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der überschußschlammproduktion in Belebtschlammanlagen für Abwasserreinigung
Gegenstand der Erfindung ist ein Verfahren zum Vermindern der Überschußschlammproduktion,
die in Belebtschlammanlagen der Abwasserreinigung infolge des Baustoffwechsels der
Schlammbakterien auftritt..
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Zum Reinigen kommunaler und industrieller Abwässer werden zunehmend
biologische Verfahren angewendet. Für größere Abwassermengen eignet sich hierbei
das sogenannte Schlammbelebungsverfahren besonders. Bei diesem Verfahren wird das
Rohwasser zunächst mechanisch vorgeklärt und dann in das Belüftungs- oder Belebtschlammbecken
gebracht, wo die in dem Abwasser gelösten organischen Substanzen durch Bakterien
abgebaut werden. Ein nachgeschaltetes Becken dient dazu, das gereinigte und in den
Vorfluter abfließende Wasser von dem Schlamm, der zum größten Teil wieder in das
Belüftungsbecken zurückgepumpt wird, zu trennen. Die biologische Reinigung beruht
einerseits auf dem Energiestoff-Wechsel der Bakterien, bei dem als Endprodukte Kohlensäure
und Wasser entstehen, andererseits auf dem Baustoffwechsel der Bakterien, bei dem
ein Teil des organischen Materials in der Bakterienzelle gespeichert bzw. zum Aufbau
neuer Körpersubstanz verwendet wird. Durch den Baustoffwechsel nimmt die Trockenmasse
des Schlammes zu. Dieser »Übersehußschlammu amuß dem Belüftungsbecken entzogen,
eingedickt, .entwässert und schließlich deponiert oder verbrannt werden.
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Die Schlammentwässerung geschieht entweder auf Trockenbeeten, wozu
erhebliche Freilandflächan zur Verfügung stehen müssen, oder durch Schleuderan oder
Filtrieren auf Filterpressen oder Saugfiltern. Bei der in Industrieanlagen meist
üblichen Entwässerung mit Drhfiltern müssen dem Schlamm Flockungshilfsmittel zugesetzt
werden, und zwar. sind je Kilogramm Schlammtrockensubstanz etwa 1 kg Kalk und 200
g Eisensulfat erforderlich. Fabrikationsabwasser aus chemischen Betrieben mit einem
biochemischen Sauerstoffbedarf (BSB6) von 1 bis 1,5g O2 je Liter liefert je Kubikmeter
etwa 201 Schlamm ,mit einem Feststoffgehalt von .etwa 3 %. Die Deponie des auf 75
bis 80°/o .entwässerten Schlammes erfordert gegen Grundwasserverunreingung abgesicherte
Gruben und wirft in der Regel erhebliche Transportprobleme auf. Zum Verbrennen des
Schlammes sind spezielle Öfen erforderlich, und es muß zusätzliche Energie aufgewandt
werden. Die Verbrennung ist noch teuerer als die Verkippung.
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Es ist desbalb wünschenswert, die Überschußschlammproduktion zu vermeiden
oder wenigstens zu verringern. Bisher bestehen hierfür grundsätzlich zwei Möglichkeiten:
Man kMan den Belebtschlamm mit den organischen Verunreinigungen nur schwach belasten,
d. h. die Belüftungszeit gegenüber hochbelasteten Anlagen um eine Vielfaches verlängern.
Dabei werden Speichertofe und ein Teil der Bakterienzellsubstanz veratmet.
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Bei der sogenannten getrennten Schlammstabilisierung wird der Überschußschlamm
mehrere Tage lang innen Becken weiter belüftet Beide Verfahren erfordern den Bau
größerer oder zusätzlicher Becken, was aus Platzmangel oft nicht durchführbar ist
und außerdem hohe Investitionosten verursacht.
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Es wurde nun gefunden, daß man die Überschußschlammproduktion in Belebtschlammanlagen
für die Abwasserreinigung vermindern kann, wenn man den biologischen Abbau der im
Abwasser vorhandenen Verunreinigungen gemäß der Erfindung in Gegenwart bakteriostatisch
wirkender Mengen von Desinfektionsmitteln vornimmt.
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Von den bekannten Desinfektionsmitteln haben sich Pnole, insbesondere
Nitrophenole, in bakteriostatisch wirkender Konzentration bewährt. Auch der Zusatz
löslicher Cyanide führt zu einer erheblichen Verminderung der Überschußschlamrribildung.
Mit gutem Erfolg können ,ferner die als Schädlingsbekämpfungsmittel ]bekannten Zinnverbindungen,
wie Triphenylzinnacetat, sowie 'Vlycelabfälle aus der Herstellung von Antibiotika
eingesetzt werden.
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Die genaue Menge an Desinfektionsmittel muß jeweils durch einen Versuch
ermittelt wwerden, da sie
etwas von der Zusammensetzung des, Abwassers
abhängt. Außerdem besteht die Möglichkeit, daß sich die Schlammbakterien nach einer
gewissen Zeit an bestimmte Desinfektionsmittel gewöhnen, weshalb es zweckmäßig ist,
in. längeren Zeitabständen das Desinfektionsmittel zu wechseln.
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Wenn sich auch Phenole und Cyanide besonders bewährt haben, so ist
doch der Einsatz anderer bakteriostatisch wirksamer Substanzen möglich. Beispielsweise
vermindert auch ein Zusatz von aromatischen Kohlenwasserstoffen wie Toluol die Überschußschlammbildung.
Hierbei sind jedoch größere Mengen erforderlich, so daß der Einsatz unter Umständen
aus Kostengründen nicht möglich ist.
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Beim Betrieb von biologischen Kläranlagen sind zwar schon Desinfektionsmittel
als Hilfsmittel eingesetzt worden, und zwar besonders Chlor, um Störungen durch
Überlastung der Anlagen abzustellen. Das Desinfektionsmittel wurde dabei zur Vernichtung
unerwünschter Kleinlebewesen, insbesondere der für die Bildung von Blähschlamm verantwortlichen
Fadenpilze verwendet.
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Es- war ferner -bekannt, daß die Anwesenheit von Kupfersalzen, deren
fungizide Wirkung schon länger bekannt ist, die Lebenstätigkeit in biologischen
Kläranlagen hemmt. Durch die Erfindung ist jedoch erstmalig erkannt worden, daß
solche Desinfektionsmittel, die für den Betrieb der Anlage normalerweise schädlich
sind, eine Verminderung der Überschußschlammproduktion bei gleichbleibender Abbaurate
bewirken, wenn sie in der richtigen, nämlich der bakteriostatisch wirkenden Konzentration
verwendet werden.
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Die Erfindung wird nun an Hand von Laborversuchen näher erläutert:
Die Versuche wurden in Labor-Belebtschlammanlagen mit einem Belüftungsraum von 3,51
durchgeführt. Die Apparaturen arbeiten nach dem gleichen Prinzip wie Großanlagen
zur biologischen Abwasserreinigung. Als Rohwasser diente Abwasser aus Betrieben
der Petrochemie, der Kunststoff und Lösungsmittelproduktion mit einem BSB5, der
zwischen 500 und 1500 mg/l schwankte. Parallel zu der Apparatur mit den jeweiligen
Zusätzen lief eine Vergleichsanlage ohne Zusatz unter sonst gleichen Bedingungen
(9 Stünden Belüftungszeit, 501 Druckluft je Stunde, 200 % Rücklaufschlamm, 3,5 g
Belebtschlammtrockensubstanz je Liter, als Bakterienzusatznahrung 130 mg Stickstoffphosphat
20/20 je Liter Rohwasser).
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Getestet wurden folgende Substanzen:
1. Toluol |
Zusatz . . . . . . .. . . 1 m1/1 Abwasser. |
Versuchsdauer . . 33 Tage. |
Ergebnis ...... Bei gleichguter Abbaurate |
Reduzierung der Überschuß- |
schlammproduktion um 26 % |
Aus preislichen Gründen dürfte |
Toluolfür den hier angestreb- |
ten Zweck jedoch ausscheiden. |
2. 2,2-Dinitrophenol (DNP) |
Zusatz . . . . . . . . . 5 mg/1 Abwasser. Da die |
Substanz im sauren Bereich |
wasserunlöslich ist, muß das |
Rohwasser schwach alkalisch |
gestellt werden. |
Versuchsdauer .. 38 Tage. |
Ergebnis . . . . . . . . Die BSB5- und CSB-(che- |
mischer Sauerstoffbedarf)-Ab- |
bauraten waren in beiden Ap- |
paraturen etwa. gleich. Die |
Uberschußschlammproduk- |
tion lag mit etwa 190 g Trok- |
kensubstanz je Kilogramm ab- |
gebautem BSB5 in der Test- |
apparatur um 20 % niedriger |
als in der Vergleichsanlage. |
Durch Erhöhung des Zusatzes von 5 auf 10 mg DNP je Liter Abwasser (26 Versuchstage)
war eine weitere Verminderung der Überschußschlammproduktion nicht zu erzielen.
1 mg/1 erwies sich als wirkungslos. DNP zeigte im Toxizitätstest auf anaerobe Bakterien
eine Schädlichkeitsgrenze von 1 mg/l. Die Schädlichkeitsgrenze für Fische liegt
nach G r i n d 1 e y (1946, zit. L i e b m a n n , Handbuch der Frischwasser- und
Abwasserbiologie II) bei 20 mg/l. Der Ablauf aus der Versuchsanlage war bei Verdünnung
1 + 1 mit Trinkwasser unschädlich für Goldfische. Eine nachteilige Beeinflussung
höherer und niederer Flußorganismen ist also nicht zu befürchten.
3. Kaliumcyanid (KCN) |
Zusatz.. . ....... 2 mg KCN je Liter Wasser. |
Versuchsdauer ... 49 Tage. - |
Ergebnis . . ... . . . Bei gleichen, zeitweise etwas |
besseren BSB5- und CSB-Ab- |
bauraten war die Überschuß- |
schlammproduktion mit |
25 g/kg abgebautem BSB5 im |
Durchschnitt um 23% gegen- |
über der Vergleichsanlage ver- |
mindert. Die Schlämme beider |
Anlagen setzten sich gut ab. |
Der Ablauf aus der Test- |
apparatur war infolge einer |
geringeren Zahl abgestorbener |
Bakterien deutlich klarer. |
In einem zweiten Versuch betrug die Verminderung der Überschußschlammbildung 20
bzw. 30% bei Zusätzen von 1 bzw. 2 mg KCN je Liter. KCN wies im Test auf anaerobe
Bakterien eine Schädlichkeitsgrenze von 1 mg CN je Liter auf. Für Fische werden
Grenzkonzentrationen von 0,03 bis 0,25 mg CN je Liter angegeben (Liebmann, Handbuch
der Frischwasser- und Abwasserbiologie II). Der Ablauf aus der Versuchsapparatur
mit einem Restgehalt von 0,05 mg CN je Liter wurden von Goldfischen ohne die geringsten
Symptome vertragen. Selbst empfindliche Wasserorganismen dürften danach nicht gefährdet
sein.
4. Triphenylzinnacetat |
Zusatz . . . . . . . . . . 50 mg/1 Abwasser. |
Versuchsdauer ... 31 Tage. |
Ergebnis ...... .. Die Abbauraten sind ebenso |
gut wie bei der Vergleichs- |
anlage. Zusätzlich ergibt sich |
eine wesentliche Verbesserung |
der Absetzeigenschaften des |
Schlammes. Dadurch können |
höhere Schlammkonzentra- |
tionen im Belüftungsbecken |
gehalten werden, was sekundär |
zu einer Herabsetzung der |
Überschüßschlammproduk- |
tion führt. |
5. Tetracyclin-Preßmycel-Abfälle |
Zusatz . . . . . . . . . . 300 mg Feuchtmycel (ent- |
spricht etwa 500IE Tetra- |
cyclin) je Liter Abwasser. |
Versuchsdauer ... 34 Tage. |
Ergebnis . . . . . . . . Bei gleichguter Abbauleistung |
wird der Schlammanfall um |
25 % vermindert. Anwendung |
von nur 150 mg/1 bleibt ohne |
Effekt. Mit ähnlichem Erfolg |
können Penicillin-Mycel-Ab- |
fälle verwendet werden. |
Die Kosten für die Maßnahme zur Schlammreduzierung betragen etwa ein Drittel der
Betriebskosteneinsparung, die sich ergibt, wenn 20% weniger Schlamm entwässert und
beseitigt werden müssen. Eine Senkung der Unkosten ist dadurch zu erreichen, daß
man an Stelle der technischen Produkte Abwässer bzw. Abfälle verwendet, in denen
diese Substanzen enthalten sind. Dinitrophenol fällt beispielsweise bei der Herstellung
bestimmter Alizarinfarben an. Cyanverbindungen sind in den Abwässern unter anderem
aus Galvanisierbetrieben enthalten.
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Der Vorteil des Verfahrens liegt darin, daß bei niedrigeren Investitionskosten
für Filtereinrichtungen und geringerem Verbrauch an Filterhilfsmitteln die Belebtschlammanlage
ebenso hoch belastet werden kann wie eine, die ohne Zusätze zur Schlammverminderung
betrieben wird. Das Lagern und Lösen der Chemikalien sowie die Dosierung der Lösungen
ist ohne technische Schwierigkeiten durchführbar.