Die Erfindung betrifft einen Schadstoff-Biogewebesensor (SBGS) zur Bestim
mung biologischer Schadstoffeffekte durch gasförmige, volatile und semivolatile Schadstoffe
sowie Schadstoffgemische, wie sie bei Emissionen und Immissionen vorliegen. Mögliche
Anwendungsgebiete sind die Beurteilung gesundheits- und/oder naturschädigender Einwir
kungen von Emissionen und Immissionen unterschiedlichster Herkunft und Zusammenset
zung in Form eines Biomonitorings sowie die allgemeine und/oder auf ein Individuum bezo
gene und damit im konkreten Fall objektivierbare Beurteilung von Innenraumbelastungen
durch volatile organische Kohlenwasserstoffe (VOCs). Damit kann einerseits ein vergleichs
weise kostengünstiges, zeitlich kontinuierliches und räumlich definiertes, auf bestimmte Or
ganspezifitäten abgestimmtes Biomonitoring von Schadstoff-Emittenten durchgeführt wer
den. Toxische Emissionen aus Industrie, Hausbrand, Müllverbrennung, Straßenverkehr, mili
tärischen Anwendungen u. a. können frühzeitig und im Vergleich zur chemischen Analytik
toxikologisch wesentlich umfassender erkannt werden. Zum anderen ist eine individuelle Be
urteilung von Schadstoffwirkungen in Innenräumen (Büroräume, öffentliche Gebäude, indivi
duelle Wohnstätten) und damit eine Objektivierung bisher so unklarer, häufig nicht beurteil
barer Krankheitsbefunde wie beispielsweise das Sick Building Syndrom (SBS) und die Mul
tiple Chemische Sensitivität (MCS) möglich.
Eine Abschätzung von Gesundheitsrisiken durch volatile Umweltverschmutzungen
ist über die Messung chemisch-analytischer Summenparameter oder einzelner Leitkomponen
ten nur in begrenztem Masse denkbar. So sind in den meisten Emissionen, solchen aus der
Müllverbrennung, dem Hausbrand oder zahlreichen industriellen Prozessen, aber auch im
Gemisch der (VOCs) aus Innenräumen, unbekannte organische Verbindungen enthalten, die
hinsichtlich ihrer zytotoxischen, immuntoxischen oder kanzerogenen Wirkung bisher nicht
eingeschätzt werden können und zu Besorgnis Anlass geben. Hierbei spielt die häufig
schwankende Zusammensetzung der Emissionen bzw. Immissionen, die nicht immer vorher
sehbar ist, eine wichtige Rolle. Eine wirksame Überwachung derartiger Emissionen bzw. Im
missionen allein durch chemisch analytische Verfahren stößt spätestens bei der Beurteilung
der analysierten Komponenten, die in ihrer toxikologischen Wirkungen häufig nur unzurei
chend bekannt sind, auf Probleme, zumal mögliche Kombinationswirkungen komplexer Gemische
nur in seltenen Ausnahmefällen abgeschätzt werden können. Biologische Testverfah
ren können aus diesem Dilemma einen Ausweg aufzeigen.
Sie wurden jedoch bisher nur selten zur Beurteilung volatiler oder semivolatiler
Emissionen oder Immissionen einbezogen. Systeme, welche die Wirkung von toxischen Ga
sen auf lebende Zellen und Zellkulturen messen, sind allgemein bekannt.
So wurden beispielsweise Tumorzellen oder Zellen von verschiedenen Organen als
Biosensoren eingesetzt (Lehrbuch der Botanik, Gustav-Fischer Verlag (1978), S. 387, Abb.
371B). Die Druckschrift DE 195 37 033 A1 offenbart ein Verfahren zur Bestimmung von
Pharmakokinetik bzw. Toxikokinetik von Testsubstanzen mit Hilfe von in-vitro-
Zellkultursystemen und dafür geeignete Vorrichtungen nach dem Prinzip des blasenfrei be
gasten Wirbelschichtreaktors. Dabei wird eine in-vitro-Zellkultur einer Testsubstanz kontinu
ierlich oder einmalig ausgesetzt. Die Reaktion des gesamten Systems wird anhand einer Viel
zahl von Stoffwechselparametern kontinuierlich oder chargenweise gemessen. Allerdings ist
der Eintrag gasförmiger Stoffe nicht vorgesehen und die Messung von Parametern mit Mikro
sensoren im Zellgewebe ist nicht möglich.
In der Patentanmeldung DE 195 26 533 A1 wird eine Expositionsvorrichtung für
mit gas- und/oder partikelförmige Beimengungen angereicherte Gasgemisch auf lebende
Zellkulturen beschrieben, bei der das definiert angereicherte Gasgemisch über ein Zuleitungs
system direkt an mindestens einen Träger für die lebenden Zellkulturen von oben her führbar
ist und das Nährmedium von unten her an die Zellkulturen über eine semipermeable Membran
geleitet wird. Eine organtypische 3D-Zellkulturhaltung ist mit dieser Vorrichtung nicht mög
lich. Auch erfolgt keine direkte Detektion des Schadeffektes über integrierte Mikrosensoren.
Ein Verfahren, bei welchem mit Hilfe geeigneter Mikroorganismen definierter
Sensitivität bzw. Resistenz gegenüber toxischen Substanzen Toxizitätstests in flüssigen oder
gasförmigen Phasen kontinuierlich durchgeführt werden können mit dem Ziel, Substanzen
mit antimikrobieller Wirkung zu testen, wird in Druckschrift DE 38 33 628 A1 genannt. Da
bei wird die Toxizität als Veränderung im Metabolismus oder dem Verlust der Lebensfähig
keit der Indikatororganismen erfasst, die ihrerseits schnell und mit hoher Empfindlichkeit
durch Biolumineszenzsignale (Luciferaseproduktion) gemessen werden können. Es handelt
sich um einen neuen Typ eines sich selbst regulierenden Plasmidvektors, der sensitiv und ein
fach Biolumineszenzmessungen mit prinzipiell jedem Mikroorganismus erlaubt. Die Indika
tororganismen (Prokarionten) erlauben keine direkten humantoxikologischen Wertungen er
lauben. Die Messung von Parametern mit Mikrosensoren unmittelbar im biologischen Indika
tor basiert auf dem Prinzip der Lumineszenz-Messung.
Gegenstand der deutschen Patentanmeldung DE 33 27 691 A1 ist ein Verfahren
zur Ermittlung von Umweltschadstoffen, bei dem pflanzliche Zellen einem Schadstoffe ent
haltendem Medium ausgesetzt werden. Die Einwirkung der Schadstoffe wird anhand bioche
misch-physiologischer Vorgänge der Zellen festgestellt. Als pflanzliche Zellen werden Proto
plasten eingesetzt, die zur Verzögerung ihrer Seneszenz mit einer gas- und wasserdurchlässi
gen Matrix, z. B. Ca- oder La-Alginat-Matrix, immobilisiert worden sind. Die Matrix ist gas-
und wasserdurchlässig. Zur Toxizitäts-Indikation werden die Hemmung der Ribulose-1,5-
biphosphat-carboxylase und die Emissionsrate von Ethan verwendet. Eine organtypische 3D-
Zellkulturhaltung ist nicht möglich.
Die Druckschrift FR 2 734 579 A1 berichtet über ein Vorrichtung zur Bestimmung
der Toxizität von Gasen. Zwei aerobe Zellkulturen (Zell-Linien vom Typ Makropagen), eine
Versuchskultur und eine Kontrollkultur, werden mittels geeigneter Vorrichtungen den Schad
stoffen (Versuchskultur) bzw. nicht toxischer Kontroll-Luft (Kontrollkultur) exponiert. Die
Zahl lebender Zellen dient als Maß für die Giftigkeit der gasförmigen Substanzen. Diese wird
durch kolorimetrische Messung eines Parameters bestimmt, der für die Anzahl der lebenden
Zellen in jeder Kultur nach der Exposition repräsentativ ist. Es wird die relative Toxizität im
Vergleich zur Kontroll-Luft ermittelt. Es ist keine direkte Detektion des Schadeffektes über
integrierte Mikrosensoren vorgesehen. Auch eine organtypische 3D-Zellkulturhaltung ist
nicht möglich.
Gegenstand weiterer Publikationen war die Entwicklung von in-vitro-Toxizitäts-
Testsystemen, die unter Verwendung von primären Zellen oder Zell-Linien unter Vermeidung
der üblicherweise durchgeführten Zwischenschritte adsorptiver oder kondensativer Anreiche
rung sowie extraktiver Überführung volatiler Schadstoffe in ein Lösungsmittel, durch direkte
Begasungsverfahren ersetzt werden. Ein patentiertes Verfahren zur in vitro Exposition von
Zellen mit volatilen Schadstoffen basiert beispielsweise auf Mikro-Rollerkulturen (Delraso,
N. J. 1996, US-Patent 5508174 A: Method and micro roller bottle for in vitro exposure of cells
to volatile chemicals, 4 pp., 04-16-96, United States Dept. of the Air Force). Hierbei werden
die Schadstoffe in den Begasungsraum der Rollerkulturen durch ein Septum diskontinuierlich
eingebracht. Die Möglichkeit einer unmittelbaren Schadeffekt-Detektion fehlt. Zudem liegt
kein dreidimensionaler Gewebeverband vor.
Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, neue Toxizitäts-Testsysteme zu entwi
ckeln, die mit wenig experimentellem Aufwand ein einfaches Biomonitoring ermöglichen.
Die Aufgabe wird durch einen Schadstoff-Biogewebesensor (SBGS) zur Bestimmung biologischer
Schadstoffeffekte gelöst, der aus einer Zellkulturvorrichtung (ZKV) mit einem Gewe
bekultursystem besteht und der mit einer Verdampfungseinheit oder einer Gasentnahmevor
richtung, einer Gasdosierungseinrichtung sowie Mikrosensoren ausgerüstet ist. Der erfin
dungsgemäße SBGS ist ferner dadurch gekennzeichnet, dass die ZKV eine miniaturisierte
organtypische Kultur darstellt und das Gewebekultursystem physiologisch oder pathologisch
Schadstoffen exponierte pflanzliche, tierische oder menschliche Zell- und/oder Gewebever
bände enthält und die Mikrosensoren in den SBGS integriert sind. Die integrierten Mikrosen
soren stellen NAD-, NADH- oder NADPH-Sensoren dar. Erfindungsgemäß lässt sich die
Schadstoffzufuhr derart dosieren, dass die Schädigung der Zell- und Gewebeverbände sowie
der mikrobiologischen Suspensionen reversibel ist.
Zur Bestimmung biologischer Schadstoffeffekte wird das Kultursystem mit volati
len oder semivolatilen Schadstoffen dosiert beaufschlagt. Dann werden universelle Stoff
wechselparameter der Zell- oder Gewebeverbände gemessen. Diese Parameter werden durch
NAD-, NADH- oder NADPH-Messungen oder durch Probenahmen aus dem Gewebekultur
system und externer Detektion erfasst.
Diejenigen Zell- und Gewebeverbände, die unter physiologischen Bedingungen
volatilen und semivolatilen Schadstoffen ausgesetzt sind - wie Blatt, Stiel oder Blüte bei der
Pflanze und Haut, Lunge, Schleimhäute oder Auge bei Säugern sowie exponierte Insekten
zellgewebe - werden direkt oder durch Schadstoff-durchlässige Membranen mit den realen
Expositionen in Zusammensetzung, Art und Konzentration angepassten volatilen und semivo
latilen Schadstoffen beaufschlagt.
Jene Zell- und Gewebeverbände, die unter pathologischen Bedingungen volatilen
und semivolatilen Schadstoffen ausgesetzt sind - wie immunkompetente Gewebe, Drüsenge
webe, Nervengewebe, Muskelgewebe, Knorpelgewebe, Bindegewebe oder pathologisch ver
änderte Hautschichten bei Säugern - werden direkt oder durch Schadstoff-durchlässige
Membranen mit den realen Expositionen in Zusammensetzung, Art und Konzentration ange
passten volatilen und semivolatilen Schadstoffen beaufschlagt.
Der erfindungsgemäße SBGS ist ferner dadurch gekennzeichnet, dass ein unab
hängiger bzw. parallel und/oder in Reihe abhängiger Betrieb vieler vergleichbarer mit identi
schem und/oder differentem Material beschickter Kulturräume erfolgt. Er ist zum Biomonito
ring von volatilen und semivolatilen Schadstoffen, vorzugsweise anthropogen bedingten Emissionen
und Immissionen - wie industrielle, städtische sowie durch den Straßenverkehr, die
Abfallentsorgung oder die Landwirtschaft bedingte Emissionen und Immissionen- sowie zum
Biomonitoring der Innenraumbelastung durch volatile und semivolatile Schadstoffen geeig
net.
Das Wesen der Erfindung besteht darin, dass in die Gasphase überführte volatile
oder semivolatile, auf ihre Toxizität zu testende Stoffe oder Stoffgemische oder reale volatile
Schadstoffgemische über ein Gas-Dosierungssystem der physiologischen Begasungsvorrich
tung des Schadstoff-Biogewebesensors zugemischt werden. Die Schadstoffe diffundieren
durch eine gasdurchlässige Trennmembran der Zellkulturvorrichtung in ein dreidimensionales
organtypisches Gewebekultursystem, das auf gleichem Wege mit Sauerstoff und Kohlendi
oxid versorgt wird. Sie verursachen auf diesem Wege biologische Wirkungen in der Gewebe
kultur, die über geeignete Sensoren (z. B. NAD/NADH-Sensor) oder durch eine miniaturisier
te Probenahme aus dem Gewebekultursystem und externer Detektion gemessen werden.
Der erfindungsgemäße SBGS besteht dementsprechend aus einer Verdampfungs
einheit zur Herstellung eines bezüglich Volumen, Druck und Temperatur konstanten Schad
stoff-Gasraumes oder eines Probenamegefäßes für volatile Schadstoffe (Gasmaus) oder einer
isokinetischen Gasentnahmevorrichtung zur Messung von Emissionen oder Immissionen,
einer Gas-Dosiervorrichtung zur Schadstoff-Dotierung der physiologischen Gasversorgung
der Zellkulturvorrichtung, der physiologischen Gasversorgungseinrichtung selbst sowie dem
miniaturisierten Gewebekultursystem nebst Mikrosensoren. Er stellt eine Zellkulturvorrich
tung in Form einer miniaturisierten organtypischen Kultur dar, die eine Erfassung biologi
scher Schadstoffeffekte in physiologischen oder pathologischen pflanzlichen, tierischen und
menschlichen Zell- und Gewebeverbänden sowie in mikrobiologischen Suspensionen unter
direkter regulierbarer Beaufschlagung von volatilen und semivolatilen Schadstoffen ermög
licht. Dabei erfolgt die erfindungsgemäße Erfassung der biologischen Effekte mit Mikrosen
soren überraschenderweise so sensitiv, dass die Schädigung der Zell- und Gewebeverbände
sowie der mikrobiologischen Suspensionen reversibel gestaltet werden kann. Der erfindungs
gemäße Schadstoff-Biogewebesensor eignet sich zur Bestimmung der Gesundheitsrisiken
durch volatile und semivolatile Schadstoffe.
Mit Hilfe der erfindungsgemäßen Sensoren werden nach der direkten, regulierba
ren Beaufschlagung mit volatilen Schadstoffen universelle Stoffwechselparameter der Zell-
und Gewebeverbände hochsensitiv, vorzugsweise durch NADH (Nicotinamid-Adenin-
Dinucleotid) und/oder NADPH-(Nicotinamid-Adenin-Dinucleotid-Phosphat)-Messung (La
serbasierend) erfasst.
Die der Erfindung zugrunde liegende Zellkulturvorrichtung ist einerseits dadurch
gekennzeichnet, dass der unabhängige bzw. parallel und/oder in Reihe abhängige Betrieb vie
ler vergleichbarer mit identischem und/oder differentem Material beschickter Kulturräume bei
kontinuierlicher effektiver organtypischer Zell- und Gewebeversorgung erfolgt und anderer
seits dadurch, dass diejenigen Zell- und Gewebeverbände, die unter physiologischen Bedin
gungen volatilen und semivolatilen Schadstoffen ausgesetzt sind (vorzugsweise Blatt, Stiel,
Blüte bei der Pflanze und Haut, Lunge, Schleimhäute, Augen bei Säugern sowie exponierte
Insektenzellgewebe), direkt bzw. durch Schadstoff-durchlässige Membranen mit den realen
Expositionen in Zusammensetzung, Art und Konzentration angepassten volatilen und semivo
latilen Schadstoffen beaufschlagt werden. Ebenso können diejenigen Zell- und Gewebever
bände, die unter pathologischen Bedingungen volatilen und semivolatilen Schadstoffen aus
gesetzt sind (vorzugsweise immunkompetente Gewebe, Drüsengewebe, Nervengewebe, Mus
kelgewebe, Knorpelgewebe, Bindegewebe, pathologisch veränderten Hautschichten bei Säu
gern bzw. beim Menschen) direkt bzw. durch Schadstoff-durchlässige Membranen mit den
realen Expositionen in Zusammensetzung, Art und Konzentration angepassten volatilen und
semivolatilen Schadstoffen beaufschlagt werden. Die erfindungsgemäße Zellkulturvorrich
tung ist geeignet, mikrobiologische Suspensionen als diskrete Nachweisreagenzien für Gento
xizität und Mutagenität zu nutzen.
Die erfindungsgemäße Verwendung des Schadstoff-Biogewebesensors liegt in
einem Biomonitoring von volatilen und semivolatilen Schadstoffen, vorzugsweise anthropo
gen bedingten Emissionen und Immissionen (wie z. B. industrielle, städtische sowie durch
den Straßenverkehr), in der Abfallentsorgung oder der Landwirtschaft bedingten Emissionen
und Immissionen sowie dem Biomonitoring der Innenraumbelastung durch volatile und semi
volatile Schadstoffe.
Das Wesen der Erfindung besteht ferner in einer Vorrichtung zur Erfassung biolo
gischer Schadstoffeffekte in physiologisch organ- bzw. gewebetypisch exponierten pflanzli
chen, tierischen und menschlichen Zell- und Gewebeverbänden sowie in mikrobiologischen
Suspensionen unter direkter regulierbarer Beaufschlagung von volatilen und semivolatilen
Schadstoffen. Die Erfassung des biologischen Effekts erfolgt mit Mikrosensoren so sensitiv,
dass die Schädigung der Zell- und Gewebeverbände sowie der mikrobiologischen Suspensio
nen reversibel gestaltet werden kann. Insbesondere erfolgt die Messung universeller Stoff
wechselparameter der Zell- und Gewebeverbände primärer Zellen oder Zell-Linien, vorzugs
weise NADH- und/oder NADPH-Messungen, aber auch die Messung spezieller Parameter,
wie die Zytokin- oder die Immunglobulinsezernierung nach einer Probenahme von Zellkultur
flüssigkeit. Damit eröffnet sich in speziellen Fällen die Möglichkeit, Tierversuche durch ande
re Methoden an nicht schmerzfähigen Systemen zu ersetzen.
Unter Zell- und Gewebeverbänden im Sinne dieses Patentes werden primäre Zel
len sowie in vivo tumorös entartete bzw. in vitro immortalisierte Zellen und Zell-Linien
pflanzlichen, tierischen (inklusive Insekten) sowie menschlichen Ursprungs verstanden. Vola
tile und semivolatile Schadstoffe im Sinne dieses Patentes sind einerseits flüchtige und halb
flüchtige bekannte, "VOCs" (volatile organische Kohlenwasserstoffe, vorzugsweise aus In
nenraumbelastungen, gegenwärtig ca. 600 beschriebene Substanzen) und andererseits unbe
kannte Schadstoffe aus Innenräumen sowie Schadstoffimmissionen und Emissionen in der
Atmosphäre. Unter Mikrosensoren werden alle Sensoren verstanden, die in die beschriebenen
miniaturisierten Zellkulturvorrichtungen (ZKV) dergestalt integrierbar sind, dass sie den ent
sprechenden Parameter direkt in der Zellkultur unabhängig von ihrem Messprinzip vermessen
können.
Kultivierte Zellen sind zur Beobachtung und Messung von Sonderleistungen der
Zelle geeignet. Dreidimensionale Zellkultur-Techniken stellen demgegenüber hervorragende
Untersuchungssysteme dar, welche die Nachteile konventioneller Zellkulturtechniken - all
gemein ein- oder zweidimensionale Kulturen mit häufig im Vergleich zur Primärkultur verän
derten Eigenschaften, begrenztes Nährstoffangebot, geringe Zelldichte, Schlackestoffakkumu
lation - teilweise kompensieren können. Sie sind andererseits aber noch keine schmerzfähigen
Systeme. Toxikologische Untersuchungen an volatilen Schadstoffen wurden in derartigen 3-
D-Kulturen bisher nicht vorgenommen.
Der erfindungsgemäße SBGS erlaubt den unabhängigen bzw. parallel und/oder in
Reihe abhängigen Betrieb vieler vergleichbarer mit identischem und/oder differentem Materi
al beschickten Kulturräumen. Die erfindungsgemäße Zellkulturvorrichtung ermöglicht ers
tens, dass diejenigen Zell- und Gewebeverbände, die unter physiologischen Bedingungen vo
latilen und semivolatilen Schadstoffen ausgesetzt sind (vorzugsweise Blatt, Stiel, Blüte bei
der Pflanze und Haut, Lunge, Schleimhäute, Augen bei Säugern, sowie exponierte Insektenzellgewebe),
und zweitens, dass diejenigen Zell- und Gewebeverbände, die unter pathologi
schen Bedingungen volatilen und semivolatilen Schadstoffen ausgesetzt sind (vorzugsweise
immunkompetente Gewebe, Drüsengewebe, Nervengewebe, Muskelgewebe, Knorpelgewebe,
Bindegewebe, pathologisch veränderte Hautschichten bei Säugern), direkt bzw. durch Schad
stoff-durchlässige Membranen mit den realen Expositionen in Zusammensetzung, Art und
Konzentration angepassten volatilen und semivolatilen Schadstoffen beaufschlagt werden
können. Spezielle mikrobiologische Suspensionen können des weiteren als diskrete Nach
weisreagenzien für Gentoxizität und Mutagenität genutzt werden. Die erfindungsgemäße
Zellkulturvorrichtung ermöglicht mit Mess- und Regeltechnik das Biomonitoring von volati
len und semivolatilen Schadstoffen, vorzugsweise Emissionen und Immissionen (wie z. B.
industrielle, städtische sowie durch den Straßenverkehr, die Abfallentsorgung oder die Land
wirtschaft bedingte Emissionen und Immissionen). Des weiteren ist das Biomonitoring der
Innenraumbelastung durch volatile und semivolatile Schadstoffe möglich.
Die Erfindung soll anhand von Ausführungsbeispielen näher erläutert werden.
Ausführungsbeispiele
1. Vorrichtung (siehe Fig. 1)
Die Vorrichtung besteht aus:
- - einer Vorrichtung, welche die Mischung von gasförmigen, volatilen und semivolatilen
Schadstoffen erlaubt und die unter Rückhalt infektiöser Erreger exakt in den physiologischen
Gasstrom des Schadstoffsensormoduls dosiert (NR1)
- - einem Schadstoffsensormodul (NR2a, 2b und 3), der die gleichmäßige typische Beaufschla
gung eines organtypischen Zell- und Gewebeverbandes mit beliebigen Gemischen gasförmi
ger, volatiler und semivolatiler Schadstoffe über einen Gasraum (2a) erlaubt. Der Gaseintrag
in das Gewebe wird direkt oder über Barrieren (NR3), vorzugsweise über polymere Membra
nen, deren Übertragungsfähigkeit bezüglich der Schadstoffe bekannt sind, durchgeführt. Der
mit Zellen besiedelte Kulturraum (NR2b) dieses Moduls wird dergestalt versorgt, dass eine
organtypische Kultur des jeweiligen Zell- und Gewebeverbandes gewährleistet ist. Das
Schadstoffsensormodul besteht aus einer Stoffwechselmikrosensorik (NR4), vorzugsweise
einem NADH-Laser
- - einer Medienvorlage, welche die sterile Versorgung der organtypischen Zellkulturen erlaubt.
2. Anordnung
Die Schadstoffsensormodule können erfindungsgemäß in größerer Zahl in Reihe
und/oder parallel geschaltet werden. Des weiteren kann in der Vorrichtung bei Beaufschla
gung der Module mit mehreren separaten Schadstoffgemischen eine einheitliche Medienvor
lage genutzt werden (Fig. 2), oder bei Vorlage eines gemeinsamen Schadstoffgemisches kön
nen die Module mit unterschiedlichen Medienvorlagen betrieben werden (Fig. 3). Diese Vari
ationen der Anordnung dienen einerseits der simultanen Testung verschiedenster Schadstoffe
und deren Gemische an vergleichbaren einheitlichen Gewebeverbänden bzw. der Testung der
Wirkungen eines Schadstoffgemisches auf unterschiedliche Zell- und Gewebeverbände. An
dererseits ist bei einem Schadstoff-Monitoring, beispielsweise von Emissionen, nach Mes
sung erster toxischer Effekte ein Umschalten auf ein parallel betriebenes Schadstoffsensor
modul möglich. Die Überwachung mit dem Mikrosensor (NR4) erlaubt außerdem ein automa
tisches Umleiten des Schadstoffgemischen auf ein neues Modul in Abhängigkeit von der Re
generationsfähigkeit des jeweils eingesetzten Zell- und Gewebeverbandes.
Beispiel 1
Ein Schadstoffsensormodul wurde im Zellkulturraum mit einem von der Lungen
karzinomzell-Linie NCl-H322 abgeleiteten Zell- und Gewebeverband in einer Dichte von 1,6
× 10E8 Zellen pro Milliliter Kulturraum beschickt und über 24 Stunden an die Systemkompo
nenten adaptiert, wobei das Gewebe physiologisch begast wurde. Danach wurde zusätzlich
mit der Versorgung des Systems mit Kulturmedium begonnen. Über einen Zeitraum von 12
Tagen wurde eine physiologische organtypische Kulturführung mit angepasstem Sauerstoff-
und Nährstoffeintrag durchgeführt. Daraufhin wurde ein NADH-Laser, wie in Fig. 4 darge
stellt, in das Gewebe integriert und ein stabiles Messsignal für den physiologischen Zustand
des Gewebes über etwa 2,5 Stunden registriert. Danach wurde mit der Beaufschlagung eines
Schadstoffgemisches, welches Glutaraldehyd und Glyoxal in unterschiedlichen Konzentratio
nen enthielt, begonnen. Es wurde über weitere 3,5 Stunden ein Abfall der relativen Fluores
zenz bei 337 nm von etwa 170% auf 60% beobachtet (Fig. 5). Die Überprüfung des auf diese
Weise beobachteten Schadstoffeffektes erfolgte durch die Eröffnung des von Zellen besiedelten
Raumes mit anschließender Lebendzellbestimmung im Trypanblau-Ausschlussverfahren
nach einem weiteren Tag. Alle Zellen im Schadstoffsensor waren zu dieser Zeit abgestorben.
Beispiel 2
Der Ansatz wurde wie in Beispiel 1 durchgeführt. Nach drei Tagen konstanter
Kulturführung wurde die Sensorintegration vorgenommen und nach Registratur eines stabilen
Signals nach zwei Stunden für 5 Minuten das gleiche Schadstoffgemisch wie in Beispiel 1
unter denselben Bedingungen beaufschlagt. Danach wurde die Schadstoffzufuhr abgebrochen
und die Kultur unter den üblichen physiologischen Bedingungen einen weiteren Tag geführt.
Nach Eröffnung des von Zellen besiedelten Raumes konnte die komplette Vitalität des Gewe
bes registriert werden. Damit wurde eine Reversibilität der Effekte bei frühzeitigem Abbruch
belegt. Ausschlaggebend ist hier aber die hochsensitive Detektion des Effektes in dem Zell-
und Gewebeverband mittels Sensortechnik.