DE19510172A1 - Rotationsdrehwaage - Google Patents

Rotationsdrehwaage

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DE19510172A1
DE19510172A1 DE19510172A DE19510172A DE19510172A1 DE 19510172 A1 DE19510172 A1 DE 19510172A1 DE 19510172 A DE19510172 A DE 19510172A DE 19510172 A DE19510172 A DE 19510172A DE 19510172 A1 DE19510172 A1 DE 19510172A1
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Description

Eine Möglichkeit, einen Nachweis der Erdrotation zu führen besteht darin, die Ostabweichung fallender Körper sichtbar zu machen. Mit der nachfolgend beschriebenen Rotationsdrehwaage konnte ich die Ostabweichung sinkender und gleichzeitig die Westabweichung aufsteigender Körper bei einer Fallhöhe von nur 2,7 m nachweisen.
Zum besseren Verständnis der Funktionsweise der Rotationsdrehwaage sind der eigentlichen technischen Beschreibung (Abschnitt 2.6 und 2.7) historische und theoretische Erklärungen vorangestellt.
1. Historische und theoretische Grundlagen zur Ostabweichung fallender Körper 1.1 Erfahren fallende Körper auf der Erde eine West- oder eine Ostab­ weichung
Bereits griechische Gelehrte der Antike begründeten den täglichen Umlauf der Gestirne mit der Eigenrotation der Erde. Aristarch von Samos nahm an, daß der Fixsternhimmel stillstehe, die Erde aber die Sonne in einem schiefen Kreise umlaufe und sich dabei um ihre eigene Achse drehe (siehe [11], S. 141). Diese Vorstellung war natürlich eine völlig konträre zu dem damals vorherrschenden geozentrischen Weltbild nach Aristoteles, wonach die Erde im Zentrum der Welt steht und keinerlei eigene Bewegung ausführt. Es setzte sich schließlich Aristoteles′ Auffassung durch. Später wurde das geozentrische Weltbild durch immer kompliziertere Epizykelmodelle ergänzt, um den astronomischen Beobachtungen gerecht zu werden. Ungeachtet der zunehmenden Kompliziertheit gelang es jedoch, die Umläufe der Himmelskörper in befriedigender Genauigkeit vorherzusagen, so daß das geozentrische Weltbild in kontinuierlich modifizierter Form ca. 2000 Jahre Bestand hatte.
Die Wende wurde durch Kopernikus eingeleitet, der in seinem 1543 veröffentlichten Werk "De revolutionibus orbium coelestium" ein heliozentrisches Weltbild vorschlug. Die Ergebnisse der astronomischen Beobachtungen Galileis mit dem Fernrohr stützten das kopernikanische Modell. Danach mehrten sich die Stimmen, die das neue heliozentrische Weltbild favorisierten. Andererseits wurden auch Stimmen lauter, die das alte Bild verinnerlicht hatten oder aus theologischen Beweggründen heraus nicht von der geozentrischen Vorstellung abrücken wollten. Sie führten eine ganze Anzahl von Gegenargumenten an. Ein Argument gegen die Eigenrotation der Erde war, daß ein losgelassener, frei fallender Körper auf der von West nach Ost rotierenden Erde westlich zurückbleiben müsse. Nach dieser Auffassung müßte sich die Erde unter dem fallenden Körper hinwegdrehen, eine für viele Nichtphysiker heute noch naheliegende Vorstellung. Im einzelnen vollzog man folgendes Gedankenexperiment: Angenommen die Erde drehe sich in 24 Stunden einmal um ihre Achse. Dann würden wir uns in unseren Breiten mit einer Bahngeschwindigkeit von ungefähr 290 m/s bzw. 986 km/h durch den Raum bewegen. Bei einer Fallhöhe von 2 m und einer Fallzeit von ca. 0.6 s wurden sich die hier auf der Erdoberfläche fixierten Gegenstände um ca. 175 m weiter nach Osten bewegen. Das hieße beispielsweise, die von einem Baum aus dieser Höhe fallenden Äpfel müßten 175 m weiter westlich auf dem Boden aufschlagen. Ein solches Phänomen zeigte sich natürlich nicht. Aus diesen Erfahrungen zog man den Schluß, die Erde müsse ruhen.
Ein ernster Gegner der kopernikanischen Lehre, der Jesuitenpater Riccioli (1598-1671), nannte allein 77 Einwände, die im wesentlichen zum Inhalt hatten, daß fallende, schwebende und geworfene Körper auf einer rotierenden Erde eine Westabweichung erfahren müßten. Auf eindrucksvolle Weise widerlegte Galilei derartige Argumente. Er versuchte seine Widersacher davon zu überzeugen, daß ein frei fallender Körper, welcher vorher mit der Erde verbunden war, zwei Bewegungen besitzt: Eine senkrechte, zum Erdmittelpunkt beschleunigte Bewegung und eine gleichförmige Bewegung, welche der Körper vor dem Fall durch die rotierende Erde auferlegt bekam und während des Falls nicht verliert (siehe [12], S. 131 ff). Somit war klar, daß aus der nicht vorhandenen Westabweichung fallender Körper nicht auf einen Ruhezustand der Erde geschlossen werden kann.
Im Jahre 1679 schlug Newton vor, Fallexperimente zum Nachweis der Erddrehung durchzuführen, man müsse aber nicht eine Abweichung nach Westen sondern eine nach Osten beobachten (siehe [9], S. 9). Dadurch, daß der fallende Körper die tangentiale Geschwindigkeit nicht verliert und der Lotfußpunkt auf der Erdoberfläche eine geringere Bahngeschwindigkeit besitzt, muß die Aufschlagstelle eine Abweichung nach Osten zeigen.
Wie groß ist dann aber diese Ostabweichung? Der Einfachheit halber denke man sich, daß ein Turm direkt auf dem Äquator steht. Er besitze die Höhe h Ein Körper, der aus dieser Höhe fallengelassen wird, erhält durch die Rotation der Erde die tangentiale Geschwindigkeit
νh = ω·(r + h) (1).
Dabei sei ω die Winkelgeschwindigkeit der Erde und r der Erdradius. Der Fuß des Turmes bewegt sich jedoch mit der Geschwindigkeit
ν = ω·r (2).
Der Körper schlägt danach durch seine etwas größere Geschwindigkeit östlich des Lotfußpunktes auf und zwar bei einer Fallzeit t um die Strecke
yOst = (νh - ν)·t (3).
Unter Verwendung der Beziehung
erhält man schließlich folgende Formel:
Für einen anderen Breitengrad ϕ ergibt sich:
Formel (5) ist aber noch nicht korrekt sie gibt die Ostabweichung zu groß an. Fig. 6 zeigt einen Schnitt durch die Äquatorebene. Die Rotationsachse ist senkrecht zu dieser Schnittebene und schneidet sie im Punkt M. Nach jedem Zeitelement Δt existiert ein Geschwindigkeitselement , welches aus der zum Erdmittelpunkt M gerichteten Bewegung resultiert und der ursprünglichen tangentialen Geschwindigkeit entgegengerichtet ist.
Zum Zeitpunkt t = 0 ist ₀ = 0. Nach dem ersten Zeitelement folgt:
l = g·Δt sin ω Δt ≈ gω Δt²
l = gωΔt³ (6).
Brunner [4], zeigt in ausführlicher Weise, daß für das n-te Zeitelement gilt:
Die Summation aller Wegelemente
i mit i = 1, . . ., n
und anschließende Grenzwertbildung mit n gegen Unendlich liefert die Gesamt­ strecke
Da diese Strecke aber zur Ostabweichung genau entgegengesetzt "durchlaufen" wird, ergibt sich unter Berücksichtigung des Breitengrades ϕ eine zu (5) korrigierte Formel der Ostabweichung mit:
Anzumerken ist, daß Formel (9) nur für kleine Rotationswinkel ω·t gilt. Die Fallzeit darf also nicht zu groß sein.
1.2 Die relative Bewegung an der Erdoberfläche im rotierenden Koordi­ natensystem
Die vorangegangene Herleitung der Formel für die Ostabweichung ist insofern unbefriedigend, als daß sie keine sichere Aussage darüber zuläßt, nach welcher Fallzeit bzw. nach welchem Rotationswinkel der Näherungsfehler nicht mehr als klein anzusehen ist. Es ist eine allgemeinere Betrachtung erforderlich, die in strenger Weise berücksichtigt daß uns als Beobachter auf der Erde kein Inertialsystem zur Verfügung steht. Ein auf der Erde verankertes Koordinatensystem besitzt selbst eine zweifache Bewegung, es nimmt einerseits an der Eigenrotation der Erde teil, andererseits wandert es mit der Erde um die Sonne herum. Nach Hagen [10], S. 39 ff, müssen wohl Gauß und Laplace als erste eine allgemeine Theorie zur relativen Bewegung an der Erdoberfläche ausgearbeitet haben. Anlehnend an die Ausführungen Möllers [5] und Denizots [1] wird eine mögliche Vorgehensweise zur allgemeinen Behandlung der relativen Bewegung vorgestellt.
Im weiteren Verlauf werden zwei Voraussetzungen benutzt, die jedoch mit großer Sicherheit für die benötigten Zwecke keine schwerwiegenden Fehler im Ergebnis nach sich ziehen werden: Die Erde habe Kugelgestalt und ihre Bewegung um die Sonne bleibe unberücksichtigt.
Es stellt sich nun die Aufgabe, die Bewegung eines Massenpunktes an der Erdoberfläche im rotierenden Koordinatensystem durch die Koordinaten eines fixen Systems auszudrücken. Um das Ergebnis gut interpretieren zu können, werden die drei folgenden Transformationen durchgeführt:
a) Der Koordinatenursprung des fixen Koordinatensystems , , befinde sich im Erdmittelpunkt. Das System x′, y′, z′ rotiere mit der Winkelgeschwindigkeit ω. Dabei ist = z′ die nach Norden gerichtete Drehachse; x′, y′ drehen sich in der Äquatorebene.
Gemäß Fig. 7 ergeben sich für die Koordinaten und die ebenfalls transformierten Kräfte die Beziehungen:
Nach zweimaliger zeitlicher Ableitung, Multiplikation mit der Masse m und dem Einsetzen der transformierten Kräfte können alle und aus den Formeln eliminiert werden.
b) in einem analogen Verfahren seien nun die ,-Achsen gegen die x′,z′-Achsen um den festen Winkel (π/2) + ϕ gedreht. y′ ist Drehachse: ϕ stellt die geographische Breite dar (siehe Fig. 8).
c) Bei der dritten Transformation vom ,,-System in das x,y,z-System handelt es sich um eine Verschiebung des Koordinatenursprungs vom Erdmittelpunkt auf der -Achse um die Strecke r + h. Das x,y,z- Koordinatensystem ist das endgültige System, in dem alle weiteren Untersuchungen vorgenommen werden.
Nach den durchgeführten Transformationen hat das mitrotierende Koordinatensystem x, y, z folgende Lage (siehe Fig. 9):
Der Koordinatenursprung liegt in der Höhe h über der Erdoberfläche. Die z- Achse zeigt in Richtung des Erdmittelpunktes und schließt mit der Äquatorebene den Winkel ϕ ein, welcher dem Breitengrad entspricht. Des weiteren liegt die y-Achse parallel zur Tangente des entsprechenden Breitenkreises und zeigt Richtung Osten, die x-Achse parallel zur Tangente am Meridian und zeigt Richtung Norden.
Denizot [1] und Möller [5] leiten in ausführlicher Weise die Bewegungs­ gleichung für einen relativ zur Erdoberfläche bewegten materiellen Punkt her. Hier sei lediglich das Ergebnis dieser Rechnungen angeführt:
m = Fx + mω²(x sin ϕ+z cos ϕ) sin ϕ-2mω sin ϕ
m = Fy + mω²y + 2mω( sin ϕ+ cos ϕ)
m = Fz + mω²(x sin ϕ+z cos ϕ) cos ϕ-2mω cos ϕ (12)
Fx, Fy und Fz sind die Komponenten der äußeren auf den Massenpunkt wirkenden Kräfte, also die Gravitationskraft und z. B. durch Fadenspannungen oder Luftreibung verursachte Widerstandskräfte. Alle anderen Glieder auf der rechten Seite sind Scheinkräfte, die man als mitrotierender Beobachter auf der Erde feststellen kann. Glieder mit ω² stellen die Komponenten der Zentrifugalkraft, Glieder mit ω, die Komponenten der Corioliskraft dar. Für einen freien Massenpunkt ist Fx = 0, Fy = 0 bzw. Fz = mg zu setzen. Im Falle einer ruhenden Erde, also ω = 0, ergäbe sich die Lösung
Da ω eine kleine Zahl ist, werden die Korrekturen, die durch die Scheinkräfte hinzukommen, ebenfalls klein sein. Die geschlossene Lösung des Differen­ tialgleichungssystems (12) lautet dann:
Um eine bessere Aussagekraft zu bekommen, werden sin ωt und cos ωt in Taylorreihen entwickelt (siehe [1], S. 45).
Das Ergebnis (15) bestätigt nicht nur eine östliche, sondern auch einer südliche Abweichung. Nähere analytische Untersuchungen Denizots [1] lassen darauf schließen, daß die Ostabweichung als alleinige Wirkung der Corioliskraft erscheint und die südliche Abweichung aus einer Superposition von Coriolis- und Zentrifugalkraft resultiert. Alle höheren Potenzen von ω lassen bei geringen Fallzeiten die entsprechenden Glieder verschwindend klein werden, so daß insbesondere die südliche Abweichung eine kaum meßbare Größe sein wird. Für die östliche Abweichung ergibt sich in guter Näherung die bereits aus Abschnitt 1.1 bekannte Formel
1.3 Fallversuche zum Nachweis der Erdrotation 1.3.1 Benzenbergs und Reichs Experimente
Zum experimentellen Nachweis der Ostabweichung frei fallender Körper genügt es, Formel (16) zu bestätigen. Dies hört sich theoretisch einfach an, ist jedoch in der praktischen Umsetzung mit einer ganzen Reihe von Schwierigkeiten verbunden. Benzenberg [9] schreibt: "Diese Versuche waren äußerst delicat, und keiner von den berühmten Astronomen oder Physikern in England hatte den Mut, sie anzustellen, eben des leichteren Mißlingens wegen.". Die ersten Versuche 1679 stammen von Hooke auf Veranlassung von Newton. Er benutzte aber zu geringe Fallhöhen, so daß seine Unternehmungen nicht erfolgreich waren (vergl. [1], S. 66; [4], 5.19; [9], S. 10). Nennenswerte Messungen aus größeren Höhen wurden erst wieder 1791 von J.B. Guglielmini im Turm degli Asinelli in Bologna durchgeführt. Das Problem war jedoch, daß er die Lotlinie erst ein halbes Jahr später, zu einer völlig anderen Jahreszeit, maß, so daß seine Ergebnisse nicht aussagekräftig sind. Es folgten sehr sorgfältige Versuche von Benzenberg im Jahre 1802 im Turm von St. Michael in Hamburg und 1804 in einem Kohlenschacht in Schlebusch, sowie 1831 von Reich im Dreibrüderschacht bei Freiberg in Sachsen. Ferner unternahmen 1902 E.H. Hall in Cambridge (Mass.) und 1903 Flammarion im Pantheon zu Paris weitere Experimente. Die Ergebnisse der Messungen sind in der Tabelle auf Seite 15 zusammengefaßt.
Auf die Messungen Benzenbergs und Reichs gehe ich etwas näher ein, da mir jeweils deren Originaliteratur zur Verfügung steht und insofern auch die Schwierigkeiten, mit denen beide während der Experimente konfrontiert wurden, illustriert werden können (vergl. [9]; [7]).
Benzenbergs und Reichs größte Probleme waren der Mechanismus zur Auslösung des Falls, der Einfluß von Luftströmungen, die Feuchtigkeit in den Bergwerksschächten sowie die Bestimmung des Lotfußpunktes. Unter den nicht gerade gastlichen Arbeitsbedingungen war außerdem eine möglichst exakte Höhen- und Zeitmessung vorzunehmen.
Der Auslösemechanismus war so geschaffen, daß die benutzte Kugel an einem Faden befestigt wurde, welcher wiederum von einer Zange festgehalten wurde. Während die Zange sich öffnete, fiel die Kugel ab. Eine andere Möglichkeit lag darin, die erwärmte Kugel in einen konisch ausgedrehten Ring zu legen, durch den sie fiel, sobald sie sich abgekühlt hatte. Zum Auffangen der Kugeln wurde ein welches Holzbrett oder eine wachsbeschichtete Platte verwendet, so daß die Auftreffpunkte in Form von tiefen Abdrucken erkennbar waren. Mit Hilfe des Fadenpendels bestimmte man vorher den Lotfußpunkt.
Reich mußte bei seinen Experimenten in Freiberg ganz besondere An­ strengungen unternehmen, um die Feuchtigkeit und den Luftzug abzuhalten. Er ließ über die gesamte Fallhöhe von 158 m eine Schutzvorrichtung in Form eines schmalen Schachtes aus Holzlatten errichten. Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen wirkten sich geringfügige Änderungen der Startbedingungen oder sonstige Störungen derart negativ aus, daß sich sowohl bei Benzenberg als auch bei Reich stark streuende statistische Verteilungen der Auftreffpunkte ergaben.
Die Schlebuscher Experimente Benzenbergs wurden im Jahr 1815 von dem französischen Mathematiker und Physiker Laplace sinngemäß wie folgt kommentiert (vergl. [9], S. 12): Er habe die Wahrscheinlichkeit der Schlebuscher Beobachtungen berechnet. Man könne 8000 gegen 1 wetten, daß die Erde sich drehe. Eine Aussage, die verdeutlicht, welche Ernsthaftigkeit man dem Nachweis der Erdrotation mittels der Ostabweichung beimaß.
1.3.2 Hagens Experimente mit der Atwoodschen Fallmaschine
Man möchte meinen, mit den Fallversuchen Benzenbergs, Reichs und anderer wären die Experimente zum Nachweis der Erdrotation mit der Ostabweichung fallender Körper bereits abgeschlossen. Es wird an dieser Stelle bewußt nicht mehr von frei fallenden Körpern gesprochen, denn im Jahre 1912 verwirklichte Hagen die Idee, die Fallbeschleunigung zu reduzieren und somit die Fallzeit bei konstanter Fallhöhe zu verlängern. Da die Fallzeit in Formel (16) kubisch eingeht, kann somit der Effekt selbst bei verringerter Fallbeschleunigung vergrößert werden. Zur Reduzierung der Fallbeschleunigung bediente er sich der Atwoodschen Fallmaschine.
1. Methode
Bei dieser Methode benutzte er den prinzipiellen Aufbau gemäß Fig. 10. Die reduzierte Fallbeschleunigung ergibt sich aus der Formel (17).
Zu bedenken ist aber, daß der fallende Körper mf an einem Faden hängt und somit der oben genannte Vorteil dadurch evtl. wieder kompensiert wird. Man kann die durch die Atwoodsche Fallmaschine reduzierte Fallbeschleunigung a nicht einfach in die Formel (16) für g einsetzen, denn die rücktreibende Kraft durch die Fadenspannung muß mit einbezogen werden. Hagen trug dieser Tatsache Rechnung. Er vereinfachte zunächst das Differentialgleichungssystem (12). Da ω², ω und ω klein gegen ω sind, erhält man die genäherte Form:
m = Fx
m = Fy + 2m ω cos ϕ
m = Fz (18).
Wie bereits erwähnt, werden die äußeren Kräfte durch Fx, Fy und Fz repräsentiert. Neben der Gravitationskraft müssen hier die Komponenten der Fadenspannung Nx, Ny und Nz einfließen. Die erste Aufgabe besteht also darin, Ausdrücke für die Komponenten der Fadenspannung am fallenden Körper mf zu finden. Vorausgesetzt wird, daß der Winkel zwischen Faden und Lotlinie sehr klein ist. Für die Fadenspannung kann dann N ≈ mf (g - a) gesetzt werden. Wäre a gleich Null, dann wäre die Fadenspannung dem Betrag nach gleich der Gravitationskraft. Wäre das Übergewicht dagegen groß dann näherte sich a der Erdbeschleunigung g an, und die Fadenspannung würde sich entsprechend verkleinern.
Nach Fig. 11 folgt für die Komponenten der Fadenspannung:
Für die Komponenten der äußeren Kräfte erhält man
Fx = Nx
Fy = Ny
Fz = mfg + Nz (20).
Mit (20) hat die Differentialgleichung (18) die Form
Hagen [10] zeigt einen analytischen Weg zur Lösung von (21) auf. Die Lösung lautet:
Die mit Hilfe dieser Apparatur zu messende Ostabweichung ergibt sich demnach aus der Formel:
Es sei noch auf eine Grenzbetrachtung hingewiesen: Für ma → 0 geht a → g und damit wird a²/(2a + g) zu (1/3) g. Formel (23) hätte wieder die ursprüngliche Gestalt (16).
An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, daß die reduzierte Beschleunigung a nicht ausschließlich durch (17) bestimmt ist. In erster Linie kommt die Rollreibung der Laufrolle hinzu. Sie vermindert die Beschleunigung zusätzlich.
Hagen benutzte bei seiner Apparatur eine Fallhöhe von 23 m. Das zylinderförmige Fallgewicht wog 50 g, das Gegengewicht ca. 3/4 davon. Der Mittelwert der experimentell bestimmten Fallbeschleunigung betrug a = 0,388 m/s². Mit einer Vorrichtung wurde der gesamte Fallraum gegen Luftzug abgeschlossen. Der Bewegungsvorgang wurde ausgelöst indem ein Bleifaden durch das Schließen eines Stromkreises geschmolzen und somit das unten eingehängte Gegengewicht freigemacht wurde. Beobachtet und gemessen wurde am Boden mit einem Theodoliten, einem Fernrohr für Winkelmessungen. Gemäß Hagen [10] sei für einen Augenblick (vor dem Aufschlagen des Gegengewichtes am Dämpfungsapparat) der Faden als dünne schwarze und vollkommen ruhige Linie im erleuchteten Gesichtsfeld zu sehen gewesen (S. 39). So konnte der Winkel zum Lot bestimmt werden. Wichtig ist, daß bei allen durchgeführten 66 Versuchen stets ein Ausschlag des Fadens nach Osten registriert werden konnte (siehe Fig. 12). Im Vergleich zu den bisherigen Versuchen mit frei fallenden Körpern war dies neu und kann schon allein als ein qualitativer Beweis der Erdrotation angesehen werden. Weitere Einzelheiten können in [3] und [10] nachgelesen werden.
Die östliche Abweichung wurde im Mittel auf y = (0,889 ± 0,027) mm gemessen. In weiteren 22 Experimenten wollte Hagen auch die südliche Abweichung feststellen; es ergab sich x = (0,010 ± 0,027) mm. In der Tabelle auf Seite 15 sind sämtliche Ergebnisse, auch die aus Abschnitt 1.3.1, und dazugehörige Daten aufgelistet.
2. Methode
Hagen versuchte noch eine zweite Methode zum Nachweis der Ostabweichung mit der Atwoodschen Fallmaschine. Der wesentliche Unterschied bestand darin, daß die Fallmaschine nun so aufgehängt wurde, daß Torsionsschwingungen um die vertikale Achse möglich waren. Hagen [3] weist darauf hin, daß ein derartiger Aufbau theoretische Vorteile habe (S. 167 ff). Man könne nicht nur die Ostabweichung des fallenden Gewichtes, sondern auch gleichzeitig die Westabweichung des aufsteigenden Gewichtes ausnutzen. Aus seiner theoretischen Abhandlung in [10], S. 117-124 und S. 172 kann entnommen werden, daß es sich um ein Art ballistische Messung handelte. Er geht von der allgemeinen Schwingungsformel aus:
U = B sin (At)
U = AB cos (At) (25).
Dabei ist:
U ist der momentane Winkel der Torsionsschwingung, T deren Schwingungs­ dauer, D die Richtgröße des Torsionsfadens und J das Trägheitsmoment der gesamten Apparatur. Im Nulldurchgang besitzt die Apparatur ihre größte Winkelgeschwindigkeit ₀ = AB. Damit ergibt sich:
Und schließlich für die maximale Auslenkung:
Hagens weitere Überlegungen waren nun die: Vor dem Auslösen der vertikalen Bewegung der Gewichte sollte die Apparatur möglichst keine Torsionsschwingungen ausführen. Nach dem Start wirkt die Corioliskraft sowohl auf das fallende Gewicht, als auch auf das aufsteigende Gewicht. Das erste erhält dadurch die östliche Geschwindigkeit und das zweite eine vom Betrag her gleich große westliche Geschwindigkeit. Diese Geschwindigkeiten sind die Ursache für die anschließende Torsionsschwingung der gesamten Apparatur. Nach Hagen ist die Amplitude der Schwingung zu proportional, denn es gilt der Zusammenhang (ρ ist der Radius der Laufrolle):
Nach Formel (27) muß sich folgender maximaler Torsionswinkel einstellen:
Hagen beschränkte sich in [3] auf die Angabe dieser theoretischen Über­ legungen. Wahrscheinlich auch deshalb, weil die mit dieser Methode ange­ stellten Versuche mißlangen. Als Ursache werden Erschütterungen angegeben, die heftige unregelmäßige Bewegungen in alle Richtungen nach sich zogen. Er kam zu dem abschließenden Resultat, daß die verwendete Apparatur zum Nachweis der Ostabweichung ungeeignet, aber keineswegs die Unmöglichkeit des Nachweises mit dieser Methode bewiesen sei (vergl. [3], S. 173).
Um eine Vorstellung von den Dimensionen der Apparatur zu vermitteln, seien an dieser Stelle einige technische Daten genannt. Der Durchmesser der Laufrolle der Fallmaschine betrug 20 cm. Die Rolle wurde aus Messing angefertigt; der Rahmen in dem sie lief, war aus Aluminium. Aufgehängt wurde die Apparatur zunächst an einem 4.7 m langen Torsionsfaden aus Stahl. Später wurde wegen der zu großen Empfindlichkeit eines Fadens ein Doppelfaden benutzt. Die beiden Bleigewichte hatten jeweils ein Gewicht von 80 kg und einen Durchmesser von 10 cm. Der beide verbindende Lauffaden bestand aus Bronze, wog 2 kg und hatte einen Durchmesser von 5 mm. Seine Länge berechnet sich damit auf ca. 11.5 m. Aus diesen Abmessungen läßt sich die Fallhöhe auf ca. 10 m schätzen (Hagen machte hierüber keine Angaben). Um den Start auszulösen, mußte das fallende Gewicht zusätzlich mit 6 kg belastet werden. Die Fallzeit betrug danach vermutlich zwischen 10-11 s. Da das fallende Gewicht nicht aufschlagen durfte, mußte Hagen sich einen speziellen Dämpfungsmechanismus für das aufsteigende Gewicht überlegen.
Oberhalb der Fallmaschine war ein Spiegel angebracht. Eine Lampe mit eingeritzter Millimeterskala beleuchtete ihn. Mit Hilfe des Theodoliten wurde die Skala im Spiegel beobachtet. Das Fadenkreuz im Okular des Theodoliten ermöglichte die Registrierung jeglicher Drehung des Spiegels.
2. Die Rotationsdrehwaage 2.1 Prinzipielle Funktionsweise (siehe Fig. 13)
Das physikalische Prinzip der Rotationsdrehwaage ist das gleiche, welches sich Hagen mit seiner 2. Methode zu Nutze machen wollte. Wie bereits ausgeführt, liegt der Vorteil dieser Methode darin, daß neben der Ostabweichung des fallenden auch die gleich große Westabweichung des aufsteigenden Körpers verwertet werden kann. Um dies zu erreichen, wird die Atwoodsche Fallmaschine gemäß Fig. 13 zwischen zwei Torsionsfäden T₁ und T₂ eingespannt. Damit wird auch schon ein Unterschied zum experimentellen Aufbau Hagens deutlich; der untere Torsionsfaden T₁ war bei seiner Apparatur nicht vorgesehen. Welche Aufgabe T₁ zukommt, wird im weiteren Verlauf erläutert. Es gibt noch eine Reihe anderer Unterschiede zu der Apparatur Hagens, die im Aufbau und im Meßprinzip begründet liegen.
Ziel ist es, über einen Drehwinkel η die Ost- bzw. Westabweichung sichtbar zu machen. Die Draufsicht in Fig. 14 veranschaulicht folgende Überlegung: Befindet sich die Apparatur vor dem Start der Gewichte beispielsweise in Nord- Süd-Stellung (das ist erfüllt für η₀ = 0° oder η₀ = 180°), so sind die Corioliskräfte FOst und FWest Ursache für zwei Drehmomente. Sie bewirken eine Drehung der Fallmaschine um η aus der ursprünglichen Position η₀. Ein für die Messungen bedeutender Unterschied zwischen den Eintellungen η₀ = 0° und η₀ = 180° ist dennoch vorhanden; der sich ergebende Drehsinn muß jeweils ein anderer sein.
In Ost-West-Stellung, d. h. für η₀ = 90° bzw. η₀ = 270°, wirken zwar die Corioliskräfte in gleicher Weise, Drehmomente resultieren aber diesmal nicht daraus. Mit anderen Worten, es darf keine Drehung zu beobachten sein.
Offen ist noch die Frage, wie die genaue Meßformel lautet. Man kann vermuten, daß rücktreibende Kräfte hauptsächlich durch die Torsion der Fäden T₁ und T₂ auftreten, weniger durch den gespannten Lauffaden, wie bei Hagens erster Methode mit der starr aufgehängten Atwoodschen Fallmaschine. In den sich anschließenden theoretischen Überlegungen wird also insbesondere von Interesse sein, welcher Beschleunigungsfaktor in die Formel eingeht, entweder der aus (23), nämlich a² (2a + g)-1 oder nur die reduzierte Beschleunigung a gemäß Formel (17). Letzterer Fall wäre von großem Vorteil, denn dann könnte die Beschleunigung so klein wie möglich gemacht werden, die West- bzw. Ostabweichung wurde sich trotzdem vergrößern, weil die Fallzeit bekannter­ weise kubisch eingeht.
2.2 Entwicklung der Formel für den Drehwinkel aus den allgemeinen Be­ wegungsgleichungen 2.2.1 Koordinatentransformation
Ausgangspunkt ist das Differentialgleichungssystem (18). Zu unterscheiden ist zwischen der fallenden Masse mf und der aufsteigenden ma. Unter Berücksichtigung der Fadenspannung (vergl. mit (19)) ergibt sich für mf:
Dabei ist ψ = η₀ + η und l der Radius der Laufrolle (vergl. Fig. 15). Für ma ergibt sich:
Die Koordinaten x, y, z sollen durch eine Transformation in die Koordinaten ψ, b, d übergeführt werden. Sie ist so gewählt, daß die Zwangsbedingungen gleich mit einfließen. Fig. 15 verdeutlicht, daß bf = ba = 0 der Bewegungsvorgang auf einem Zylindermantel abläuft. Ferner sei die Drehung der x-Achse gegen den Uhrzeigersinn in Richtung der y-Achse als positive Drehung definiert. Die Koordinatentransformation für mf lautet dann:
x = (l + bf) cos ψ
y = (l + bf) sin ψ
z = d₀ + d (32).
In analoger Weise ergibt sich die Transformation für ma zu:
x = - (l + ba) cos ψ
y = - (l + ba) sin ψ
z = h-d (33)
h und d₀ sind gemäß Fig. 15 gegeben.
Nach den Transformationen erhält man zwei neue Differentialgleichungssysteme für die Koordinaten ψ, bf, d bzw. ψ, ba, d:
Ein entscheidender Schritt ist die Zusammenführung der Gleichungen (34) und (35). Dazu ist folgendes auszuführen:
  • a) Aus den Gleichungen für die Koordinate ψ entstehen Drehmoment­ gleichungen, wenn mit mf(l + bf)² bzw. ma(l + ba)² durchmultipliziert wird. Diese lassen sich dann zu einer Gesamtgleichung addieren. Die Massendifferenz zwischen ma und mf ist nur geringfügig, so daß ma = mf = m gesetzt werden kann und m sich wieder aus der erhaltenen Gesamtgleichung für ψ heraus­ kürzt.
  • b) Weil für die Fadenspannungen Nmf= Nma gilt, folgt |af| = |aa|. Aus der Ähnlichkeit der Dreiecke in Fig. 15 ergibt sich die Beziehung:
  • c) Die Gleichungen der Koordinate d lassen sich direkt lösen und in (34) bzw. (35) einsetzen.
  • d) Es sei angenommen, daß der sich einstellende Drehwinkel η klein ist. Dann bieten sich weitere Näherungen an: sin ψ = sin (η₀ + η) = sin η₀ cos η + cos η₀ sin η ≈ sin η₀ + η cos η₀
    cos ψ = cos (η₀ + η) = cos η₀ cos η - sin η₀ sin η ≈ cos η₀ - η sin η₀ (37).
Im Anschluß an diese Maßnahmen erhält man schließlich ein gekoppeltes Differentialgleichungssystem für η und bf:
In die Gleichungen (38) müßte theoretisch noch die Torsion der Fäden, sowie das Trägheitsmoment der Atwoodschen Fallmaschine einbezogen werden. Das würde die Differentialgleichung an dieser Stelle unnötig verkomplizieren, da zunächst nur geprüft werden soll, welcher Beschleunigungsfaktor in der Lösung für η auftritt. In Abschnitt 2.5 werden die genannten Größen und die Ausdehnung der Massen mf und ma berücksichtigt.
2.2.2 Lösung der Differentialgleichung mit einem Potenzreihenansatz 2.2.2.1 Mathematische Zulässigkeit des Ansatzes
Auf die Gleichungen (38) lassen sich numerische Lösungsverfahren anwenden. Für spätere Vergleichszwecke wäre es jedoch sinnvoller, einen symbolischen Ausdruck zur Verfügung zu haben. Da eine geschlossene Lösung bei der Komplexität von (38) aussichtslos ist, bliebe noch die Möglichkeit eines Potenzreihenansatzes. Vorher muß jedoch geklärt werde, ob ein solcher überhaupt zulässig ist.
Man setze f = s und Dann ergibt sich aus (38) ein gekoppeltes Differentialgleichungssystem erster Ordnung:
Die Holomorphie (stetige Differenzierbarkeit) der Funktionen f₁, . . ., f₄ auf der rechten Seite erlaubt einen Potenzreihenansatz für (39) und damit ebenso für (38).
2.2.2.2 Die Lösung und deren Interpretation
Folgender Ansatz wird in die Differentialgleichung (38) eingesetzt:
Unter Berücksichtigung der Anfangsbedingungen bzw. bf(0) = f(0) = 0 und der Näherung, daß der Abstand d₀ zwischen dem Ge­ wicht mf und dem Berührungspunkt des Lauffadens an der Rolle gleich Null sei (vergl. Fig. 15), gewinnt man die endgültige Lösung durch Koeffizienten­ vergleich:
Wegen der Kleinheit von ω kann man sich mit den Gliedern begnügen, in denen ω nicht in Form höherer Potenzen auftritt. Demnach:
Naheliegend ist jetzt ein Vergleich mit Hagens Formel (23). Offensichtlich liefert (43) für η₀ = 90° und η₀ = 270° ein genau identisches Ergebnis. Die Ost-West-Einstellung der Rotationsdrehwaage führt folgerichtig zu dem gleichen Ergebnis wie Hagens 1. Methode mit der starr befestigten Atwoodschen Fallmaschine. Eine Drehung der Apparatur erfolgt bei dieser Einstellung hingegen nicht, dieses wird durch (42) bestätigt.
Insbesondere bei der Justierung der Apparatur auf η₀ = 0° bzw. η₀ = 180°, d. h. auf Nord-Süd, ergeben sich zwei gewinnbringende Vorteile. Zunächst enthält die Formel (42) für den Drehwinkel wie erhofft die reduzierte Fall­ beschleunigung a in linearer Form. Je kleiner a, desto größer wird die Fallzeit und damit der resultierende Drehwinkel. Desweiteren fließt der Radius der Laufrolle mit ein. Auch hier wirkt sich ein kleiner Radius nachhaltig günstig aus.
An diesen vorläufigen Erkenntnissen orientiert sich Konstruktion der Rotationsdrehwaage um möglichst optimale Meßergebnisse zu erzielen. Die Größe des Drehwinkels hängt jedoch noch von anderen Parametern ab, die noch eingehend erörtert werden (siehe Abschnitt 2.5).
2.3 Überlegungen zu den Angriffspunkten der Kräfte an der Rotations­ drehwaage
Die Verbindung der Gewichte zur Laufrolle der Atwoodschen Fallmaschine über den Lauffaden ist nicht starr. Das macht einige Überlegungen zu den Angriffspunkten der Kräfte und den absehbaren Folgen erforderlich.
Die Fallmaschine sei zunächst, wie in Fig. 16 angedeutet, fixiert. Auf das fallende Gewicht mf wirkt die Corioliskraft FOst und die Fadenspannung N. Zu einem beliebig festgehaltenen Zeitpunkt besteht das Gleichgewicht N sin a = -FOst. In gleichem Maße erfährt der Punkt A (Berührungspunkt des Fadens mit der Laufrolle) eine Kraftkomponente nach Osten. Für das aufsteigende Gewicht sind die Überlegungen ganz analog.
Löst man nun die in der Abbildung dargestellte Fixierung und hängt die Fallmaschine an einen Torsionsfaden, so wird der Punkt A ebenso zu einer Ortsveränderung in der Horizontalen nach Osten gezwungen. Widerstände spürt A durch das Richtmoment des Torsionsfadens, das Trägheitsmoment der Atwoodschen Fallmaschine und schließlich durch die Zwangsbedingungen, die ihn auf eine Kreisbahn zwingen. Gesetzt dem Idealfall, daß die Torsionskräfte bzw. das Trägheitsmoment verschwindend klein sind, müßte A dem Gewicht mf unmittelbar unter dem Winkel α ≡ 0 in die östliche Richtung folgen.
Da dieser Idealfall nie erreicht werden kann, wird A unter einem wenn auch sehr kleinen zeitabhängigen Winkel α(t) ≢ 0 bewegt. Es ist zu vermuten, daß dem anfänglichen Nachlaufen von A hinter mf im nächsten Moment durch eventuelles Überschwingen der Fallmaschine ein Vorauseilen folgt. Bei Wiederholung dieses Prozesses, vollzögen Fallmaschine und Gewichte eine Drehung mit überlagerter Schwingung.
Die Amplitude dieser gekoppelten Schwingung kann also durch ein geringes Trägheitsmoment der Fallmaschine klein gehalten werden. Damit erhält die Schwingung voraussichtlich eine hohe Frequenz.
2.4 Vereinfachte Herleitung der Formel für den Drehwinkel
Die Untersuchungen in Abschnitt 2.2 haben ergeben, daß die Corioliskraft mit der reduzierten Beschleunigung a zu beschreiben ist. Damit und mit den ergänzenden Überlegungen in Abschnitt 2.3 ist folgender Ansatz für die auf mf und ma wirkende Corioliskraft erlaubt:
FOst = 2mfaωt cos ϕ  FWest = -2maaωt cos ϕ (44).
Im weiteren Verlauf werden folgende Annahmen gemacht: Die Gewichte seien keine Massenpunkte mehr, sondern besitzen eine zylinderförmige Ausdehnung. Sie seien an ihrem jeweiligen Deckel symmetrisch am Lauffaden aufgehängt. Ferner besitzen sie ein großes Trägheitsmoment, so daß das der Fallmaschine näherungsweise vernachlässigt werden kann. Schließlich bleibe das Richtmoment der Torsionsfäden unberücksichtigt, indem es gleich Null gesetzt wird.
Wenn der Radius der Laufrolle gleich l ist, dann wirken zwei Drehmomente
M₁ = FWestlcos(π + η₀ + η)
M₂ = FOstlcos(η₀ + η) (45)
auf die Fallmaschine (vergl. Fig. 13). Da sie beide in die gleiche Richtung weisen, ergibt sich nach Addition ein Gesamtdrehmoment mit
Mges = 2l (mf + ma)aωt cos ϕ cos (η₀ + η) (46).
Im dynamischen Gleichgewicht muß Mges gleich der zeitlichen Änderung des Drehimpulses sein:
Jges = 2l(mf + ma)aωt cos ϕ cos(η₀ + η) (47).
Bekannt ist, daß sich der größte Drehwinkel für η₀= 0° bzw. η₀ = 180° einstellt. Exemplarisch sei die Einstellung η₀= 0° gewählt. Mit der Line­ arisierung cos η ≈ η für kleine Drehwinkel η bekommt (47) die Gestalt:
Jges =2l(ma + mf)aωt cos ϕ (48).
Zur Bestimmung des Trägheitsmomentes der Gewichte muß der Steinersche Satz herangezogen werden. r bezeichnet den Radius der zylinderförmigen Ge­ wichte.
Die Massendifferenz zwischen mf und ma sei so gering, daß man mf ≈ ma = m setzen kann. Außerdem sollen die Gewichte so dicht wie möglich in vertikaler Richtung aneinander vorbeilaufen. Damit besitzt der Radius der Laufrolle in etwa das gleiche Maß wie die Zylinderradien. Aus (49) erhält man sodann den Ausdruck:
Jges = 3ml² (50)
(50) eingesetzt in (48) ergibt die genäherte Bewegungsgleichung:
Zweimalige Integration liefert die endgültige Formel für den Drehwinkel:
Das Resultat zeigt eine Veränderung zu (42). Der Faktor 2/3 ist eine Auswirkung der Maßnahme, daß die Massen nicht mehr als Massenpunkte angenommen wurden. Es verdeutlicht zudem die Grenzen für die Optimierung der Apparatur. Man kann den Radius der Laufrolle zur Vergrößerung des Effektes nicht beliebig klein machen, denn die Gewichte müßten, konstante Masse vorausgesetzt, deutlich länger werden. Dies wiederum bedeutet bei eingeschränkten räumlichen Bedingungen eine Verringerung der Fallhöhe. Auch in Bezug auf den gewählten Startmechanismus können die Radien der Gewichte nur bis zu einer bestimmten Grenze verkleinert werden. Diesbezüglich wird auf Abschnitt 2.7.3 verwiesen.
2.5 Die exakte Meßformel 2.5.1 Ergänzende Betrachtungen zur reduzierten Beschleunigung der Massen
In allen bisherigen Betrachtungen wurde die durch die Atwoodsche Fall­ maschine reduzierte Beschleunigung als zeitlich konstante Größe angesehen. Zur Vergrößerung der Ost- bzw. Westabweichung und damit auch des Drehwinkels ist es vorteilhaft, wie eingangs festgestellt, die Beschleunigung so klein wie möglich zu machen. Formel (17) gibt Auskunft darüber, daß dies theoretisch ohne weiteres durch Verringerung der Massendifferenz zwischen mf und ma möglich ist. Irgendwann ist die Masse des Lauffadens m₀ jedoch nicht mehr vernachlässigbar, sie muß in die Rechnung mit einfließen. Aber damit noch nicht genug. Um die Fadenmasse m(t), die eine Seite während des Be­ wegungsvorganges an Gesamtmasse abnimmt, nimmt die andere Seite zu. Die reduzierte Beschleunigung ist über die gesamte Fallzeit hinweg eine veränderliche Größe; sie steigt monoton bis zu einem maximalen Wert am Ende des Bewegungsvorganges an. Der Ansatz zur Ermittlung des funktionalen Verlaufes für a(t) erfolgt in Ergänzung von (17) und lautet:
Die Massendifferenz zwischen linker und rechter Seite der Atwoodschen Fall­ maschine zum Zeitpunkt t = 0 wird fortan als "Übergewicht" bezeichnet. Für das Übergewicht gilt also: mü = mf - ma - m₀. Mit den Abkürzungen mges = mf + ma + m₀ und
kann (53) folgendermaßen umgeschrieben werden:
m(t) ist proportional zur Fallstrecke d(t). Der Proportionalitätsfaktor setzt sich aus dem Querschnitt A = πrF² und der Dichte δF des Fadens zusammen. Die charakteristische Größe der Beschleunigungszunahme sei durch den Ausdruck
definiert. ist abhängig vom Querschnitt bzw. der Dichte des Lauffadens und der Gesamtmasse. (55) kann mit (56) in eine einfache Form gefaßt werden:
a(t) = a₀ + ²d(t) (57).
Die zweimalige Differentiation von (57) liefert mit = a eine Differentialgleichung für die reduzierte Beschleunigung.
ä - ²a = 0 (58).
Deren Lösung lautet:
a(t) = a₀ cosh( t) (59).
Die Beschleunigung a₀ bleibt eine experimentell zu bestimmende Größe, da die annähernd geschwindigkeitsunabhängige Rollreibung des Lagers noch reduzierend wirkt. In Anbetracht der kleinen Fallgeschwindigkeit kann die Luftreibung vernachlässigt werden.
2.5.2 Das Richtmoment der Torsionsfäden
Das Richtmoment der Torsionsfäden wirkt den durch die Corioliskraft verursachten Drehmomenten entgegen und wird auf diese Weise den Drehwinkel um einen bestimmten Betrag vermindern. Vom theoretischen Standpunkt aus gesehen sollte das Richtmoment so klein wie möglich gemacht werden. Das Richtmoment MD ist proportional zum Drehwinkel η:
MD = -Dη (60).
Die Richtgröße ist materialabhängig. Wichtig ist, daß sie sich proportional zu r⁴ (r = Radius des Torsionsfadens) und umgekehrt proportional zur Länge des Torsionsfadens verhält (siehe [13], Seite 119). Daher läßt sich mit langen, dünnen Fäden die gewünschte Empfindlichkeit erreichen.
2.5.3 Lösung der Differentialgleichung unter Einbeziehung der zeitab­ hängigen Beschleunigung und des Richtmomentes
Die allgemeine Form der Differentialgleichung zur Herleitung der Meßformel für den Drehwinkel erhält man, wenn (37), (59) und (60) in (47) berücksichtigt werden.
Zur Lösung der Differentialgleichung müssen wieder Anfangsbedingungen vorgegeben werden. Dazu muß bedacht werden, daß die Atwoodsche Fallmaschine vor dem Start Torsionsschwingungen um die eingestellte Himmelsrichtung bzw. Nullage η₀ vollführt. Diese Schwingung habe die Am­ plitude . Fig. 17 verdeutlicht in einer Draufsicht die beschriebene Situation. Erstrebenswert ist eine möglichst kleine Amplitude. Die optimale Situation vor dem Start wäre natürlich die völlige Ruhe, das heißt Dies ist auch zu erreichen, kann aber unter Umständen zu sehr langen Wartezeiten führen, da die Dämpfung der Schwingung ausschließlich durch die Luftreibung erfolgt. Wenn man nicht bis zum völligen Ruhezustand warten möchte, wählt man die Anfangsbedingungen
(für (0) = 0 wäre gemäß Fig. 17 = η). Mit η = - und den Abkürzungen
folgt die endgültige Meßformel für den Drehwinkel η als Lösung von (61) in der Form:
Meßformel (63) erscheint auf den ersten Blick sehr kompliziert. Für den Idealfall eines masselosen Fadens, was gleichbedeutend ist mit = 0, reduziert sie sich bereits erheblich zu
Für und der Taylorreihenentwicklung für sin kt erhält man:
Mit den Näherungen aus Abschnitt 2.4, also insbesondere D = 0, ergibt sich wieder die einfache Lösungsformel (52).
Interessant ist noch eine andere Betrachtung. Dazu sei die Fallhöhe als konstant, die Beschleunigung jedoch durch Veränderung des Übergewichtes bei gleichbleibendem Gesamtgewicht als variabel angenommen. Aus (59) ergibt sich durch zweimaliges integrieren die Fallhöhe d zu:
(66) kann nach a₀ aufgelöst und in (63) eingesetzt werden. Fig. 18 zeigt den maximalen Drehwinkel bei veränderlicher Gesamtfallzeit td. Für td = 1 s, was ungefähr dem freien Fall entspräche, ergäbe sich ein maximaler Drehwinkel von etwa 0.25°. Bei einer Gesamtfallzeit von td = 30 s, erhielte man hingegen eine Verstärkung des maximalen Drehwinkels um das 20fache.
Abschließend soll noch kurz darauf eingegangen werden, was sich für den Drehwinkel η ergibt, wenn die Ausgangsstellung Ost-West, d. h. η₀ = 90° oder η₀ = 270° gewählt wird. Man erhält dann aus (61) näherungsweise die Schwingungsformel:
Für ist erwartungsgemäß auch η = 0.
2.6 Das Meßprinzip
Die Abweichung von der Lotlinie der sich vertikal bewegenden Massen wird direkt über den sich einstellenden Drehwinkel beobachtet. Zu einer bestimmten Fallhöhe h wird die Fallzeit gestoppt und die Drehung fixiert, bevor das fallende Gewicht auf dem Boden aufschlägt. Der hierzu verwendete Haltemechanismus wird ausführlich in Abschnitt 2.7 beschrieben.
Um den verhältnismäßig kleinen Drehwinkel messen zu können, wurde in den Rahmen der Atwoodschen Fallmaschine ein Spiegel installiert, welcher den einfallenden Lichtstrahl eines Lasers reflektiert. Fig. 19 zeigt dies in vereinfachter Darstellung der Apparatur. Der reflektierte Strahl trifft in einiger Entfernung zur Rotationswaage auf eine Meßwand, so daß der Drehwinkel mühelos beobachtet bzw. nach der Fixierung gemessen werden kann.
Die Reflexion des Lichtstrahles am Spiegel bringt einen weiteren Vorteil. Der reflektierte Strahl zeigt den doppelten Wert des eigentlichen Drehwinkels an. Wenn E die Entfernung des Spiegels zur Meßwand darstellt und x die dort sichtbare Ablenkung des Laserstrahls, so ergibt sich für den Drehwinkel im Bogenmaß folgender Zusammenhang:
2.7 Technische Beschreibung 2.7.1 Die Apparatur im Überblick (Fig. 1)
Zentraler Bestandteil der Rotationsdrehwaage ist die Fallmaschine FM. Sie ist in ihrer Längsachse symmetrisch zwischen den Torsionsfäden T₁ und T₂ eingespannt. Dadurch erhält sie Stabilität gegen evtl. Verschiebungen zur Lotrechten. Der untere Torsionsfaden T₁ ist ein Stahldraht mit einem Durchmesser von 0.18 mm und einer Länge von 310 m. Der obere T₂ hat eine Länge von 45 cm und besteht aus feinen Filamenten der Kunstfaser Aramid, die mit Silikon verklebt einen Gesamtdurchmesser von 0.4 mm haben. Der Aramidfaden hat die vorteilhaften Eigenschaften, daß er eine relativ große Zugfestigkeit und trotzdem eine hohe Empfindlichkeit besitzt. Obwohl er einen ungefähr doppelt so großen Querschnitt und eine ca. acht mal geringere Länge als der untere Torsionsfaden aufweist, ist seine Richtgröße doch um das zehnfache kleiner. Das Torsionsmoment ist demnach in erster Linie durch den Stahlfaden bestimmt (dessen Empfindlichkeit darf nicht zu groß sein; siehe Abschnitt 2.7.7).
Der über die Rolle der Fallmaschine geführte Lauffaden L verbindet das fallende (mf) mit dem aufsteigenden Gewicht (ma). Material und Querschnitt des Lauffadens sind gleich dem Torsionsfaden T₁. Das aufsteigende Gewicht ist 25 cm und das fallende 22.5 cm lang. Beide besitzen einen Durchmesser von 1.7 cm, bestehen im wesentlichen aus Messing und wiegen zusammen 843 g. Das Übergewicht beläuft sich auf nur 1-2 g, je nach dem, welche Beschleunigung gewünscht wird. An ma befindet sich der Startmechanismus, der einen berührungsfreien Start des Bewegungsvorganges zuläßt.
Die untere Aufhängung AU ist fest mit dem Fußboden und die obere AO mit der Decke des Raumes verbunden. Dies ermöglicht eine maximale Fallhöhe. Alternativ könnte auch das Fallrohr F zur Befestigung dienen, wenn es über genügend Stabilität verfügt. Damit könnte die Apparatur mit geringerer Höhe konzipiert werden und wäre mobil. Das Gewicht der unteren Aufhängung, welches die Torsionsfäden spannt, wird nach dem Auspendeln mit mehreren Schrauben fixiert. Dieses muß so geschehen, daß die Torsionsfaden nicht von der Lotrechten abweichen. Außerdem dürfen T₁ und T₂ keine Drillung aufweisen.
An AO sind zusätzlich die Halterungen der Spule SPI (ca. 2000 Windungen) angebracht. Sie bilden mit SPI einen wesentlichen Bestandteil des Halte­ mechanismus. Die Spule baut im Bedarfsfall ein Magnetfeld auf, das Voraussetzung zur Fixierung der Drehbewegung der Fallmaschine ist. Das Magnetfeld wird durch einen Eisenkern verstärkt. Dieser besitzt eine Bohrung, welche den freien Durchgang des Torsionsfadens ermöglicht. Der Eisenkern befindet sich nur wenige Millimeter über der Fallmaschine. Zu seiner waagerechten Justierung dienen Stellschrauben im Gestänge der Halterung.
Die Höhe vom Fußboden bis zur Decke beträgt ca. 3.90 m. Die gesamte Apparatur ist innerhalb eines Fallrohres F installiert. F hat einen Durchmesser von 11 cm und ist zur Vermeidung von störenden Luftströmungen notwendig. Damit die Bewegung der Gewichte bzw. der sich einstellende Drehwinkel beobachtet werden kann, ist das Rohr mit genügend Fenstern aus Klarsichtfolie versehen. Die Fenster können jederzeit geöffnet und geschlossen werden.
Die vertikale Bewegung wird mit dem Ausschalten der Lichtquelle LQ ausgelöst. Sobald das fallende Gewicht die Lichtschranke G passiert, wird die Fallzeit gestoppt und gleichzeitig die Drehbewegung über den Haltemechanismus fixiert. Die Fixierung muß vor dem Aufschlagen des Gewichtes vollzogen sein. Der Aufprall wird durch ein wenig Schaumstoff abgefedert. Ein besonderer Dämpfungsmechanismus ist nicht vorgesehen, da die Endgeschwindigkeit von mf relativ klein ist.
Der Laser H beleuchtet den Spiegel der Fallmaschine, so daß der reflektierte Strahl auf die Meßwand trifft und der Drehwinkel beobachtbar ist. Die Meßwand ist halbkreisförmig im Abstand von 5.18 m zum Spiegel aufgestellt.
2.7.2 Die Fallmaschine (Fig. 2)
Fig. 2 zeigt den Aufbau der Fallmaschine im einzelnen. Um das Trägheitsmoment der Fallmaschine möglichst klein zu halten, wurden geringe Abmessungen und leichte Materialien genommen.
Die Laufrolle LR mit dem Radius l = 1 cm besteht aus Kunststoff. Sie ist auf ein Kugellager aufgesetzt, um eine möglichst geringe Haftreibung zu garantieren. Der Rahmen der Fallmaschine ist aus Aluminium und 8.5 cm lang. Am oberen Ende des Rahmens ist ein Aluminiumkreuz installiert. Es verfügt über sechs Bohrungen, in die jeweils ein beweglicher Eisenniet EN eingepaßt wurde. Die Eisenniete werden für den Haltemechanismus benötigt (siehe Fig. 4).
Im Rahmen, zwischen Kreuz und Laufrolle, ist ein Schlitz eingefräst, in den der Spiegel S eingeschoben wird. Am oberen und unteren Ende des Rahmens befinden sich schmale Bohrungen, durch die die Torsionsfäden durchgezogen und danach mit kleinen Hülsen festgeklemmt werden.
2.7.3 Der Startmechanismus
Der Startmechanismus besteht aus drei einzelnen Komponenten: a) Einer Lichtquelle LQ (siehe Fig. 1), b) dem aufsteigenden Gewicht (Fig. 3) und c) dem Kompensationsgewicht KG (siehe Fig. 1).
Die innere Konstruktion von ma ist in Fig. 3 schematisch eingezeichnet. In dem durchbohrtem unteren Teil des Gewichtes befindet sich eine Spule SPII (1600 Windungen) einschließlich Eisenkern und darüber ein schmaler Akku AK, der die Spannungsversorgung (1.2 V) sicherstellt. Zum Aufladen kann AK jederzeit herausgenommen werden. Spule, Akku und ein Fotowiderstand W am oberen Ende des Gewichtes sind in Reihe geschaltet. Ist keine direkte Beleuchtung durch künstliche Lichtquellen vorhanden, dann besitzt W einen großen Ohmschen Widerstand und der fließende Strom ist verschwindend klein. Bei Beleuchtung mit der verwendeten Lichtquelle LQ fließt hingegen ein Strom mit einer Stärke von ungefahr 20 mA. Das durch den Eisenkern noch verstärkte Magnetfeld ist ausreichend, um das Kompensationsgewicht KG zu halten.
Der Start erfolgt auf folgende Weise: Zunächst beleuchtet LQ den Fotowiderstand W. Das Kompensationsgewicht KG, welches in etwa gleich schwer wie das Übergewicht sein muß, wird durch das Magnetfeld des Eisenkernes gehalten. Nach dem Ausschalten von LQ fällt das Kompensationsgewicht ab, ohne nennenswerte Erschütterungen zu verursachen. Durch das daraus resultierende Übergewicht auf der anderen Seite der Fallmaschine wird der vertikale Bewegungsvorgang ausgelöst.
2.7.4 Der Haltemechanismus (Fig. 4a und 4b)
Der Haltemechanismus ist in Bezug auf das Handling mit der Apparatur und der Erfassung der Meßwerte des Drehwinkels unerläßlich. Fig. 4a und Fig. 4b zeigen die Situation der gelösten Halterung bzw. die der Fixierung der Fallmaschine. Das Hochschnellen der Stifte EN wird durch das Einschalten des Magnetfeldes mit der Spule SPI erreicht. Die Stifte werden am Eisenkern durch Reibung so stark gehalten, daß unter den gegebenen Umständen keine Verschiebungen mehr möglich sind und die Drehung der Fallmaschine "eingefroren" ist. Nach dem Ausschalten fallen sie wieder in ihre Ausgangslage zurück.
Ein enormer Vorteil liegt darin, daß die Torsionsschwingung vor dem Auslösen der vertikalen Bewegung an beliebiger Stelle gestoppt werden kann, also auch in der Nullagenposition η₀ (siehe Fig. 17). Wenn der Lichtpunkt an der Meßwand die Nullage erreicht hat, wird in dem Moment das Magnetfeld eingeschaltet. Während der Fixierung können die Gewichte sich in dieser Stellung beruhigen oder sie können gar per Hand beruhigt werden. Nach einer Wartezeit von 15-20 mm haben sich die Gewichte weitgehend ausgependelt, die Fixierung kann wieder gelöst werden. Im Anschluß daran stellt sich erneut eine Torsionsschwingung ein, jedoch mit einer vergleichsweise kleinen Amplitude. Dieser Vorgang ist wiederholbar. Die Wartezeit bis zur tatsächlichen Durchführung eines Experimentes kann somit von durchschnittlich 24 Stunden (ohne Haltemechanismus) auf durchschnittlich 45 Minuten reduziert werden.
Außerdem kann nach vorheriger Fixierung beispielsweise der Akku gewechselt werden, ohne daß weitere Zeitverluste im Versuchsablauf entstehen.
Ein entscheidender Vorteil des Haltemechanismus ist die Meßbarkeit des Drehwinkels. Mit dem Passieren der Lichtschranke G durch das fallende Gewicht wird über ein Relais das Magnetfeld eingeschaltet und somit die Drehung der Fallmaschine genau in diesem Moment angehalten. An der Meßwand kann die Differenz der neuen Position des Lichtpunktes zu dessen Ausgangsposition gemessen werden. Das Aufschlagen des fallenden Gewichtes auf dem Boden beeinflußt die neue Position des Lichtpunktes nicht, da die Fixierung stark genug ist.
2.7.5 Die Orientierung der Fallmaschine (Fig. 5a und 5b)
Die Fallmaschine muß in ihrer Stellung zur Himmelsrichtung verstellbar sein, denn es sind verschiedene Ergebnisse bei veränderter Richtung zu erwarten. Die Variation ist mit Hilfe von drehbaren Bolzen BO und BU möglich (siehe Fig. 5a und 5b). Mit einer Winkelskala kann der Betrag der veränderten Einstellung abgelesen werden. Der Bolzen der oberen Aufhängung ist direkt mit der Spule SPI verbunden (Fig. 1), so daß sich bei einer Veränderung der Orientierung die folgende Vorgehensweise anbietet: Vorab wird der Haltemechanismus aktiviert. Dann wird der Bolzen der oberen Aufhängung BO samt Spule SPI und fixierter Fallmaschine FM um einen bestimmten Winkel gedreht. Anschließend wird der Bolzen der unteren Aufhängung BU um den gleichen Betrag gedreht. Die neue Position der Fallmaschine ist damit eingestellt.
2.7.6 Beschreibung des Ablaufes bis zur Durchführung eines Experi­ mentes
Zu Beginn ist der Haltemechanismus aktiviert. Der Fotowiderstand W am aufsteigenden Gewicht wird mit einer Lichtquelle LQ (z. B. eine Halogenlampe) von oben beleuchtet. Dadurch wird das Kompensationsgewicht KG magnetisch an den Eisenkern gebunden. Wegen des Gleichgewichtes ist nun eine vertikale Bewegung von mf und ma nicht mehr möglich. Das Pendeln beider Gewichte wird manuell weitgehend beruhigt. Danach werden die Fenster am Fallrohr F geschlossen und die Fixierung der Fallmaschine wieder gelöst. Durch Beobachten der Bewegung des Meßpunktes an der Meßwand wird die Nullage der Torsionsschwingung ausfindig gemacht. Exakt in der Nullage erfolgt dann die Fixierung, um diese wiederum nach einer angemessenen Wartezeit zu lösen. Dieser Vorgang wird so lange wiederholt, bis die Amplitude der Torsionsschwingung (siehe Fig. 17) ausreichend klein geworden ist. Danach wird zusätzlich zu LQ noch ein Laser auf den Fotowiderstand gerichtet und anschließend die herkömmliche Lichtquelle LQ ausgeschaltet. Das Laserlicht hat den Vorteil, daß die Luft innerhalb des Fallrohres minimal erwärmt und somit die Störung durch Luftströmungen verhindert wird. Vor dem Auslösen der vertikalen Bewegung ergibt sich also folgende Situation: Fallmaschine einschließlich der Gewichte vollführen eine Torsionsschwingung um η₀ mit kleiner Amplitude Wenn der Lichtpunkt an einen der Umkehrpunkte angelangt ist, wird der Laser ausgeschaltet, daß Kompensationsgewicht fällt ab, die Fallzeit beginnt zu laufen, und die Gewichte setzen sich in Bewegung. Beim Durchgang durch die Lichtschranke werden schließlich Fallzeit und Drehbewegung in der beschriebenen Weise gestoppt.
2.7.7 Schwierigkeiten
Vorversuche haben ergeben, daß die Torsionsfäden nicht zu empfindlich sein dürfen. Ursprünglich wurden Fäden verwendet mit einer Richtgröße von D ≈ 10-7 Nm. Diese erwiesen sich als ungeeignet, da kleinste Erschütterungen nach dem Start zu plötzlichen ruckartigen Drehbewegungen der Fallmaschine führten. Es waren keine Messungen möglich. Die zuletzt verwendeten, hier beschriebenen Fäden sind insgesamt um den Faktor 10 unempfindlicher. Ihre Benutzung hatte einen wesentlich ruhigeren Verlauf des Lichtpunktes zur Folge. Auf größte Sorgfalt ist im Umgang mit dem aus Stahl bestehenden Lauffaden zu achten. Er darf keinen Knick aufweisen, dieser kann die Meßergebnisse entscheidend verfälschen.
Als lästig erwies sich der Umstand, daß die Stifte des Haltemechanismus nach häufiger Benutzung und längerer Fixierung hängen blieben, nachdem der Spulenstrom bereits ausgeschaltet war. Ursache ist der Restmagnetismus in ihnen bzw. dem Eisenkern. Oftmals konnte das Problem durch einen Wechselstrom behoben werden, manchmal gelang es aber auch damit nicht. Im letzteren Fall mußte die Spule mit der Hand leicht berührt werden, um die Stifte zu lösen. Die dadurch verursachten Erschütterungen vergrößerten zwar die Torsionsschwingung, die sich aber immer noch im erträglichen Rahmen hielt. Derartige Probleme könnten durch Verwendung spezieller, magnetisch welcher Materialien vermieden werden. Eine andere Möglichkeit bestünde dann die Stifte nach einiger Zeit zu wechseln.
2.8 Meßergebnisse 2.8.1 Gemessene Drehwinkel
Der an die Meßwand reflektierte Laserstrahl ermöglicht zu jedem Zeitpunkt des Bewegungsvorganges die Beobachtung des Drehwinkels. Mit einer Video­ kamera wurde die Bewegung des Lichtpunktes aufgenommen. Da die Meßwand mit einer Skala versehen ist, konnte bei der anschließenden Wiederholung auf dem Bildschirm mittels Standbildern die Positionsänderung des Lichtpunktes zur Ausgangsposition direkt abgelesen werden. Die miteingeblendete Fallzeit ließ die Erfassung von Meßpunkten (ti, ηi) zu. Exemplarisch wurde je eine Kameraaufnahme zur Einstellung η₀ = (0 ± 10)° und η₀ = (180 ± 10)° durchgeführt. Es wurden jeweils ca. 250 Meßpunkte aufgenommen und in ein Diagramm übertragen. Die Verbindung der Punkte gibt den beobachteten Verlauf des Drehwinkels als Funktion der Zeit wieder (Fig. 20a und Fig. 21a). Zum Vergleich wurde der theoretische Verlauf nach Formel (63) graphisch dargestellt (Fig. 20b und Fig. 21b) und dieser schließlich mit dem entsprechenden Diagramm der gemessenen Werte kombiniert (Fig. 20c und Fig. 21c).
Auffallend sind zwei Schwingungen unterschiedlicher Frequenz, die der mittleren Bewegung überlagert sind. Sie hängen beide damit zusammen, daß es sich bei der Apparatur nicht um ein starres System handelt, sondern Gewichte und Fallmaschine über den Lauffaden gekoppelt sind. Die eine Schwingung hat eine Periodendauer von 0.2-0.4 s bei zu- und abnehmender Amplitude, die andere weist eine Periodendauer von ca. 6 s auf. Ein systematischer Fehler wäre nicht auszuschließen, wenn man den Drehwinkel aufgrund der letzteren Schwingung vielleicht immer zu groß messen würde. Die beobachtete Bewegung des Lichtpunktes bei einer festen Einstellung η₀ variierte jedoch von Experiment zu Experiment. So war das anfängliche Überschwingen während der ersten 5-8 s unterschiedlich stark ausgeprägt. Es wurde zudem festgestellt, daß die erstmalige Auslenkung genausogut in die entgegengesetzte Richtung ablaufen kann. Dies hängt wiederum von den unterschiedlichen zufälligen Anfangsbedingungen beim Start ab, denn beispielsweise existieren die ge­ koppelten Schwingungen bereits vor dem Start, wenn auch mit geringerer Amplitude. Es könnte aber auch ein Zusammenhang damit bestehen, daß sich der Lauffaden bereits zu Beginn nicht immer exakt in der Mitte des Profils der Laufrolle bewegt (sondern z. B. bestrebt ist, zu einer Seite im Profil "hochzulaufen") und damit eine mehr oder weniger starke zufällige Auslenkung der Fallmaschine in den ersten Sekunden verursacht, die sich anschließend in Form von Schwingungen fortsetzt.
Eine tendenzielle Übereinstimmung von gemessener und theoretischer Kurve ist jedoch nicht zu bestreiten. Dadurch, daß der tatsächliche Verlauf des Lichtpunktes in Abhängigkeit der zufälligen Anfangsbedingungen jedesmal anders aussieht, ergibt sich eine Verteilung der gemessenen Drehwinkel um den theoretischen Wert (siehe Fig. 22, 23, 24 und 25).
Für die Einstellung η₀ = (0 ± 10)° werden die Meßwerte mit = (0.66 ± 0.11)° berücksichtigt. Es werden daher von 15 aufgenommenen Werten nur 13 berücksichtigt, welche nachträglich noch einmal durchnumeriert wurden. Fig. 23 zeigt die Verteilung der Meßwerte des Drehwinkels ηmax. In Fig. 22 ist die Verteilung der Meßpunkte in anderer Weise dargestellt. Sie ist eine verkleinerte Kopie der Meßwand und zeigt die Winkel + ηmax.
Aus der statistischen Verteilung für die Einstellung η₀ = (0 ± 10)° ergibt sich folgender Mittelwert max bzw. Vertrauensbereich für den Mittelwert Δ max:
max = 3.82°Δ max = ± 0.19°.
Es muß noch angemerkt werden, daß der Haltemechanismus den gemessenen Drehwinkel jeweils konstant um + 0.11° vergrößerte. Dieses wurde in der obigen Rechnung berücksichtigt.
Der Fehler ± 10° in der Einstellung für η₀ ist unerheblich, da cos (0°) ≈ cos (± 10°).
Um zur Einstellung η₀ = (180 ± 10)° zu gelangen, wurden die Gewichte einfach umgehängt, was im Ergebnis einer Drehung der Apparatur um 180° entspricht. In die Auswertung kommen alle Meßwerte mit = -(0.39 ± 0.11)°. Das sind 17 von insgesamt 18 aufgenommenen Werten (Fig. 24 und 25).
Für die Einstellung η₀ = (180 ± 10)° ergibt sich folgendes Ergebnis:
max = -3.32°Δ max = ± 0.19°.
Durch das Umhängen der Gewichte änderte sich der Drehsinn der Laufrolle. Diese Veränderung hatte zur Folge, daß sich die Fallzeit ein wenig verlängerte. Offensichtlich ist die Größe der Rollreibung des Lagers davon abhängig, in welche Richtung es sich dreht.
Ein systematischer Fehler für den Drehwinkel ηmax wurde durch die Veränderung des Drehsinns der Laufrolle nicht hervorgerufen. Dies bestätigen bereits die wenigen Experimente zu den Ost-West-Einstellungen η₀ = (90 ± 10)° (gleicher Drehsinn wie bei η₀ = (0 ± 10)°) und η₀ = (270 ± 10)° (gleicher Drehsinn wie bei η₀ = (180 ± 10)°). Diese Meßwerte zeigen eine gute Übereinstimmung mit den nach der Schwingungsformel (67) theoretisch zu erwartenden Resultaten.
2.8.2 Vergleich mit den nach Formel (63) errechneten Werten
Die zur Berechnung des Drehwinkels erforderlichen Daten werden aufgelistet und das Ergebnis der Rechnung mitgeteilt. Der Fehler für den Drehwinkel wurde nach dem Gaußschen Fehlerfortpflanzungsgesetz berechnet:
Erdbeschleunigung: g = 9.81 m/s²
Breitengrad von Kassel: ϕKs= 51.31°
Winkelgeschwindigkeit der Erde: ω = 7.27·10-5 s-1
Gesamtträgheitsmoment: Jges = (11.52 ± 0.08)·10-5 kg·m²
Direktionsgröße der Torsions­ fäden: D = (3.12 ± 0.11)·10-6 Nm
Gesamtmasse: mges = (843.92 ± 0.07)·10-3 kg
Charakteristische Größe für die Beschleunigungszunahme: = (6.79 ± 0.29)·10-2 s-1
Radius der Laufrolle: l = (10.00 ± 0.05)·10-3 m.
  • I. Berechnung des Drehwinkels für die Einstellung η₀ = (0 ± 10)° Fallzeit: = (21.4 ± 0.4) s
    Beschleunigung: ₀ = (9,8 ± 0.5)·10-3 m s-1Amplitude vor dem Start: = (0.66 ± 10.11)°
    ⇒ Drehwinkel: η = (3.58 ± 0.54)°.
  • II. Berechnung des Drehwinkels für die Einstellung η₀ = (180 ± 10)° Fallzeit: = (19.7 ± 0.4) s
    Beschleunigung: ₀ = (11.9 ± 0.7)·10-3 ms-2Amplitude vor dem Start: = -(0.39 ± 0.11)°
    ⇒ Drehwinkel: η = -(3.92 ± 0.58)°.
3. Zusammenfassung
Die mit der Rotationsdrehwaage erzielten Ergebnisse und die dazugehörigen errechneten Werte in der Übersicht:
Bei allen durchgeführten Experimenten in den Nord-Süd-Einstellungen η₀ = (0 ± 10)° und η₀ = (180 ± 10)° erfolgte eine Drehung in die erwartete Richtung. Diese Tatsache bestätigt bereits qualitativ die Existenz der Corioliskraft.
Im Falle η₀ = (0 ± 10)° ergibt sich eine gute Übereinstimmung des gemessenen Mittelwertes mit dem errechneten Wert. Für η₀ = (180 ± 10)° überlappt sich der Vertrauensbereich des Mittelwertes mit dem Fehlerbereich des errechneten Wertes.
Gegenüber den Versuchen Benzenbergs und Reichs konnte die Fallhöhe von 80 m bzw. 158 m auf 2.7 m reduziert, die Fallzeit um das 4 bis 5fache auf ca. 20 s verlängert werden. Die Rotationsdrehwaage registrierte eine Ost- bzw. Westabweichung von ca. 0.6 mm bis 0.7 mm. Diese Werte erhält man, wenn die gemessenen Mittelwerte für den Drehwinkel entsprechend umgerechnet werden. Sie vermitteln im übrigen eine Vorstellung von der Empfindlichkeit der Apparatur.
Bei zukünftigen Messungen mit der Rotationsdrehwaage sollte folgendes untersucht bzw. verbessert werden:
  • a) Die Ursachen für die Schwingung des Lichtpunktes an der Meßwand (siehe Abb. 24a und Abb. 25a) müßten noch genauer untersucht werden. Hiermit ist insbesondere die Schwingung mit der Periodendauer von ungefähr 6 s gemeint. Eine wahrscheinliche Ursache könnte das Profil der Laufrolle sein.
  • b) Die Anzahl der Versuche müßte noch erhöht werden, um Zufälligkeiten im Ergebnis möglichst sicher auszuschließen.
  • c) Der Fehler für den errechneten Wert ist noch relativ groß. Es müßte möglich sein, ihn auf die Hälfte zu reduzieren.
4. Schlußbetrachtung bezüglich der gewerblichen Anwendbarkeit der Ro­ tationsdrehwaage
Mit Hilfe der Rotationsdrehwaage kann an fast allen Orten der Erde (außer an und unmittelbar um Nord- und Südpol) der Nachweis der Erdrotation geführt und gut sichtbar demonstriert werden.
Die Rotationsdrehwaage ist ein geeignetes Lehrmittel in Universitäten und im Physikunterricht für Schüler, um die Wirkung der Corioliskraft auf der sich drehenden Erde zu veranschaulichen, und um die Erdrotation mittels der Ost- bzw. Westabweichung fallender bzw. aufsteigender Körper direkt auszumessen.
5. Literaturverzeichnis
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[11] Sambursky, Shmuel: Der Weg der Physik; Artemis Verlag, Zürich und München, 1975.
[12] Galilei: Dialog über die beiden hauptsächlichsten Weltsysteme, das ptole­ mäische und das kopernikanische; B.G. Teubner Verlag; Darmstadt 1982.
[13] Gerthsen/Kneser/Vogel: Physik; Lehrbuch des Springer Verlages; Berlin 1989.
Bezugszeichenliste
AO obere Aufhängung
T₁ unterer Torsionsfaden
T₂ oberer Torsionsfaden
ma aufsteigendes Gewicht
mf fallendes Gewicht
SPI Spule des Haltemechanismus
H Laser
FM Fallmaschine
F Fallrohr
L Lauffaden
LQ Lichtquelle
G Lichtschranke
KG Kompensationsgewicht
AU untere Aufhängung
EN Eisenstifte
S Spiegel
LR Laufrolle
W Fotowiderstand
AK Akkumulator
SPII Spule im aufsteigenden Gewicht
EK Eisenkern
BO oberer drehbarer Bolzen
BU unterer drehbarer Bolzen

Claims (7)

1. Rotationsdrehwaage zum Nachweis der Corioliskraft (Nachweis der Erdrotation) durch die Ostabweichung fallender bzw. die Westabweichung aufsteigender Körper, dadurch gekennzeichnet, daß die auf den fallenden Körper in Richtung Osten bzw. aufsteigenden Körper in Richtung Westen wirkende Corioliskraft eine Drehung (Coriolisdrehung) der zwischen zwei Torsionsfäden eingespannten Atwoodschen Fallmaschine (Fig. 1, Fig. 2 und Fig. 14) um deren vertikale Achse verursacht; sichtbar gemacht, mit Hilfe der Reflexion eines Laserstrahls am Spiegel der Fallmaschine (Fig. 1 und Fig. 19).
2. Rotationsdrehwaage aus Patentanspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Atwoodsche Fallmaschine vor dem Auslösen des vertikalen Bewegungsvor­ ganges der Körper auf eine beliebige Himmelsrichtung eingestellt werden kann.
3. Rotationsdrehwaage aus Patentanspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß das Fallrohr (Fig. 1) störende Luftströmungen während des Meßvorganges verhindert.
4. Rotationsdrehwaage aus Patentanspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß der Erdrotationsnachweis mit geringen Fallhöhen möglich ist und somit die Rotationsdrehwaage in üblichen Räumlichkeiten bei einer Deckenhöhe von ca. 2.5-4.0 m betrieben werden kann.
5. Haltemechanismus zum Stoppen der Torsionsschwingung bzw. Coriolisdrehung der Atwoodschen Fallmaschine, dadurch gekennzeichnet, daß zu einem beliebigen Zeitpunkt die Torsion bzw. Drehung der Atwoodschen Fallmaschine um deren vertikale Achse gestoppt werden kann, indem durch Einschalten eines Spulenmagnetfeldes die im Rahmen der Atwoodschen Fallmaschine beweglich eingepaßten Eisenstifte an den Eisenkern der Spule gezogen und durch Haftreibung am Eisenkern festgehalten werden (Fig. 4a und Fig. 4b).
6. Haltemechanismus aus Patentanspruch 5, dadurch gekennzeichnet, daß der Eisenkern der Spule eine Bohrung aufweist (Fig. 4), in der der obere Torsionsfaden (Fig. 1 und Fig. 4) berührungsfrei verläuft.
7. Startmechanismus zum Auslösen der vertikalen Bewegung der Körper, dadurch gekennzeichnet, daß ohne äußere mechanische Berührung die Elektronik innerhalb des aufsteigenden Körpers (Fig. 3) geschaltet werden kann, so daß zu einem beliebig gewählten Zeitpunkt ein erschütterungsfreier Start der vertikalen Bewegung der Körper möglich ist, indem das zuvor magnetisch gehaltene Kompensationsgewicht (Fig. 1 und Fig. 3) abfällt.
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