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Verfahren zum mikrobiologischen Herstellen von Lebensmitteln Die Erfindung
bezieht sich auf das mikrobiologische Herstellen von Lebensmitteln und betrifft
die Auswahl der Bakterienstämme.
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Im allgemeinen werden Lebensmittel aus Fleisch, z. B. Wurst, oder
aus Milch, z. B. Käse oder Joghurt, durch natürliche Fermentation unter Einwirkung
der ubiquitären Bakterien hergestellt. Dabei ist eine unerwünschte Fermentation,
die widrig auf das Endprodukt einwirkt, nicht ausgeschlossen, so daß die organoleptischen
Eigenschaften des hergestellten Produktes entweder nicht konstant sind oder nicht
denen der handelsüblichen Produkte entsprechen.
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Um dieses Nachteile zu vermeiden, ist es z. B. bekannt, Mikrokokken-
und Laktobazillenarten zur Bereitung einzelner Wurstarten zu benutzen und geronnene
Milch (Joghurt oder Sauermilch) durch Fermentation mit eingeimpften Laktobazillen
oder spezifischen Myceten herzustellen (vgl. USA.-Patent, L.B.Jensen bzw. F.P.Niinivaara,
Acta Agraria Finnica, 1955). Aber auch diese Verfahren beheben nicht alle Nachteile,
die insbesondere durch die biochemische Aktivität der schädigenden oder unerwünschten
Mikroorganismen verursacht werden, die oft die Oberhand über die eingeimpften gewinnen.
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Neuerdings wurden auch Versuche mit Antibiotika durchgeführt, die
das Wachsen der unerwünschten schädlichen Keime in dem Fleisch, in der Milch, in
den Fischereierzeugnissen und in ihren abgeleiteten Erzeugnissen blockieren sollten.
Dabei wurde jedoch gleichzeitig auch die Aktivität der Mikroorganismen blockiert,
die die erwünschte günstige Fermentation und Reifung der einzelnen Erzeugnisse herbeiführen,
so daß diese Versuche bei der gewerblichen Herstellung der Erzeugnisse nicht ausnutzbar
waren.
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Hierbei sei bemerkt, daß der zur Zeit ausgedehnte Gebrauch der Antibiotika
in der Veterinärmedizin und in der Viehfütterung zu ihrer Anwesenheit im Fleisch
oder in der Milch führen kann. Dadurch ergibt sich z. B., daß Milch von Kühen, die
mit Antibiotika behandelt oder mit Antibiotika enthaltenden Stoffen gefüttert wurden,
nicht zu Käse verarbeitet werden konnte, weil die zur Fermentation benötigten Milchbakterien
durch die Antibiotika geschädigt wurden.
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Nach der vorliegenden Erfindung werden diese Nachteile vermieden.
Sie schlägt ein Verfahren zum mikrobiologischen Herstellen von Lebensmitteln aus
Fleisch, Milch od. dgl. vor, bei dem dem Ausgangsmaterial die für den Herstellungsvorgang
spezifischen Bakteriarten in Form solcher Stämme, die gegen Antibiotika resistent
oder von ihnen abhängig sind, im Gemisch mit Antibiotika zugesetzt werden. Dadurch
vermeidet man jede unerwünschte Fermentation und alle widrigen Wirkungen, die durch
die ubiquitäre Flora hervorgerufen werden. Dagegen wird das ungestörte Wachstum
der eingeimpften, antibiotisch widerstandsfähigen oder antibiotisch abhängigen Bakterienarten
gesichert und ein Erzeugnis erzielt, das während der normalen Fermentation die typischen
organoleptischen' Eigenschaften der Produkte (Aussehen, Farbe, Geruch, Konsistenz
usw.) erhält.
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Die hier benutzten antibiotisch widerstandsfähigen Bakterienstämme,
insbesondere die antibiotisch abhängigen Stämme, haben die Fähigkeit, während der
Reifung des Produktes die Antibiotika abzubauen. Diese Abbauvorgänge ergänzen dadurch
die gewöhnlichen Abbauprozesse, die während der Herstellung auftreten, z. B. hervorgerufen
durch Erhitzungstemperatur, pH-Zahl, enzymatische Wirkung, Dauer des Herstellungsablaufes
usw. Infolgedessen kann man in dem Endprodukt die eingeführten Antibiotika nicht
mehr finden, so daß die Nachteile vermieden werden, die man aus der Gegenwart von
Antibiotika in den Lebensmitteln ableitet, z. B. die Entwicklung von Modifikationen
der menschlichen Bakterienflora mit nachfolgendem Vitaminmangel - Syndromen od.
dgl.
Als Beispiel für die Durchführung der Erfindung sei zunächst
die Herstellung von Wurst, z. B. der »dicken Bologner Wurst« genannten Art, beschrieben
Das Brät wird auf übliche Art vorbereitet, wobei das Fleisch gehackt, dann mit Salz
(3,20/,), Gewürz und Schinkenstücken gemischt, dann in eine poröse Hülle
gestopft und schließlich bei 80 bis 85°C erhitzt wird. Zur Reifung der Würste wurden
dem Brät zwei Bakterienarten zugesetzt, die künstlich gegen Tetracyclin resistent
gemacht waren, und zwar Lactobacillus acidophilus 220 resistent bei 100 y/cm' und
Pediococcus cerevisiae FPI resistent bei 200 y/cm3.
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Die benutzten Kulturen werden in flüssigen oder festen Nährböden mit
Karotin-Leber-Basis pH 6,0 bis 7,0 gewonnen und bei 37°C 48 Stunden bebrütet. Zu
diesen Kulturen wurde, bevor sie mittels eines Feinzerteilers dem gehackten Fleisch
beigemischt wurden, Tetracyclin-Hydrochlorid mit der Konzentration von 100 y/cm3
bei Lactobacillus acidophilus und 200 y/cm3 bei Pediococcus cerevisiae zugegeben.
Die Schlußkonzentration des Antibiotikums betrug 2 y/g bzw. 4 y/g des Bräts.
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Der Tetracyclinnachweis wurde in dem Endprodukt mit Hilfe der Ausstrichtechnik
auf Agar-Platten durchgeführt, wobei als Testkeim Sarcina lutea PCI 1001 benutzt
wurde.
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Der bakterielle Anteil sowohl im frisch gehackten Fleisch als auch
im Endprodukt wurde durch die ';.,Technik der progressiven Verdünnung und durch
Zählen der Kolonien, die auf der Platte wuchsen, nach einem Zeitraum von nicht weniger
als 5 Tagen ermittelt. Der Kulturboden, der für diese Ermittlung benutzt wurde,
war Karotin-Leber-Agar, pH 6,0. Zur Isolierung und Identifizierung der antibiotisch
resistenten Arten, die den Impfstoff bildeten, wurden Kulturböden benutzt, denen
100 y/cm3 bzw. 200 y/cm3 Tetracyclin zugegeben wurden, wie es den Resistenzgraden
der beiden benutzten bakteriellen Mutationen entspricht.
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Die gemeinschaftliche Verwendung von gegen Tetracyclin resistenten
bakteriellen Mutationen und Tetracyclin ermöglichen es, Würste (dicke Bologner Würste
»SB«) zu erhalten, die nach Abschluß der Herstellung eine Bakterienflora hatten,
die hauptsächlich durch die im Impfstoff benutzten Arten gebildet wurde.
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Die isolierten Stämmebehielten ihre morphologischen und farblichen
Eigenschaften und hauptsächlich ihre Resistenz gegen Tetracyclin unverändert bei.
Dagegen war in den nicht nach diesem Verfahren hergestellten Würsten eine vielgestaltige
grampositive Flora deutlich erkennbar.
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Alle Versuche, die Antibiotika, die dem Gemisch zugegeben wurden,
nachzuweisen, ergaben konstant ein negatives Resultat.
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Die SB-Würste, die unter gleichzeitiger Verwendung eines gegen Tetracyclin
resistenten Impfstoffes und des Tetracyclins hergestellt wurden, zeigten stets beim
Vergleich mit in üblicher Weise hergestellten Erzeugnissen typische organoleptische
Eigenschaften (Farbe, Geruch, Geschmack, Konsistenz), die besonders in den Würsten
erkennbar waren, die durch einen Impfstoff erzielt wurden, der durch Kulturen einer
gegen 200 y/cm3 Tetracyclin resistenten Mutante des Pediococcus cerivisiae hergestellt
wurde.
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Bezüglich der Farbe sei bemerkt, daß die so hergestellten Würste,
wenn sie etwa 15 Tage bei 10°C gelagert wurden, an der Schnittoberfläche ihre anfängliche
charakteristisch Maßrote Farbe behielten, während bei den üblicherweise hergestellten
Würsten ein merkliches Bräunen bereits nach 2 bis 3 Tagen sichtbar wurde.
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Als zweites Beispiel sei die Herstellung von Käse beschrieben Hierbei
wurde Milch von Kühen benutzt, die mit Streptomycin und Penicillin behandelt waren,
wobei diese Milch Spuren dieser Antibiotika (in der Größenordnung von y bzw. Einheiten
je Kubikzentimeter) enthielt. Bei dieser Milch war es bei dem bisher üblichen Impfstoff,
der Laktobazillen enthält, die durch diese Antibiotika angegriffen werden, unmöglich,
Frischkäse, Joghurt od. dgl. herzustellen. Nach der Erfindung können aber diese
Erzeugnisse hergestellt werden, wenn gegen Penicillin und Streptomycin resistente
Laktobazillen benutzt werden.
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Bei dem neuen Verfahren muß der Resistenzgrad der benutzten Laktobazillen
stets höher sein als die Antibiotikakonzentration. In dem hier beschriebenen Beispiel
enthielt die zu verarbeitende Milch 5 Einheiten Penicillin und 100 y Streptomycin
je Kubikzentimeter. Es konnte daher die Mutante benutzt werden, die einen Resistenzgrad
von 10 Einheiten/cm3 gegenüber Penicillin und 200 y/cm3 gegen Streptomycin hat.
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Die bei diesem Verfahren erhaltenen Produkte, z. B. Käse, Joghurt
od. dgl., hatten die gleichen Eigenschaften, wie sie bei Produkten aus gewöhnlicher
Milch erreicht werden. Auch hierbei waren die Antibiotika durch die gegen Antibiotika
resistenten Bakterien so abgebaut, daß von ihnen keine Spur im Endprodukt nachweisbar
war.