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Die
vorliegende Erfindung betrifft die Verwendung von Riluzol oder einem
seiner pharmazeutisch annehmbaren Salze zur Prophylaxe und Behandlung
der Adrenoleukodystrophie.
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Riluzol
(2-Amino-6-trifluormethoxybenzothiazol) wird für die Behandlung von amyotropher
Lateralsklerose vermarktet (Rilutek
R). Diese
Verbindung eignet sich auch zur Verwendung als Antikonvulsivum,
Anxiolytikum oder Hypnotikum (
EP
50551 ), bei der Behandlung von Schizophrenie (
EP 305276 ), bei der Behandlung von
Schlafstörungen
und Depression (
EP 305277 ),
bei der Behandlung von zerebrovaskulären Erkrankungen und als Anästhetikum
(
EP 282971 ), bei der
Behandlung von Wirbelsäulen-,
Hirn- oder Hirn-Wirbelsäulen-Trauma
(WO 94/13288), als Mittel zur Behandlung von Strahlenschäden (WO
94/15600), bei der Behandlung der Parkinsonschen Krankheit (WO 94/15601),
bei der Behandlung von Neuro-AIDS (WO 94/20103) und bei der Behandlung
von mitochondrialen Erkrankungen (WO 95/19170).
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Die
X-gebundene Adrenoleukodystrophie (ALD) ist die häufigste
genetische Erkrankung des Myelins, die durch progressive Demyelinisierung
des Zentralnervensystems, Nebenniereninsuffizienz und moderate Akkumulation
(3- bis 5fach) von
sehr langkettigen Fettsäuren
(VLCFA, very long chain fatty acids) in den meisten Geweben einschließlich des
Gehirns und des Rückenmarks
gekennzeichnet ist. Diese VLCFA-Akkumulation ergibt sich aus einer
Defizienz ihrer peroxisomalen β-Oxidation.
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Die
Mechanismen, die bei ALD zu einer Demyelinisierung und einem Verlust
der Oligodendrozyten führen,
werden noch nicht gut verstanden. Eine Möglichkeit besteht darin, daß die VLCFA-Akkumulation
zu einer Destabilisierung der Myelinmembranen oder einer Funktionsstörung der
Rezeptoren an der Oberfläche
der Oligodendrozyten, die gegenüber
Signalen für
den programmierten Zelltod (Apoptose) empfindlicher werden, führt. Der
Tod der Oligodendrozyten könnte
auch von der Produktion von Zytokinen (insbesondere TNF-α) durch aktivierte
Makrophagen, die in entzündlichen
Hirnläsionen
der ALD vorliegen, herrühren.
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Bei
einer DNA-Fragmentierungsstudie nach der TUNEL-Methode und durch Expression von Caspase-3
zeigten 50% der Oligodendrozyten aus dem Gehirn von ALD-Patienten
Anzeichen von Zelltod durch Apoptose, und die Intensität der Apoptose-Phänomene steht
in Korrelation mit der Intensität
der Demyelinisierung.
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Der
Oligodendrozyten-Zelltod durch Apoptose ist kürzlich in 2 anderen Mausmodellen
der genetischen Erkrankung des Myelins nachgewiesen worden: der
Twitcher-Maus (Modell der Krabbe-Krankheit) und verschiedenen PLP-defizienten
(PLP = Proteolipid-Protein)
Modellen (Jimpy-Maus, msd-Maus, md-Ratte).
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Es
wurde nun gefunden, daß Riluzol,
gegebenenfalls in Form eines pharmazeutisch annehmbaren Salzes,
den Kainat-induzierten Oligodendrozyten-Tod durch Apoptose verringert
und daher bei der Prophylaxe und Behandlung von Adrenoleukodystrophie
verwendet werden kann.
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Es
wird nach der folgenden Vorschrift verfahren:
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Mit Oligodendrozyten angereicherte
Kulturen
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Oligodendrozyten
werden nach der leicht abgeänderten
Methode von Saneto et al. (Neuchemistry, a practical approach, IRL
Press, Oxford-Washington DC, S. 27–63 (1987)) aus primären Gliakulturen
von Rückenmark
erhalten. Das Rückenmark
von 1 Tag alten Wistar-Ratten wird unter sterilen Bedingungen disseziert und
von den Meningen befreit. Das Rückenmark
von fünf
bis zehn Tieren wird in PBS (phosphatgepufferte Kochsalzlösung: NaCl
137 mM, KCl 2,68 mM, Na2HPO4 6,45
mM, KH2PO4 1,47
mM) mit 0,25% Trypsin überführt. Die
Enzymbehandlung wird durch Zugabe von Dulbecco's Modified Eagle's Medium (DMEM) mit 10% fötalem Rinderserum
(FBS) gestoppt. Nach Durchführung
eines weiteren Trennschritts mit Hilfe einer 1-ml-Pipette wird die
Zellsuspension filtriert. Die Zellen werden durch Zentrifugation
gesammelt und in einer Dichte von 1,5–2 × 106 Zellen/cm2 Kulturmedium in Dulbecco's Modified Eagle's Medium (DMEM) mit
10% fötalem Rinderserum
ausplattiert. Nach 3 Tagen in vitro werden die Kulturen jeden Tag
gefüttert.
Nach Erhalt einer sichtbaren Monoschicht werden die Kulturen 2 Stunden
bei 37°C
mit 250 U/min bewegt, wonach das Kulturmedium entnommen wird und
die Fläschchen
noch 22 Stunden bewegt werden. Das die Zellen enthaltende Medium
wird in Petri-Schalen 1 Stunde bei 37°C inkubiert, damit die Mikroglia
sich an den Kunststoff anheften können. Die Oligodendrozyten
werden durch Zentrifugation gesammelt, in einer Dichte von 1,6 × 106/cm2 ausplattiert
und 1 oder 2 Tage in DMEM mit 10% FBS gehalten. Dann wird das Medium
durch L15-Medium
mit Natriumhydrogencarbonat (22 mM), Conalbumin (0,1 mg/ml), Putrescin
(0,1 mM), Insulin (5 ug/ml), Natriumselenit (31 nM), Glucose (20
mM), Progesteron (21 nM), Penicillin (100 IU/ml), Streptomycin (100 μg/ml) und Pferdeserum
(2%) ersetzt. Die Oligodendrozyten differenzieren sich schnell innerhalb
von 24 bis 48 Stunden in einen reifen und einen unreifen Phänotyp. Diese
Kulturen zeigen eine durch Immunreaktivität gegenüber Galactocerebrosid-C (Gal-C)
und saurem fibrillärem
Gliaprotein (GFPA) bestimmte Reinheit von ungefähr 95%.
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Diese
Kulturen werden dann mit einer Lösung
von Kainat in PBS in verschiedenen Konzentrationen (0,01 mM bis
1 mM), 0,9%iger Lösung
von Riluzol in NaCl und 0,001 N HCl in verschiedenen Konzentrationen (0,01
mM bis 10 mM) bzw. Lösungsmittel
versetzt. 48 Stunden nach Beginn der Behandlung werden die lebenden
Oligodendrozyten gezählt.
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Zellzählung
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Gegenüber Gal-C
immunreaktive und verzweigte Fortsätze mit einer Länge von
mehr als dem Durchmesser von 2 Zellen aufweisende Zellen werden
insgesamt als unreife oder reife Oligodendrozyten erachtet. Die
Zahl der Gal-C-(+)-Oligodendrozyten
wird auf 2 separate Zählungen
der markierten Zellen in mindestens 12 Feldern mit einer Größe von 0,63
mm2 unter einem auf 400fache Vergrößerung eingestellten
Mikroskop verteilt. Die Werte werden als Zellzahl pro m2 oder
als Prozentanteil gegenüber
der Kontrolle angegeben.
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Die
statistischen Analysen werden mit dem Student-Test (t-Test) durchgeführt.
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Dabei
werden folgende Ergebnisse erhalten: Versuch
1: Wirkung von Kainat auf die Oligodendrozytenkulturen Einwirkung
von Kainatkonzentrationen von 0,1 bis 1 mM auf die Oligodendrozytenkulturen über einen
Zeitraum von 48 Stunden.
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Diese
Ergebnisse zeigen, daß Kainat
in Dosen von 0,1 bis 1 mM eine starke Induktion des Tods der Oligodendrozyten
durch Apoptose bewirkt. Versuch
2: Untersuchung der toxischen Wirkung von Riluzol alleine auf Oligodendrozytenkulturen
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Diese
Ergebnisse zeigen, daß Riluzol
in Dosen von 0,01 bis 10 mM keine toxische Wirkung auf das Überleben
der Oligodendrozyten hat und bei der Dosis von 10 mM eine schwache
toxische Wirkung beobachtet wird. Versuch
3: Schutzwirkung von Riluzol gegenüber dem Kainat-induzierten
Oligozyten-Tod Einwirkung
von Kainat in einer Dosis von 1 mM und Riluzol in Dosen von 0,01
bis 10 mM auf die Oligodendrozyten.
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Diese
Ergebnisse zeigen, daß Riluzol
eindeutig den Kainat-induzierten Oligodendrozyten-Tod durch Apoptose
verringert, und zwar auch bei der Dosis, bei der eine schwache toxische
Wirkung von Riluzol alleine beobachtet wurde, und daher bei der
Prophylaxe und Behandlung von Adrenoleukodystrophie verwendet werden
kann.
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Als
pharmazeutisch annehmbare Salze von Riluzol seien insbesondere Additionssalze
mit anorganischen Säuren,
wie Hydrochlorid, Sulfat, Nitrat und Phosphat, oder organischen
Säuren,
wie Acetat, Propionat, Succinat, Oxalat, Benzoat, Fumarat, Maleat,
Methansulfonat, Isethionat, Theophyllinacetat, Salicylat, Phenolphthalinat,
Methylen-bis-β-oxynaphthoat
oder substituierte Derivate dieser Derivate, genannt.
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Die
Arzneimittel bestehen aus mindestens Riluzol in freier Form oder
in Form eines Additionssalzes mit einer pharmazeutisch annehmbaren
Säure in
reinem Zustand oder in Form einer Zusammensetzung, in der es mit
einem beliebigen anderen pharmazeutisch verträglichen Produkt, das inert
oder physiologisch aktiv sein kann, kombiniert ist. Die erfindungsgemäßen Arzneimittel
können
auf oralem, parenteralem oder rektalem Wege verwendet werden.
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Als
feste Zusammensetzungen zur oralen Verabreichung können Tabletten,
Pillen, Pulver (Gelatinekapseln, Oblatenkapseln) oder Granulate
verwendet werden. In diesen Zusammensetzungen wird der erfindungsgemäße Wirkstoff
unter Argonstrom mit einem oder mehreren inerten Verdünnungsmitteln,
wie Stärke, Cellulose,
Saccharose, Lactose oder Siliciumdioxid, gemischt. Diese Zusammensetzungen
können
auch noch andere Sub stanzen enthalten, wie Verdünnungsmittel, beispielsweise
ein oder mehrere Gleitmittel, wie Magnesiumstearat oder Talk, ein
Farbmittel, einen Überzug
(Dragees) oder einen Lack.
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Als
flüssige
Zusammensetzungen zur oralen Verabreichung kann man pharmazeutisch
annehmbare Lösungen,
Suspensionen, Emulsionen, Sirupe und Elixiere verwenden, die inerte
Verdünnungsmittel,
wie Wasser, Ethanol, Glycerin, Pflanzenöle oder Paraffinöl, enthalten.
Diese Zusammensetzungen können
weitere Substanzen enthalten, wie Verdünnungsmittel, beispielsweise
benetzend, süßend, verdickend,
aromatisierend oder stabilisierend wirkende Produkte.
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Bei
den sterilen Zusammensetzungen zur parenteralen Verabreichung kann
es sich vorzugsweise um wäßrige oder
nichtwäßrige Lösungen,
Suspensionen oder Emulsionen handeln. Als Lösungsmittel oder Träger kann
man Wasser, Propylenglykol, Polyethylenglykol, Pflanzenöle, insbesondere
Olivenöl,
injizierbare organische Ester, zum Beispiel Ethyloleat, oder andere
zweckmäßige organische
Lösungsmittel
einsetzen. Diese Zusammensetzungen können außerdem auch noch Adjuvantien,
insbesondere Benetzungsmittel, Isotonisierungsmittel, Emulgatoren,
Dispergiermittel und Stabilisatoren, enthalten. Die Sterilisation
kann auf unterschiedliche Weise, beispielsweise durch aseptische
Filtration, durch Einarbeitung von Sterilisationsmitteln in die
Zusammensetzung, durch Bestrahlung oder Erhitzen, erfolgen. Sie
können
auch in Form von sterilen festen Zusammensetzungen hergestellt werden,
die zum Anwendungszeitpunkt in sterilem Wasser oder anderen injizierbaren
sterilen Medien gelöst
werden können.
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Bei
den Zusammensetzungen zur rektalen Verabreichung handelt es sich
um Suppositorien oder Rektalkapseln, die neben dem Wirkstoff Hilfsstoffe
enthalten, wie Kakaobutter, halbsynthetische Glyceride oder Polyethylenglykole.
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Die
Dosen hängen
von der erwünschten
Wirkung, der Behandlungsdauer und dem verwendeten Verabreichungsweg
ab; sie liegen bei oraler Verabreichung für einen Erwachsenen im allgemeinen
zwischen 50 und 400 mg pro Tag mit Dosierungseinheiten mit 25 bis
200 mg Wirkstoff.
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Im
allgemeinen wird die geeignete Dosierung je nach Alter, Gewicht
und allen anderen für
den zu behandelnden Patienten spezifischen Faktoren vom Arzt bestimmt.
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Die
folgenden Beispiele illustrieren erfindungsgemäße Arzneimittel.
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Beispiel A
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Nach
der üblichen
Technik werden Tabletten mit einer Wirkstoffdosis von 50 mg und
der folgenden Zusammensetzung hergestellt:
– Riluzol | 50
mg |
– Mannit | 64
mg |
– mikrokristalline
Cellulose | 50
mg |
– Polyvidon-Hilfsstoff | 12
mg |
– Natriumcarboxymethylstärke | 16
mg |
– Talk | 4
mg |
– Magnesiumstearat | 2
mg |
– wasserfreies
kolloidales Siliciumdioxid | 2
mg |
– Mischung
von Methylhydroxypropylcellulose, Polyethylenglykol 6000 und Titandioxid
(72-3, 5-24, 5) q.s. ad 1 Tablette mit einem Gewicht von 245 mg | |
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Beispiel B
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Nach
der üblichen
Technik werden Gelatinekapseln mit einer Wirkstoffdosis von 50 mg
und der folgenden Zusammensetzung hergestellt:
– Riluzol | 50
mg |
– Cellulose | 18
mg |
– Lactose | 55
mg |
– kolloidales
Siliciumdioxid | 1
mg |
– Natriumcarboxymethylstärke | 10
mg |
– Talk | 10
mg |
– Magnesiumstearat | 1
mg |
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Beispiel C
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Es
wird eine Injektionslösung
mit einer Wirkstoffdosis von 10 mg und der folgenden Zusammensetzung
hergestellt:
– Riluzol | 10
mg |
– Benzoesäure | 80
mg |
– Benzylalkohol | 0,06
cm3 |
– Natriumbenzoat | 80
mg |
– 95%iges
Ethanol | 0,4
cm3 |
– Natriumhydroxid | 24
mg |
– Propylenglykol | 1,6
cm3 |
– Wasser
q.s. ad | 4
cm3 |
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Die
Erfindung betrifft auch die Verwendung von Riluzol oder einem seiner
pharmazeutisch annehmbaren Salze zur Herstellung eines Arzneimittels
für die
Prophylaxe und die Behandlung der Adrenoleukodystrophie.
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Die
Erfindung betrifft auch das Verfahren zur Herstellung von Arzneimitteln,
die zur Verwendung bei der Prophylaxe und Behandlung der Adrenoleukodystrophie
geeignet sind, bei dem man Riluzol oder die pharmazeutisch annehmbaren
Salze dieser Verbindung mit einem oder mehreren pharmazeutisch annehmbaren und
verträglichen
Verdünnungsmitteln
und/oder Adjuvantien mischt.