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Verfahren und Anordnung zur Feststellung und Meldung
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von Kühlungsstörungen in Reaktorkernen Die vorliegende Erfindung betrifft
ein Verfahren und eine Anordnung zur Feststellung und Meldung von Kühlungsstörungen
in Reaktorkernen, insbesondere von natriumgekühlten, schnellen Brutreaktoren. In
natriumgekühlten, schnellen Brutreaktoren sind verschiedene Kühlungsstörungen im
Reaktorkern denkbar, die zur Vermeidung von größeren Schäden möglichst schnell erkannt
werden sollen. Bei einer Kühlungsstörung, beispielsweise dem teilweisen oder ganzen
Verstopfen eines von flüssigem Natrium durchflossenen Kanals in einem Brennelement
oder dem Auftreten von grösseren Gasblasen in dem Kühlmittel, kann es zu einer Oberhitzung
des Brennstoffes und damit zu einer mehr oder weniger starken Beschädigung des betroffenen
Brennelementes kommen. Zur frühzeitigen Feststellung von solchen Kühlungsstörungen
wird bisher die Kühlmitteltemperatur am Brennelementausgang gemessen und mit einem
Sollwert verglichen. Überschreitet die Abweichung der Ausgangstemperatur vom Sollwert
eine bestimmte Größe, so wird eine Kühlungsstörung unterstellt und eine entsprechende
Fehlermeldung ausgegeben, bzw. gegebenenfalls ein Abschalten des Reaktors ausgelöst.
Das Hauptproblem bei diesem Verfahren sind die immer vorhandenen Schwankungen des
Kühlmittelaustrittstemperatur, das sogenannte Rauschen der Meßwertes, welches die
Empfindlichkeit dieses Verfahren einschränkt.
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Entweder muß nämlich die Ansprechschwelle sehr hoch gesetzt werden,
damit auch bei den statistisch auftretenden Spitzen im Rauschspektrum kein Fehlalarm
ausgelöst wird, oder man muß durch zeitliche Integration der Meßwerte eine
Glättung
vornehmen, was auf Grund der Zeitkonstanten zu verzögerten Fehlermeldungen und bei
transienten Vorgängen zu Verfälschungen führt.
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Hin verbessertes Verfahren zur Verringerung des Rauschens in dem Meßwert
der Kühlmittelausgangstemperatur wurde auf dem Specialists Meeting on Reactor Noise
(SMORN II) in Gatlinburg, Tennessee (USA), 1977 von M. Edelmann unter dem Thema
"Noise and DC Balanced Outlet Temperature Signals for Monitoring Coolant Flow in
LMFBR Fuel Elements" vorgeschlagen. Dabei wird versucht, die Schwankungen der Kühlmittelaustrittstemperatur
durch weitere Messungen und Korrekturen zu kompensieren, um die Empfindlichkeit
und Ansprechzeit des Kühlungs-Überwachungssystems zu verbessern. Das dort vorgeschlagene
Verfahren kompensiert tatsächlich schon einen erheblichen Teil der Schwankungen,
ist jedoch vornehmlich für stationären Betrieb geeignet, da einige Parameter als
konstant eingegeben werden. Ein Driften dieser Parameter führt u.U. zu Fehlmeldungen,
wenn die Ansprechschwelle für den Alarm nicht hinreichend hoch gewählt wird.
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Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es daher, eine empfindliche
Feststellung von Kühlungsstörungen in Reaktorkernen, insbesondere bei natriumgekühlten,
schnellen Brütern, zu ermöglichen, bei der Fehlmeldungen weitestgehend ausgeschlossen
sind, ohne daß die Empfindlichkeit der Überwachung beschränkt werden muß. Insbesondere
soll auch eine Kühlungsüberwachung bei transienten Vorgängen d.h. während normalen
Betriebs änderungen im Reaktorsystem, ohne Einschränkung des Frühwarrjpotentials
möglich sein, was bei den bisherigen Verfahren ausgeschlossen ist.
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Zur Lösung der geschilderten Aufgabe wird ein Verfahren gemäß dem
Hauptanspruch vorgeschlagen. Dazu wird nicht mehr nur die Kühlmittelausgangstemperatur
an jedem Brennelement überwacht, sondern die nicht direkt meßbare lokale Brennstoff-
bzw. Kühlmitteltemperatur aus leicht meßbaren Grös-
sen unter Verwendung
eines thermohydraulischen Modells abgeleitet. Diese lokale Brennstoff- bzw. Kühlmitteltemperatur
ist eine Größe, deren Wert nur mit einem sehr geringen Rauschen behaftet ist. Die
Probleme, die sich durch das Rauschen der Kühlmittelaustrittstemperatur ergaben,
stellen sich nach einer Bestimmung der lokalen Brennstofftemperatur nicht mehr.
Daher läßt sich eine Abweichung der lokalen Brennstoff- bzw. Kühlmitteltemperatur
vom Sollwert mit großer Genauigkeit feststellen, so daß eine Fehlermeldung für das
betreffende Brennelement ausgelöst werden kann. Da die lokale Brennstofftemperatur
nicht ohne weiteres direkt gemessen werden kann, war sie nach bisheriger Meinung
der Fachwelt als Indikator einer Kühlungsstörung nicht geeignet.
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Es wurde davon ausgegangen, daß eine Bestimmung der Brennstofftemperatur
mit einem hohen Instrumentierungsaufwand, für den in einem schnellen Brutreaktor
auch gar kein Platz wäre, erkauft werden müßte.
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Es hat sich aber gezeigt, daß eine Bestimmung der lokalen Brennstofftemperatur
aus anderen leicht meßbaren Größen mit Hilfe eines einfachen thermodynamischen Modells
möglich ist.
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Im zweiten Anspruch wird daher vorgeschlagen, die lokale Brennstoff-
bzw. Kühlmitteltemperatur durch Messung von Gesamtleistung, Primärdurchsatz an Kühlmittel,
Kühlmitteleintrittstemperatur und Kühlmittelaustrittstemperatur jedes Brennelementes,
wie sie in an sich bekannter Weise an Kernreaktoren ohnehin vorgenommen wird, zu
bestimmen. Diese Methode erfordert keine zusätzliche Instrumentierung am Kernreaktor
und liefert trotzdem genügend Meßwerte für alle freien Parameter des thermodynamischen
Modells. Mit Hilfe dieser Messungen lassen sich nun die Brennstofftemperatur im
Brennelement, die Kühlmitteltemperatur im Brennelement, der Leistungsanteil des
Brennelementes, der Durchsatzanteil des Brennelementes, die spezifische Wärme des
Kühlmittels im Brennelement, die Wärmekapazität des Brennstoffes und des Kühlmittels
im Brennelement und die integrale Wärme-
durchgangs zahl zwischen
Brennstoff und Kühlmittel bestimmen. Insbesondere die Brennstofftemperatur ist nun
geeignet für eine Oberwachung auf Kühlungsstörungen jedes einzelnen Brennelementes.
Die übrigen Größen dienen der Klassifizierung der über die Brennstofftemperatur
indizierten Anomalie, d.h. sie können Informationen über Ursache und Risiko einer
Anomalie geben.
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Im dritten und vierten Anspruch wird vorgeschlagen, die Brennstoff-
bzw. Kühlmitteltemperatur mittels eines rekursiven Parameter- und Zustands-Schätzverfahrens,
insbesondere unter Verwendung eines Kalman-Filters, aus den Meßwerten in Abhängigkeit
von der Zeit zu ermitteln. Dieses Verfahren, welches insbesondere unter Zuhilfenahme
eines Rechners mit großer Schnelligkeit ausgeführt werden kann, arbeitet auch bei
Zustandsänderungen des Reaktors einwandfrei und erheblich schneller als die bisherigen
Verfahren. Außerdem wird die Verfügbarkeit der Überwachung nicht durch semi--manuelles
Kalibrieren beeinträchtigt, was ein weiterer Vorteil gegenüber dem Stand der Technik
ist.
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Im Anspruch 5 wird eine Anordnung zur Durchführung des Verfahrens
vorgeschlagen. Dazu werden die Meßwertgeber für Gesamtleistung, Primärdurchsatz,
Kühlmitteleintrittstemperatury Kühlmittelaustrittstemperatur von jedem Brennelement
mit einer Auswerteelektronik verbunden, in der die lokalen Brennstoff- bzw. Kühlmitteltemperaturen
aus den Meßwerten nach einer Rekursionsformel abgeleitet werden. Die lokalen Brennstofftemperaturen
treten nun an die Stelle der bisher überwachten Kühlmittelaustrittstemperaturen.
Dabei ist deren Rauschen bedeutend geringer als das der bisher gemessenen Kühlmittelaustrittstemperatur.
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Bei natriumgekühlten schnellen Brutreaktoren stehen folgende Meßgrößen
durch ohnehin notwendige Messungen zur Verfügung;
P = Ges.lJntleistung
des Kerns TI = Temperatur des Kühlmittels am Kerneingang W = Gesamtdurchsatz des
Kühlmittels im Kühl bereich Weiterhin wird für jedes Brennelement die Kühlmittelaustrittstemperatur
gemessen: To = Kühlmittelaustrittstemperatur Mit Hilfe eines einfachen thermohydraulischen
Modells läßt sich ein Brennelement folgendermaßen beschreiben:
Wobei die Buchstaben folgende Bedeutung haben: Tf = mittlere Brennstofftemperatur
des Brennelementes Tc = mittlere Kühlmittel temperatur im Brennelement = =Anteil
der Brennelementleistung an der Gesamtleistung p p #w = =Anteil des Brennelementdurchsatzes
am Gesamtdurchw satz w k = Wärmedurchgangszahl zwischen Brennstoff und Kühlmittel
h = spezifische Wärme des Kühlmittels Cf = Wärmekapazität des Brennstoffes im Brennelement
Cc = Wärmekapazität des Kühlmittels im Brennelement Unter der Annahme eines linearen
axialen Temperaturprofils im Brennelement gilt der Zusammenhang: T 2 (To + TI) oderTo
2TC C T 2 (T0 + T1) oder T = 2T - T
Bei einer Linearisierung um
den Arbeitspunkt, der dabei zeitabhängig ist, und einer Diskretisierung des linearen
Modells lassen sich die Gleichungen Cl) und (2) in ein System von linearen Differenzengleichungen
zusammenfassen: V t1 Xk+1 = + Xk + I (3) Yk = H Xk + D uk (4) wobei + ,r H und D
Parametermatrizen sind und
den Zustandsvektor des Brennelementes zum Zeitpunkt tk bedeutet.
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ist die Meßgröße und ist der Vektor der ebenfalls gemessenen Eingangs-(Stör-)Größen.
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Das Gleichungssystem (3), (4) beschreibt die Wirkung der Störungen
uk auf das Core-Verhalten zu den jeweils diskret gewählten Meßzeitpunkten tk in
der Umgebung des Arbeitspunktes.
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Das hier behandelte Probelm besteht nun unter anderem darin, den nicht
direkt meßbaren Zustandsvektor Xk aus den Meßwerten Yk und uk zu bestimmen. Dies
läßt sich in besonders geeigneter Weise durch ein Zustandsschätzverfahren, ein sogenanntes
Kalman-Filter bewerkstelligen. Die zugehörige Theorie ist z. B. beschrieben in dem
Buch: K.W. Schrick, "Anwendungen der Kalman-Filter-Technik",
Ol.lenbolllg
Verlag München Wicn 1977.
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Der Schätzwert Xk des Zusttindsvektors Xk ist dabei gegeben durch
die Rekursionsformel:
Je ungenauer anfangs der Schätzwert Xk ist, desto größer wird die Differenz sein
zwischen Meßwert Yk und dem Rechenwert
Das Kalman-Filter benutzt die mit dem Faktor Kk gewichtete Differenz Kk (Yk Gk)
zur Korrektur des Schätzwertes nach Maßgabe von Gleichung (5). In der Literatur
ist bewiesen, daß sich Xk mit zunehmender Zahl von Messungen, d. h. mit wachsendem
Index k dem tatsächlichen Wert X nähert.
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Für die hier dargelegte Erfindung ist dabei aber entscheidend, daß
die nach diesem Verfahren geschätzte, nicht direkt meßbare, Brennstofftemperatur
außerordentlich rauscharm ist. Der Grund ist einerseits die große Wärmekapazität
Cf des Brennstoffes, welche sozusagen die Wirkung eines "Tiefpaßfilters" auf das
Rauschen der verschiedenen Parameter hat, und andererseits die Tatsache, daß der
Schätzwert erheblich rauschärmer ist, als der tatsächliche Wert der Brennstofftemperatur
Tf. (Daher auch die Bezeichnung Kalman-Filter).
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in Blockschaltbild für die Auswertg nach (5) unter Einbeziehung dieses
Filters ist in der Zeichnung dargestellt: Die zum Zeitpunkt tk gemessenen Größen
Yk und uk werden
damit Hilfe dieser Schaltung so verarbeitet, daß
der nicht meßbare (:ore-Zustand Xk bzw. Y, k+ 1 .m Ausgang anfäl jt. Die Schaltung
bildet genau die Itekursionsformel (5) nach. Die am Ausgang anliegende Schätzgröße
Xk wird mit # multipliziert und zu einem Addierergeführt. Zu diesem Addierer gelangt
ebenfalls die am Eingang anliegende Meßgröße uk multipliziert mit dem Faktor. An
dem Addierer liegt außerdem noch die gewichtete Differenz Kk (Yk - H Xk - Duk) an,
welche in einem vorgeschalteten Addierern aus Duk, Yk und -HXkgebildet und mit Kk
multipliziert wird.
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Das Ergebnis der Schaltung ist der Schätzwert Xk+1 , der nach der
Zeit at über eine Verzögerungsschaltung an die Stelle von Xk tritt, wenn im nächsten
Schritt Xk+2 geschätzt wird. Die kontinuierlich gemessenen Größen uk und Yk werden
von der Schaltung über einen Zeittaktgeber in Zeitabständen #t abgefragt und verarbeitet
(Diskretisierung). Bei dem Blockschaltbild ist zu beachten, daß die einzelnen Größen
Vektoren bzw. Matrizen sind, so daß eine Scnaltung mit Aufschlusselung nach einzelnen
Komponenten die einzelnen Bauteile mehrfach enthalten würde, was zur besseren Übersicht
und Schematisierung hier vermieden wurde.
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Der sehr raucharme Schätzwert der Brennstofftemperatur Tf des jeweiligen
Brennelernentes wird nun überwacht, und eine Abweichung vom Sollwert löst eine Fehlermeldung
aus.
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Entscheidend dabei ist auch, daß dieses Oberwachungsverfahren auch
bei transienten Vorgängen (z.B. Lastmanövern) verfügbar ist, da alle relevanten
Parameter aus den Messungen laufend neu bestimmt werden (automatische Kalibrierung).
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Dazu werden die zum Zeitpunkt tk gemessenen Größen Yk und Uk mit Hilfe
einer zweiten Schaltung so verarbeitet, daß die Schätzwerte und P am Ausgang anfallen
und bei Bedarf
in das Calulan-lxilter eingeführt werden können.
Dabei ist wesentlich, daß die Genauigkeit der Core-Parameter-Schätzung nicht von
den Schätzfehlern in den Brennstoff-und Kühlmitteltemperaturen ablängt. (Es ist
keine Rückkopplung vom Kalman-Filter an die 1>arameter-Schätzanordnung erforderlich.)
Es ist von der Literatur bekannt (z.B. E.V. Bohn, M.K. De Beer, "Consistant Parameter
Estimation in Multi-input Multi-output Discrete Systems", Automatica, Vol. 13, pp
301-305, 1977), daß der Zustand x in den Gleichungen f3),(4) analytisch eliminiert
und daß dadurch ein algebraischer Zusammenhang zwischen den Elementen der Systemmatrizen
/, r und den Meßwerten Y, u hergestellt werden kann. Die resultierenden Gleichungen
haben standard lineares Regrcssionsformat.
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Die unbekannten Parameter können deshalb mit Hilfe der Methode der
kleinsten Quadrate rekursiv bestimmt werden.
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Die Anordnung ist der Struktur nach identisch mit dem in der Zeichnung
dargestellten Kalman-Filter. An die Stelle des Zustandsvektors x tritt der aus den
Elementen von und P gebildete Parametervektor Jy Somit ist durch diese Verkopplung
zwischen Core-Parameter und Core-Zustands-Schätzanordnung die Verfügbarkeit der
Brennelement-Überwachung stark erhöht, während die Fehlalarme trotz Steigerung der
Empfindlichkeit erheblich reduziert werden.
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