-
Bindemittelkomponente für PU-Bindemittel, Herstellungs -verfahren
und Verwendung Es ist bekannt, zum Binden pulver-, faser-, span- oder granulatformiger
Stoffe nach Preß- bzw. Heißpreßverfahren Bindemittel wie Harnstoff-Formaldehyd,
Phenol-Formaldehyd oder Melaminharze zu verwenden. Auch wurde schon vorgeschlagen,
Epoxidharze und Polyol-Polyisocyanatsysteme zu verwenden. Die Verwendung von PU-Systemen
(Polyurethan-Systemen) als Bindemittel war bisher in vielen Fellen unwirtschaftlich,
weil große Mengen Polyol und Isocyanat benötigt wurden, um solche Festigkeiten der
damit gebundenen Materialien zu erreichen, wie mit anderen Bindemitteln.
-
PU-Systeme haben jedoch ganz spezielle Vorteile, da die Isocyanatkomponente
durch ihre hohe Reaktionsfähigkeit mit aktiven Gruppen an vielen Oberflächen chemische
Bindungen 495,1 -xl 886-BoF
eingeht und dadurch hervorragende Klebefugen
schafft.
-
PU-Systeme lassen sich daher bekanntlich zum Verbinden der verschiedensten
Materialien verwenden. Außer dem relativ hohen Preis standen aber bisher noch zwei
rein technische Hindernisse einer breiteren Verwendung von PU-Systemen als Bindemittel
entgegen.
-
Es ist Stand der Technik,daß z. B. bei der Spanplattenfertigung der
eingesetzte Leim(meistens ein Harnstoff-Formaldehyd- oder Phenolharz) optimal fein
verdUst werden muß, um hohe Festigkeiten zu erreichen. Es ist aus der Fachliteratur
bekannt, daß die Festigkeit von Spanplatten eine Funktion der Tröpfohengröße des
zugedüsten Leimes ist ("Technologie der Spanplatte", Deppe & Ernst, Holz-Zentralblatt
Verlags GmbH, Stuttgart, Seite 128). Das deutlich erkennbare Maximum liegt laut
dieser Darstellung bei einer TröpRchengröße von 10 /um und darunter. Die Tröpfchengröße
ist einer experimentellen UberprUfung leicht zugänglich, da die Tröpfchen auf Glasplatten
aufgefangen und unter dem Mikroskop vermessen werden können. In der technischen
Praxis werden jedoch Tröpfchengrößen von unter 100 /um nur selten erreicht.
-
Beim Einsatz von höhermolekularen Polyhydroxylverbindungen ergibt
sich, daß diese Verbindungen aufgrund der vielen Wasserstoffbrückenbindungen dickflüssig,
ja sogar zähflüssig sind und sich auch durch Temperaturerhöhung nur unwesentlich
dünnflüssiger machen lassen. Es ist also nicht möglich, diese höherviskosen Flüssigkeiten
direkt fein genug zu verdüsen. Dies ist jedoch eine unabdingbare Notwendigkeit für
einen wirtschaftlich sinnvollen Einsatz. An sich im Einzelfall verwendbare organische
Lösungsmittel, wie Aceton, sind aus Gründen des Brandschutzes, der Kosten
und
des Umweltschutzes für die technische Praxis nicht sinnvoll.
-
Ein weiterer Punkt ist die bekannte Tatsache, daß man die Eigenschaften
von durchgehärteten Zweikomponentensystemen durch sachkundige Auswahl der einzelnen
Komponenten in einem weiten Bereich variieren kann. Es ist dazu notwendig etwa bei
PU-Systemen die Isocyanatkomponente aus mehreren verschiedenen Isocyanaten zu mischen
oder auch für die Polyolkomponente nicht ein einheitliches Polyol, sondern eine
Mischung aus mehreren Polyolen zu verwenden. Je nach Kettenlänge und/oder Verzweigungen
der einzelnen Polyole lassen sich bekanntlich die mechanischen Eigenschaften des
ausgehärteten und durchreagierten Systems in weiten Bereichen einstellen.
-
Diese an sich bekannte und viel benutzte Variationsmöglichkeit stößt
aber auf dem PU-Gebiet auf die Schwierigkeit, daß sich nur wenige Polyole untereinander
mischen lassen. In dem Kunststoffhandbuch "BAYER Kunststoffe", 5. Ausgabe, Leverkusen
1963, Seite 60, ist diese Tatsache in einem besonderen Absatz hervorgehoben.
-
Es wurde nun gefunden, daß sich die beiden oben skizzierten grundsätzlichen
Schwierigkeiten, die einer Verwendung von PU-Systemen als Bindemittel für pulver-,
faser-, span-oder granulatförmige Stoffe bisher zum Teil entgegenstanden, dadurch
überraschenderweise vermieden werden können, daß man die Polyolkomponente kolloidal
in einem flüssigen Medium löst, z. B. in Wasser oder einem chlorierten Kohlenwasserstoff.
-
Entgegen der Erwartung des Fachmannes wurde gefunden, daß ein Wasseranteil
in der Polyolkomponente die Reaktion des Polyols mit dem Isocyanat nicht stört.
Ferner ist bekannt, daß z. B. Holzspäne oder Holzstaub eine sehr eng tolerierte
Feuchtigkeit besitzen sollen, um zu qualitativ befriedigenden Teilen verpreßt werden
zu können.
-
Das erfindungsgemäße System, dessen Wassergehalt sich Jedoch in einem
weiten Bereich mühelos verändern läßt, gestattet es nun, durch eben diesen einstellbaren
Wassergehalt die Gesamtfeuchtigkeit im beleimten Preßgut genau einzuhalten. Die
Messung der Feuchte im Preßgut vor der Beleimung ist etwa über ein Dekameter (eine
Messung der Dielektrizitätskonstante des Materials) schnell und einfach möglich.
-
Im Zuge von Versuchen, deren Ziel es war, die Bindemittelmengen herabzusetzen
und die Wasserempfindlichkeit von PU-Bindemitteln kennenzulernen, wurde gefunden,
daß sioh Polyole in Wasser kolloidal lösen lassen. Diese Lösung ist leicht opalisierend,
zeigt den Tyndalleffekt und hat besonders bei höherem Wasseranteil eine sehr niedrige
Viskosität. Sie besteht zu etwa 5 bis 45 %, insbesondere 10 bis 30 % aus Polyol
und zu etwa 0,02 bis 2,5 % aus Netzmittel, wobei der Rest Wasser ist. Diese kolloidale
Lösung des an sich wasserunlöslichen Polyols läßt sich nun durch die niedrige Viskosität
sehr einfach verdüsen und z. B. mit pulver-, faser-, span- oder granulatförmigem
Mahlgut gleichmäßig vermischen. Die passende Menge an Polyisocyanat kann der kolloidalen
Polyollösung vor, während oder vorzugsweise nach dem Vermischen mit zu verbindendem
Mahlgut zugegeben werden, z. B. ebenfalls durch Verdüsen. Danach kann in an sich
bekannter Weise unter
erhöhter Temperatur und Druck zu beliebigen
Formteilen verpreßt werden.
-
Die vorstehenden Ausführungen gelten sinngemäß auch für andere flüssige
Medien als Wasser, z. B. chlorierte Kohlenwasserstoffe.
-
Beim Heißpreseen können keine brennbaren Dämpfe entstehen, weil kerien
8Sti smittel verwendet werden. Der Wassergehalt des Bindemittels schließt Staubexplosionen
weitgehend aus. Das mit der Polyollösung behandelte staub-, faser-, span- oder granulatförmige
Gut ist längere Zeit lagerbeständig.
-
Es hat sich sogar als günstig erwiesen, die wässerige Polyollösung
einige Zeit auf das zu bindende Material einwirken zu lassen, weil dabei der Wasseranteil
der Lösung in die Staub-, Faser-, Span- bzw. Granulatteilchen diffundiert. Das führt
dazu, daß an der Oberfläche dieser Teilchen das höhermolekulare Polyol praktisch
wasserfrei zurückbleibt und mit dem hinzukommenden Polyisocyanat reagieren kann.
-
Die an Preßteilen ermittelten Werte, etwa der Biegefestigkeit, beweisen
die Wirksamkeit des erfindungsgemäßen Bindemittelsystems. Trotz der bekannten Streuung
der Meßwerte von Biegebruchversuchen läßt eine statistische Untersuchung durch ein
Bestimmtheitsmaß von r2 = 0.91 den Schluß zu, daß die Funktion Bindemittelanteil
gegen Biegebruchlast einer logarithmischen Beziehung folgt(Bruchlast = a + b in
Bindemittelgehalt (%)). Die Konstante a hat etwa den Wert von ca. 2 bis 25 unSdie
Konstante b erreicht etwa
ca. 8 bis 25. (Biegebruch nach DIN 52
352, Proben 50 mm breit und 10 mm dick) Die im Bereich von -2 bis 10 Gew.% PU-Anteil
gemessenen Festigkeiten zeigen, daß bereits bei einem PU-Anteil von ca. 5 % die
für Qualitätsspanplatten notwendigen Biegefestigkeiten erreicht werden können.
-
Die technologischen Eigenschaften der kolloidalen Lösung des Polyols
gestatten es, eine überraschend große Gruppe der verschiedensten Materialien, solange
sie pulver-, faser-, span- oder granulatförmig sind, unter-und miteinander zu binden.
Hierbei können die Netzmittel und Schutzkolloide ebenfalls eine, allerdings bisher
noch nicht näher untersuchte Funktion haben.Es gelingt z. B. den in der Spanplattenindustrie
als Abfallstoff anfallenden feinkörnigen Schleifstaub homogen zu hochwertigen Platten
zu verpressen. Auch landwirtschaftliche Abfallprodukte, z. B. zerkleinertes Stroh,
Preßrückstände bei Olivenölgewinnung, sogar mit einem bestimmten Restfettanteil,
Kakaobohnenschalen, Reiskleie, Holzrindenabfälle, lassen sich ohne Schwierigkeiten
verbinden und z. B. durch Heißpressen nach an sich bekannten Technologien zu den
verschiedensten Gegenständen, wie Platten, Profilen -oder Formteilen, flach-, strang-
oder formpressen. Auch anorganische Materialien, z. B. Ziegelstaub oder Schlackenstaub,
lassen sich gut verbinden, wobei anzunehmen ist, daß in diesem Fall die Isocyanatkomponente
auch mit den Oxtd- bzw.
-
Hydroxyschichten der Oberfläche der anorganischen Teilchen reagiert.
-
Als Polyol kommen die große Zahl der in der PU-Chemie für Klebestoffe
eingesetzten Polyole in Frage, z. B. lineare
oder verzweigte hydroxylgruppenhaltige
Polyester oder auch lineare oder verzweigte hydroxylgruppenhaltige Polyäther. Besonders
vorteilhaft sind Polyäther mit einem Anteil an endständigen, also primären OH-Gruppen,
da diese primären OiI-Gruppen mit Isocyanat schneller reagieren als Wasser.
-
Als ein konkrettes Beispiel eines linearen Polyesters sei Desmophen
2100 (Bayer, aus Adipinsäure und Diäthylenglykol), als Beispiel eines schwach verzweigten
Polyesters sei Desmophen 2300 (Bayer, aus Adiptinsäure, Diäthylenglykol und Triol)
und als Beispiel eines verzweigten Polyesters sei Desmophen 2400 (Bayer, aus Adipinsäure,
PhWlsäure, Butylenglykol und Triol) zitiert.
-
Ein konkretes Beispiel für einen linearen Polyäther stellt Desmophen
3200 dar (Bayer, aus Propylenglykol und Propylenoxid), ein verzweigter Polyäther
ist z. B.
-
Desmophen 3300 (Bayer, aus Trimethylolpropan und Propylenoxid) oder
Desmophen 3200 (Bayer, aus Amin und Propylenoxid). Beispiele für Polyäther mit primären
OH-Gruppen, die entstehen, wenn gegen Ende der Polymerisationsreaktion anstelle
des Propylenoxids mit Athylenoxid zur Reaktion gebracht wird, sind Desmophen 7100
(Bayer) oder Voranol C.P 4711 (not).
-
Als Beispiel eines Polyäthers, der sich gut dazu eignet, gezielt
die Vernetzungsdichte zu erhöhen, sei Voran61 RA 800 genannt (Dow, ein mit Amin
gestartetes Polyol).
-
Als Isocyanatkomponente eignen sich aliphatische oder aromatische
Di- bzw. Polyisocyanate, wobei wie bei den
Polyolen die Liste nicht
vollständig sein kann; Beispiele sind Hexamethylen-1,6-diisocyanat (Desmodur H,
Bayer), Toluylen-2,4-bzw.-2,6-diisocyanat (Desmodur T, Bayer), Naphthaein-l ,5-diisocyanat
(Desmodur 15, Bayer), Diphenyl-}aethan-4,4-diisocyanat (Desmodur 44, Bayer) oder
etwa Triphenylmethan-4,4',4"-triisocyanat (Desmodur R, Bayer).
-
Als Isocyanatkomponente haben sich insbesondere folgende Di- bzw.
Polyisocyanate. bewährt, wobei wie bei den Polyolen die Aufzählung nicht vollständig
ist: Hexamethylen-1,6-diisocyanat, Toluylen-2,4- und Toluylen-2,6-diisocyanat, Naphthalin-1
,4-diisocyanat und Triphenylmethan-4,4',4"-trtisocyanat, Auch die Liste der verwendbaren
Netzmittel, die zur Herstellung einer kolloidalen Lösung geeignet sind, ist überaus
groß. Sie enthält außer ionischen und nichtiDnischen Netzmitteln bzw. Schutzkolloiden
auch Substanzen, wie Lingningsulfat, Dextrin und Methylcellulose. Allesamt sind
sie bekannte Dispergierhilfen bzw. Stabilisatoren.
-
Im folgenden wird die Herstellung der kolloidalen Lösung des Polyols
an einem Beispiel beschrieben, Beispiel 200 g Desmophen 1100 (BAYER, ein verzweigter
hydroxylgruppenhaltiger Polyester aus Adipinsäure und TriolButylenglykol 1:1) wird
mit 6 g Lithiumstearylsulfonat unter kräftigem Dispergieren der beiden Flüssigkeiten
mit einem Ultraturrax vermischt. Dieser Mischung werden wieder unter
kräftigem
Dispergieren ( je nach dem Feuchtigkeitsgehalt des zu beleimenden Materials) zwischen
500 und 1000 g Wasser langsam beigefügt. Es resultiert eine dünnflüssige kolloidale
Lösung, die sich leicht verdüsen und mit pulver-, faser-, span- oder granulatförmigem,
zu verpressendem Material homogen vermischen läßt. Diese kolloidale Lösung stellt
ein Beispiel der erfindungsgemä.ßen Polyolkomponente dar, während es im Hinblick
auf die technischen Eigenschaften der Preßteile sinnvoll sein kann, Mischungen mehrerer
kolloidal gelöster Polyole zu verwenden, die sich irn Reinzustand nicht mischen
lassen.