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Verfahren zum Abschalten eines Hochtemperaturreaktors mit einer Schüttung
kugelförmiger Brennelemente Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Abschalten
eines Hochtemperaturreaktors mit einer Schüttung kugelförmiger Brennelemente, die
von einem Seitenreflektor umgeben ist, und mit zwei diversitAren Abschalteinrichtungen,
von denen die erste Einrichtung, die auch der betrieblichen Regelung des Reaktors
dient, aus von unten in Bohrungen des Seitenreflektors einfahrbaren Absorberstäben
(Reflektorstäben) besteht und die zweite Einrichtung rieselfähige Absorberelemente
umfaßt, die in den Seitenreflektor eingebracht werden können.
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Die Reaktivitätsausregelung und Abschaltung von Hochtemperaturreaktoren
mit kugelförmigen Brennelementen erfolgt in bekannter Weise mit Hilfe von Absorberstäben.
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Bei Hochtemperaturreaktoren mit größerer Leistung sind zwei diversitäre
Stabsysteme mit unterschiedlichen Aufgaben vorgesehen, von denen das eine aus unmittelbar
in die Brennelementschüttung einfahrbaren Absorberstäben (den Kernstäben) besteht
und das andere in Bohrungen des Seitenreflektors bewegbare Absorberstäbe
(die
Reflektorstäbe) umfaßt. Bei dem im Bau befindlichen THTR-300 MWe übernehmen die
von oben in die Bohrungen einfahrbaren Reflektorstäbe weitgehend die Aufgaben der
betrieblichen Regelung (Feinregelung, Schnellastregelung) sowie zusätzlich die Schnellabschaltung.
Sie bilden die erste Abschalteinrichtung des Reaktors, während die Kernstäbe für
die Langzeitabschaltung eingesetzt werden und somit die zweite Abschalteinrichtung
bilden. Ein Kernreaktor mit zwei derartigen Abschalteinrichtungen ist auch in der
DE-OS 24 51 748 beschrieben.
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Bei Rernreaktoranlagen mit einer Leistung von mehr als 1250 MWth reichen
die Reflektorstäbe nicht mehr dazu aus, die Aufgaben der ersten Abschalteinrichtung
zu erfüllen, so daß diese von den Kernstäben wahrzunehmen sind Als zweite diversitäre
Abschalteinrichtung werden in solchen Fällen kleine Absorberkugeln verwendet, die
in die Brennelementschüttung eingegeben werden. Der Einsatz derartiger Absorberkugeln
zur Beeinflussung der Reaktivität eines Kernreaktors mit einer Brennelementschdttung
ist aus der DE-PS 23 25 828 bekannt.
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Es ist auch bereits vorgeschlagen worden, das Einspeisen von kleinen
Absorberkugeln zum Zweck einer Notabschaltung vorzusehen. Der Einsatz von kleinen
Absorberkugeln direkt in der Brennelementschüttung ist jedoch mit dem Nachteil einer
längeren Reaktorstillstandszeit verbunden, da die eingegebenen Absorberkugeln erst
wieder aus dem Kern entfernt werden müssen. Zudem ergeben sich Schwierigkeiten bei
der Auslegung des Tragbodens für die Brennelementschdttung.
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Um das Einbringen von kleinen Absorberkugeln in den Reaktorkern zu
vermeiden, ist in der DE-OS 26 12 178 ein Verfahren zum Abschalten eines Kernreaktors
mit kugelförmigen Brennelementen beschrieben, bei dem als zweite Abschalteinrichtung,
also für
die Langzeitabschaltung, ebenfalls Kernstäbe vorgesehen
sind, aber die erste Abschalteinrichtung, die die Schnellabschaltung zu übernehmen
hat, von Absorberstäben gebildet wird, die im Deckenreflektor sowie in dem Raum
oberhalb der Brennelementschüttung hin und her bewegt werden. Reflektorstäbe sind
zwar auch vorhanden; sie dienen aber nur der betrieblichen Regelung.
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Sie sind fast immer in den Seitenreflektor eingefahren und haben die
zusätzliche Aufgabe, den Neutronenfluß im Seitenreflektor zu erniedrigen und damit
den Graphit vor einer zu hohen Neutronendosis zu schützen (das eben beschriebene
Abschaltverfahren ist nur anwendbar bei einem Kernreaktor, dessen kugelförmige Brennelemente
nach einmaligem Durchlaufen der Schüttung den gewünschten Endabbrand erreicht haben
und der daher im oberen Drittel des Kerns ein Maximum in der axialen Leistungsdichteverteilung
besitzt).
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Bei Hochtemperaturreaktoren mit kleinen Kernabmessungen ist es bekannt,
die Regelung und Abschaltung allein mit Reflektorstäben vorzunehmen. So ist bei
der AVR-Anlage der Seitenreflektor mit vi-er in den Kern hineinragenden Graphitnasen
ausgerüstet, die je eine Längsbohrung aufweisen. In jede der Graphitnasen wird zur
Schnellabschaltung sowie für An- und Abbfahrvorgänge von unten ein Absorberstab
eingefahren. Eine zweite Abschalteinrichtung ist nicht vorhanden.
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In der DE-OS 31 04 481 ist ein weiterer Hochtemperaturreaktor mit
kugelförmigen Brennelementen und nur einer Abschalteinrichtung beschrieben. Diese
Abschalteinrichtung'besteht aus in Vorratsbehältern gespeicherten rieselfähigen
Absorberelementen, beispielsweise kleinen Absorberkugeln, die bei Bedarf durch offnen
eines Stauverschlusses freigegeben werden und in im Seitenreflektor angelegte Kanäle
einfallen. Die Rückförderung der Absorberkugeln in den Vorratsbehälter erfolgt pneumatisch.
Die
üblicherweise der Abschaltung dienenden Reflektorstäbe sind
hier durch rieselfähiges Absorbermaterial ersetzt, um zu verhindern, daß bei geringen
Verbiegungen der Kanäle infolge des Versatzes einzelner Seitenreflektor-Graphitblöcke
die Abschalteinrichtung nicht sicher funktioniert.
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Stand der Technik ist es, auch bei einem Hochtemperaturreaktor mit
einer Leistung zwischen 50 und 100 MWe eine zweite, diversitäre Abschalteinrichtung
vorzusehen. So wird in der Patentanmeldung P 32'12 264.0 eine.Kernreaktoranlage
mit einem HT-Kleinreaktor beschrieben, dessen erste Abschalteinrichtung aus Reflektorstäben
besteht und dessen zweite Abschalteinrichtung kleine Absorberkugeln umfaßt, die
unter Einwirkung der Schwerkraft in die Kugelschüttung eingebracht werden können.
Bei diesem HT-Kleinreaktor treten die bereits erwähnten Nachteile auf, die mit dem
Einbringen von Absorberkugeln direkt in den Reaktor kern verbunden sind.
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Ausgangslage für die vorliegende Erfindung ist ein weiterer Rernreaktor
mit kugelförmigen Brennelementen und zwei diversitären Abschalteinrichtungen, der
in der DE-OS 30 47 959 beschrieben ist. Auch hier wird die erste Abschalteinrichtung
von in Bohrungen des Seitenref lektors verfahrbaren Absorberstäben gebildet, wobei
die Absorberstäbe von unten in den Seitenreflektor eingeführt werden. Die zweite
Abschalteinrichtung umfaßt das Einbringen von Borkugeln in oeffnungen, die zusätzlich
zu den Reflektorstabbohrungen in dem Seitenreflektor vorgesehen sind. Die öffnungen
sind von oben her zugänglich, und die Borkugeln können allein durch die Schwerkraft
eingebracht werden.
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Bei dem dargestellten Kernreaktor ist die Brennelementschüttung ringförmig
ausgebildet, d.h. die Brennelementkugeln sind in einem Ringraum aufgeschüttet, der
von einem Außen- und einem ebenfalls
ringförmigen Innenreflektor
begrenzt ist. Der Ringraum der Schüttung läßt sich so dimensionieren, daß eine Steuerung,
Regelung und Abschaltung des Kernreaktors allein durch Reflektorstäbe erfolgen kann,
die sowohl in den Außen- wie in den Innenreflektor eingefahren werden und dadurch
eine größere Wirksamkeit haben. Bei einem Reaktor mit Vollkern, d.h. mit einer Brennelementschüttung
herkömmlicher Art, unterliegt der Durchmesser der Schüttung jedoch einer starken
Beschränkung, wenn die Steuerung, Regelung und Abschaltung des Kernreaktors nur
mit Reflektorstäben vorgenommen werden und der Kernreaktor zudem mit einer zweiten,
diversitären Abschalteinrichtung ausgerostet sein soll.
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Von diesem Stand der Technik ausgehend, liegt der Erfindung die Aufgabe
zugrunde, für den eingangs beschriebenen Hochtemperaturreaktor mit zwei diversitaren
Abschalteinrichtungen aus Reflektorstäben und rieselförmigen Absorberelementen ein
Abschaltverfahren anzugeben, mit dem auch Reaktor-Vollkerne größerer Abmessungen
ohne das Einbringen von Absorbermaterial in Form von Stäben oder Kleinkugeln in
die Brennelementschüttung sicher abgeschaltet werden können.
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Gemäß der Erfindung wird die gestellte Aufgabe dadurch gelöst, daß
die rieselfähigen Absorberelemente der zweiten Abschalteinrichtung bei Versagen
einzelner oder aller Reflektorstäbe der ersten Abschalteinrichtung von oben in die
für die Reflektorstäbe vorgesehenen noch freien bzw. teilweise freien Bohrungen
des Seitenreflektors eingegeben werden.
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Aus konstruktiven Gründen kann der Seitenreflektor eines Hochtemperaturreaktors
nur mit einer begrenzten Anzahl von Bohrungen versehen sein. Ein Vollkern, dessen
Seitenreflektor eine hinreichende Anzahl von Bohrungen aufweist, um Absorberelemente
sowohl
einer ersten als auch einer zweiten Abschalteinrichtung aufzunehmen, läßt sich daher
nicht realisieren. Gemäß der Erfindung werden nun die für die erste Abschalteinrichtung
ohnehin vorhandenen Bohrungen auch für die zweite Abschalteinrichtung genutzt. Es
ist somit möglich, Hochtemperaturreaktoren mit größeren Kernabmessungen allein unter
Verwendung von im Seitenreflektor zum Einsatz kommenden Abschalteinrichtungen zu
bauen.
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Die Reflektorstäbe der ersten Abschalteinrichtung erfüllen alle Anforderungen
der betrieblichen Regelung, der Schnellabschaltung nach Störfällen sowie der langfristigen
Unterkritikavität im kalten Zustand, während die in die Reflektorstabbohrungen einzubringenden
rieselförmigen Absorberelemente als diversitäres System den Ausfall von Teilen oder
der gesamten ersten Abschalteinrichtung kompensieren. Es ist somit sichergestellt,
daß die vorhandenen Bohrungen im Seitenreflektor - falls erforderlich - immer mit
Absorbermaterial gefüllt werden können, und zwar entweder durch die Reflektorstäbe
der ersten Abschalteinrichtung oder aber durch die rieselfähigen Absorberelemente
der zweiten Abschalteinrichtung.
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Vorteilhafterweise werden die rieselfähigen Absorberelemente, wie
an sich bekannt, unter Einwirkung der Schwerkraft in die Reflektorstabbohrungen
eingebracht.
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Der Abzug der rieselfähigen Absorberelemente aus dem Seitenreflektor
erfolgt nach unten, wobei Absaug- oder Ablaßvorrichtungen verwendet werden können.
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In der Zeichnung ist ein Ausführungsbeispiel des Erfindungsgegenstandes
schematisch dargestellt. Die Figur zeigt im L§ngsschnitt einen Teil des Seitenreflektors
eines Hochtemperaturreaktors mit kugelförmigen Brennelementen.
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Um einen Reaktorkern 1 mit Brennstoffkugeln 2 ist ein aus Graphitblöcken
zusammengefügter Seitenreflektor 3 angeordnet, der eine Vielzahl von Bohrungen 4
aufweist. Unterhalb des Seitenreflektors 3 sind Absorberstäbe 5 angeordnet, die
in die Bohrungen 4 eingefahren und in ihnen verschoben werden können. Sie dienen
der Regelung und Abschaltung des Kernreaktors und bilden dessen erste Abschalteinrichtung.
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Oberhalb des Seitenreflektors 3 sind Behälter 6 angeordnet, die unten
mit einer Verschlußvorrichtung 7 versehen sind, welche durch Rohre 8 mit jeweils
einer oder mehreren der Bohrungen 4 verbunden sind. In dem Behälter 6 befinden sich
kleine Absorberkugeln 9, die die zweite, diversitäre Abschalteinrichtung des Hochtemperaturreaktors
bilden.
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Tritt beim Einfahren einiger oder aller Absorberstäbe 5 in die Bohrungen
4 eine Störung auf, d.h. erreichen die Absorberstäbe 5 nicht die für eine Schnellabschaltung
vorbestimmten Positionen, so werden ersatzweise von oben kleine Absorberkugeln 9
in die Bohrungen 4 eingegeben, so daß in jedem Fall das für eine Schnellabschaltung
erforderliche Absorbermaterial in den Bohrungen 4 vorhanden ist.
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Zur besseren Führung der Absorberkugeln 9 können die Bohrungen 4 mit
Buchsen 10 ausgekleidet sein. Am unteren Ende des Seitenreflektors 3 sind die Bohrungen
4 je mit einer Ablaßeinrichtung 11 für die kleinen Absorberkugeln 9 ausgerüstet,
an die sich je ein Abzugskanal 12 anschließt.