-
Das
Thema der vorliegenden Erfindung ist eine wässrige Darminfusionslösung, die
als aktive Wirkstoffe mindestens ein nicht fermentierbares Disaccharid,
bevorzugt Lactulose oder Lactit in Kombination mit Neomycin enthält, zur
Verwendung bei der Behandlung von hepatischer Enzephalopathie.
-
Hepatische
Enzephalopathie ist ein neurologisches Syndrom, das bei Patienten
auftreten kann, die unter Leberinsuffizienz leiden, sowohl in Fällen akuter
als auch chronischer Lebererkrankungen. Sie kann verschiedene Formen
annehmen, die jedoch gemeinsame klinische Eigenschaften zeigen,
wie Veränderung
des Bewusstseinszustands, neurologische Defizite, Leberparenchymdegenerierung.
Die portal-systemische Enzephalopathie (PSE), die fast ausschliesslich
bei Patienten, die unter fortgeschrittener Zirrhose (viral, Alkohol-bedingt,
etc.) mit portalem Überdruck
leiden, ist die typischste Form der hepatischen Enzephalopathie;
ihre Pathogenese wird durch den sogenannten "portal-systemischen Nebenfluss" bestimmt, d.h durch
eine Umleitung des Blutflusses, wobei die kollateralen Venen dem
Blut ermöglichen,
aus der Portalvene direkt in den systemischen Kreislauf zu fliessen,
d.h. ohne Passage durch den Leberfilter. Potentiell toxische Substanzen,
zum Beispiel Ammoniak oder andere stickstoffhaltige Toxine, die
normalerweise durch die Leber entfernt werden, können deswegen die Hirnzellen
erreichen, die normalen Neurotransmitter ersetzen und dadurch eine
Enzephalopathie verursachen.
-
Unter
den Faktoren, die das Auftreten der PSE fördern, sind Hyperazotemie,
die Verwendung von Sedativa, Beruhigungsmitteln oder Analgetika,
Episoden von Haemorrhagien des Verdauungstraktes, metabolische Alkalosebedingungen, übermässige Verabreichung
von Proteinen, Infektionen und Verstopfung zu nennen.
-
Der
Verlauf der PSE und allgemeiner der hepatischen Enzephalopathie
wird normalerweise in vier Stadien unterteilt, die wiederum durch
verschiedene Veränderungen
im Bewusstseinszustand gekennzeichnet sind:
- 1.
erstes oder Prodromalstadium;
- 2. zweites oder drohendes Komastadium;
- 3. drittes oder Wachkomastadium;
- 4. viertes oder manifestes Komastadium, dadurch gekennzeichnet,
dass ein Zustand vollständiger
Bewusstlosigkeit des Patienten ohne jegliche Reaktion auf äussere Stimuli
besteht.
-
Die
gegenwärtige
Behandlung bei PSE wird normalerweise in zwei verschiedene Stadien
eingeteilt, die folgendes zur Verfügung stellen:
- – ein
einerseits nicht fermentierbares Disaccharid zur oralen Administration,
das ausgewählt
wird aus Lactulose und Lactit in Kombination mit Neomycin (genauer
Neomycin B) im allgemeinen in Salzform und bevorzugt in Sulphatform;
- – verzweigte
Aminosäuren
und balancierte Glukoselösungen
andererseits zur parenteralen Verabreichung.
-
Im
Hinblick auf das erste Stadium übt
Neomycin die Funktion des Inaktivierens der Bakterien im Colon aus,
welche stickstoffhaltige Toxine produzieren, und dadurch das Reduzieren
der Harnstoffsynthese. Lactulose und Lactit andererseits werden
durch die intestinale bakterielle Flora in organische Säuren gespalten,
reduzieren den pH-Wert im Colon und inhibieren die Ammoniakproduktion
durch die intestinale bakterielle Flora.
-
Im
Gegensatz zum ersten Stadium der Behandlung, das präzise auf
die Blockierung der Synthese stickhoffhaltiger Toxine ausgerichtet
ist, ist das zweite Stadium andererseits auf das Umkehren der Wirkung, auf
zerebralem Niveau, der stickhoffhaltigen Toxine, die nichtsdestotrotz
gebildet werden, gerichtet; die verzweigten Aminosäuren und
Glukose dringen tatsächlich
in die Hirnzellen ein, wo sie mit stickstoffhaltigen Neurotoxinen
in Kompetition treten, und dadurch die Neuronenfunktionen wiederherstellen,
die dem Auftreten der Enzephalopathie vorangehen.
-
Die
oben beschriebene Behandlung ist jedoch mit einer Reihe von Kontraindikationen
von grosser Bedeutung assoziiert.
-
Zum
ersten ist die orale Verabreichung jeder Lösung oder Suspension während des
zweiten, dritten oder vierten Stadiums der Erkrankung oft sehr problematisch,
oder aufgrund der Unfähigkeit
des Patienten, die physiologischen Schluckbewegungen zu koordinieren,
unmöglich.
-
Zum
zweiten ist Neomycin ein antibakterielles Medikament, das dafür bekannt
ist, dass es toxische Nebeneffekte besitzt; diese toxischen Effekte
entwickeln sich tatsächlich
im vestibulären
und Nierenbereich (Nephrotoxizität
und Ototoxizität)
und sind direkt dosisabhängig.
Oral eingenommenes Neomycin wird normalerweise im Gastrointestinaltrakt
in einem Ausmass von 1–3%
absorbiert und in nicht modifizierter Form mit dem Stuhl in einem
Ausmass von ungefähr
96% (bezogen auf die eingenommene Dosis) ausgeschieden; pathologische
Bedingungen, die oft mit einer Zirrhose der Leber assoziiert sind,
wie gastrische oder duodenale Geschwüre, eine Kongestionsgastropathie,
oder eine intestinale Entzündung,
können
jedoch einen Anstieg der Absorption des oral verabreichten Neomycins
verursachen und dadurch die Risiken einer Vergiftung beträchtlich
erhöhen.
Aus diesem Grund wird Neomycin normalerweise oral nur im Wachkoma
oder im manifesten Komastadium verabreicht.
-
Sowohl
Lactulose wie Lactit werden andererseits normalerweise vom Prodromalstadium
an in einer ansteigenden täglichen
Dosis von 40–80
g verabreicht; obwohl sie jedoch nicht die typische Toxizität von Neomycin
besitzen, sind sie nichtsdestotrotz mit unangenehmen Phänomenen
wie beispielsweise Übelkeit,
Erbrechen, Blähungen,
Durchfall und abdominalen Schmerzen assoziiert.
-
Glukose
und verzweigte Aminosäuren
haben bei Zirrhotikern auch Beschränkungen in der Verabreichung
hinsichtlich der beträchtlichen
Frequenz an Fällen
mit assoziiertem Diabetes und Renalinsuffizienz (hepato-renales
Syndrom).
-
Das
Ziel der vorliegenden Erfindung ist deswegen, ein Verfahren zu finden,
die hepatische Enzephalopathie zu behandeln, das frei von unerwünschten
Wirkungen und den oben erwähnten
gegenteiligen Reaktionen ist.
-
Es
wurde jetzt festgestellt, dass eine wässrige Lösung, die Neomycin und ein
nicht fermentierbares Disaccharid, bevorzugt Lactit oder Lactulose
enthält,
wenn sie bei einer Darminfusion verabreicht wird, günstige Ergebnisse
sowohl hinsichtlich der therapeutischen Wirkungen als auch hinsichtlich
der Eliminierung oder zumindest der Reduktion dieser Kontraindikationen
erreicht werden können.
-
Die
wässrige
Lösung
enthält
eine Menge an Disaccharid, bevorzugt zwischen 0,05 und 0,5 g/ml,
und noch mehr bevorzugt von 0,1 bis 0,3 g/ml, und eine Menge an
Neomycin bevorzugt von zwischen 0,05 und 5 g/l, und noch mehr bevorzugt
ungefähr
1–2 g/l.
Das fragliche Disaccharid wird bevorzugt aus Lactit und Lactulose
ausgewählt;
hinsichtlich des Neomycins (oder korrekter Neomycin B) kann dieses
so wie es ist verwendet werden, oder in der Form eines seiner Salze,
bevorzugt in Sulphatform.
-
Die
wässrigen
Lösungen
können
zum Verwendungszeitpunkt hergestellt werden, indem Neomycin und
das nicht fermentierbare Disaccharid direkt in Leitungswasser gegeben
wird, wobei beide im allgemeinen in Kristallform vorliegen, und
löslich
in Wasser sind.
-
Zum
Zeitpunkt der Verwendung werden Kunststoffvorrichtungen im allgemeinen
zur Herstellung der wässrigen
Lösung
nach der Erfindung verwendet, die Arzneiträger, Co-Adjuvantien und/oder
Konservierungsmittel enthalten kann. Besonders bevorzugt sind gebrauchsfertige
Mittel zur Herstellung wässriger
Einzeldosislösungen
zum Verwendungszeitpunkt (einfach indem Wasser von ungefähr 37°C hinzugegeben
wird und durch kurzes Rühren
die Inhaltsstoffe gelöst
werden) und für
die folgende Verabreichung, zum Beispiel verwerfbare Enteroclysmen
mit einem Endvolumen von 500–1500
ml, bevorzugt 1000 ml, die 100 bis 300 g, bevorzugt 200 g des Disaccharids
und von 0,05 bis 5 g, bevorzugt 1–2 g, des Neomycins enthalten.
Eine Vorrichtung dieses Typs wird bevorzugt aus einem eingeteilten
Beutel gebildet, der mit einem Auslass und einer Rektalkanüle komplettiert
ist, und als Behälter
und als Verabreichungsapparat dient; noch mehr bevorzugt enthält der eingeteilte
Beutel das Disaccharid in fester Form und aus hygienischen und Stabilitätsgründen ist
das Neomycin in einer getrennten Verpackung (zum Beispiel einem
Einzeldosis-Säckchen)
enthalten. Zum Herstellungszeitpunkt wird Wasser zum Beutel hinzugefügt, der
das Disaccharid enthält,
bis das gewünschte
Volumen erreicht ist; das Neomycin wird hinzugegeben und die Lösung ist
dann gebrauchsfertig.
-
Da
die orale Verabreichung von Neomycin und Lactulose bekannt ist,
wurde auf den ersten Blick nicht erwartet, dass die Verwendung der
rektalen Route zu strengen therapeutischen Vorteilen führen würde. Untersuchungen,
die an Patienten durchgeführt
wurden, die an hepatischer Enzephalopathie litten und einer rektalen
Behandlung mit einer wässrigen
Lösung,
die oben beschrieben wurde, unterzogen wurden, haben therapeutische
Ergebnisse gezeigt, die sehr signifikant sind, wenn sie mit denen
verglichen werden, die normalerweise durch konventionelle Verfahren
erreicht werden können,
sowie eine leichtere Verabreichung zur Behandlung in Fällen von
drohenden Wach- oder manifesten Komata. Insbesondere ist festgestellt
worden, dass sowohl die Zeiten, die benötigt werden, um aus Stadien
des Wach- oder manifesten Komas zu erwachen als auch die Anzahl
komatöser
Episoden je Monat um ein wesentliches Mass reduziert sind, verglichen
mit denen, die normalerweise bei Patienten auftreten, die einer
konventionellen Behandlung unterzogen werden.
-
Es
wurde auch festgestellt, dass bei Patienten, die einer rektalen
Behandlung mit einer erfindungsgemässen Lösung unterzogen wurden, die
Absorption an Neomycin in keinem Fall das Niveau von 1–3% überschreitet,
selbst bei Patienten, die an einer Leberzirrhose, an gastrischen
oder duodenalen Geschwüren,
einer kongestiven Gastropathie oder intestinaler Entzündung litten,
wodurch das Risiko der Neomycin-Vergiftung verhindert wird.
-
Die
Ergebnisse, die als Folge der Behandlung auf dem Niveau der Hemmung
der Synthese von Ammoniak erreicht werden, oder jedenfalls von anderen
stickstoffhaltigen Toxinen wurden ähnlich als beträchtlich überlegen
denen, die durch konventionelle Behandlungen erreicht werden, befunden; insbesondere
ist festgestellt worden, dass bei Patienten, die mit einer Darminfusion
mit einer wässrigen
erfindungsgemässen
Lösung behandelt
wurden, die Verabreichung von verzweigten Aminosäuren und Glukose weggelassen
werden kann, oder zumindest nur auf die Fälle mit manifestem Koma beschränkt werden
kann, bei klaren Vorteilen für
Diabetespatienten oder auf jeden Fall für Patienten, die an einer Niereninsuffizienz
leiden.
-
Schlussendlich
wurde festgestellt, dass die fragliche rektale Behandlung ermöglicht,
das Neomycin und das nicht fermentierbare Disaccharid in beträchtlich
grösseren
Mengen verabreicht werden können
als nach dem Stand der Technik erlaubt; insbesondere ist bemerkt
worden, dass eine Behandlung dieses Typs ermöglicht, dass bis zu 200 g Lactit
in einer einzigen Dosis verabreicht werden können, die, falls sie oral verabreicht
werden sollte, von dem Patienten nicht toleriert werden würde.
-
Diese
und weitere Vorteile der Erfindung werden aus den folgenden Beispielen
klar, die nur als nicht begrenzende Beispiele der Erfindung betrachtet
werden sollten.
-
BEISPIEL 1
-
12
Patienten in einem Alter zwischen 34 und 74 Jahren, die an PSE litten,
und die alle oral für
einen Zeitraum von mindestens 6 Monaten mit Lactulose (50 g/Tag
in den ersten und zweiten Stadien) unter Zugabe von Neomycin (3
g/Tag für
mindestens 7 Tage) in Fällen
des Wachkomas oder manifesten Komata behandelt worden sind, wurden
einer Darminfusionsbehandlung mit einer Lösung, die 200 ml an Lactulose
und 1 g (bei Patienten in einem Wachkoma) oder 2 g (bei Patienten
mit manifestem Komastadium) an Neomycinsulphat, das in 1000 ml Quellwasser
gelöst
war, unterzogen, das alle 6 Stunden an die Patienten in einem Wach-
oder manifesten Komastadium verabreicht wurde, bis sie vollständig erwacht
waren.
-
Die
therapeutische Wirksamkeit wurde hauptsächlich auf Grundlage der Reduzierung
der Aufwachzeiten untersucht. Bei Patienten, die einer konventionellen
Behandlung (orale Behandlung mit Neomycin und Lactulose) unterzogen
wurden, betrugen sie im Durchschnitt 48–72 Stunden; die Ergebnisse
werden in der folgenden Tabelle wiedergegeben.
-
-
Wie
aus der Tabelle gesehen werden kann, sind die Ergebnisse, die durch
die Verabreichung der Darminfusionslösung gemäss der vorliegenden Erfindung
erreicht werden, sehr ermutigend, da sie eine ungefähr 70–75%ige
Reduktion der Aufwachzeiten aus den Stadien 3 und 4 der PSE erlauben,
verglichen mit einer konventionellen oralen Behandlung. Nach der
oben beschriebenen Behandlung war es möglich, eine wesentliche Reduzierung
der Anzahl an komatösen
Episoden je Monat zu beobachten, die sich von einer durchschnittlichen
Anzahl von 3–5
komatösen
Episoden je Monat auf Maximalwerte von 2 Episoden änderten.
-
Schlussendlich
war es auf der Grundlage der beschriebenen positiven Wirkungen möglich, die
parenterale Verabreichung von Glukoselösungen und/oder verzweigten
Aminosäuren
einzustellen.