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Verfahren zur Herstellung von Dämmen und Deichen in von Gezeitenströmungen
beherrschten Gebieten In Tideerscheinungen aufweisenden Gebieten werden Deich- und
Dammbauten der bisher üblichen Art durch örtliche Gezeitenströmungen zum mindesten
stets stark behindert, oft unmöglich gemacht. Das gilt insbesondere heutzutage,
wo derartige Arbeiten fast durchweg auf Örtlichkeiten stattfinden müssen, die bei
Flut völlig unter Wasser kommen. Verstärkung oder Abschwächung der genannten Übelstände
hängt in der Hauptsache von der für die Bauten zu wählenden Linienrichtung ab.
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Tide und Strömung haben an und für sich nichts miteinander zu tun.
Wenn auch Strömung das Vorhandensein einer Tideerscheinung zur Voraussetzung hat,
so bedingt doch Tide nicht unbedingt das Entstehen einer merklichen Strömung als
Folgeerscheinung. Stärkere Tideströmungen herrschen nur da, wo Küstenverlauf und
Form der Gestirnsflutwelle voneinander abweichen. Vor Entstehung der Watten schmiegte
in der Deutschen Bucht beides gut sich aneinander an, und Küstenströmungen gab es
kaum. Heute sind letztere besonders heftig, viel stärker als die Strömung in See.
Denn als nach Herausbildung von Gezeiten in der anfänglich tidefreien Nordsee laufend
Wasserstandsschwankungen von etwa ± 1,5 m gegen früher an der Küste auftraten, kamen
weitausgedehnte Flächen ehemaligen Festlandes und dessen Vorlandes nunmehr bei Flut
regelmäßig unter Wasser. Das zerfetzte die Gezeitenwelle. Durch die Überflutungen
entstanden zwischen dem Beginn des Wattgebietes an der Seekante und dessen Ende
bei den Seedeichen örtliche Hochwasserzeitunterschiede, die jetzt bis zu mehreren
Stunden betragen. Die landwärts
vordringenden Wassermassen fluten
noch, wenn draußen bereits Ebbe läuft, und versäumen so den rechtzeitigen Anschluß
an diese. Infolgedessen müssen sie ihr später beschleunigt nacheilen. So kam es
zu den üblen Küstenströmungen, die nach und nach Wattströme wühlten, Priele erzeugten,
Flußmündungen erweiterten, Hinterland wegfraßen und draußen Barren bildeten. Da
zur Zeit Eindeichungen sich nicht mehr wie früher nur auf verhältnismäßig hoch über
gewöhnlichem Hochwasserstand liegende Gebiete beschränken können, sondern hauptsächlich
auch die bei Flut regelmäßig überspülten Watten mit umfassen müssen, so sind die
entstandenen Küstenströmungen besonders hinderlich.
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Festzuhalten wäre als springender Punkt: derartige Gezeitenströmungen
müssen desto schärfer setzen, je mehr durch die örtlichen Verhältnisse die Form
der Gezeitenwelle zerfetzt und dadurch die Hochwasserzeitunterschiede vergrößert
werden. Hieraus ergibt sich die grundsätzliche Unrichtigkeit eines Verfahrens derart,
Eindeichungsdämme etwa längs des Verlaufs von Wattströmen oder von Prielen errichten
zu wollen. Durch die schärfere Führung der Strömung und durch die Einschnürung der
Wassermenge würden Tidenhub und Stromgeschwindigkeit nur erheblich steigen, da die
Hochwasserzeitunterschiede ja nach wie vor bestehen.
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Grundsätzlich richtig ist allein eine rechtwinkelig zum Richtungsverlauf
der örtlichen Tideströmungen angelegte, im allgemeinen also quer über vorhandene
Tiefs hinweg führende Linienrichtung der Deiche.
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Setzten nun bei Anwendung der bisher üblichen Bauart auch nur mäßig
große, auf hochliegenden, meist trocken bleibenden Gebieten befindliche Priele einer
Überquerung bereits größte Schwierigkeiten entgegen, so verschlimmern sich die Umstände
auf tiefliegenden, dauernde Tideerscheinungen aufweisenden Örtlichkeiten. Sind dort
zufällig keinerlei Priele vorhanden, so entstehen solche zwangsläufig infolge der
angewendeten Arbeitsweise. In Verbindung mit den durch die dauernden Überflutungen
sowieso schon vergrößerten Schwierigkeiten lassen sich die neu entstandenen Priele
dann kaum schließen.
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Die bisherige Bauweise arbeitet grundsätzlich so, daß von zwei hochwasserfreien
Punkten ausgehende und von vornherein hochwasserfrei errichtete Dämme immer mehr
einander genähert werden. Mit fortschreitender Arbeit wird die vorhandene, anfänglich
sehr breite Dammlücke naturgemäß immer kleiner, wodurch hier zuletzt das Wasser
schnellenartig strömt, und so eine gewaltige, die Tideströmung weit übertreffende
Stromgeschwindigkeit künstlich erzeugt wird. Denn man deicht außer der vorgesehenen
Wattfläche zunächst ja auch noch die Wassermenge mit ein, welche bei Hochwasser
über dem einzudeichenden Gebiete steht. Übersteigt diese, viermal täglich die Dammlücke
durchströmende mit einzudeichende Wassermenge eine bestimmte Größe, so entstehen
dort Kolle, Priele und, wenn es sich um ein sehr großes einzudeichendes Gebiet handelt,
selbst Wattströme, alles Gebilde, die schon bei Eindeichungen nur mäßigen Ausmaßes
sehr schnell Wassertiefen von 15 m und mehr wühlen. Die Dammlücke läßt sich
dann überhaupt nicht schließen, oder man benötigt dazu erhebliche Mittel und entsprechende
Kosten.
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Das neue Verfahren scheidet alle diese Nachteile aus, weil es jede
Dammlücke vermeidet. Anstatt von Anfang an mit zwei hochwasserfreien Dämmen aufeinander
zu zu arbeiten, wird auf der gesamten Arbeitslinie durch gleichzeitig und gleichmäßig
stattfindendes Höhertreiben der Bauten ein lückenloser, anfänglich kurze Zeit regelmäßig
durch die Tide überspülter, und später überall zur selben Zeit Hochwasserfreiheit
erreichender Deich bzw. Damm hergestellt.
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Erdarbeiten des alten Verfahrens können nur an recht hochliegenden,
die meiste Zeit fast wasserfrei bleibenden Örtlichkeiten unternommen werden, lehnen
sich stets an zwei hochwasserfreie Ausgangspunkte an und bewegen sich von diesen
aus in waagerechter Richtung fort, wobei die jeweilige Deichoberkante von Anfang
an stets hochwasserfrei bleibt. Man ist also bestrebt, durch allmählich fortschreitendes,
stets sich hochwasserfrei haltendes Aufeinanderzuarbeiten nach und nach eine hochwasserfreie
Verbindung zwischen zwei hochwasserfreien Anfangspunkten herzustellen. Dabei läßt
man für die, durch die Gezeitenströmung bedingte, größenmäßig vom Flächeninhalt
des einzudeichenden Landstückes abhängige bewegte Wassermenge bis zum allerletzten
Augenblick eine von der Wasseroberfläche bis zum Grunde reichende, mit dem Fortschreiten
der Arbeiten aber immer mehr verengerte Durchströmöffnung bestehen, die, weil die
bewegte Wassermenge stets gleich groß bleibt, zuletzt schnellenartige Wirkungen
zeitigt, wodurch Stromgeschwindigkeit und Strömungsdauer hier laufend bis auf ein
Höchstmaß sich vergrößern.
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Die neue Bauart benötigt an sich keiner hochwasserfreien Ausgangspunkte,
wird jedoch meist von solchen ausgehen. Auf alle Fälle aber bewegt der Arbeitsgang
vom Wattgrund bzw. Meeresgrund ab sich fast gleichzeitig und überall gleichlaufend
senkrecht nach oben fort, unter Innehaltung allerorts gleichbleibenden Höhenabstandes
aller Punkte der jeweiligen Deichoberkante unter, und später über der jeweiligen
Wasseroberfläche. Man ist also bestrebt, auf dem Gesamtgebiet eine lückenlose, an
allen Stellen gleichzeitig Hochwasserfreiheit erreichende Bautenlinie herzustellen,
die entweder zwei hochwasserfreie Anfangspunkte miteinander verbindet, oder als
eigene, in sich geschlossene, hochwasserfreie Kreislinie auftritt. Wegen Fehlens
einer Dammlücke wird dabei der Gezeitenströmung von Anbeginn an jedes wie immer
geartete Durchströmen verwehrt, und der Tide nur für vorübergehende Zeit eine, über
die Gesamtlänge des wachsenden Baues sich erstreckende, von der jeweils gerade erreichten
Bautenhöhe abhängige Überlaufsmöglichkeit gelassen, welche mit fortschreitender
Arbeit immer mehr beschnitten wird, wobei die hinter dem wachsenden Bau festgehaltene
Wassermenge immer mehr sich vergrößert, während bewegte Wassermenge, Stromgeschwindigkeit
und Strömungsdauer überall laufend bis auf Null sich verringern.
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Während bei der bisherigen Bauart eine stets gleich groß bleibende,
strömende Wassermenge viermal täglich durch ein immer kleiner werdendes Loch, dessen
Querschnittsfläche im Verhältnis zu der in der Zeiteinheit
durchzulassenden
Wassermenge immer Naturwidriger sich gestaltet, sich durchwürgen muß, wird bei der
neuen Bauart mit dem Fortschreiten der Arbeiten die Menge des überströmenden Wassers
immer geringer und das Querschnittsverhältnis des für das Cberströmen verfügbaren
Raumes zu der in der Zeiteinheit überströmenden Wassermenge immer günstiger.
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Damit werden alle durch Gezeitenströmungen bedingten Schwierigkeiten
selbsttätig ausgeschaltet, ja gewissermaßen ins Gegenteil verkehrt, weil der von
der Tide laufend mitgeführte Triebsand von Anfang an gezwungen ist, am Fuße des
entstehenden Bauwerkes sich abzulagern, was der geplanten Arbeit nur förderlich
sein kann.
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Tiefen zii überquerender Priele oder Wattströme usw. sowie die dort
herrschenden Stromgeschwindigkeiten sind für die neue Bauart völlig gleichgültig.
Bei den am tiefsten gelegenen Punkten der geplanten Baulinie wird angefangen, d.
h. also in Prielen usw., wo gegebenenfalls immer Wasser steht. Durch Anwendung geeigneter
Mittel, die je nach den örtlichen Umständen gewählt werden können, wird dafür gesorgt,
daß von dem herangeschafften oder herangebaggerten Schüttgut nichts oder wenigstens
praktisch nichts weder von der laufenden Flut noch von der laufenden Ebbe fortgespült
werden kann. So wichst zunächst in den Prielen usw. von unten nach oben eine Barre
heran, welche der Querschnittsform de; zu überquerenden Tiefs entsprechend an Länge
zunimmt, und deren obere Begrenzung stets waagerecht verläuft. Auch wenn diese Barre
noch längst nicht die jeweilige Wasseroberfläche erreicht hat, werden Stromgeschwindigkeit
und strömende Wassermen -e im Priel usw. immer mehr erdrosselt, und beides wird
Null, wenn die Barrenoberkante mit dem um--ebenden Wattboden fluchtet. Damit ist
aus dem lebenden ein totes Priel geworden, in welchem zunächst noch stromloses,
bis zur Höhe der Barre stehendes Weisser verbleibt. Sind vorhandene Priele usw.
sämtlich verbarrt, dann greift die Arbeit entsprechend auf die Umgegend über, bis
auf der gesamten gewünschten Baulänge mit überall waagerecht verlaufender Oberkante
in genau gleicher - Weise weitergearbeitet wird, wobei, ebenso wie es vorübergehend
bisher im Priel geschah, jetzt eine Zeit hindurch zweimal täglich der Gesamtbau
von Wasser überströmt wird, bis Hochwasserfreiheit überall erzielt worden ist. Auch
hier wird durch Verwendung geeigneter Mittel jeder Abspülung vorgebeugt. Das hinter
den hochwasserfrei gewordenen Bauten stehengebliebene Flutwasser wird zu gegebener
Zeit durch eine zweckmäßigerweise in den Prielbarren bereits vorzusehende Entwässerungseinrichtung
abgelassen.
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1>a immer sowohl von innen als auch von außen auf der ganzen Länge
des Bauwerkes um Niedrigwasser herum mit Menschen, und nach Eintritt höherer Wasserstände
mit Spülbaggern, Baggerschuten mit Kippböden usw. gearbeitet werden kann, so geht
die Arbeit schneller vorwärts als beim alten Verfahren, das stets nur wenige Leute
am Kopf der Dämme zum Tragen bringen läßt.
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Entstehen von Sonderströmungen kommt dabei nie in Frage. Die Größe
der mit einzudeichenden Wassermenge spielt nicht die geringste Rolle. Statt wie
bisher sich damit begnügen zu müssen, stückchenweise nacheinander ganz kleine Flächen
einzudeichen, wobei eine unnatürlich große, in keinem vernünftigen Verhältnis zu
dem jeweils erzielten Landgewinn stehende Gesamtdeichlänge sich ergibt, gestattet
die neue Bauart und das neue Bauverfahren alle in Betracht kommenden Gebiete durch
einen einzigen Deich trocken zu legen, womit gleichzeitig auch die schwierige Entwässerungsfrage
der dahinterliegenden alten Marschen glatt gelöst wird. Je älter Eindeichungen sind,
desto tiefer liegt infolge Bodenaustrocknung deren Erdoberfläche, desto schwieriger
wird also die Entwässerung, wenn jüngere Eindeichungen seewärts vorgelagert werden.
Dabei können, den Tide§tänden entsprechend, die Sielschleusen außerdem überall nur
kurze Zeit geöffnet bleiben. In den meist gerade besonders regnerischen Frühjahrsmonaten
kann hochstehender allgemeiner Seewasserstände wegen Entwässerung oft überhaupt
nicht stattfinden. Überschwemmungen und Erntevernichtungen sind die Folge. Das fällt
jetzt fort. Die nach Ablassung des hinter dem Deich zunächst angesammelt gewesenen
Flutwassers innerhalb des Landgewinnes auf etwa Niedrigwasserstand der freien See
stehengebliebenen Restwasserflächen ehemaliger. Priele usw. stellen ein Auffangbecken
dar, das jederzeit zur Verfügung steht und dessen Größe allen Anforderungen gerecht
wird.
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Das neue Verfahren schafft eigentlich gar keine Deiche, sondern einen
Strand. Es ist auch für Dammbauten verwendbar, die nicht Eindeichungszwecken dienen,
wie z. B. für herzustellende Verbindungen zwischen Inseln und dem Festlande, und
es kann überall, auch auf Gebieten, wo dauernd große Wassertiefen herrschen und
keinerlei Landanlehnung möglich ist, Verwendung finden. Der grundsätzliche Wegfall
jeder Dammlücke beseitigt alle mit der Tideerscheinung zusammenhängenden Bauschwierigkeiten.