DE19654623A1 - Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen - Google Patents

Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen

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DE19654623A1
DE19654623A1 DE19654623A DE19654623A DE19654623A1 DE 19654623 A1 DE19654623 A1 DE 19654623A1 DE 19654623 A DE19654623 A DE 19654623A DE 19654623 A DE19654623 A DE 19654623A DE 19654623 A1 DE19654623 A1 DE 19654623A1
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rodent
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Natalya Bobkova
Chica Schaller
H C Inna V Nesterova
Vasilii V Kuvichkin
Garik Tiras
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SCHALLER H CHICA PROF
BOBKOVA NATALJA
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SCHALLER H CHICA PROF
BOBKOVA NATALJA
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    • A61K38/08Peptides having 5 to 11 amino acids

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Description

Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur Ermittlung von Substanzen, die zur Behandlung neurodegenerativer Erkrankun­ gen geeignet sind. Ferner betrifft die Erfindung die Verwendung spezieller Peptid-Verbindungen zur Herstellung eines Arzneimit­ tels zur Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen. Gemäß einer besonderen Ausführungsform der Erfindung handelt es sich bei der neurodegenerativen Erkrankung um Alzheimer.
Neurodegenerative Erkrankungen
Bei neurodegenerativen Erkrankungen handelt es sich um Erkran­ kungen des zentralen Nervensystems, bei denen Zellpopulationen in definierten Regionen des Gehirns zugrunde gehen. Diese Gruppe von Erkrankungen umfaßt Krankheiten wie M. Alzheimer, M. Parkin­ son, M. Huntington und generell Nervendegenerationen, die als Folge von Nerverschädigungen durch Drogen, Viren, Neurotoxen, Ischemie usw. auftreten.
Alzheimer Demenz
Die Alzheimer Demenz (AD) ist die häufigste degenerative Erkran­ kung des zentralen Nervensystems. Mit steigender Altersstruktur der Bevölkerung hat die Zahl der AD Patienten enorm zugenommen.
Bisher gibt es kein wirksames Medikament, um die fortschreitende Degeneration zu verhindern (J. Marx, Science 273 (1996) 50-53).
Als klinische Symptome, die AD von anderen neurodegenerativen Erkrankungen unterscheidet, sind anzuführen:
  • 1) zunehmende Demenz, mit besonderer Ausprägung der Des­ orientiertheit (Ortsgedächtnis, "spatial memory"),
  • 2) motorische Unruhe/Überaktivität ("agitation"),
  • 3) Affektlabilität,
  • 4) Depression,
  • 5) zunehmende Anosmie, ein weniger oft zitiertes Symptom (H. Ferreyra-Moyano, E. Barragan, Int. J. Neurosci. 49 (1989) 157-197).
Neuropathologisch ist AD durch folgende Merkmale charakterisiert (B.A. Yankner, Neuron 16 (1996) 921-932):
  • 1) Schrumpfung und Verlust neuronaler Zellen, besonders stark im Hippokampus und im Kortex,
  • 2) progressive Degeneration von Nerven in assoziierten Hirnregionen,
  • 3) Auftreten von Amyloidplaques und Neurofibrillen-Bündeln in diesen Regionen und
  • 4) Astrogliose.
Molekular wurden folgende Gene als bei AD beteiligt definiert (B.A. Yankner, a.a.O.):
  • 1) Als wichtiges Molekül gilt das Amyloidvorläuferprotein APP, dessen "falsche" Prozessierung einerseits zum 4 kDa großen β-Amyloid (Aβ) als am meisten wahrscheinlichen Auslöser der Amyloidplaques und andererseits zur Deple­ tierung von normal sekretiertem APP führt, das als Ner­ venwachstumsfaktor eine wichtige Funktion bei Nervenre­ generation und Stabilisierung von Axonen hat.
  • 2) AD tritt früher auf bei Patienten, die homozygot das Allel für Apolipoprotein E4 (Apo E4) haben.
  • 3) Zwei neu entdeckte Siebentransmembranrezeptoren, die Preseniline S182 und STM2, scheinen sehr wichtig für AD zu sein, weil Mutationen in den entsprechenden Genen zum frühen Auftreten der AD führt.
  • 4) Neurofibrilläre Bündel enthalten ein Tubulin assoziier­ tes Protein (tau) in einer hyperphosphorylierten Form. Welche Kinase dabei beteiligt ist und ob sie von Apoli­ poprotein E (Apo E) oder Aβ aktiviert wird und welche Rolle die Preseniline spielen, ist unklar.
In Deutschland erkranken jährlich etwa 800.000 Menschen an Alz­ heimer. Wirksame Medikamente zur Vorbeugung oder Behandlung von Alzheimer sind bislang nicht bekannt.
Therapeutische Ansätze zur Behandlung von AD
Bei AD kommt es zur Degeneration verschiedener Neurone, darunter auch cholinerger. Das Fehlen des Transmitters Acetylcholin kann durch Hemmung des abbauenden Enzyms Acetylcholinesterase, z. B. durch den Wirkstoff Tacrin enthalten in Cognex® (Fa. Parke- Davis) und durch Aricept®, (Fa. Eisai, Japan; lizenziert an Fa. Pfizer, U.S.A.), teilweise ersetzt werden. Zumindest ist eine Verbesserung des Gedächtnisses nachweisbar (L.M. Bierer et al., J. Neurochem. 64 (1995) 749-760; A. Ahlin et al., Int. Clin. Psychopharm. 9 (1994) 263-270).
Ähnliche Ansätze sind für andere Transmitter, deren Neurone bei AD degenerieren, mehr oder weniger erfolgreich angewandt worden. Zusätzlich wird versucht, mit entzündungshemmenden Antioxidan­ tien und Steroidhormon enthaltenden Agenzien die AD-Progression aufzuhalten (J. Marx, a.a.O.; E. Ruether et al., Proc. Nat. Acad. Sci. 89 (1992) 4668-4672). Bei diesen Ansätzen werden Symptome behandelt, ohne die Ursache der Degeneration zu besei­ tigen.
Als besonders vielversprechend zur Prävention der Neurodegenera­ tion und zur Stimulierung der Regeneration werden neuroprotekti­ ve Agenzien verwendet (L. Ohson et al., J. Neurol. 242 (1994), Suppl., 12-15). Das schließt auch die sekretierte Form des APP ein (M.P. Mattson, Exp. Neurol. 129 (1994) 112-119). Besser untersucht ist, daß der Nervenwachstumsfaktor NGF, Neurodegene­ ration und Fortschreiten der AD verhindern kann. Da NGF die Blut-Hirn-Schranke nicht passiert, wird versucht, niedermoleku­ lare NGF-Mimicks für den NGF-Rezeptor zu entwickeln. In Kombina­ tion mit Proteaseinhibitoren, die die "falsche" Prozessierung des APP zu Aβ verhindern sollen, wäre eine Therapie denkbar.
Tiermodelle für AD
Die Schwierigkeit bei der Suche nach potentiellen Wirkstoffen besteht darin, daß es bislang kein (Tier-)Modell gibt, das die klinische und neuropathologische Symptomatik beim Menschen wi­ derspiegelt und eine systematische Suche nach und Testung von Stoffen gestattet.
Frühere transgene Mausmodelle mit APP zeigten entweder keine Amyloidplaques oder keine pathologischen Veränderungen des Ver­ haltens (B.A. Yankner, a.a.O.).
Versuche, AD durch chemische Mißhandlung oder Operation zu er­ zeugen, mimickten jeweils Teile der AD (vgl. z. B. R.G. Wiley et al., J. Neurol. Sci. 128 (1995) 157-166; A. Nitto et al., Neu­ rosci. Lett. 170 (1994) 63-66; W. Wallace et al., Beh. Brain Res. 57 (1993) 196-206).
Das bisher beste Modell für AD ist eine transgene Maus, die ein menschliches, mutiertes APP Gen überexprimiert (D. Games et al., Nature 373 (1996) 523-531). Zur Erzeugung dieser Maus wurde ein Konstrukt benutzt, das genomische Anteile des humanen APP Gens enthält, zusätzlich die Mutation 717 Val → Phe, die zu fami­ liärem AD führt, und als Kontrollelement den Promotor von PDGF, einem Wachstumsfaktor, der starke Expression in Neuronen zeigt. Diese transgene Maus entwickelt Amyloidplaques in Kortex, Hippo­ kampus und Korpus callosum. Außerdem wurde im Kortex ein diffu­ ser Verlust von Synapsen und Dendriten beobachtet. Die Amyloid­ plaques waren von Astroglia umgeben, was als Anzeichen für Zell­ degeneration gewertet wurde. Neurofibrilläre Bündel wurden je­ doch nicht gefunden. Die Maus zeigte ferner keine Verhaltens­ störungen und keinen Gedächtnisverlust.
Bisher gibt es jedoch kein Tiermodell, das das ganze pathologi­ sche Spektrum der AD beim Menschen widerspiegelt.
Aufgabe der vorliegenden Anmeldung ist es daher, ein (Tier-)Mo­ dell zur Verfügung zu stellen, das die klinischen und neuropa­ thologischen Symptome neurodegenerativer Erkrankungen, insbeson­ dere der AD, beim Menschen repräsentiert und somit die Entwick­ lung von Arzneimitteln zur Behandlung und/oder Prävention dieser Krankheiten ermöglicht. Insbesondere soll ein Verfahren zur Bestimmung der potentiellen Wirksamkeit von Substanzen zur pro­ phylaktischen und/oder therapeutischen Behandlung neurodegenera­ tiver Erkrankungen, insbesondere Alzheimer, zur Verfügung ge­ stellt werden. Aufgabe ist es ferner, eine Substanz bereitzu­ stellen, die zur Herstellung eines Arzneimittels zur prophyl­ aktischen und/oder therapeutischen Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen, insbesondere Alzheimer, verwendet werden kann.
Die Aufgaben wurden erfindungsgemäß durch das in den Beispielen dargestellte Tiermodell gelöst. Insbesondere wird zur Lösung einer der Aufgaben ein Verfahren zur Bestimmung der potentiellen Wirksamkeit von Substanzen zur prophylaktischen und/oder thera­ peutischen Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen vorge­ schlagen, das dadurch gekennzeichnet ist, daß man folgende Schritte durchführt:
  • a) Durchführung eines Tests zur Überprüfung des räumlichen Orientierungsvermögens bei einem ersten Nager,
  • b) chirurgischer Eingriff bei dem Nager, bei dem der Buibus Olfactorius entfernt wird,
  • c) (per-)orale Applikation der Substanz,
  • d) Durchführung mehrerer zeitlich aufeinanderfolgender Tests zur Überprüfung des räumlichen Orientierungsver­ mögens des operierten Nagers,
  • e) Durchführung der Schritte a), b) und d) bei einem zwei­ ten Nager,
  • f) Durchführung der Schritte a), b) und d) bei einem drit­ ten Nager, bei dem der unter b) genannte chirurgische Eingriff ohne Entfernung des Buibus Olfactorius durch­ geführt wird,
  • g) Vergleich der beim ersten, zweiten und dritten Nager beobachteten Ergebnisse der Schritte a) und d),
  • h) Vergleich der bei Schritt d) beobachteten Ergebnisse des ersten und zweiten Nagers,
  • i) Vergleich der bei Schritt d) beobachteten Ergebnisse des ersten und dritten Nagers,
  • j) Tötung des ersten, zweiten und dritten Nagers und Präpa­ ration des Gehirns,
  • k) Vergleich des in Stufe j) präparierten Gehirns des er­ sten Nagers mit einem präparierten Gehirn des zweiten Nagers, und
  • l) Vergleich des in Stufe j) präparierten Gehirns des er­ sten Nagers mit einem präparierten Gehirn des dritten Nagers,
    wobei die unter g), h), i), k), und l) ermittelten Ver­ gleichsbefunde Hinweise auf die Eignung der Substanz als Wirk­ stoff zur prophylaktischen und/oder therapeutischen Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen liefern,
    wobei die Substanz zur prophylaktischen und/oder therapeuti­ schen Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen als besonders geeignet eingestuft wird, wenn die Befunde ersten Nagers den Befunden des zweiten Nagers ähneln,
    und wobei die Substanz zur prophylaktischen und/oder therapeu­ tischen Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen als ungeeig­ net eingestuft wird, wenn die Befunde ersten Nagers den Befun­ den des dritten Nagers ähneln.
Das beschriebene Mausmodell dient neben AD zur Erforschung von neurodegenerativen Erkrankungen, bei denen die Zellpopulationen in den beschriebenen Regionen betroffen sind. Zu diesen Erkran­ kungen zählen neben M. Parkinson, M. Huntington und generell Nervendegenerationen, die als Folge von Nerverschädigungen durch Drogen, Viren, Neurotoxen, Ischemie usw. auftreten.
Erfindungsgemäß werden vorzugsweise Ratten oder Mäuse als Ver­ suchstiere verwendet.
Bulbektomie als Auslöser für Depression
Der Bulbus Olfactorius (Riechkolben) ist die erste Schaltstelle im Gehirn für die Riechnerven. Im Stand der Technik wurde durch die Elimination des Bulbus Olfactorius bei Ratte und Maus De­ pression ausgelöst (P. Willner, Psychopharm 83 (1984) 1-16; C. Broekkamp et al. Pharmacol Biochem. Behav. 13 (1980) 643-646; N.V. Bobkova et al., Physiol. Behav. 52 (1992) 441-444). Mit diesem Tiermodell wurde die Wirkung von Antidepressiva ausgete­ stet (N.V. Bobkova et al., Pharm. Biochem. Behav. 45 (1993) 65-70). Man fand ferner heraus, daß bei der bulbektomierten Maus, d. h. bei der der Bulbus Olfactorius chirurgisch entfernt worden war, komplexe Abweichungen vom Normalverhalten zu beobachten waren, nämlich gesteigerte motorische Aktivität, Reizbarkeit und Verschlechterung des aktiven und passiven Lernens aversiver Reize (N.V. Bobkova et al. (1992), a.a.O.).
Im Rahmen der vorliegenden Erfindung wurde überraschenderweise festgestellt, daß mit den o.g., durch Bulbektomie ausgelösten pathologischen Folgen auch eine zunehmende Neurodegeneration in verschiedenen Hirnregionen, vor allem dem Nucleus Raphe Dorsa­ lis, einhergeht.
Bulbektomie als Auslöser für AD
Erfindungsgemäß wurde die Bulbektomie an der Maus durchgeführt, um erstmals ein pathogenetisches Mausmodell für die Entwicklung der Alzheimer Demenz zur Verfügung zu stellen.
Es wurde überraschenderweise gefunden, daß bulbektomierte Mäuse eine Beeinträchtigung des Gedächtnisses zeigen, was sich bei den im Rahmen der vorliegenden Erfindung durchgeführten Tests beson­ ders auffällig durch den Verlust des Orientierungsvermögens (spatial memory) darstellte. Die Versuchstiere wurden dabei einem Test unterzogen, bei dem sie darauf trainiert wurden, in einem rechteckigen Bassin, das mit einer Mischung aus Wasser und Milch gefüllt ist, zu erinnern, in welchem von vier Quadranten eine Plattform unter der Oberfläche verborgen ist, die sie vor dem Ertrinken rettet.
Im Rahmen der vorliegenden Erfindung wurde überraschenderweise anhand von Hirnpräparationen von in unterschiedlichem zeitlichen Abstand zur operativen Entfernung des Buibus Olfactorius getöte­ ten Tieren ferner festgestellt, daß die Versuchstiere neben den genannten klinischen auch die beim Menschen im Zusammenhang mit AD beobachteten neuropathologischen Symptome entwickeln.
Eine Degeneration von Neuronen wurde bei den erfindungsgemäß durchgeführten Untersuchungen nicht nur im Nucleus Raphe Dorsa­ lis, sondern verstärkt auch im Temporalen Kortex und im Hippo­ kampus gefunden. Amyloidähnliche Plaques waren stark im Tempora­ len Kortex und im Hippokampus zu beobachten. Bei den im Rahmen der vorliegenden Erfindung durchgeführten Untersuchungen wurde in Extrakten aus Temporalem Kortex und Hippokampus ein 4 kDa großes β-Amyloid-ähnliches Protein in gegenüber scheinoperierten Kontrollmäusen (d. h., bei denen ein vergleichbarer chirurgischer Eingriff ohne Entfernung des Buibus Olfactorius vorgenommen wur­ de) erhöhten Konzentrationen gefunden.
Mit dem oben genannten Verfahren wurde erstmals ein Tiermodell entwickelt, das das ganze pathologische Spektrum der AD beim Menschen widerspiegelt. Ein solches Modell wurde zur Ermittlung von Arzneimitteln zur prophylaktischen und/oder therapeutischen Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen, insbesondere Alz­ heimer, bislang nicht zur Verfügung gestellt.
Die weitere Aufgabe der Erfindung, die Ermittlung einer Substanz, die zur Herstellung eines Arzneimittels zur prophyl­ aktischen und/oder therapeutischen Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen, insbesondere Alzheimer, dient, wurde mit Hilfe des oben genannten Verfahrens gelöst. Überraschenderweise wurde gefunden, daß das Undecapeptid der Formel
pGlu-Pro-Pro-Gly-Gly-Ser-Lys-Val-Ile-Leu-Phe (I)
(im folgenden schlicht "Undecapeptid" genannt) mit Pyroglutamin­ säure an Position 1 einen neuroprotektiven bzw. einen im Hin­ blick auf die Neurodegeneration therapeutischen Effekt aufwies.
Das Undecapeptid ist ist ein phylogenetisch sehr stark konser­ viertes Peptid, das seine Struktur von Hydra bis Mensch in iden­ tischer Aminosäuresequenz bewahrt hat. Als Funktion während der Entwicklung wirkt das Undecapeptid als Wachstumsfaktor für neu­ ronale Vorstufenzellen und für neuroendokrine Zellen. Es stimu­ liert die Zellteilung im G2-Mitose-Übergang. Eine dem Nerve Growth Factor (NGF) ähnliche Wirkung auf das Auswachsen von Axo­ nen wurde beobachtet (H.C. Schaller et al., Int. J. Dev. Biol. 40 (1996) 339-344; S. Niemann et al., Neurosci. Lett. 207 (1996) 49-52; S. Kajiwara, Acta Endocrinologica 113 (1986) 604-608; T.T. Quach et al., Dev. Brain Res. 68 (1992) 97-102).
Das Peptid pGlu-Pro-Pro-Gly-Gly-Ser-Lys-Val-Ile-Leu-Phe kann entsprechend EP-A-0 064 302 isoliert bzw. hergestellt werden.
Es zeigte sich, daß sich bulbektomierte Mäuse, bei denen nach 4 Tagen das Undecapeptid verabreicht wurde, bereits nach kurzer Zeit wie scheinoperierte Mäuse, d. h. bei denen der Buibus Olfac­ torius nicht entfernt worden war, verhielten und sich das Orien­ tierungsvermögen wiederherstellte oder nie verloren ging. Wenn man das Undecapeptid erst 15 Tage nach Bulbektomie applizierte, war das räumliche Lernen stark beeinträchtigt, und es wurde in keinem untersuchten Fall die Wiederherstellung des Normalzustan­ des vor Bulbektomie erreicht. D.h., bei früher Applikation des Undecapeptids läßt sich der Gedächtnisverlust verhindern, während bei Applikation der Substanz erst längere Zeit nach Bulbektomie nur eine geringfügige Verbesserung des Gedächtnisses erreicht wird. Das Entstehen Amyloid-ähnlicher Plaques wird bei Applikation von HA nach 4 Tagen stark reduziert, nach 15 Tagen hingegen kaum noch. Ebenso wird bei der 4 Tage-Prozedur kein Anstieg des 4 kDa β-Amyloid-ähnlichen Peptids gefunden. Das Undecapeptid kann somit die Ausprägung der durch Bulbektomie verursachten AD-ähnlichen Schädigungen verhindern.
Die im Rahmen der vorliegenden Erfindung erhaltenen Ergebnisse lassen darauf schließen, daß das genannte Undecapeptid ferner eine gegenüber neurodegenerativen Erkrankungen bzw. AD prophy­ laktische Wirkung besitzt, da die Wiederherstellung des Orien­ tierungsvermögens sowie die Verbesserung des morphologischen Bildes des Gehirns entscheidend davon abhing, in welchem zeitlichen Abstand nach Entfernung des Bulbus Olfactorius das Undecapeptid verabreicht wurde.
Durch die allgemeine neuroprotektive und neuro-regenerierende (therapeutische) Wirkung ist das Undecapeptid oder eine der im folgenden erwähnten Verbindungen in bevorzugter Weise zur pro­ phylaktischen und/oder therapeutischen Behandlung zahlreicher neurodegenerativer Erkrankungen geeignet, wie z. B. M. Alzheimer, M. Parkinson, M. Huntington und generell Nervendegenerationen, die als Folge von Nerverschädigungen durch Drogen, Viren, Neuro­ toxen, Ischemie usw. auftreten.
Neben dem Undecapeptid der Formel (I) dienen auch dessen pharma­ zeutisch wirksame Fragmente, dessen pharmazeutisch wirksame Derivate oder die Sequenz (I) ganz oder teilweise umfassende Peptide zur Herstellung eines Arzneimittels zur prophylaktischen und/oder therapeutischen Behandlung neurodegenerativer Erkran­ kungen.
Ferner sind im Rahmen der vorliegenden Erfindung Aminosäure- Substitutionen an einzelnen oder mehreren Positionen der Peptid­ kette mitumfaßt, die die biologische Aktivität des Peptids oder eines Fragments desselben nicht oder nur wenig beeinflussen. Es können im Peptid D- und/oder L-Aminosäuren vorliegen, wobei die L-Konfiguration erfindungsgemäß bevorzugt ist, da eine wesent­ lich höhere Aktivität erzielt werden kann. Es hat konnte ferner gezeigt werden, daß bei der Substitution von Lysin durch Arginin an Position 7 der Peptidkette oder durch chemische Veränderung der Lysin-Seitenkette (Lysin an Position 7), beispielsweise durch Succinylierung, Maleylierung oder durch Einführung anderer Gruppen, Derivate mit sehr hoher biologischer Aktivität herstel­ len lassen. Die Veränderung des Lysins an Position 7 der Peptid­ kette schließt ferner die Verknüpfung zweier Peptide der Formel (I) bzw. zweier Fragmente oder Derivate der Sequenz (I) wie oben angegeben ein.
Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform der Erfindung wird an­ stelle des Undecapeptids ein Derivat eingesetzt, bei dem zwei Undecapeptid-Ketten mit Disuccinimidylsuberat über die ε-Amino­ gruppe des Lysins verknüpft sind. Diese Verbindung ist wie von K.H. Neubauer et al. beschrieben (Mech. Dev. 33 (1991) 39-48) erhältlich.
Die oben genannten Verbindungen, die sich überraschenderweise insbesondere dadurch auszeichnen, daß sie die Blut-Hirn-Schranke passieren, können mit üblichen pharmazeutisch verträglichen Hilfs- und Trägerstoffen zu Arzneimitteln formuliert werden. In diesem Zusammenhang ist es ferner möglich, die genannten Ver­ bindungen mit Apo E und/oder APP zu kombinieren.
Ein im Rahmen der vorliegenden Erfindung hergestelltes Arznei­ mittel zur prophylaktischen und/oder therapeutischen Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen, insbesondere Alzheimer, kann entweder zur intravenösen, peroralen oder perenteralen Verabrei­ chung formuliert sein. Die Zubereitung als oral einzunehmende Tabletten oder Kapseln, gegebenenfalls in Form von Depotpräpara­ ten, ist wegen der für den Patienten bequemeren und regelmäßigen (Dauer-)Applikation am meisten bevorzugt. Daneben sind aber auch transdermale Applikationsformen, wie z. B. Wirkstoffpflaster mit Depot-Wirkung, denkbar.
Die vorliegende Erfindung wird nachfolgend anhand von Beispielen erläutert.
Beschreibung der Figuren
Fig. 1 Test auf Orientierung. Die Versuchstiere wurden in 16, 24 und 32 Sitzungen darauf trainiert, im rechteckigen, mit Milch gefüllten Becken eine Plattform zu finden, die sie vor dem Ertrinken rettet. Nach Entfernen der Plattform wurde die Aufenthaltszeit in den vier Quad­ ranten als Maß für das räumliche Erinnerungsvermögen ("spatial memory") bestimmt.
Fig. 2 Degeneration von Neuronen in der CA4-Region des Hippo­ campus fünf Wochen nach Scheinoperation (A, B) und nach Bulbektomie (C, D) in der linken (A, C) und der rechten (B, D) Hirnhälfte.
Fig. 3 Die Degeneration von Neuronen ist in der rechten CA3- Region des Hippocampus (B) stärker als in der linken (A).
Fig. 4 Anstieg an degenerierenden (dunklen) Zellen in der Amygdala von bulbektomierten (C, D) im Vergleich zu scheinoperierten (A, B) Mäusen, fünf Wochen nach der Operation.
Fig. 5 Anhäufung amyloid-ähnlicher Plaques im Hippocampus von bulbektomierten (A, C) Mäusen, weniger Plaques in scheinoperierten (B, D) Mäusen. A und B sind 40x, C und D sind 10x vergrößert.
Fig. 6 A: Chromatographie eines β-Amyloid-ähnlichen 4 kDa Pro­ teins auf einer Superose-12 HPLC (high-performance liquid chromatography)-Säule (10×300 mm). Als Eluens wurde 70%ige Ameisensäure verwendet, die Flußrate betrug 0,2 ml/min.
B: SDS-Gelelektrophorese von Extrakten vor und nach HPLC-Reinigung.
Ergebnisse 1. Assay für das räumliche Erinnerungsvermögen im "Water-Maze- Test"
Im "Water-Maze-Assay" werden Mäuse darauf trainiert, in einem rechteckigen, mit Milch gefüllten Becken zu erinnern, in welchem von vier Quadranten eine Plattform vorhanden ist, die sie vor dem Ertrinken rettet. Nach Entfernung der Plattform wird die Aufenthaltszeit in den vier Quadranten als Maß für das räumliche Erinnerungsvermögen ("spatial memory") ermittelt.
Vor den Lernprozessen besaßen scheinoperierte und bulbektomierte Mäuse keine Bevorzugung für irgendeinen Quadranten. Für jede Art der Behandlung (Bulbektomie, Schein-Operation, keine Operation) wurden 10 Tiere dem Test unterzogen. Bei bis zu 8 Versuchsdurch­ führungen zeigten scheinoperierte und bulbektomierte Mäuse keine signifikanten Unterschiede. Fig. 1 zeigt, daß die scheinope­ rierten Mäuse nach 16 Versuchen diejenigen Quadranten bevorzug­ ten, in denen während der Lernstufen die versteckte Plattform lokalisiert war. Auf der anderen Seite zeigten bulbektomierte Mäuse keine Bevorzugung für irgendeinen Quadranten. Bulbekto­ mierte Mäuse, die ab dem 4. Tag nach der Operation mit dem Unde­ capeptid behandelt wurden, verhielten sich wie scheinoperierte Kontroll-Mäuse, d. h. es schien eine normale Wiederherstellung des räumlichen Lernvermögens einzutreten. Wenn man bulbektomier­ te Mäuse erst 15 Tage nach der Operation mit dem Undecapeptid behandelte, verschlechterte sich trotzdem das räumliche Lernen. Diese Mäuse benötigten mehr Versuche (24 Versuche), bevor sie sich besser als unbehandelte, bulbektomierte Mäuse verhielten, und sie erreichten in keinem Fall das normale Niveau von Kon­ troll-Mäusen (vgl. Fig. 1).
2. Feldversuch
Beim Vergleich der Anzahl der durchquerten Sektoren zeigten sich zwischen scheinoperierten (SO) und bulbektomierten (BE) Mäusen signifikante Unterschiede. Die scheinoperierten Mäuse durchquer­ ten die Sektoren weniger häufig (42,5 ± 13,48 Sektoren pro Minu­ te) als bulbektomierte Mäuse (79,1 ± 21,1 Sektoren pro Minute). Bulbektomierte Mäuse erkundeten weniger häufig als schein­ operierte Mäuse Bodenvertiefungen, und sie zeigten eine ver­ stärkte Tendenz zum Aufrichten. Im Hinblick auf die Häufigkeit von Eintritten in das Zentrum des offenen Feldes sowie im psy­ chotischen Verhaltenstest beim Klettertest zeigten scheinope­ rierte und bulbektomierte Mäuse keinerlei Unterschiede.
3. Neuronale Degeneration
Von allen Gehirnbereichen wurden Schnitte präpariert und auf den Verlust von Neuronen untersucht. Es zeigte sich bei Untersuchun­ gen 5 Wochen nach der Operation, daß die Bulbektomie Auswirkun­ gen auf verschiedene Hirnbereiche hatte. Wie bereits früher beobachtet (Gurevich et al., Pharmacol. Biochem. Beh. 45 (1993) 65-70) zeigte der Nucleus raphe dorsalis eine verstärkte neuronale Degeneration. Die schwersten Schädigungen wurden im Hippokampus, im temporalen Cortex und der Amygdala beobachtet. In diesen Bereichen war sowohl die Zahl der Neuronen als auch die Morphologie der Neuronen reduziert. Die rechte Hemisphäre war schwerer betroffen als die linke Hemisphäre. In Fig. 2 sind Schnitte der Hippokampus-Bereiche CA4 von scheinoperierten und bulbektomierten Mäusen gegenübergestellt. Fig. 3 zeigt im Ver­ gleich CA3-Schnitte der rechten und linken Hemisphäre bulbek­ tomierter Mäuse, und Fig. 4 Schnitte der rechten und linken Amygdala. Die dunkel gefärbten, sterbenden Zellen treten rechts in größerer Häufigkeit auf als links. Im folgenden werden in Tabelle 1 quantitative Daten dargestellt. In den entsprechenden Hirnregionen wurden 1000 Zellen pro Bereich gezählt.
Tabelle 1
Destruktive Veränderungen der Neuronen des Hippokam­ pus (CA3-CA4) und des Temporalen Cortex (Pars temporalis), die 5 Wochen nach Bulbektomie bzw. nach Scheinoperation beobachtet wurden. 1000 Zellen jeder Struktur (Gruppe) in der rechten und linken Seite sowie 1000 Neuronen in diesen Strukturen in der linken Seite eines Tiers wurden analysiert (4000 Zellen pro Tier). Die Verteilung cytolytischer (C), karyolytischer (K), pycnotischer (P), vacuolisierter (V) und normaler (N) Zellen ist in Prozent bezogen auf die Gesamtzahl der gezählten Zellen ange­ geben. (SO = scheinoperiert, BE = bulbektomiert, BE+HA4 bzw. BE+HA15 = Verabreichung des Undecapeptids 4 bzw. 15 Tage nach Bulbektomie).
Alzheimer-ähnliche Histopathologie
Hirn-Schnitte scheinoperierter und bulbektomierter Mäuse mit und ohne Undecapeptid-Behandlung nach 4 bzw. 15 Tagen nach Operation wurden mit Thioflavin S angefärbt und mit ultraviolettem Licht unter Verwendung eines Filtersystems mit einer maximalen Wellen­ länge von 440 nm sichtbar gemacht. Hirn-Schnitte des temporalen Cortex wurden erhalten, und es wurde die Anzahl fluoreszierender Ablagerungen in jeweils 10 Feldern pro Tier bestimmt (Tabelle 2). Es wurde festgestellt, daß die Häufigkeit fluoreszierender Ablagerungen bei bulbektomierten Mäusen im Vergleich zu der Gruppe scheinoperierter Mäuse anstieg, während die Häufigkeit bei bulbektomierten Mäusen, die ab dem 4. Tag nach Operation mit dem Undecapeptid behandelt wurden, sank. Die Abnahme der fluo­ reszierenden Ablagerungen wurde bei bulbektomierten Mäusen, die erst ab dem 15. postoperativen Tag mit dem Undecapeptid behan­ delt wurden, nicht beobachtet.
Amyloid-ähnliche Ablagerungen im Hippokampus und im temporalen Cortex
Amyloid-ähnliche Ablagerungen im Hippokampus und im temporalen Cortex
Fig. 5 zeigt solche fluoreszierenden Ablagerungen, die mit Thioflavin S angefärbt wurden. Die feine Hintergrund-Fluoreszenz stellt autofluoreszierende Lipofuscin-Granula dar (40-fache Ver­ größerung).
Die biochemische Analyse eines Ameisensäure-Extrakts des tempo­ ralen Cortex und des Hippocampus mittels HPLC (high performance liquid chromatography) und Elektroporese (Fig. 6) zeigte das Vorliegen eines Amyloid-ähnlichen Peptids mit einem Molekularge­ wicht von 4 kDa. Dieses Peptid trat bei bulbektomierten Mäusen 20-fach häufiger auf als bei scheinoperierten Mäusen. Bei Mäu­ sen, die ab dem vierten Tag nach Bulbektomie mit dem Undecapep­ tid behandelt wurden, lag das 4 kDa-Peptid in mit scheinoperier­ ten Kontrollmäusen vergleichbaren Mengen vor.
Methoden 1. Tiere
Es wurden männliche NMRI-Mäuse verwendet, die zum Zeitpunkt der Operation 20 bis 25 g wogen (etwa 2 Monate alt). Alle Tiere wurden bei einer Umgebungstemperatur von 22 ± 1°C gehalten und einem 12-12h Licht-Dunkel-Zyklus unterworfen. Pro Käfig wurden 5 Tiere gehalten, die Nahrung und Wasser nach Belieben erhiel­ ten. Bei jedem Experiment wurden 7 Gruppen von 8-12 Mäusen ge­ bildet, die Tiere mit unterschiedlichen Behandlungen enthielten. Somit enthielt eine Gruppe bulbektomierte (BE) oder scheinope­ rierte (SO) Mäuse, oder bulbektomierte Mäuse, die beginnend mit dem 4. und 15. Tag nach Operation mit dem Undecapeptid behandelt wurden. Der Vergleich zwischen diesen Gruppen wurde 5 Wochen nach Bulbektomie durchgeführt, wobei dem unten dargestellten Muster gefolgt wurde.
Die Untersuchung des Verhaltens begann mit dem Feldversuch, dem die Untersuchung der psychotischen Aktivität folgte, und schließlich wurde das Lernvermögen mit Hilfe des "Water-Maze- Assays" untersucht.
2. Chirurgischer Eingriff
Die Mäuse wurden mit 0,2 bis 0,4 ml einer 100 mg/ml Ketamin- Lösung betäubt. Es erfolgte ein Einschnitt in die über dem Schä­ del liegenden Haut, und durch die frontale Naht wurde ein Loch von 2 mm Durchmesser in den Schädel gebohrt. Durch leichte Aspi­ ration wurden die Riechkolben (Bulbus olfactorius) durch das Loch entfernt. Die entstehende Vertiefung wurde mit einem hämo­ statischen Schwamm gefüllt. Die scheinoperierten Mäuse wurden genauso behandelt, wobei die Kolben jedoch nicht entfernt wur­ den.
Nach Abschluß der Verhaltensexperimente wurden die Mäuse dekapi­ tiert, und die Ergebnisse der Bulbektomie wurden visuell unter­ sucht. Ergebnisse von Tieren, bei denen die Kolben unvollständig entfernt worden waren, oder die eine Schädigung des frontalen Cortex aufwiesen, wurden nicht berücksichtigt.
3. Undecapeptid-Behandlung
Das Undecapeptid pGlu-Pro-Pro-Gly-Gly-Ser-Lys-Val-Ile-Leu-Phe wurde zur Behandlung der bulbektomierten Tiere in einer Konzen­ tration von 10-8M verwendet. Alle Versuchstiere wurden über einen Zeitraum von 3 Wochen beginnend vom 4. bzw. 15. Tag nach Opera­ tion mit dem Undecapeptid behandelt, indem die Substanz dem Trinkwasser beigefügt wurde.
4. Aktivitäts-Feldversuch
Bei diesem Assay wurde die Maus in einem runden Feld mit einem Durchmesser von 50 cm plaziert, welches von einer 50 cm hohen Metallwand umgeben war. Der weiße Boden wurde in 56 Abschnitte unterteilt. 100 cm oberhalb des offenen Feldes wurde eine 60- Watt-Glühlampe angebracht. Die Messungen wurden durch zwei un­ abhängige, erfahrene menschliche Beobachter durchgeführt, denen die jeweiligen Behandlungsbedingungen der Versuchstiere unbe­ kannt waren. Es wurden die Durchschnittswerte ihrer Beobachtun­ gen aufgenommen. Die Aktivität wurde dadurch bestimmt, daß über einen Zeitraum von 3 Minuten bei Beleuchtung durch die Glühlampe und dann für eine weitere Minute bei ausgeschaltetem Licht die Passagen der Sektoren, die Zahl der Aufrichtungen, die Zahl der Durchquerungen des Zentrums und die Zahl der Erkundungen der Bodenvertiefungen gezählt wurden. Eine Passage wurde gezählt, wenn eine Maus die Linie zwischen Sektoren mit allen vier Pfoten überschritten hatte. Als Aufrichten wurde gezählt, wenn eine Maus beide Vorderpfoten vom Boden abgehoben hatte.
5. Psychotische Aktivität
Die psychotische Aktivität wurde als Häufigkeit des Kletterns ("climbing" frequency) ermittelt. Dabei wurden die Mäuse in einem Käfig (30×20×20 cm) plaziert, und man gestattete ih­ nen, sich für 5 Minuten frei zu orientieren. Einige Tiere ver­ suchten, an der Wand des Käfigs emporzuklettern. Jeweils alle 15 Sekunden wurde das Verhalten kontrolliert, indem folgende Skala verwendet wurde:
Alle 4 Pfoten am Boden = 0;
eine Hinterpfote an der Wand = 1;
zwei Hinterpfoten an der Wand = 2;
drei Pfoten an der Wand = 3;
das gesamte Tier befindet sich mit allen vier Pfoten an der Wand = 4.
Die Gesamtzahl wurde ermittelt und im Hinblick auf die verschie­ denen Gruppen von Mäusen (je nach erfolgter/nicht erfolgter Operation bzw. Undecapeptid-Behandlung) analysiert. Eine signi­ fikante Erhöhung der Kletter-Frequenz wies auf eine psychotische Aktivität hin.
6. Water-Maze-Assay
Der Water-Maze-Test wurde in einem Becken (120×60×35 cm) durchgeführt, das mit Wasser und Milch gefüllt und auf 26°C temperiert war. 0,5 cm unterhalb der Flüssigkeitsoberfläche wurde eine zylindrische Glas-Plattform (Durchmesser 5 cm) ver­ steckt. Das "Labyrinth" (maze) wurde in einem Versuchsraum pla­ ziert, der in der Umgebung viele Orientierungspunkte, wie z. B. Fenster, Tische usw., besaß. Vor dem Training wurden alle Mäuse individuell einmal für jeweils eine Minute in diese Vorrichtung ausgesetzt, um ihr Schwimm-Vermögen zu testen und um spontane Präferenzen der verschiedenen Sektoren im Becken zu ermitteln. Die Mäuse wurden 32 Trainingsversuchen unterzogen, während derer man über einen Zeitraum von maximal 60 Sekunden ihre Fähigkeit bestimmte, die verborgene Plattform zu finden. Jede Maus wurde viermal täglich trainiert. Nach jedem Block von sechs Versuchen wurde nach Entfernen der Plattform über einen Zeitraum von 60 Sekunden das Such-Schema analysiert. Zur endgültigen Analyse wurde die Zeit ermittelt, die die Maus benötigte, den Quadranten zu suchen, in welchem die Plattform ursprünglich verborgen war, wobei dieser Wert mit der Zeit verglichen wurde, die die Maus benötigte, um die anderen Quadranten des "Labyrinths" zu durch­ suchen.
7. Biochemische Assays
Etwa 400-500 mg Neocortex und Hippokampus wurden von der dar­ unterliegenden weißen Substanz präpariert, fein zerschnitten und in 5 ml Puffer (50 mM Tris-HCl, pH 7,4, 2 mM EDTA, 2% SDS, 1% β-Mercaptoethanol) suspendiert. Nach kontinuierlichem Rühren bei Raumtemperatur über einen Zeitraum von 16 Stunden wurde die Suspension nacheinander durch eine Reihe von 86- und 41-mm Ny­ lon-Netze filtriert, um große Trümmer-Partikel zu entfernen. Das Filtrat wurde für 45 Minuten bei 40 000 × g zentrifugiert. Der Überstand wurde verworfen, und das Pellet wurde in 5 ml Puffer resuspendiert und für 1 Stunde bei 12 000 × g zentrifugiert. Das Pellet wurde zweimal mit destilliertem Wasser gewaschen, für 1 Stunde bei 12 000 × g zentrifugiert und anschließend in 50 mM Tris-HCl (pH 7,4), 2 mM CaCl2 resuspendiert. Restliche Mengen an kontaminierendem Kollagen wurden durch Verdau in 0,3 mg/ml Kol­ lagenase für 16 Stunden bei 37°C entfernt. Um das Enzym und die proteolytischen Produkte zu eliminieren, wurde die Probe dreimal mit destilliertem Wasser gewaschen und zentrifugiert (10 000 x g, 15 Minuten). Das resultierende Pellet wurde anschließend gründlich in 0,5 ml 89%iger Ameisensäure resuspendiert und unter kontinuierlichem Rühren für 20 Minuten bei Raumtemperatur stehengelassen. Danach zentrifugierte man für 15 Minuten bei 10000 × g. Der Überstand wurde einer HPLC über eine Superose-12- Säule (10 × 300 mm) unter Verwendung von 70%iger Ameisensäure als Eluens bei einer Durchlaufgeschwindigkeit von 0,2 ml/min unterzogen, wobei die Messung (Detektion) bei 280 nm erfolgte.
8. Morphologische Assays
Der dorsale Hippokampus bzw. die mittleren Hirn-Schnitte wurden aus den temporalen Cortex enthaltenden Hirn-Bereichen isoliert. Zur besseren Konservierung wurde das Hirn-Gewebe in einer Lösung aus 5% Essigsäure, 4% Formaldehyd und 85% Ethanol fixiert. Die Sektionen verblieben in der Lösung über einen Zeitraum von 48 Stunden, wurden dann in Ethanol mit von 70% auf 40% abstei­ gender Konzentration und für 12 Stunden in deionisiertem Wasser gewaschen. Nach dem Waschen wurde ein Teil der Sektionen mit Ethanol aufsteigender Konzentration (40, 60, 80, 96 und 100%) behandelt, um das Schrumpfen cytoplasmischer und nukleärer Strukturen zu verhindern. Das Gewebe wurde dann mit Benzol be­ handelt und in Paraffin eingebettet. Unter Verwendung eines Rotations-Microtoms (Fa. Reicher, Österreich) wurden aus der frontalen Ebene 8 bis 10 µm dicke Schnitte präpariert. Die Schnitte wurden mit Cresil Violett® (C18H16ClN3O; Fa. Fluka, Deutschland) angefärbt. Jeder zehnte Schnitt des temporalen Bereichs des Cortex und des Hippokampus (Feld CA3-4) wurde ana­ lysiert, wobei ein Phasenkontrast-Mikroskop (Fa. Karl Zeiss, Jena) verwendet wurde. Es wurden 2000 Zellen jeder Struktur analysiert. Folgende Kriterien wurden angewendet, um die Zellen zu unterscheiden: normale funktionelle Zellen mit normaler Mor­ phologie; pycnotisch, wahrscheinlich sterbende Neuronen; Neuro­ nen mit einer großen Anzahl kleiner Vakuolen; Neuronen mit Ka­ ryolyse; Neuronen während der Cytolyse.
Ein weiterer Teil wurde mit einem Gefrier-Microtom in 8 bis µm dicke Schnitte zerlegt. Die Schnitte wurden auf sauberen Glas- Objektträgern gesammelt und für 6 Stunden bei Raumtemperatur getrocknet. Die Schnitte wurden dann zunächst mit Chloroform und anschließend für 1 Stunde mit 100%igem Ethanol behandelt. Die Rehydration wurde mit Hilfe einer abgestuften Alkohol-Reihe (von 100% bis 40%) erreicht. Die Schnitte wurden mit 0,1% Thiofla­ vin S für 10 Minuten im Dunklen gefärbt und für 10 Sekunden mit 80%igem Ethanol behandelt. Die Schnitte wurden dann dreimal mit PBS gewaschen und auf Objektträgern fixiert.
Das Präparat wurde in einem Fluoreszenzmikroskop unter Verwen­ dung eines geeigneten Filtersystems zur Sichtbarmachung β-Amy­ loid-angereicherter Ablagerungen betrachtet. Bei jedem Präparat wurden fluoreszierende Filamente in 10 Blickfeldern in den ver­ schiedenen Hirn-Bereichen gezählt, wobei ein Objektiv mit einer 40-fachen Vergrößerung verwendet wurde.
9. Datenanalyse
Die statistische Analyse wurde mit Hilfe des Computer-Programms ANOVA unter Verwendung eines statistischen Pakets ANOVA (Stat­ grafics, EXEC.U.STAT., Version 2.1) auf einem IBM PC/AT durch­ geführt (Otmakhova et al., Physiol. Beh. 52 (1992) 441-448).

Claims (10)

1. Verwendung einer Verbindung der Formel
pGlu-Pro-Pro-Gly-Gly-Ser-Lys-Val-Ile-Leu-Phe (I),
zur Herstellung eines Arzneimittels zur prophylaktischen und/oder therapeutischen Behandlung neurodegenerativer Er­ krankungen.
2. Verwendung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Verbindung zwei Peptide der Formel (I) umfaßt, die mit Dis­ uccinimidylsuberat über die ε-Aminogruppe des Lysins ver­ knüpft sind.
3. Verwendung nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß man jeweils ein pharmazeutisch wirksames Fragment oder ein pharmazeutisch wirksames Derivat der Verbindung der Formel (I) oder ein die angegebene Sequenz (I) ganz oder teilweise umfassendes Peptid einsetzt.
4. Verwendung nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekenn­ zeichnet, daß die neurodegenrative Erkrankung aus der Gruppe bestehend aus M. Alzheimer, M. Parkinson, M. Huntington ausgewählt ist.
5. Arzneimittel zur prophylaktischen und/oder therapeutischen Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen, dadurch gekenn­ zeichnet, daß das Arzneimittel die Verbindung der Formel
pGlu-Pro-Pro-Gly-Gly-Ser-Lys-Val-Ile-Leu-Phe (I),
ein pharmazeutisch wirksames Fragment derselben, ein phar­ mazeutisch wirksames Derivat derselben oder ein die Sequenz (I) ganz oder teilweise umfassendes Peptid und Wasser sowie gegebenenfalls pharmazeutisch verträgliche Hilfs- und Trä­ gerstoffe enthält.
6. Arzneimittel nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, daß die Verbindung zwei Peptide der Formel (I) umfaßt, die mit Disuccinimidylsuberat über die ε-Aminogruppe des Lysins ver­ knüpft sind.
7. Arzneimittel nach Anspruch 5 oder 6, dadurch gekennzeichnet, daß die neurodegenerative Erkrankung aus der Gruppe beste­ hend aus M. Alzheimer, M. Parkinson, M. Huntington ausge­ wählt ist.
8. Verfahren zur Bestimmung der potentiellen Wirksamkeit von Substanzen zur prophylaktischen und/oder therapeutischen Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen, dadurch gekenn­ zeichnet, daß man folgende Schritte durchführt:
  • a) Durchführung eines Tests zur Überprüfung des räumlichen Orientierungsvermögens bei einem ersten Nager,
  • b) chirurgischer Eingriff bei dem Nager, bei dem der Bui­ bus Olfactorius entfernt wird,
  • c) (per-)orale Applikation der Substanz,
  • d) Durchführung mehrerer zeitlich aufeinanderfolgender Tests zur Überprüfung des räumlichen Orientierungsver­ mögens des operierten Nagers,
  • e) Durchführung der Schritte a), b) und d) bei einem zwei­ ten Nager,
  • f) Durchführung der Schritte a), b) und d) bei einem drit­ ten Nager, bei dem der unter b) genannte chirurgische Eingriff ohne Entfernung des Bulbus Olfactorius durch­ geführt wird,
  • g) Vergleich der beim ersten, zweiten und dritten Nager beobachteten Ergebnisse der Schritte a) und d),
  • h) Vergleich der bei Schritt d) beobachteten Ergebnisse des ersten und zweiten Nagers,
  • i) Vergleich der bei Schritt d) beobachteten Ergebnisse des ersten und dritten Nagers,
  • j) Tötung des ersten, zweiten und dritten Nagers und Prä­ paration des Gehirns,
  • k) Vergleich des in Stufe j) präparierten Gehirns des er­ sten Nagers mit einem präparierten Gehirn des zweiten Nagers, und
  • l) Vergleich des in Stufe j) präparierten Gehirns des er­ sten Nagers mit einem präparierten Gehirn des dritten Nagers,
wobei die unter g), h), i), k), und l) ermittelten Ver­ gleichsbefunde Hinweise auf die Eignung der Substanz als Wirkstoff zur prophylaktischen und/oder therapeutischen Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen liefern,
wobei die Substanz zur prophylaktischen und/oder therapeuti­ schen Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen als beson­ ders geeignet eingestuft wird, wenn die Befunde ersten Na­ gers den Befunden des zweiten Nagers ähneln,
und wobei die Substanz zur prophylaktischen und/oder thera­ peutischen Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen als ungeeignet eingestuft wird, wenn die Befunde ersten Nagers den Befunden des dritten Nagers ähneln.
9. Verfahren nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, daß der erste, zweite und dritte Nager jeweils eine Gruppe aus meh­ reren Tieren umfaßt.
10. Verfahren nach Anspruch 8 oder 9, dadurch gekennzeichnet daß der erste, zweite und dritte Nager jeweils eine Maus oder eine Ratte ist.
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