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Die vorliegende Erfindung betrifft eine pharmazeutische Zubereitung, umfassend eine wässrige Zusammensetzung, die Gelatine und/oder ein physiologisch akzeptables Gelatinederivat umfasst. Die pharmazeutische Zubereitung eignet sich zur Prophylaxe und Therapie der Hypovolämie. Darüber hinaus betrifft die vorliegende Erfindung Verwendungen der pharmazeutischen Zubereitung als Volumenersatzmittel sowie als erythrozytenprotektive Waschlösung.
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Ein Kreislaufversagen gehört zu den am häufigsten zu beobachtenden klinischen Schockzuständen. Es ist durch ein vermindertes zirkulierendes Blutvolumen (Hypovolämie) gekennzeichnet, dem absolute Verluste von Blut, Plasma oder extrazellulären Flüssigkeiten auf der einen oder relative Defizite (Verteilungsstörungen) auf der anderen Seite zugrunde liegen können. Die Verluste von Blut bzw. Plasma haben entweder traumatische Ursachen (hämorrhagisches Trauma) oder sind durch verstärkte Blutverluste als Folge chirurgischer Maßnahmen bedingt. Primär extravaskuläre Flüssigkeitsdefizite, die sich bei entsprechendem Ausmaß ebenfalls auf das zirkulierende Blutvolumen auswirken, entstehen durch verminderte Flüssigkeitsaufnahme oder abnorme Flüssigkeitsverluste (z. B. durch übermäßiges Schwitzen, Erbrechen, gastrointestinale Verluste). Vasoaktive Substanzen sowie vielfältige Interaktionen zwischen Mediatoren und Hormonen, die ebenfalls durch traumatische Ereignisse oder schwere Erkrankungen bedingt sein können, führen durch Vasodilation zu relativen Volumenmangelzuständen bzw. Verteilungsstörungen; außerdem tragen sie zusätzlich zur Aufrechterhaltung eines eventuell bereits bestehenden Schockzustands bei. Schließlich können sich Volumendefizite aus generalisierten Funktionsstörungen des Gefäßendothels entwickeln, die eine Extravasation, d. h. den Übertritt von Plasmaflüssigkeit über die Endothelbarriere in die umliegenden Gewebe bewirken, so z. B. bei entzündlichen Erkrankungen wie der Sepsis.
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Je nach dem Ausmaß des Volumenmangels und dem Einfluss der Mediatoren ist die Herzfunktion herabgesetzt. Wenn die Hypovolämie länger anhält, reichen die kompensatorischen Fähigkeiten des Myokards, die z. B. in einer Steigerung der Kontraktilität und Herzfrequenz bestehen, nicht mehr aus, so dass das Kreislaufversagen einen progredienten Verlauf nimmt.
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Eine Hypovolämie bzw. ein Versagen des großen Kreislaufs, d. h. der Makrozirkulation, haben u. a. zur Folge, dass auch die Mikrozirkulation, d. h. die Perfusion der Gewebe und Organe, in Mitleidenschaft gezogen wird; die daraus resultierende, als Ischämie bezeichnete Blutleere einzelner oder mehrerer Organe führt zur Unterversorgung der betreffenden Gewebe mit Sauerstoff und zur Einschränkung des zellulären Stoffwechsels. Bei entsprechender Dauer der Unterversorgung kommt es durch das Absterben von Zellen zur Schädigung des Organs und zum zunächst reversiblen, schließlich irreversiblen Organversagen.
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Noch vor allen medikamentösen und sonstigen Maßnahmen ist die Wiederherstellung des zirkulierenden Blutvolumens oberstes therapeutisches Ziel bei allen Formen des hypovolämischen Kreislaufversagens bzw. Schocks. Dies geschieht durch Infusion von kristalloiden oder kolloidalen Volumenersatzlösungen bzw. – bei umfangreichen Blutverlusten und entsprechend verminderter Sauerstofftransportkapazität – durch Transfusion von Blut bzw. Blutbestandteilen. Die Volumensubstitution und die mit ihr einhergehende Auffüllung des Kreislaufs erhöhen den venösen Rückstrom des Bluts zum Herzen hin und verbessern die Herzauswurfleistung; durch die zunehmende Perfusion der Gewebe wird deren während der Ischämie eingetretene Minderversorgung mit Sauerstoff wieder aufgehoben und der Stoffwechsel wieder inganggesetzt.
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Grundsätzlich sind kristalloide (isotone Elektrolytlösungen) und kolloidale Volumenersatzlösungen (Lösungen, die in einem elektrolythaltigen Medium zusätzlich einen hochmolekularen Bestandteil, ein sog. Hydrokolloid, enthalten) gleich gut geeignet, wenn es darum geht, eine akute Hypovolämie und die mit ihr verbundene Makrozirkulationsstörung zu beseitigen. Als Hydrokolloide finden zum einen entweder körpereigene Proteine Verwendung wie Humanalbumin oder chemisch veränderte eiweißartige Stoffe wie bestimmte Modifikationen der Gelatine, die ihrerseits kollagenem Material entstammt. Zum anderen kann es sich bei den in den Volumenersatzlösungen enthaltenen Kolloiden um Polysaccharide (Dextrane) bzw. um wiederum chemisch veränderte Derivate von Polysacchariden handeln, wie es bei der Hydroxyethylstärke (HES) der Fall ist. Diese hochmolekularen Komponenten der kolloidalen Volumenersatzlösungen sorgen im Unterschied zu den kristalloiden Lösungen für eine ausgeprägtere und anhaltendere Bindung von Flüssigkeit im Kreislauf, also für einen stärkeren und länger dauernden Volumen- bzw. Füllungseffekt. Der Grund hierfür ist hauptsächlich in der Molekülgröße der Hydrokolloide zu sehen, deren Effekt durch elektrische Ladungsträger und/oder das Vorhandensein großer Hydrathüllen am Hydrokolloid noch verstärkt wird. Dadurch beschränkt sich die Verteilung kolloidaler Volumenersatzlösungen zunächst nur auf den Kreislauf, d. h. den intravasalen Raum, während die Bestandteile der kristalloiden Lösungen die Gefäßbarriere frei permeieren können, so dass sie sich a priori im gesamten extrazellulären Raum verteilen, der etwa viermal so groß ist wie der intravasale Raum. Kristalloide Volumenersatzlösungen müssen daher auch in ungefähr viermal so hoher Menge wie kolloidale Lösungen angewendet werden, um die gleiche Kreislauffüllung zu erreichen, die überdies weniger lange anhält bzw. häufigere Nachinfusionen erforderlich macht als mit kolloidalen Lösungen. Wegen des gleichzeitigen Flüssigkeitseinstroms in den extrazellulären Raums – bei Infusion kristalloider Lösungen – besteht die Gefahr, dass sich dort Flüssigkeitsansammlungen (Ödeme) ausbilden; und wenn die Fähigkeit, Salz und Flüssigkeit wieder auszuscheiden, herabgesetzt ist, wie es nach Traumen ond Operationen oder bei schweren Erkrankungen häufig der Fall sein kann, ist die Anwendung von kristalloiden Lösungen mit dem Risiko der Flüssigkeitsüberladung verbunden. Aus diesen Gründen werden zum Zweck des intravasalen Volumenersatzes kolloidale Lösungen gegenüber kristalloiden in aller Regel bevorzugt.
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Aus der Gruppe der kolloidalen Volumenersatzlösungen haben sich die aus künstlichen Kolloiden, namentlich Hydroxyethylstärke und Gelatine, bestehenden Lösungen gegenüber denjenigen mit natürlichen Kolloiden (Albumin) in der derzeitigen klinischen Praxis weitgehend durchgesetzt. Dies, weil ihr Einsatz wesentlich kostengünstiger ist als die Verwendung von Albuminlösungen, ohne dass in Bezug auf jene Nachteile vorlägen, was die unmittelbare Wirksamkeit bei der hämodynamischen Stabilisierung und den Ausgang der Schockbehandlung im allgemeinen angeht. Lediglich Dextranlösungen sind in den letzten Jahren wegen der ihnen eigenen meist unerwünschten Beeinflussung der Blutgerinnung und der Umständlichkeit der erforderlichen Prophylaxe eines anaphylaktischen Schocks in den Hintergrund getreten bzw. aus der klinischen Praxis so gut wie verschwunden.
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Während infundierte Hydroxyethylstärke im Körper komplizierten Ab- und Umbauvorgängen unterliegt, die auch komplikationsträchtige Speicherphänomene mit einschließen, können Gelatine und Gelatinederivate im menschlichen Organismus durch dort vorhandene Enzymsysteme (hauptsächlich Proteasen) zu kleineren Bruchstücken abgebaut und schließlich renal eliminiert werden, sobald die Größe der Bruchstücke die Nierenschwelle unterschritten hat. Innerhalb der ersten 24 Stunden beträgt die Wiederfindungsrate im Urin ca. 60% einer verabreichten Dosis; im Laufe einer Woche steigt sie auf über 95% an. Damit sind die Metabolisierungs- und Eliminationsraten der Gelatine denen anderer künstlicher Kolloide, die als Volumenersatzmittel Verwendung finden (z. B. Hydroxyethylstärke), überlegen. Nach derzeitigem Wissen werden Gelatine und die Gelatinederivate im Organismus bzw. dafür prädestinierten Organen nicht gespeichert, so dass von dieser Seite keine Organkomplikationen zu erwarten sind. Vorteilhaft ist auch die im Vergleich mit anderen künstlichen Kolloiden geringere bzw. völlig fehlende Beeinflussung der Blutgerinnung, die es erlaubt Gelatine bzw. Gelatinederivate in höheren Dosierungen intravenös zu infundieren, als dies bei anderen künstlichen Kolloiden bzw. den daraus hergestellten Volumenersatzmitteln der Fall ist.
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In der Medizin und in der pharmazeutischen Industrie findet Gelatine bzw. ihre Derivate üblicherweise dem Fachmann wohlbekannte Anwendung in der Herstellung von Hart- und Weichkapseln und darüber hinaus in Infusionslösungen zur Behandlung des Volumenmangelschocks. Z. B. stehen als Volumenersatzmittel folgende Gelatinepräparate mit Gelatine bzw. einem Gelatinederivat mit einem mittleren Molekulargewicht von 20.000 bis 35.000 zur Verfügung: für Oxypolygelatine z. B. Gelifundol®, für harnstoffvernetzte Gelatine z. B. Haeamaccel® und für succinylierte Gelatine z. B. Gelafundin® (auch als Gelofusine® bezeichnet), Gelafusal® und Thomaegelin®.
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In der Medizin ist die Anwendung gelatinehaltiger Volumenersatzlösungen jedoch nicht unkritisch. Z. B. enthalten einige der derzeit gebräuchlichen Gelatinelösungen einen zu hohen Chloridgehalt, der mit dem Risiko der Entwicklung einer hyperchlorämischen Azidose verbunden ist. Volumenersatzlösungen, ob sie nun Gelatine oder andere Kolloide enthalten, besitzen ihre Hauptindikationen in der Behandlung des hypovolämischen Kreislaufversagens und Schocks. Die mit diesen klinischen Zuständen einhergehende Minderperfusion des Gewebes erzeugt ihrerseits zwangsläufig eine Azidose, die durch die Infusion von Volumenersatzlösungen rasch beseitigt, aber keinesfalls durch deren azidotische Eigeneffekte verstärkt oder auch nur verlängert werden soll. Dies umso mehr als der Schweregrad der Azidose mit dem Auftreten einer Koagulopathie korreliert, zu der auch die traumatisch oder operativ bedingten Blutverluste als die Hauptverursacher hypovolämer Schockzustände beitragen. Weitere unerwünschte Folgen einer hyperchlorämischen metabolischen Azidose bestehen in Elektrolytstörungen, die das Wiedereinsetzen der Diurese nach Traumen und Operationen verzögern oder mit neurologischen Dysfunktionen wie z. B. Somnolenz oder postoperative Übelkeit und Erbrechen (PONV) verbunden sein können.
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Andere Gelatinelösungen lassen sich angesichts des Risikos der Verstärkung von Hirnödemen nur mit größter Zurückhaltung bei schädelhirntraumatisierten oder neurochirurgischen Patienten einsetzen. Der Grund hierfür liegt in der Hypotonizität der betreffenden Lösungen, die wegen der umgekehrten Proportionalität zwischen der Lösungs- bzw. durch sie beeinflussten Plasmaosmolalität und dem intrakraniellen Druck eine klinisch relevante Verschlechterung der Prognose bei raumfordernden Prozessen nach sich zieht.
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Vor diesem Hintergrund und angesichts der sonst so vorteilhaften Eigenschaften der Gelatine wie des Fehlens von Gewebespeicherung, Organbelastung, Gerinnungsbeeinflussung und Dosislimitierung besteht ein dringender Bedarf an Gelatinelösungen, die so zusammengesetzt sind, dass sie die Homöostase des Säure-Basen- und Elektrolythaushalts unangetastet lassen, in klinischen Situationen eingesetzt werden können, in denen dies wegen spezifischer, aus der Hypotonizität der Lösungen resultierender Risiken bisher nicht möglich war und die insgesamt eine höhere Anwendungssicherheit aufweisen.
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Überraschend wurde gefunden, dass durch das Einstellen eines bestimmten Elektrolytmusters in Verbindung mit Gelatine und/oder physiologisch akzeptablen Gelatinederivaten und/oder gelatineartigen Proteinen und/oder Polypeptiden in entsprechenden wässrigen Lösungen die im Stand der Technik beschriebenen Probleme gelöst werden konnten. Die auf diese Weise zugänglich gewordenen pharmazeutischen Zubereitungen können aufgrund ihrer Isotonie und besseren Annäherung an das Ionogramm des Plasmas in wesentlich breiterem Umfang und sicherer eingesetzt werden als bisherige Gelatinepräparate. Die strikte Isotonie verringert insbesondere die Risiken peripherer Ödeme und der Flüssigkeitsüberladung im allgemeinen und verbessert die Verträglichkeit der Lösung für die zellulären Bestandteile des Blutes. Dieses äußert sich z. B. als erythrozytenprotektiver Effekt, der bereits vorhandene Eigenwirkungen der Gelatine verstärkt und die Lösung u. a. als Erythrozyten-Waschlösung für die maschinelle Autotransfusion besonders geeignet macht.
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Des weiteren wurde überraschend gefunden, dass sich bei der Infusion einer wässrigen Lösung von Gelatine und/oder physiologisch akzeptablen Gelatinederivaten in Verbindung mit dem hier offenbarten Elektrolytmuster die temporäre Adhärenz und feste Adhäsion der Leukozyten an das Gefäßendothel effektiver hemmen lässt als bei der Verabreichung einer sonst gleichartigen Gelatinelösung in 0,9% NaCl. Solche verminderten Leukozyten-Endothel-Interaktionen bilden ein Gegengewicht zu der Leukozyten-Aktivierung, die durch hämorrhagische Traumen, Schocksituationen und inflammatorische Stimuli ausgelöst wird und – durch mögliche Folgereaktionen wie der Endothelläsion und Extravasation aktivierter Leukozyten verstärkt – in ein Versagen der betroffenen Organe münden kann. In dem Maß wie sich Leukozyten-Endothel-Interaktionen vermindert lassen, verbessern sich außerdem die mikrozirkulationsfördernden Eigenschaften der Gelatine-Elektrolyt-Lösung.
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Ein Gegenstand der vorliegenden Erfindung ist somit eine wässrige pharmazeutische Zubereitung, umfassend:
- a) 20 bis 80 g/L Gelatine und/oder eines physiologisch akzeptablen Gelatinederivates und/oder eines gelatineartigen Proteins und/oder gelatineartigen Polypeptids, sowie die Ionenanteile
- b) 150 bis 160 mmol/L Natrium,
- c) 4 bis 5 mmol/L Kalium,
- d) 1 bis 2 mmol/L Calcium,
- e) 1 bis 2 mmol/L Magnesium,
- f) 82 bis 105 mmol/L Chlorid, und
- g) 24 bis 30 mmol/L Acetat und/oder Gluconat.
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In einer besonderen Ausführungsform enthält die erfindungsgemäße Zubereitung zusätzlich zu den vorstehend genannten Elektrolyten 1 bis 2 mmol/L Phosphat. Phosphate im Sinne der vorliegenden Erfindung umfassen sowohl das PO4 3– als auch Hydrogenphosphate und Dihydrogenphosphate sowie Phosphatderivate, wie beispielsweise Glycerophosphat.
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Gelatine ist das Abbauprodukt eines in Säugetieren vorkommenden makromolekularen Proteins, des sog. Kollagens, das leicht zugänglich sowie kostengünstig zu isolieren ist und über lange Zeit gelagert werden kann, ohne dass ein Abbau eintritt. Trotz ihrer Eiweißnatur zeigt Gelatine nur ein sehr geringes antigenes Potential. Native Gelatine besitzt aufgrund ihres hohen Molekulargewichts die Eigenschaft, hochviskose Lösungen zu bilden, die bei tieferen Temperaturen gelieren und sich daher nicht zur Herstellung von Parenteralia eignen. Durch chemische Modifizierung bzw. Derivatisierung der Gelatine lässt sich dieser Nachteil jedoch umgehen.
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Eines dieser Modifizierungsverfahren wurde 1952 von Tourtelotte entwickelt (
Tourtelotte, D. und H. E. Williams, in: Stainsby, G., Gelatin and Glue Research, 1958). Es besteht in der Umsetzung mit Bernsteinsäure bzw. deren Anhydrid und führt zu succinylierter Gelatine (Gelatinepolysuccinat). Einem anderen Verfahren, das 1962 von Schmidt-Thome ausgearbeitet wurde (
Schmidt-Thome, J., A. Mager und H. H. Schone, Arzneim.-Forsch. 12, 378 (1962)), liegt die Vernetzung der Gelatineketten durch Harnstoffbrücken zugrunde (harnstoffvernetzte Gelatine; Polygelatine). Gelatinederivate können darüber hinaus durch Decalcificierung von Gelatine, Kondensation mit Glyoxal und Oxidation mit Wasserstoffperoxid hergestellt werden. Hierbei handelt es sich um sog. Oxypolygelatine, deren Herstellung von
Campbell, D. H. et al., Texas Rep. Biol. Med. 9, 235 (1951),
Bonhard, K., Arzneim.-Forsch. 21, 1667 (1971) sowie
Nitschmann und Stoll, Pharm.-Ztg. 42, 1594 (1968) beschrieben wurde. In jüngster Zeit wurden Gelatine bzw. gelatineartige Proteine und Polypeptide auch auf rekombinantem Weg synthetisiert und als solche zur Verwendung bei der Herstellung von Parenteralia, speziell Volumenersatzmitteln, vorgeschlagen (
DE 60207053 T2 ).
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In einer bevorzugten Ausführungsform enthält die erfindungsgemäße Zubereitung auf rekombinantem Weg hergestellte gelatineartige Proteine und/oder Polypeptide.
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Harnstoffvernetzte Gelatine wird dadurch hergestellt, dass man die nach der Alkali- und Heißwasserbehandlung resultierenden Gelatinestränge, die ein Molekulargewicht von 12000–15000 besitzen, einer Behandlung mit Hexamethylendiisocyanat unterzieht. Dabei kommt es zur Kondensation zwischen einer freien Carboxyl- und einer freien Aminogruppe, wobei eine Peptidbindung zwischen einzelnen Gelatinesträngen entsteht. Das resultierende Kondensationsprodukt besitzt ein mittleres Molekulargewicht (Zahlenmittel) von 24500 bei einem Streubereich von ungefähr 5000–50000 Dalton.
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Die Polypeptidketten, von denen die Synthese der succinylierten Gelatine ausgeht, besitzen ein Molekulargewicht von oberhalb 20000, und sie werden mit Bersteinsäureanhydrid umgesetzt. Anders als bei der harnstoffvernetzten Gelatine kommt es dabei jedoch nicht zu einer Quervernetzung der Stränge und ihr Molekulargewicht bleibt infolgedessen unverändert. Da bei der chemischen Modifizierung eine basische Aminogruppe durch eine saure Carboxylgruppe ersetzt wird, resultiert ein Derivat mit einem niedrigeren iso-elektrischen Punkt und einer stärkeren negativen Ladung. Diese stärkere negative Ladung und nicht ein erhöhtes Molekulargewicht ist es, die bei physiologischen pH-Werten – unter anderem infolge des Donnan-Effekts am Gefäßendothel – zu einer Verlängerung der Verweildauer im Kreislauf führt. Außerdem kommt es durch die Ladungsänderung zu einer Konformationsänderung der modifizierten Gelatinemoleküle zu einer offeneren, weniger kompakten Struktur hin, durch welche die Diffusionskapazität über die Gefäßwand vermindert und die Retentionszeit im intravaskulären Raum entsprechend verlängert wird.
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Bei den erfindungsgemäß einzusetzenden physiologisch akzeptablen Gelatinederivaten kann es sich um harnstoffvernetzte oder – vorzugsweise – um succinylierte Gelatinederivate handeln. Letztere werden auch als „modifizierte flüssige Gelatine” (MFG) bzw. „Gelatinepolysuccinat” bezeichnet; das mittlere Molekulargewicht beträgt beispielsweise zwischen 20.000 und 32.000 (Mw = Gewichtsmittel) bzw. zwischen 18.000 und 28.000 (Mn = Zahlenmittel). Ein entsprechendes Präparat der B. Braun Melsungen ist in Deutschland unter dem Handelsnamen „Gelafundin” im Handel, in den meisten übrigen Ländern unter dem Namen „Gelofusine”. Als Ausgangsmaterial für die Succinylierung bzw. Vernetzung mit Harnstoff dient Gelatine aus Rinderknochen; diese ist kommerziell erhältlich, z. B. über Gelita AG, Ebersbach (Deutschland), oder Rousselot SAS, Isle sur la Sorgue (Frankreich).
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Bevorzugte Ausführungsformen der vorliegenden Erfindung umfassen physiologisch akzeptable Gelatinederivate wie succinylierte Gelatinederivate, nicht-succinylierte Gelatinederivate, harnstoffvernetzte Gelatinederivate, Oxypolygelatine und Gelatinepolysuccinat sowie rekombinante gelatineartige Proteine und/oder Polypeptide.
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In einer bevorzugten Ausführungsform enthält die erfindungsgemäße pharmazeutische Zubereitung 20 bis 80 g/L Gelatine und/oder eines physiologisch akzeptablen Gelatinederivates und/oder eines gelatineartigen Proteins und/oder eines gelatineartigen Polypeptids, bevorzugt 30 bis 60 g/L und besonders bevorzugt 40 bis 50 g/L, beispielsweise 40 g/L.
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Die erfindungsgemäßen, isotonen wässrigen pharmazeutischen Zubereitungen werden intravenös infundiert und liegen daher in einer bevorzugten Ausführungsform als Infusionslösung vor.
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Da das Ziel der Verabreichung von plasmaadaptierten Lösungen darin besteht, die Homöostase der Plasmaelektrolytkonzentrationen aufrecht zu erhalten, werden sie auch als „balancierte” Lösungen bezeichnet. Wenn bestimmte, dem Fachmann bekannte herstellungstechnische Voraussetzungen getroffen werden, ist auch der partielle Austausch von Chlorid durch Pyruvat oder Bicarbonat (statt durch Acetat und/oder Gluconat) möglich und in der erfindungsgemäßen pharmazeutischen Zubereitung bevorzugt.
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Erfindungsgemäß werden dabei vorteilhafterweise solche Salze eingesetzt, die in einschlägigen Arzneibüchern empfohlen und monographiert sind, wie u. a. dem europäischen Arzneibuch/European Pharmacopeia und der United States Pharmacopeia.
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In einer bevorzugten Ausführungsform werden daher Salze eingesetzt, die aus der Gruppe ausgewählt sind, die Natriumchlorid, Natriumacetat × 3H2O, Natriumhydrogenphosphat × 2H2O, Natriumhydroxid, D-Gluconsäure Natriumsalz, Kaliumchlorid, Kaliumacetat, Calcium-D-gluconat × H2O, Calciumchlorid × 2H2O und Magnesiumchlorid × 6H2O umfasst.
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Zur Vermeidung von Infektionen während der intravenösen Infusion werden die erfindungsgemäßen pharmazeutischen Zubereitungen vorzugsweise sterilfiltriert oder hitzesterilisiert. Zwecks Sterilfiltration eignen sich insbesondere feinporige Filterkartuschen, wie sie von verschiedenen Herstellern kommerziell angeboten werden. Geeignet sind beispielsweise Filterkartuschen mit einem Porendurchmesser von 0,2 bis 3,0 μm. Die erfindungsgemäßen pharmazeutischen Zubereitungen können darüber hinaus hitzesterilisert werden, ohne dass es zu einer Zersetzung der Inhaltsstoffe kommt. Vorzugsweise wird die Hitzesterilisation bei einer Temperatur oberhalb 100°C, besonders bevorzugt zwischen 105 und 150°C, insbesondere zwischen 110 und 130°C vorgenommen, wobei – je nach Behältermaterial – entweder eine Temperatur von beispielsweise 121°C, über einen Zeitraum von bis zu 30 Minuten, vorzugsweise bis zu 28 Minuten, insbesondere zwischen 23 und 25 Minuten oder eine Temperatur von beispielsweise 112°C, über einen Zeitraum von bis zu 100 Minuten, insbesondere zwischen 70 und 90 Minuten zur Anwendung kommt.
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Volumenersatzmittel werden zur Auffüllung intravasaler Flüssigkeitsdefizite bei Menschen und Tieren verwendet. Speziellen Einsatz finden sie zur Prophylaxe und Therapie der Hypovolämie. Dabei ist es gleichgültig, ob die Hypovolämie aus dem unmittelbaren Verlust von Blut bzw. Körperflüssigkeiten resultiert wie beispielsweise bei akuten Blutungen, Traumen, Operationen, Verbrennungen usw. oder aus Verteilungsstörungen zwischen Makro- und Mikrozirkulation wie beispielsweise bei der Sepsis, oder ob es sich um eine regional begrenzte, z. B. künstlich herbeigeführte Unterbrechung des Blutflusses handelt wie bei der Abklemmung von Gefäßabschnitten oder dem Anlegen einer Tourniquet-Sperre.
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Ein weiterer Gegenstand der vorliegenden Erfindung ist die Verwendung der pharmazeutische Zubereitung als ein Volumenersatzmittel.
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Die erfindungsgemäße pharmazeutische Zubereitung eignet sich daher in einer weiteren Ausführungsform in besonderem Maße zur Prophylaxe und Therapie der Hypovolämie
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Es hat sich gezeigt, dass die erfindungsgemäße pharmazeutische Zubereitung die Mikrozirkulation erheblich steigert.
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Ein weiterer Gegenstand der Erfindung ist daher die erfindungsgemäße pharmazeutische Zubereitung zur Verbesserung der Mikrozirkulation.
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Aufgrund der speziellen Eigenschaften der pharmazeutischen Zubereitung eignet sie sich besonders als erythrozytenprotektive Waschlösung.
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Ein weiterer Gegenstand der vorliegenden Erfindung betrifft die Verwendung der erfindungsgemäßen pharmazeutischen Zubereitung als erythrozytenprotektive Waschlösung.
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Beispiel
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In Tabelle 1 ist die Zusammensetzung einer erfindungsgemäßen pharmazeutischen Zubereitung beispielhaft wiedergegeben.
Inhaltsstoff | Konzentration |
Gelatinepolysuccinat | 40 g/L |
Natrium | 153 mmol/L |
Kalium | 4 mmol/L |
Calcium | 1,5 mmol/L |
Magnesium | 1,25 mmol/L |
Chlorid | 99 mmol/L |
Acetat | 24 mmol/L |
Phosphat | 1,5 mmol/L |
Glukonat | 2,75 mmol/L |
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Die in Tabelle 1 wiedergegebene Zusammensetzung lässt sich durch Einwaage und Lösen in auqa ad iniectibilia ad 1000 mL erreichen: 40 g Gelatinepolysuccinat, 95 mmol Natriumchlorid, 24 mmol Natriumacetat, 4 mmol Kaliumchlorid, 1,5 mmol Calciumglukonat, 1,25 mmol Magnesiumglukonat, 1,5 mmol Natriumglyzerophosphat [Glycerol-1(2)-dihydrogenphosphat-Gemisch der Dinatriumsalze] sowie ca. 35 mmol Natriumhydroxid (der genaue Bedarf an Natriumhydroxid ergibt sich aus der zur Einstellung des pH-Wertes auf 7,4 (7,1–7,7) erforderlichen Menge.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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Zitierte Nicht-Patentliteratur
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- Tourtelotte, D. und H. E. Williams, in: Stainsby, G., Gelatin and Glue Research, 1958 [0018]
- Schmidt-Thome, J., A. Mager und H. H. Schone, Arzneim.-Forsch. 12, 378 (1962) [0018]
- Campbell, D. H. et al., Texas Rep. Biol. Med. 9, 235 (1951) [0018]
- Bonhard, K., Arzneim.-Forsch. 21, 1667 (1971) [0018]
- Nitschmann und Stoll, Pharm.-Ztg. 42, 1594 (1968) [0018]