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Gasgefüllte Entladungsröhre Bei steuerbaren gasgefüllten Entladungsröhren,
die man auf manchen Anwendungsgebieten an Stelle der üblichen Verstärkerröhren mit
Glühkathoden verwenden möchte, pflegt man zwischen sogenannten Wandstromröhren und
sogenannten Kopfstromröhren zu unterscheiden. Bei Wandstromröhren verlassen die
Elektronen, die zwischen einer kalten Kathode und einer Hilfsanode übergehende Entladung
im wesentlichen senkrecht zu der erwähnten Entladungsbahn und treten in die Maschen
eines Gitters ein, welches diese Entladungsbahn zylinderförmig umgibt und seinerseits
wieder von einer zylinderförmigen Anode umschlossen ist. Bei Kopfstromröhren befindet
sich die Hilfsanode in der geraden Verbindungslinie zwischen der kalten Kathode
und der Hauptanode, die ihrerseits von einem zylinderförmigen Steuergitter umschlossen
ist.
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Bei allen diesen Röhren haben sich bisher keine reproduzierbaren Verhältnisse
erzielen lassen, und es war außerdem die Steuerfähigkeit nicht so gut, daß an einen
Wettbewerb mit den üblichen Glühkathodenverstärkerröhren hätte gedacht werden können.
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Auf Grund der der Erfindung zugrunde liegenden neuen Erkenntnisse
über die anzustrebenden Vorgänge in einer Gasentladungsröhre wird vorgeschlagen,
bei einer Kopfstromröhre den Abstand der Hauptanode von der Hilfsanode bei dem vorhandenen
Gasdruck so groß zu wählen, daß sich, von der Hauptanode aus gesehen, vor und neben
der Hilfsanode ein Gebiet ausbildet, aus welchem die Elektronen nach der Hauptanode
herausdiffundieren.
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An Hand der Fig. i, welche eine Versuchsanordnung schematisch darstellt
und die zunächst kein Steuergitter zu enthalten braucht, soll gezeigt werden, welche
Vorgänge sich in einer Gasentladungsröhre abspielen und wie man bei geeigneter Beeinflussung
dieser Verhältnisse
zu einer betriebsmäßig befriedigenden Zweipol-
und Dreipolröhre kommen kann. In Fig. i sind drei senkrecht zur Zeichenebene angeordnete
drahtförmige Elektroden von beispielsweise je 30 mm Länge dargestellt, von
denen die linke die Hilfskathode K, die mittlere die Hilfsanode A1 und die rechte
die Hauptanode Aa ist. Zwischen der Hilfskathode und der Hilfsanode wird eine Spannung
von etwa 170 Volt gelegt bei einem Abstand von etwa 5 mm, und der Abstand zwischen
der Hilfsanode und der Hauptanode beträgt etwa 15 mm; die Röhre wird mit einem Helium-Neon-Gemisch
von etwa 6 bis 8 Torr gefüllt und die Spannung der Hauptanode gegenüber der Hilfsanode
verändert. Man beobachtet dann den in Fig. 2 dargestellten Zusammenhang des Stromes
i zur Hauptanode in Abhängigkeit von der Spannung u zwischen der Hauptanode und
der Hilfsanode. Bei stark negativen Potentialen der Hauptanode gegen die Hilfsanode
nimmt die Hauptanode einen schwachen Ionenstrom auf. Dieser Bereich ist in Fig.
2 mit I bezeichnet. In dem anschließenden Bereich 1I ist das Hauptanodenpotential
nur mehr schwach negativ gegenüber dem Hilfsanodenpotential. Hier zeigt sich ein
exponentieller Zusammenhang zwischen dem Elektronenstrom zur Hauptanode und der
Spannung zwischen Hauptanode und Hilfsanode. Man kann sich das Zustandekommen dieses
Kurventeils derart erklären, daß die die Hilfskathode verlassenden Elektronen jeweils
nur längs eines kleinen Stücks einer sich zur Hilfsanode A1 erstreckenden Kraftlinie
beschleunigt werden und dann mit einem Gasmolekül der Edelgasfüllung zusammenstoßen.
Hierbei vermindert sich die kurz vor dem Zusammenstoß erreichte Elektronengeschwindigkeit
und ferner erleidet das Elektron eine Richtungsabweichung, so daß es im allgemeinen
unter einem endlichen Winkel zu der betreffenden Kraftlinie weiterfliegt. Außerdem
wird das Gasmolekül im allgemeinen ionisiert, d. h. es entsteht mindestens ein weiteres
freies Elektron. Kurz darauf, und zwar bei einem Gasdruck von etwa 6 Torr schon
nach einer neuen Laufstrecke von einem Bruchteil eines Millimeters, kommt ein neuer
Zusammenstoß zustande, der ebenso wie der erste im allgemeinen zu einer Ionisierung
des zweiten Gasmoleküls führt und zu einer neuen Richtungsänderung des stoßenden
Elektrons. Die Vielzahl dieser Vorgänge, nämlich die Bildung von neuen Elektronen
beim Zusammenstoß und die vielfach geknickte Bahn, welche das von der Hilfskathode
emrnitierte Elektron zurücklegt, sowie die beschriebene Entstehung von Ionen haben
die Bildung eines sogenannten Plasmas zur Folge in einem Gebiet, das von der Hauptanode
aus gesehen im wesentlichen auf beiden Seiten der drahtförmigen Hilfsanode liegt
und in welchem Ionen und Elektronen aller möglichen Bewegungsrichtungen vorhanden
sind und sich im wesentlichen gegenseitig neutralisieren. Die von den Anoden A1
und Aa ausgehenden Kräfte hat man sich in diesem Gebiet teils wegen der zwischen
den Ionen und den Elektronen bestehenden Mikrofelder und teils wegen der umgekehrt
proportional dem Abstand von diesen beiden Anoden abnehmenden Feldstärke als vernachlässigbar
klein vorzustellen. Eine Bewegung von Elektronen aus diesem Gebiet heraus findet
nur infolge von Diffusionsvorgängen statt. Steigert man das Potential der Hauptanode
auf positive Beträge gegenüber der Hilfsanode, so findet, wie die Kurve im Bereich
III zeigt, zunächst eine schwächere Stromzunahme statt, die man sich so zu erklären
hat, daß sich um die Anode herum eine Raumladung aus Elektronen aufbaut, die das
Anodenpotential nach außen zum großen Teil abschirmt und andererseits eine Vergrößerung
des wirksamen Anodendurchmessers bewirkt. Bei zunehmendem Potential der Hauptanode
innerhalb des Gebiets III empfängt die Hauptanode nun einen zunehmenden Elektronenstrom
aus dem Plasma. Das anschließende Gebiet IV bildet den Übergang zu einer selbständigen
Entladung und ist für einen steuerbaren Stromübergang in einer Zweipol- oder Dreipolstrecke
ohne Bedeutung.
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Die mitgeteilten Vorstellungen, die auch in guter Übereinstimmung
mit quantitativen Nachprüfungen der Zahl von Gasmolekülen bei dem betreffenden Druck,
der Zahl der Ladungsträger und der freien Stoßlänge sind, erfahren ihre Bestätigung,
wenn man die Versuchsröhre in ein magnetisches Hochfrequenzfeld bringt und dadurch
den Ladungsträgern eine kleine schwingende Bewegung überlagert, welche das Leuchien
im Gase, das auch ohne Hochfrequenzfeld schon zu beobachten ist, verstärkt. Es ist
zu bedenken, daß eine Leuchterscheinung im Gase j a auf eine Anregung von Ionen
zurückzuführen ist und die Intensität des Leuchtens daher ohne weiteres als Maß
für die Ionenkonzentration betrachtet werden kann. Bei der erwähnten Hochfrequenzanregung
beobachtet man in dem in Fig. i schraffierten Gebiet ein recht intensives Leuchten,
das sich auch fotografieren läßt und als eine gute Bestätigung der entwickelten
Vorstellungen betrachtet werden darf. Man sieht vor allem, daß das Plasma sich nicht
unmittelbar bis zur Hauptanode A2 erstreckt, sondern daß man tatsächlich mit einem
durch die Raumladung der sich unmittelbar vor der Hauptanode stark konzentrierenden
Elektronen hervorgerufenen, gleichsam vergrößerten Durchmesser der Anode rechnen
kann. Der in Fig. 2 dargestellte Stromspannungskennlinienverlauf mit seinem exponentiell
verlaufenden Ast im Gebiet II, seinem flacher verlaufenden Ast im Gebiet III und
seinem wieder steiler ansteigenden im Gebiet IV kann nach dem Obengesagten als charakteristisches
Kennzeichen für das Auftreten eines ausgesprochenen Plasmas, aus dem die Elektronen
herausdiffundieren, und für das Auftreten einer Elektronenraumladung vor der Hauptanode,
die den Anodendurchmesser scheinbar vergrößert, betrachtet werden.
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Erteilt man der Hilfsanode A1, wie in Fig. 3 dargestellt, quer zur
Verbindungslinie zwischen der Hilfskathode und der Hauptanode eine größere Breite,
bildet man also die Hilfsanode plattenförmig aus, so zeichnet sich die Grenze des
Leuchtens etwa so wie in Fig.3 schraffiert angedeutet, ab. Es empfiehlt sich also,
bei dieser Ausbildung der Hilfsanode die Hauptanode noch etwas näher an der Hilfsanode
anzuordnen, als es in Fig. 3 dargestellt ist, so daß man einen natürlich sehr erwünschten,
kleinen Elektrodenaufbau erhält.
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Ferner hat sich gezeigt, daß es von Vorteil ist, von der Hilfsanode
A1 aus gesehen, hinter der Hauptanode
A2 noch eine auf konstantem
positivem Potential gegenüber der Hilfsanode befindliche Hilfselektrode
HE nach Fig. .I anzubringen, da man hierdurch aus der Oberfläche des Plasmagebiets
positive Ionen innerhalb gewisser Grenzen verdrängen und die Wanderung von Elektronen
zur Hauptanode unterstützen kann.
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Man kann nun zu einer steuerbaren Gasentladung, d. h. zu einer Dreipolröhre
gelangen, wenn man die Hauptanode A2, wie in Fie. 5 dargestellt, mit einem zylinderförmigen
Steuergitter G umgibt, ähnlich wie es in Hochvakuumröhren und bei den bisher bekannten
Kopfstromröhren mit Gasfüllung verwendet wurde. Der Abstand des Steuergitters von
der Hauptanode ist jedoch unter Berücksichtigung der oben mitgeteilten neuen Erkenntnisse
zu wählen. Hat der Gitterzylinder einen zu großen Durchmesser bei gegebenem Gasdruck,
so nimmt er bei negativen Gitterpotentialen aus dem Plasma Ionen auf, die nicht
nur einen unerwünschten Gitterstrom darstellen, sondern vor allem auch die angestrebte
Trägheitslosigkeit der Steuerung verhindern. Macht man den Abstand des Gitters von
der Hauptanode extrem klein, so würde das Hauptanodenfeld, wenigstens wenn gleichzeitig
das Gitter sehr engmaschig ist, allzu stark abgeschirmt werden. Bei mittleren Werten
des Steuergitterdurchmessers, die bei 6 Torr etwa 2 mm und weniger betragen können,
erreicht man ungefähr Verhältnisse, bei denen der vergrößerte Hauptanodendurchmesser,
von dem oben die Rede war, etwa gleich dem Gitterdurchmesser wird. Dann wird das
Gitter auch stromlos, da es außerhalb der Grenze des Plasmagebiets liegt; und man
erhält eine trägheitslos steuerbare Entladung.
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Tatsächlich haben sich in dieser Weise schon mit behelfsmäßigen Mitteln
unerwartet gute Röhrenkonstruktionen ergeben, die aber bei besserer fabrikatorischer
Ausführung und ins einzelne gehender Entwicklung noch erheblich übertroffen werden
können. Zwei Beispiele dafür sind in Fig. 6 und 7 dargestellt. Die Fig.6 zeigt in
einem Anodenspannungsbereich zwischen etwa 2 und 16 V ein Kennlinienfeld zwischen
Strömen von einem Bruchteil eines mA bis zu etwa 3 mA für Gitterspannungen zwischen
o und - 8 V.
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Fig.7 zeigt ein anderes Kennlinienfeld etwa im gleichen Anodenspannungsbereich
mit einem etwas anderen Kennlinienverlauf. Es fällt auf, daß eine sehr kleine Gitterspannungsvariation
genügt, um die Röhre vollständig durchzusteuern. Der Hilfsentladungsstrom betrug
in beiden Fällen 3 mA. Dies sind nur zwei Beispiele dafür, daß man bei einer Röhre
gemäß der Erfindung mit erstaunlich geringen Anodenspannungen auskommt bei Anodenstromwerten,
wie sie sonst nur bei sehr viel höheren Anodenspannungen erreicht werden.
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Um einen Stromeintritt an den Stirnseiten des Gitters zu vermeiden
und die vorzeitige Ausbildung eines selbständigen Entladungsübergangs zur Hauptanode
zu verhindern, empfiehlt es sich, Gitter und Hauptanode mit Abdeckungsscheiben etwa
aus Glimmer zur versehen. Der Hauptanodendurchmesser soll höchstens etwa das Dreifache
des Hilfskathodendurchmessers betragen. Die Fig. 8 zeigt eine derartige Abdeckscheibe
S am oberen Ende der Elektroden und eine weitere am unteren Ende, durch welche alle
Elektroden hindurchgeführt sind. Zwischen der unteren Scheibe S und den Preßglasfuß
F sind die Elektroden mit Isolierröhr chen J umhüllt, um einen Stromübergang zwischer
den Elektroden an dieser Stelle zu vermeiden. Wem das Steuergitter G bis an die
Stirnfläche eines Glas quetschfußes heruntergeführt ist, kann die unter< Abdeckscheibe
fortfallen. Diese untere Abdeckscheib( hat den weiteren Vorteil, dem Elektrodenaufbau
ein( größere Stabilität zu verleihen, was für die Fabrikatior von Vorteil ist.
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Man kann besonders gleichmäßige Schichten auf der Hilfskathode erzielen,
wenn man die zur Herabsetzung der Zünd- und Brennspannung mit Barium, Natrium, Kalium
o. dgl. aktivierte Hilfskathode auf kataphore. tischem Wege formiert. Die Stromergiebigkeit
der Hilfskathode kann unter anderem dadurch wesentlich gesteigert werden, daß man
dieselbe als Hohlkathode ausbildet, wie in Fig. 9a und 9b für eine zweifach und
eine vierfach unterteilte Hilfskathode dargestellt ist.
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Eine Zwei-, Drei- oder Mehrpolröhre der beschriebenen Art kann statt
mit einer kalten Kathode auch mit einer lichtelektrischen Kathode ausgerüstet werden,
wodurch der Emissionsstrom dieser Photokathode und damit auch der zur Hauptanode
fließende Elektronenstrom außer der Gittersteuerung noch durch Steuerung der Belichtung
der Photokathode verändert werden kann.
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Zwischen Steuergitter und Hauptanode läßt sich auch ein Schirmgitter
der bei Hochvakuumröhren üblichen Art anbringen, um das Hauptanodenfeld vom Steuergitter
kapazitiv abzuschirmen.
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In Fig. io ist gezeigt, daß sich zwei je aus Hilfskathode und Hilfsanode
bestehende Elektronenerzeugungssysteme auf einander gegenüberliegenden Seiten einer
Hauptanode, die mit einem Steuergitter umgeben sein kann, anbringen lassen. Auch
lassen sich, wie Fig. ii zeigt, zwei im übrigen voneinander unabhängige Entladungsräume,
von denen einer oder beide ebenfalls ein Steuergitter besitzen können, unter Benutzung
einer gemeinsamen Hilfskathode oder, wie in Fig. 12 gezeigt, einer gemeinsamen Hilfselektrode
aufbauen.
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Entsprechend den Anordnungen, wie sie in Fig. io bis 12 für Zweifachröhren
dargestellt sind, sind auch Röhren mit mehr als zwei Entladungssystemen denkbar.
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Wie es in Fig. 13 dargestellt ist, können vier im übrigen voneinander
unabhängige Entladungseinrichtungen um eine gemeinsame Hilfselektrode herum angeordnet
werden. Die Hilfsanode .41 besteht in diesem Fall aus einem längs geschlitzten runden
Zylinder. Die Breite der Schlitze ist derart zu wählen, daß das weiter oben erwähnte
Rgumladungsgebiet, aus dem die Elektronen heraus diffundieren, sich ausbilden kann,
ohne durch die benachbarte Hilfsanode gestört zu werden.
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Die Fig. 1q. zeigt eine ähnliche Einrichtung mit einem längs geschlitzten
Zylinder als Hilfsanode, wobei dieser einen quadratischen Querschnitt besitzt.
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In Fig. 15 ist dargestellt, wie eine Vierfachröhre unter Benutzung
einer gemeinsamen Hilfskathode für alle vier im übrigen voneinander unabhängigen
Entladungseinrichtungen ebenfalls mit einem längs geschlitzten quadratischen Zylinder
als Hilfsanode ausgeführt
werden kann. An Stelle der Drahtkathode
in dieser Ausführungsform kann auch eine Hohlkathode entsprechend Fig. gb verwendet
werden.
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Die erfindungsgemäßen Röhren zeichnen sich bei außerordentlich niedriger
Anodenspannung durch einen einer Fünfpolröhre nahe kommenden inneren Wechselstromwiderstand
aus und u. a. auch noch durch einen Leistungsbedarf für die Hilfsentladung, der
nur einen Bruchteil, bei den Versuchsröhren war es etwa ',1., des bei einer entsprechenden
Glühkathodenröhre erforderlichen Heizleistungsbedarfs beträgt. Diese geringe Leistung
für den Elektronenerzeugungsmechanismus ist für viele Anwendungen wichtig. Außerdem
ist die Tatsache, daß die Hilfsentladung mit kalter Kathode ein viel dauerhafteres
und haltbareres Element der Röhre bildet als eine Glühkathode, ein vielfach ausschlaggebender
Vorteil.
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Es sei noch bemerkt, daß man die kalte Kathode der erfindungsgemäßen
Röhre auch durch eine Glühkathode, z. B. auch eine Oxydkathode o. dgl., ersetzen
kann und dann zu Röhren gelangt, die schon bei sehr geringen Anodenspannungen die
sonst nur bei höheren Anodenspannungen erreichbaren Kennlinieneigenschaften aufweisen.