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Künstliches Kniegelenk Die Erfindung betrifft eine neuartige Einrichtung
an künstlichen Gliedern für Oberschenkelamputierte, die auch unbeholfenen Personen
ein sicheres Gehen ermöglicht und eine gute Standsicherheit gewährt.
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Es ist bekannt, das Kniegelenk künstlicher Glieder mit zwei Achsen
auszubilden, wobei die eine Achse am Unterschenkelteil und die andere im Oberschenkelteil
liegt und die beiden Achsen durch feste Laschen miteinander in Verbindung stehen.
Kniegelenke dieser Art sind bis'her immer so ausgeführt worden, daß bei ausgestrecktem
Glied die obere Achse hinter der unteren Achse lag. Dadurch ergibt sich aber sowohl
im Stand als auch beim Gehen eine gewisse Unsicherheit, die nicht besonders geschickten
Patienten große Schwierigkeiten bereitet.
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Erfindungsgemäß wird ein solches Kniegelenk mit doppelter Kniegelenkachse
dadurch wesentlich verbessert, daß die beiden Achsen derart gelagert und die künstlichen
Gliedteile derart gegeneinander geführt sind, daß bei ausgestrecktem Glied die obere
Achse vor der unteren Achse liegt.
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Um die Beinführung zu erleichtern und zu verbessern und das sogenannte
Schlenkern des Unterschenkelteils auf das notwendige Maß herabzusetzen, sind gemäß
der weiteren Erfindung mit einer Polsterung versehene Anschlagstücke vorgesehen,
an die sich die Verbindungslaschen zwischen den beiden Achsen in allen Beugestellungen
anlegen. In diesen Stellungen ist also nur die untere Gelenkachse wirksam, während
die Stellung der Lasche zum Oberschenkelteil durch diese Anschlagstücke begrenzt
wird. Lediglich bei voll ausgestrecktem Glied heben sich die Laschen von den Anschlagstücken
um einen gewissen Betrag ab.
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Da der Patient mit einem Kniegelenk gemäß der Erfindung einen wesentlich
besseren Kontakt
mit dem Boden besitzt, könnten unter Umständen
unangenehme Stoßempfindungen auftreten. Um diese zu vermeiden, werden sowohl am
Unterschenkelteil als auch am Oberschenkelteil des künstlichen Gliedes weich-elastische
Dämpfungsflächen angebracht, die beim Strecken des Gliedes miteinander in Berührung
kommen. Auf diese Weise werden auch alle Stöße, die durch das Strecken selbst entstehen,
ohne weiteres aufgefangen.
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Besonders zweckmäßig ist es, am Oberschenkelteil eine Führungsfläche
und am Unterschenkelteil eine mit dieser zusammenarbeitende einstellbare Bremsfläche,
beispielsweise als Spannband aus Leder o. dgl., vorzusehen. Hierdurch ist die Möglichkeit
gegeben, den Reibungswiderstand des Gelenkes auf jeden gewünschten Wert einzustellen.
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Unsichere Patienten werden im Anfang das Band etwas loser einstellen,
um die vermeintliche Behinderung durch das schwerer bewegliche Kniegelenk zu vermeiden.
Trotzdem ist die Stand- und Gebsicherheit infolge der genauen Führung durch die
beiden Achsen wesentlich besser als bei allen bisher bekannten derartigen Einrichtungen.
Wenn sie dann infolge zunehmender Gewöhnung sich sicherer fühlen, wird die Spannung
später verstärkt, wodurch der Gang noch sicherer und natürlicher wird und auch die
Anpassung an die Gehweise gesunder Personen in einem bisher nicht erreichtem Maße
gewährleistet. Außerdem ist es durch die Spannvorrichtung möglich, ein Nachgeben
des Spannbandes bei längerem Gebrauch durch einfaches Anziehen einer Schraube wieder
auszugleichen.
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Zur weiteren Steigerung der Bequemlichkeit wird am Unterschenkelteil
ein Dämpfungsstück angelenkt, das durch ein Gummipolster federnd nachgiebig gelagert
ist und erst bei stark gebeugtem Gelenk mit einer entsprechend ausgesparten Anschlagfläche
am Oberschenkelstück in Berührung kommt.
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Weitere Einzelheiten der Erfindung seien an Hand der beigefügten
Zeichnung näher erläutert, die ein Ausführungsbeispiel in verschiedenen Darstellungen
zeigt.
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Abb. 1 ist eine Seitenansicht des Gelenks in gebeugter und Abb. 2
in gestreckter Lage; Abb. 3 ist ein senkrechter Schnitt durch das Gelenk nach Abb.
2 und Abb. 4 ein Querschnitt durch das Unterschenkelteil mit der Spannvorrichtung
für das Lederband.
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Mit I ist das Unterschenkelteil bezeichnet und mit 2 das Oberschenkelteil.
3 ist die untere Achse, die am Unterschenkelteil befestigt ist, und 4 die obere
Achse, die durch das Oberschenkelteil hindurchgeht. Beide Achsen sind je zu beiden
Seiten mit einer Lasche 5 verbunden, die in der Mitte etwas eingezogen ist und sich
an ein gepolstertes Anschlagstück 6 mit der Einzie'hung anlegt. 7 ist eine Sicherungsschraube,
die das Gelenk 3 gegen unl)eabsichtigtes Lösen schützt. Mit 8 sind die Beschläge
bezeichnet. die die Gelenke 3 tragen.
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Diese sind lediglich über das Unterschenkelteil miteinander verbunden,
während die Achse 3 nicht durchgehend ausgebildet ist, sondern nur aus den beiden
einander gegenüberstehenden Gelenkstücken 3 besteht. Mit g ist ein Band aus Leder
oder ähnlichem Werkstoff bezeichnet, das über das Unterschenkelteil hinweg gespannt
ist und als Bremsfläche für das entsprechend ausgearbeitete Oberschenkelteil dient.
10 ist eine weich-elastische Unterlage, beispielsweise aus Filz, die noch mit einer
Schwammgummiverstärkung I I, dort wo sie auf der Innenseite des Oberschenkelteils
aufliegt, versehen sein kann Diese wird durch eine Schraube 12 im Unterschenkelteil
festgehalten. I3 und 14 sind Polster, beispielsweise aus Filz oder Gummi, die am
Oberschenkelteil befestigt sind und beim Ausstrecken des Gliedes sich gegen die
Polsterung 10 legen und damit Stöße aufzufangen gestatten. Die Tatsache, daß das
Band 9 zwischen diesen Polsterungen hindurchgeführt ist, beeinträchtigt die stoßdämpfende
Wirkung der Polster I0, I3 und I4 in keiner Weise.
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Mit I5 ist eine Führungsfläche bezeichnet, die am Oberschenkelteil
ausgearheitet ist und zusammen mit dem Band g eine leichte Bremsung der Gelenkbewegung
bewirkt, die durch Veränderung der Bandspannung eingestellt werden kann. Um diese
Bremsung nicht zu stark werden zu lassen, ist die Fläche I5 zweckmäßig poliert.
Mit I6 ist ein am oberen hinteren Ende des Unterschenkelteils angelenktes Anschlagstück,
beispielsweise aus Holz, bezeichnet, das eine Polsterung 17 besitzt und durch ein
in einen Schlitz des Anschlagstückes 16 eingreifendes Gummikissen I8 federnd und
um die Achse 19 drehbar gelagert ist. Dieses Anschlagstück arbeitet bei stark gebeugtem
Gelenk mit einer aus dem Oberschenkelteil ausgefrästen Anschlagfläche 20 zusammen
und ergibt einen weichen Anschlag für das durchgebeugte Gelenk. Das Spannband g
ist an der Vorderseite des Unterschenkelteils durch einen Schlitz 21 hindurchgeführt
und durch eine Schraube mit Unterlegscheibe 22 in einer Nietallöse 23 gehalten,
die an einem Mutterstück 25 befestigt ist. Ein Bolzen 26 mit Gewinde 24 dient zur
regelbaren Einstellung der Bandspannung. Bei 27 ist das andere Ende des Spannbandes
mit Hilfe einer Klemmplatte und einer Schraube am Unterschenkelteil fest eingespannt.
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Die Polsterung 10 bzw. I3 kann auch mit Einschnitten versehen werden,
in die das Spannband sich einlegt, so daß im übrigen die Polsterflächen unmittelbar
miteinander in Berührung kommen.
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Die Wirkungsweise der erfindungsgemäßen Einrichtung ist aus einem
Vergleich der Abb. I und 2 klar ersichtlich. Im wesentlichen wirkt lediglich die
Achse 3 als Gelenk, während die Bewegung der Laschen 5 gegenüber dem Oberschenkelteil
durch die Anschläge 6, die sich in die seitliche Einziehung der Laschen einlegen,
begrenzt wird. Lediglich beim Ausstrecken des Gliedes, wie in Abb. 2, wirkt auch
die Achse 4 gelenkig, und zwar etwa von dem Moment an, wo die Achse 4 sich vor die
Achse 3
vorschiebt Dadurch heben sich die Laschen 5 um einen geringen
Betrag von den gepolsterten Anschlägen 6 ab, wie dies in Abb. 2 deutlich dargestellt
ist. Auf diese Weise ist das Glied in völlig gestreckter Stellung um einen geringen
Betrag gegenüber der maximalen Länge verkürzt. Die Beugung kann nur durch Überwindung
eines geringen Widerstandes erreicht werden, der sich aus der Kniehebelwirkung ergibt.
Dadurch ist eine besonders gute Standsicherheit bei geringster Ermüdung gewährleistet,
während die Gehbewegung in keiner Weise beeinträchtigt, sondern ebenfalls sicherer
gestaltet wird.
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Zur weiteren Verdeutlichung sei noch einmal der Ge'hvorgang mit dem
künstlichen Glied im Zusammenhang beschrieben. Zunächst erfolgt aus der Beuge heraus
eine Drehbewegung der unteren Achse. Zugleich hiermit wird die obere Achse vor das
untere Gelenk verlagert. In dieser Phase der Bewegung setzt der Fuß auf den Boden
auf, und nun beginnt die im oberen Gelenk sich abwickelnde Gleitbewegung. Durch
die Vorverlagerung der oberen bzw. Rückverlagerung der unteren Achse wird das sichere
Gehen vollkommen gewährleistet. Der elastische Vorderanschlag ersetzt dabei das
bei einem 'künstlichen Glied fehlende Sprunggelenk. Das elastische Brems- bzw. Gleitband,
der federnde Anschlag für die Beugestellung sowie die Dämpfungsflächen geben dem
Gelerik insgesamt eine Bewegungsform, die der natürlichen Bewegung beim organischen
Kniegelenk bestmöglich angeglichen ist. Besonders wichtig ist hierbei, daß durch
die erfindungsgemäße Anordnung der beiden Achsen in der Schwungphase, d. h. bei
gebeugtem Gelenk, eine Verkürzung des Unterschenkels um etwa 12 bis I3 mm erfolgt.
Durch diese Verkürzung schleift der Patient in der Schwungphase nicht mit dem Fuß
über den Boden und braucht auch das Gewicht nicht seitlich über das gesunde Bein
hinaus zu verlagern, sondern kann vollkommen aufrecht wie ein Gesunder gehen.
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Wichtig ist es auch, daß die erfindungsgemäße Einrichtung unabhängig
von den beim Menschen üblichen verschiedenen Gangarten Anwendung finden kann. Man
unterscheidet bekanntlich drei Gangarten; bei der ersten wird der Fuß mit gestrecktem
Knie aufgesetzt und beim Abwickeln über den Ballen das Kniegelenk etwas überstreckt.
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Diese Gangart findet man vor allen Dingen bei Menschen mit sogenannten
Säbelbeinen. Bei der zweiten Gangart wird der Fuß mit gebeugtem Knie aufgesetzt
und beim Abwickeln gestreckt, während bei der dritten Gangart sowohl das Aufsetzen
als auch das Abwickeln mit gebeugtem Knie erfolgt.
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Die erste Gangart, die in der Fachorthopädie den Namen Angstbeinstellung
führt, fällt beim heutigen Stand der Entwicklung des Kunstgliederbaus völlig fort.
Ob nun aber der Patient an die zweite oder dritte Gangart gewöhnt ist, bereitet
dem Fachmann bei der Anpassung eines Kunstgliedes mit der erfindungsgemäßen Einrichtung
'keinerlei Schwierigkeiten, da sich bei den letzteren Gangarten das Lot vom Hüftgelenk
zur Aufsatzstelle des Fußes durch eine der beiden Knieachsen automatisch einstellt,
und zwar bei der zweiten Gangart gegen das Lot vom Hüftgelenk durch die hintere
Knieachse zur Mitte des Fußes, und bei der dritten Gangart durch die vordere Knieachse
zum Fußballen.
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Die bauliche Ausbildung des künstlichen Gliedes gemäß der Erfindung
ist denkbar einfach. Alle Teile, sowohl die Achsgelenke als auch die Polsterungen,
Anschlagflächen und das Bremsband, sind dhne Mühe leicht auswechselbar gehalten.