu Störungen Anlaß geben können, lag der Gedanke nahe,
einen kapazitiven Leitungsaufbau zu wählen, bei dem die Kapazität in die Leitung
hineingebaut wird. Die Schwierigkeit bei diesem Leitungsaufbau besteht nun darin,
daß für die Kompensierung des induktiven Spannungsabfalles große Kapazitäten benötigt
werden, die erfindungsgemäß nur durch einen kabelähnlichen Aufbau der Leiter erreicht
werden können. Die einfachste Anordnung zeigt die Abb. a. Zwei koaxial ineinanderliegende
Röhrenleiter 2 und q., die gegeneinander isoliert sind, haben miteinander eine Kapazität,
die von der Oberfläche der Röhre, also vom Durchmesser, von der Länge der Leiter,
von der Isolationsstärke 3 zwischen den rohrförmigen Leitern und von der Dielektrizitätskonstante
des Isoliermaterials abhängig ist.
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Die Wirkungsweise dieser Anordnung sei im folgenden erläutert: An
einen Stromerzeuger 5 werden nach
Abb. i a die drei Phasen 6 einer
Leitung angeschlossen. Jedem Leiter dieser Drehstromleitung wird in einem gewissen
Abstand ein zweiter Leiter 7 isoliert parallel geführt. An das Ende des parallel
geführten Leiters 7 wird dann der Verbraucher 8 angeschlossen. Zwischen den am Erzeuger
angeschlossenen Leitern und den zu diesen Leitern parallel geführten und an den
Verbraucher angeschlossenen Leitern liegt je nach Abstand der Leiter voneinander
und der Länge der Parallelführung eine bestimmte Kapazität. Bei einer solchen Leiteranordnung
geht der Strom von einem Leiter über diese Kapazität auf den parallel geführten
Leiter über. Diese Anordnung wirkt also genau so, als ob im Zuge der Leitung ein
Kondensator eingeschaltet wäre. Da bei einer nach Abb. ia schematisch dargestellten
Anordnung die Kapazität zwischen den parallel geschalteten Leitern nur klein ist,
wählt man erfindungsgemäß einen kabelähnlichen Aufbau, bei welchem entsprechend
der Abb. i der am Verbraucher angeschlossene Leiter von dem am Erzeuger angeschlossenen
Leiter umhüllt wird oder umgekehrt.
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Der Anfang der Leitung wird z. B. an den äußeren Röhrenleiter der
Abb. i angeschlossen und das Ende an den inneren Röhrenleiter. Der Betriebsstrom
muß dann über die Kapazität der beiden Leiter von dem äußeren auf den inneren Leiter
übergehen. Wird die Leitung genügend lang gewählt, so wird die Kapazität zwischen
den beiden Röhrenleitern so groß, daß der kapazitive Widerstand die gleiche Größe
erhalten kann wie der durch die Betriebsinduktivität der Leitung vorhandene induktive
Widerstand, wodurch der induktive Widersfand kompensiert wird.
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Auch bei dieser Anordnung sind große Leitungslängen erforderlich,
um eine Kapazität zu erreichen, deren Blindwiderstand etwa dem Blindwiderstand der
Betriebsinduktivität entspricht. Da der induktive Widerstand von der Leitungslänge
abhängig ist, wird bei dieser Anordnung und bei Kompensation der Leitung die`Spannung
zwischen den Röhren hoch werden, wenn große Betriebsströme über die Leitung fließen.
Bei ungeeigneter Isolation zwischen den einzelnen Röhrenleitern sind deshalb Durchschläge
zwischen ihnen zu erwarten. Es empfiehlt sich daher, erfindungsgemäß einen Leitungsaufbau
nach Abb.2 zu wählen. Statt zweier ineinandergeschobener Röhren werden bei dieser
Anordnung mehrere Einzelleiter benutzt, die alle mit einer Isolierschicht umgeben
sind und über dieser Isolierschicht einen Metallbelag haben. Jeder Leiter bildet
dann zusammen mit der Isolierschicht und dem Metallbelag einen Röhrenkonden-" sator.
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Da die Oberfläche eines, Leiters im Verhältnis zu seinem Querschnitt
um so größer wird, je kleiner der Querschnitt wird, kann man bei einem bestimmten
der über die Leitung fließenden Stromstärke entsprechenden Querschnitt eine um so
größere Oberfläche erhalten, wenn man den gesamten erforderlichen Querschnitt der
Leitung in viele parallel geschaltete Einzelleiter reit entsprechend kleinerem Querschnitt
unterteilt. Jeder Leiter wird nun mit einer isolierenden Schicht und darüber mit
einem Metallbelag versehen und dann mit den übrigen parallel geschalteten Leitern
zusammen verdrillt, so daß die Metallbeläge der einzelnen Adern aneinanderliegen
und damit leitend verbunden sind.
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Durch Parallelschalten mehrerer Einzelleiter kann man dann je nach
der Zahl der Röhrenkondensatoren eine beliebig hohe Kapazität erreichen.
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Eine solche Leiteranordnung entspricht dann in Abb. i a z. B. einer
am Stromerzeuger angeschlossenen Leitung.
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Der Metallbelag auf der Isolierschicht kann sehr dünn gemacht werden,
er kann sogar aufgespritzt werden. Bei großen Betriebsströmen ist es nun schwierig,
von diesem dünnen Metallbelag den Betriebsstrom abzunehmen. Es wird deshalb erfindungsgemäß
eine zweite Gruppe von ebensolchen parallel geschalteten Leitern geschaffen, deren
Leiter in Abb. i a z. B. am Verbraucher angeschlossen werden. Die beiden Leitungsanordnungen,
die am Stromerzeuger und am Verbraucher angeschlossen werden, werden zusammen verdrillt,
so daß sich die dünnen Metallbeläge beider _ Leiteranordnungen über die gesamte
Leiterlänge berühren. Der Strom geht dann von den an dem Erzeuger angeschlossenen
Leitungen zunächst auf die Metallbeläge und dann von den Metallbelägen der zweiten
Gruppe auf die Leiter der zweiten Gruppe über. In der Abb.2 sind die Leiter 12 der
ersten Gruppe mit dünnerem Querschnitt und die Leiter 13 der zweiten Gruppe mit
dickerem Querschnitt gezeichnet. Die Stromdichte in den dünnen Metallbelägen ist
sehr klein, weil der Betriebsstrom längs der gesamten kompensierten Leitungslänge
quer über die Berührungsfläche der Metallbeläge von einer Gruppe auf die andere
übergeht. Im Berechnungsbeispiel am Ende dieser Beschreibung ist die Größe dieses
Stromes in den Metallbelägen durchgerechnet. Der Ohmsche Spannungsabfall in den
dünnen Metallbelägen ist deshalb vernachlässigbar klein.
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Den Aufbau zweier solcher in Abb. 2 vorgesehenen Einzelleiter 13 mit
Isolierschicht 1q. und Metallbelag 15 zeigt die Abb. 3.
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Man ist mit dieser Anordnung in der Lage, durch entsprechende Unterteilung
des Leiterquerschnittes in Einzelleiter bei jeder gewünschten Leitungslänge die
für die Kompensation des induktiven Widerstandes erforderliche Kapazität herzustellen.
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Auf Grund obiger Erläuterungen kann eine solche Leiteranordnung für
jede Freileitung beliebiger Spannung und Leistung angewendet werden, wenn der induktive
Spannungsabfall der Leitung vermindert bzw. kompensiert werden soll.
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Bei einer solchen Leitungsanordnung fließt am Anfang der Leitung der
volle Betriebsstrom über die eine Gruppe von parallel geschalteten Einzelleitern.
- Der Strom in den Einzelleitern wird zum Ende der zu kompensierenden Leitungsabschnitte
hin immer kleiner, da der Strom über die Kapazität auf die andere Gruppe übergeht,
um am Ende der Leitung Null zu sein. Entsprechend wird bei der zweiten Gruppe der
Betriebsstrom am Anfang der Leitung Null sein und bis zum Ende der Leitung auf den
vollen Betriebsstrom angewachsen sein. Aus wirtschaftlichen Gründen ist es daher
zweckmäßig, den Leitungsquerschnitt entsprechend der Stromstärke in den Einzelleitern
zu bemessen. Auf diese Weise kann man es erreichen,
daß das Leitergewicht
der kompensierten Leitung nicht wesentlich größer wird als das einer normalen Leitung.
In der Abb. 2 sind die Einzelleiter mit verschiedenen Querschnitten eingezeichnet.
Die dickeren und die dünneren Leiter stellen je eine Gruppe von parallel geschalteten
Einzelleitern dar. Zum Schutz dieser Leiteranordnung kann um alle Einzelleiter noch
ein Mantel 9 gelegt werden. Auf die noch eingezeichnete Isolation zo außerhalb dieses
Mantels kann eventuell verzichtet werden. Die Wandstärke der Röhren oder der Querschnitt
und/oder die Zahl der Einzelleiter längs eines Leitungsabschnittes werden der Strombelastung
stufenlos oder stufenweise angepaßt.
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Da ein solcher Leitungsaufbau teurer ist als eine normale elektrische
Leitung, wird es oft empfehlenswert sein, nur Teile einer elektrischen Leitung als
kompensierte Leitung auszuführen und den Rest der Leitung als normale elektrische
Leitung aufzubauen. In dem kompensierten Leitungsabschnitt muß dann die Kapazität
so groß gewählt werden, daß auch beim nichtkompensierten Teil der Leitung der induktive
Widerstand der Leitung kompensiert wird.
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Im praktischen Betrieb können bei Störungen, z. B. bei Kurzschluß
oder Überströmen, an den einzelnen Leitern hohe Spannungen auftreten, so daß ein
Durchschlag zwischen den einzelnen Leitern und dem Metallbelag zu befürchten ist.
Aus diesem Grunde ist es erfindungsgemäß wichtig, die einzelnen Abschnitte mit Schutzeinrichtungen
zu versehen, die eine zu hohe Spannung zwischen den einzelnen Röhren oder Leitungen
verhindern. Man kann das dadurch erreichen, daß bei zu hoher Spannung zwischen den
einzelnen Röhren ein Relais anspricht, welches die beiden Gruppen der Einzelleiter
mit dem betreffenden Leitungsabschnitt kurzschließt. Man kann dieses Relais auch
durch eine Funkenstreckenanordnung ersetzen, welche bei zu hoher Spannung zwischen
den Gruppen und diesen Leitungsabschnitt dann kurzschließt, oder man kann spannungsabhängige
Widerstände oder andere Ionenleiter 'verwenden.
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Nachstehend eine kurze Überschlagsrechnung, welche ein Anwendungsbeispiel
des Erfindungsgegenstandes bringt.
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Der induktive Spannungsabfall U1 längs der Leitung mit der Länge ca
[km] ergibt sich zu Ul=Icolct. Hierin ist I die Stromstärke der Leitung und
l die Betriebsinduktivität je Kilometer (auch bei einer kompensierten Leitung
gilt mit sehr kleiner Abweichung diese Beziehung). Die kapazitive Spannung U, zwischen
den beiden Leitergruppen ist
wobei c die Kapazität der Leiteranordnung je Kilometer bedeutet. Bei einer voll
kompensierten Leitung soll der induktive Spannungsabfall gleich dem kapazitiven
sein. Mit U1 = U, ergibt sich die zugehörige Leitungslänge, die Resonanzlänge a,.
aus
Die Kapazität eines Röhrenkondensators je Kilometer beträgt
In dieser Formel bedeutet Q" den äußeren und ei den inneren Radius der Isolierstoffröhre;
ei ist nach Abb. 3 gleichzeitig der Radius des stromführenden Leiters. e,. bedeutet
die relative Dielektrizitätskonstante.
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Für geringe Isolierstoffdicke ö ist
dann ist
Die Kapazität beträgt dann je Kilometer
Schaltet man nach Abb. 2 ab solcher Röhrenkondensatoren parallel, so erhöht
sich die Kapazität auf st - cr.
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Da bei der Leiteranordnung nach Abb.2 zwei solcher Röhrenkondensatorengruppen
mit .n-Leitern in Reihe geschaltet sind, ist die wirksame Kapazität nur
c,. - n.
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Die Resonanzlänge wird nach Einsetzung des Ausdruckes für c,.
Die Betriebsinduktivität einer Hochspannungsleitung beträgt im Mittel etwa 1,25
mH/km. Wählen wir weiter als Dielektrikum Lack oder Ölpapier mit einer Dielektrizitätskonstanten
cr 4, so wird
Als überschlägliches Berechnungsbeispiel sei eine Übertragungsleitung gewählt für
eine Stromstärke von 40o A mit einer Stromdichte von s = z A/mm2. Der Querschnitt
der Leitung beträgt dann 400 mm-. Schaltet man z. B. 5o Einzelleiter parallel, so
ergibt sich der Radius ei eines Einzelleiters zu- z,6 mm. Wählt man cS = o,1 mm,
so wird ar = 9,5 km.
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Die Spannung zwischen den einzelnen Leitergruppen ist hierbei Ul=U,=I'o,)'l'ar=4oo'3I4'r,25'iö
3g,5 U1 = I>5 kV.
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Die Durchschlagsfestigkeit liegt bei Lacken und Öl-
papier wesentlich
höher.
Berechnung der Stromdichte in den Metallbelägen Der Betriebsstrom
beträgt 40o A. Auf einen der 5o parallel geschalteten Leiter entfällt dann
Dieser Strom tritt auf der Länge a, = 9,5 km gleichmäßig auf einen
Leiter der zweiten Gruppe von 50 Seiten über. Je i cm treten also
über. Dieser Wert ist zulässig, selbst wenn die Berührung nur in Linien' erfolgt.
Bei o,i mm Breite der Berührungslinie wäre
die Stromdichte auf dieser Linie.