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Verfahren und Vorrichtung zur Herstellung von Orthokieselsäureestern
Gegenstand der Erfindung ist ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Herstellung
von Orthokieselsäureestern aus Siliziumtetrahalogeniden und hydroxylgruppenhaltigen
Verbindungen.
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Es ist bekannt, daß die Herstellung von Orthokieselsäureestern der
allgemeinen Zusammensetzung Si (OR), worin R ein Alkyl-, Cykloalkyl-, Aralkyl-oder
Arylrest sein kann, grundsätzlich nach zwei verschiedenen Methoden möglich ist:
1. Durch Umsetzung von Siliziumtetrahalogeniden, z.B. von Siliziumtetrachlorid mit
Alkoholen, beispielsweise mit absolutem Äthanol unter Kühlung und rascher Entfernung
des gebildeten Chlorwasserstoffs (Ebelmen, A., 57 [1844], S. 334, und A.P. Kreschkow
und G. D. Nessonowa, GiC., 19 [1949], S. 661; C. A., 1950, S. 1012), oder 2. durch
Umesterung leicht zugängiger Orthokieselsäureester, wie beispielsweise des Orthokieselsäuretetramethylesters,
mit höheren Alkoholen unter Einwirkung von geringen Mengen katalytisch wirkender
Substanzen wie Natrium (B.Helferich und W. Reimann, B., 80 [1947], S. 164).
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Die Darstellung von Orthokieselsäureestern nach Methode 2 ist sehr
schonend, ist jedoch mit dem Nachteil behaftet, daß es die vorherige Gewinnung des
benötigten Ausgangsproduktes nach Methode 1 voraussetzt. Die Umesterung wird dadurch
technisch aufwendiger als beispielsweise die Umsetzung von Siliziumtetrachlorid
mit hydroxylgruppenhaltigen Ver bindungen, z. B. mit Alkoholen.
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Bei der Herstellung von Orthokieselsäureestern nach dem ersten Verfahren
werden theoretisch pro Mol Siliziumtetrahalogenid 4 Mol Halogenwasserstoff frei.
Werden Alkohole verwendet, die beispielsweise mit dem entstehenden Chlorwasserstoff
unter Addition oder Substitution reagieren können, wird die Umsetzung meist nicht
unerheblich gestört, und die Ausbeuten an Orthokieselsäureestern fallen beträchtlich
geringer aus. Zur Vermeidung dieser Nachteile kann man in Gegenwart von Säurebindern
oder Verdünnungsmitteln arbeiten (L. A. B r o o k s und H. R. Snyder, Org. Synth.,
25 [1945], S. 84, und I.V. Kaminskij, I.K. Sanin und V.V. Korschak, Polymerisations-Kunststoffe
[Moskau] 1962/ 1963, S. 8 bis 12). Als geeigneter Säurebinder hat sich beispielsweise
Pyridin erwiesen, während Benzol als Verdünnungsmittel geeignet ist. Es wurde auch
vorgeschlagen, den Chlorwasserstoff durch Zusatz von Metallalkoholaten oder -phenolaten
sowie durch
Einleiten von Ammoniak zu binden. Auch die Entfernung des gasförmigen
Reaktionsproduktes durch ein angelegtes Vakuum wurde zur Diskussion gestellt.
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Diese beschriebenen Verfahren besitzen jedoch zahlreiche Nachteile,
die eine allgemeine Verwendung dieser nicht als geraten erscheinen lassen. So bewirkt
z. B. die Verwendung von Säurebindern wie Pyridin oder Ammoniak, daß auch das Destillat
der letzten Reinigungsstufe, bedingt durch die Flüchtigkeit der salzarmen Aminsalze
(Dissoziation der Reaktionsprodukte), noch verunreinigt ist und somit eine zusätzliche
Reinigungsstufe erforderlich wird. Der Einsatz von Alkoholaten bzw. Phenolaten führt
zur Bildung größerer Mengen fester Rückstände bei der Aufarbeitung, die erst abgetrennt
werden müssen.
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Die Entfernung des Chlorwasserstoffs durch Anlegen eines Vakuums bei
oder nach der Reaktion macht überaus kostspielige, korrosionsbeständige Pumpen erforderlich
usw.
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Es wurde nun ein Verfahren zur Herstellung von Orthokieselsäureestern
aus Siliziumtetrahalogeniden und wasserfreien, hydroxylgruppenhaltigen Verbindungen
gefunden, welches dadurch gekennzeichnet ist, daß man den entstehenden Chlorwasserstoff
während der Reaktion mittels eines trockenen, inerten Gases aus der Reaktionszone
und dem Reaktor entfernt.
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Bei einer derartigen Verfahrensführung wird die Tendenz zu störenden
Nebenreaktionen stark zurückgedrängt und wird praktisch dadurch unerheblich.
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Das Verfahren ist apparativ besonders einfach und benötigt keineswegs
kostspielige Vorrichtungen, wie korrosionsbeständige Vakuumpumpen. Die Abtrennung
größerer Mengen von Verunreinigungen vor oder durch die Destillation wird vermieden.
Auch sind Verdünnungsmittel oder ein größerer Überschuß
hydroxylgruppenhaltiger
Verbindungen nicht erforderlich. Bei empfindlichen Alkoholen wird der Umweg über
die Umesterung von einfachen Kieselsäureestern vermieden. Ein weiterer Vorteil des
vorliegenden Verfahrens liegt in der Möglichkeit einer kontinuierlichen Prozeßführung.
Die Ausbeuten entsprechen nahezu den theoretischen Werten. Wegen der starken Exothermie
der Reaktion kann auf die weitere Zuführung von Energie verzichtet werden.
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Nach dem vorliegenden Verfahren lassen sich jene hydroxylgruppenhaltige
Verbindungen zu Orthokieselsäureestern umsetzen, deren Hydroxylgruppe an einem aliphatischen,
cycloaliphatischen, aromatischen, heterocyclischen, einem alkylsubstituierten aromatischen
oder arylsubstituierten aliphatischen Rest hängt. Zur Vermeidung der Hydrolyse werden
diehydroxylgruppenhaltigenVerbindungen in wasserfreier Form eingesetzt. Ungeeignet
für die Herstellung von Orthokieselsäuren gemäß dem Verfahren der vorliegenden Erfindung
sind jedoch jene hydroxylgruppenhaltigen Verbindungen, die mit dem entstehenden
Halogenwasserstoff unter Komplexbildung reagieren. Die hydroxylgruppenhaltigen Verbindungen
werden vorzugsweise in stöchiometrischen Verhältnissen verwendet. Zur Vermeidung
von unumgesetzten Siliziumtetrahalogenid ist ein Überschuß der hydroxylgruppenhaltigen
Verbindungen vorteilhaft. Ein Überschuß in der Größenordnung von 5 Molprozent hat
sich als ausreichend erwiesen.
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Zur Durchführung des vorliegenden Verfahrens sind alle jene trockenen
Gase oder Gasgemische geeignet, die unter den Reaktionsbedingungen weder mit dem
Ausgangs- noch mit den Endprodukten zu reagieren vermögen, vorzugsweise wird Luft
oder Stickstoff verwendet.
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Die Verfahrensführung gemäß der vorliegenden Erfindung erfolgt derart,
daß eine besondere Wärmezufuhr bzw. -abfuhr beispielsweise durch Kühlung vermieden
wird. In einem länglichen Reaktionsgefäß bewegt sich ein Rührer mit langsamer Rührgeschwindigkeit,
um eine allzuschnelle Vermischung der unten aus gegenüberliegenden Düsen eingeführten
Reaktionspartner zu vermeiden. Die Reaktionswärme wird im wesentlichen durch bereits
gebildeten Orthokieselsäureester aufgenommen, der langsam in dem Reaktor nach oben
steigt. Diese Aufsteigsgeschwindigkeit wird durch den Gasstrom erhöht, der auch
einen weiteren Teil der Reaktionswärme aufnimmt. Dieser Effekt kann durch die Verwendung
von gekühlten Gasen gesteigert werden. Der Gasstrom einerseits und die thermische
Vermischung andererseits kompensieren die durch die langsame Rührgeschwindigkeit
bedingte schlechte Vermischung der Reaktionspartner. Die Zufuhr der Ausgangsprodukte
wird zweckmäßigerweise so geregelt, daß das Produkt in den höheren Schichten des
Reaktors praktisch vollkommen frei von nicht umgesetztem Siliziumtetrahalogenid
ist.
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Das Produkt kann durch einen Überlauf aus dem Reaktor herausgeschleust
werden, wo die Restentsäuerung durch anschließende Filtration über Zink oder ein
ähnliches Metall vorgenommen wird.
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Das Metall wird dabei besonders vorteilhaft als Pulver oder in Form
eines anderen großoberflächigen Materials verwendet. Das resultierende Produkt ist
dann praktisch säurefrei und kann in üblicher Weise destilliert werden.
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Vorrichtungen, die vorzugsweise zur Durchführung des vorliegenden
Verfahrens geeignet sind, bestehen
aus einem länglichen Reaktor 5, dessen Höhe zweckmäßigerweise
so gewählt wird, daß sie mindestens viermal so hoch wie der größte Durchmesser des
Reaktors ist (die Größenverhältnisse der Abbildung stimmen mit den tatsächlich gewählten
Größenverhältnissen nicht überein. Diese Abbildung zeigt lediglich den schematischen
Aufbau). Der Querschnitt des Reaktors kann sowohl kreis- als auch ellipsenförmig
sein. Die Ausgangsprodukte werden im unteren Teil des Reaktors, jede für sich getrennt,
durch ein Paar von Düsen 6 über die Produktenleitung 1 und 2 in den Reaktor eingeführt.
Die Produktenleitungen können, wie in der Abbildung eingezeichnet, von oben in den
Reaktor geführt werden, aber auch eine höhengleiche Zuführung, bezogen auf die Düsen
6, ist möglich. Die Düsen 6 sind über einer Vorrichtung 7 zur Zuleitung eines feinverteilten
trockenen Gasstroms angeordnet. Diese Vorrichtung besitzt vorteilhafterweise die
Form einer Siebplatte, jedoch erscheinen auch andersartige Ausgestaltungen dieser
Vorrichtung möglich. Das Reaktionsgemisch wird durch einen langsam laufenden Rührer
3 in Bewegung gehalten, und zwar ist die Länge des Rührers so bemessen, daß die
gesamte Flüssigkeitssäule durchmischt wird, wobei durch Anbauten an der Rührwelle
die Turbulenz der Durchmischung nach oben ansteigen kann. Im Reaktorkopf befindet
sich eine Abgasleitung 6. Der obere Teil des Reaktors enthält weiterhin eine Leitung
8 zur Produktenentnahme. Die Entnahmeleitung X ist so angeordnet, daß sich ein Gasraum
oberhalb der Flüssigkeitssäule bilden kann, der ausreichend groß ist, um eine Abtrennung
von mitgerissenen Flüssigkeitsteilchen vor Eintritt des Gasstroms in die Abgasleitung
6 zu gewährleisten.
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Die Produktenentnahmeleitung 8 wird zur Vermeidung von mechanisch
bewegten Teilen zweckmäßigerweise in Form eines Überlaufs gewählt. Das überlaufende
Produkt gelangt dann in einen Behälter 9 für die Restentsäuerung, der mit einem
Einfüllstutzen 10 für Metallpulver oder Metallgrieße versehen ist.
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Im unteren Teil dieses Behälters befindet sich noch eine Siebplatte
oder Filterplatte 11. Das rohe Produkt verläßt die Apparatur durch die Leitung 12.
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Die Umsetzung von Siliziumtetrachlorid mit Alkoholen der nachstehenden
Beispiele wurde in folgender Weise durchgeführt: Siliziumtetrachlorid und die Alkohole
wurden durch die Düsen 6 in den Reaktor eingeführt. Bereits vorgebildetes Produkt
diente beim Anfahren und im Verlauf der Reaktion als Verdünnungs- und Kühlmittel.
Es wurde durch einen entsprechend geformten Rührer langsam in den oberen Teil des
Reaktors befördert, während durch eine am Reaktorboden angebrachte Vorrichtung 7
ständig getrocknete Luft in mäßigem Strom eingeleitet wurde. Die Stärke dieses Gasstroms
wurde so reguliert, daß das Siliziumtetrachlorid nicht mitgerissen, während der
entstandene Chlorwasserstoff größtenteils aus dem Reaktor entfernt wurde. Der chlorwasserstoffhaltige
Gasstrom kann anschließend zur Gewinnung von Salzsäure ausgewaschen werden. Das
flüssige Reaktionsprodukt trat durch einen Überlauf 8 in den anschließenden Behälter
9, in dem die letzten Spuren HCl noch durch Filtration über Zink oder ein anderes
geeignetes Metall, vorzugsweise in Form eines Pulvers oder eines Grießes mit großer
Oberfläche, entfernt wurden.
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Der Prozeß kann in der beschriebenen Apparatur kontinuierlich durchgeführt
werden, aber auch ein
chargenmäßiges Arbeiten ist möglich. Auf die
beschriebene Weise ist es möglich, Orthokieselsäureester auch von empfindlichen
Alkoholen in guter Ausbeute herzustellen, da sowohl eine Temperaturbelastung als
auch ein HCl-Uberschuß vermieden wird und ein Zusatz von Fremdstoffen als Säurebinder
oder Verdünnungsmittel nicht erforderlich ist.
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Die erfindungsgemäß hergestellten Produkte sind wertvolle Zwischenprodukte
für die Synthese von Si-haltigen Hochpolymeren. Sie finden ferner als Zusätze für
zahlreiche Anwendungszwecke Verwendung. Auch der Einsatz von Orthokieselsäureestern
für Imprägnierungszwecke ist bekannt.
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Die nachstehenden zahlenmäßigen Beispiele sollen der Illustration
des vorliegenden Verfahrens dienen: Beispiel 1 In die vorstehend beschriebene Apparatur
wurden innerhalb von 10 Stunden 1910 g Siliziumtetrachlorid und 2800 g (= 3,70/0
Überschuß) n-Propanol (rein und absolut) bei einer Innentemperatur von 15 bis 190
C durchgesetzt. Der Überlauf wurde über Zink filtriert und destilliert. Es wurden
2795 g (= 98,00/0 der Theorie) Tetra-(n-propoxy)-silan (Kp.18 114,5 bis 115,50 C)
erhalten.
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Beispiel 2 In gleicher Weise, wie im Beispiel 1 beschrieben, wurden
bei einer Innentemperatur von 15 bis 180 C 1910 g Siliziumtetrachlorid und 2810
g (= 4,10/o Überschuß) reines, absolutes Isopropanol innerhalb von 10 Stunden durchgesetzt.
Die Ausbeute betrug 2781 g (= 97,60/0 der Theorie) Tetra-(isopropoxy)-silan (Kp.12
78 bis 790 C).
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Beispiel 3 Innerhalb von 5 Stunden wurden in der vorstehend beschriebenen
Apparatur 955 g Siliziumtetrachlorid und 1670 g (= 2,4 0/o Überschuß) n-Butanol
(rein und absolut) durchgesetzt. Die Innentemperatur betrug 14 bis 180 C. Nach der
Aufarbeitung gemäß Beispiel 1 wurden 1779 g (= 98,40/0 der Theorie) Tetra-(n-butoxy)-silan
erhalten (Kp.3 127 bis 1280 C).
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Einen weiteren Vorteil und die besondere technische Fortschrittlichkeit
dieses Verfahrens zeigen die nachstehenden Versuche: Leitet man unter völlig gleichen
Bedingungen in jeweils 100 ml verschiedener, absoluter Alkohole trockenes HCl-Gas
bei Raumtemperatur (230 C) ein, so kann man folgende Temperaturanstiege beobachten:
Alkohole abs Menge HCl-Aufnahme Dauer Temperatur, OC |
g g Minuten von auf |
Äthanol . 77 1 15 45 23 1 47 |
n-Propanol . . . 80 22 35 23 52 |
Isopropanol ..... ................. 78 26 35 23 64 |
n-Butanol . ................. 82 19 35 23 52 |
2-Chloräthanol . 119 14 35 23 39 |
Tetrahydrofurfurylalkohol . . 104 10 45 23 51 |
Diese Versuche zeigen, daß das Problem der Abführung der Reaktionswärme zusätzlich
noch durch das Problem der Abführung der auftretenden Lösungswärme kompliziert wird.
Die Beherrschung der auftretenden Wärme wird wesentlich vereinfacht, wenn man den
entstehenden Chlorwasserstoff während der Reaktion sofort mittels eines trockenen,
inerten Gases aus der Reaktionszone und dem Reaktor entfernt.