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Vorrichtung zur Schlagzugprüfung von Werkstoffen unter kontanter
Dehngeschwindigkeit Alle Werkstoffe, organischer wie ebenso anorganischer Natur,
weisen bekanntlich eine Abhängigkeit ihres mechanischen Verhaltens von der Beanspruchungsgeschwindigkeit
auf. Dieser Einfluß der Beanspruchungsgeschwindigkeit ist bei den Kunststoffen,
insbesondere den Thermoplasten und Thermoelasten, schon bei Raumtemperatur sehr
ausgeprägt.
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Aus diesem Grund können die für die konstruktive Verwendung dieser
Werkstoffe erforderlichen Materialkennwerte nicht aus dem Zugversuch beispielsweise
nach der Norm DIN 53455 bzw. für Kunststoff-Folien nach der Vornorm DIN 53371 erschlossen
werden. Vielmehr ist zu ihrer Kenntnis die Prüfung unter dem praktischen Anwendungsfall
entsprechenden Beanspruchungs- und Dehngeschwindigkeiten unerläßlich. Dabei dürfen
in der Regel maximale Klemmenvorschubsgeschwindigkeiten von einigen m/sec als zweckmäßig
und ausreichend angesehen werden. Andererseits lassen sich für die Beantwortung
von konstruktiven Werkstofffragen wesentliche Gesetzmäßigkeiten von allgemeiner
Gültigkeit über die Geschwindigkeitsabhängigkeit der Festigkeits- und Formänderungseigenschaften
nur aus der Kenntnis dieser Eigenschaften über einen mehrere Größenordnungen umfassenden
Bereich der Dehngeschwindigkeiten ableiten. Der Anschluß der Meßwerte des Schnellzerreißversuches
an die Ergebnisse des einachsigen Zugversuches setzt voraus, daß sich in beiden
Fällen die geometrischen und kinematischen Bedingungen entsprechen, insbesondere,
daß auch bei hohen Zerreißgeschwindigkeiten und großen Dehnungen die Dehngeschwindigkeiten
während des gesamten Zerreißvorgangs konstant sind, wie dies beispielsweise die
Norm DIN 51220 oder die Vornorm DIN53371 vorschreibt. Ferner müssen Kraft- und Deformationsmeßorgane
mit einer dem Schnellzerreißversuch angepaßten geringen Trägheit, d. h. entsprechend
hohen Eigenfrequenz und anderen die getreue Wiedergabe des Kurzzeit-Zerreißdiagramms
gewährleistenden Eigenschaften wie Dämpfung und Phasenlaufzeit vorhanden sein.
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Es sind nun Vorrichtungen bekannt, bei denen eine streifen- oder
stabförmige Probe zwischen einer ortsfesten, mit einer elektrischen Kraftmeßdose
fest verbundenen Klemme und einer beweglichen durch hochgespannte Gase beschleunigten
zweiten Klemme eingespannt wird. Abgesehen davon, daß bei allen diesen pneumatischen
Antriebsaggregaten die Klemmengeschwindigkeit und damit die Dehngeschwindigkeit
der Probe während des Zerreißvorgangs keineswegs konstant bleibt, erfordert das
pneumatische System einen erheblichen technischen Aufwand, der
in keinem Verhältnis
zum erzielten technischen Effekt steht.
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Zum Stand der Technik gehören des weiteren Geräte, bei denen die
zum Zerreißen der zwischen zwei Spannvorrichtungen eingespannten Längsproben (rund-
oder rechteckförmige Stäbe, Folienstreifen, Drähte usw.) erforderliche Energie durch
rasch umlaufende Schwungscheiben, durch katapultartige, mit gespannten Gummis eilen
arbeitende Vorrichtungen, durch elektromagnetische Kraftübertragung, durch fallende
Massen oder durch die Verbrennung reaktionsfähiger Gemische oder explosibler Stoffe
auf die eine der Probenspannvorrichtungen aufgebracht wird.
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Abgesehen davon, daß bei dem größten Teil der erwähnten Prüfeinrichtungen
die Beanspruchungsgeschwindigkeit nicht konstant ist, bei einem anderen Teil der
Prüfgeräte aus dieser Gruppe die Deformationsgeschwindigkeit nur für sehr kleine
Deformationen als konstant anzusehen ist, so daß sie nur für Werkstoffe mit verhältnismäßig
geringer Bruchdeformation, vorwiegend also Metalle in Frage kommen, fallen diese
Einrichtungen aus dem Rahmen der für die routinemäßigen Durchführung des Zugversuches
üblichen Apparaturen. Ihre Verwendung blieb wegen des erforderlichen einrichtungsmäßigen
und personellen Aufwandes auf technisch-wissenschaftliche Laboratorien beschränkt.
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Es ist ferner bekannt, den ein- und mehrachsigen Schlagzugversuch
mittels handelsüblicher Pendelschlagwerke durchzuführen, wobei normalerweise nur
die Brucharbeit ermittelt wird. Einzelne Prüfgerätehersteller sind bereits dazu
übergegangen, die für den
einachsigen Schlagzugversuch erforderlichen
Zusatzvorrichtungen serienmäßig mitzuliefern. Hinsichtlich der Durchführung des
einachsigen Schlagzugversuches mit Pendelschlagwerken sind mehrere Variationsmöglichkeiten
der Probenanordnung bekannt, welche zum Teil von der Geometrie der Probe und der
Biegesteifigkeit des Werkstoffes vorgeschrieben werden. So wird beispielsweise bei
Textilien, Fasern und Folien vielfach das eine Probenende ortsfest eingespannt,
das andere Ende entweder mit dem Pendelhammer direkt verbunden oder in eine als
Querhaupt ausgebildete, auf einer ebenen Unterlage ruhenden beweglichen Klemme eingespannt,
welche der Pendelhammer im tiefsten Punkt seiner Fallbahn mitreißt. Eine weitere
Möglichkeit besteht darin, den Probestab einseitig mit dem Pendelhammer zu verbinden
und mit diesem zusammen zu beschleunigen, wobei in der tiefsten Lage des Pendels
das am anderen Probenende angebrachte Querhaupt durch einen Amboß aufgefangen wird.
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Nachteilig ist bei Durchführung des Schlagzugversuches mit Pendelschlagwerken,
daß die Beanspruchungsgeschwindigkeit in jedem Falle, d. h. bei kleinen oder großen
Deformationen, inkonstant ist.
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Bei großen Bruchdeformationen wird außerdem eine prinzipiell mögliche,
jedoch nur in Ausnahmefällen durchgeführte Messung des zeitlichen Kraftverlaufes
dadurch erheblich verfälscht, daß die bewegliche Klemme vom Pendel auf einem Kreisbogen
mitgenommen wird. Dabei spannt sich die gedehnte Probe als Sekante an den vom Pendelhammer
beschriebenen Kreisbogen zwischen der ortsfesten, mit einer elektronischen Meßdose
verbundenen Klemme und der vom Hammer mitgenommenen anderen Klemme aus. Da die Meßdose
nur in der ursprünglichen (waagerechten) Einspannrichtung der Probe liegende Kräfte
messen kann, wird bei starker Probendeformation, wie sie bei Kunststoffen und Kautschuken,
insbesondere in Folienform, nicht selten ist, nur die eine (waagerechte) Komponente
der deformierenden Kraft angezeigt und zur Ermittlung des wirklichen Kraftverlaufes
eine umständliche Korrektur des Meßergebnisses erforderlich. Aus diesem Grunde sowie
wegen der Inkonstanz der Deformationsgeschwindigkeit ist die direkte Aufzeichnung
eines dem tatsächlichen Zerreißvorgang entsprechenden Kraft-Deformations-Diagramms
ebenfalls nicht möglich. Damit entfällt auch die Möglichkeit eines Vergleichs der
Ergebnisse des Schlagzugversuchs auf Pendelschlagwerken der bekannten Art mit den
unter konstanter Dehngeschwindigkeit ermittelten, physikalisch definierten Größen
des genormten Zugversuchs.
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Es wurde nun eine Vorrichtung mit elektronischen Kraft- und Deformationsmeßorganen
zur Prüfung von Werkstoffen, insbesondere von Kunststoffen, bei welcher die kinetische
Energie eines Pendels oder einer rotierenden Schwungscheibe auf den an einer Stelle
ortsfest eingespannten Prüfkörper übertragen wird, indem ein an einer anderen Stelle
des Prüfkörpers angeordnetes bewegliches Einspannteil geringer Masse durch die gleichartigen
Vorderkanten des gabelförmigen Hammers des Pendels bzw. der Schwungscheibe erfaßt
wird, erfindungsgemäß versehen mit Führungsmitteln für das bewegliche Einspannteil
längs einer Geraden, die in der Rotationsebene des Energieträgers angeordnet sind,
und mit einer solchen Formgebung der Vorderkanten des
Hammers nach Art einer Steuerkurve,
daß dem Prüfkörper eine konstante Verformungsgeschwindigkeit und/oder eine praktisch
nur in Richtung der Führungsmittel wirkende Verformungskraft erteilt wird.
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Mit Hilfe der aufgeführten erfindungsgemäßen Elemente ist es, ohne
den Umfang des erfinderischen Gedankens einzuschränken, möglich, den Schlagzugversuch
mittels Pendelschlagwerken der bekannten Ausführung völlig analog dem normalen Zugversuch,
d. h. unter gleichen geometrischen und kinematischen Bedingungen durchzuführen und
ein vergleichbares Kraft-Deformations-Diagramm aufzunehmen, denn die erfindungsgemäße
Vorrichtung gewährleistet folgendes: 1. Konstanz der Beanspruchungsrichtung während
der gesamten Probendeformation bis zum Bruch und dadurch volle Wirksamkeit der Zugkraft
und der (als Kraftmeßdose ausgebildeten) festen Klemme.
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2. Konstanz der Klemmen- und damit der Dehngeschwindigkeit über den
gesamten Deformationsbereich bis zum Bruch auch bei sehr großen relativen Bruchdehnungen
von beispielsweise über 10000/o, falls nur die Zerreißarbeit an der Probe und die
Reibungsarbeit längs Schlittenführung und Steuerkurve genügend klein gehalten werden
gegen die kinetische Energie des Pendels.
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Diese letzte Bedingung bedeutet keinerlei Einschränkung des erfindungsgemäßen
Gedankens, da sie in jedem Fall durch ein Pendel genügend großer Hammermasse auf
einfachste Weise technisch realisierbar ist.
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3. Aus 2 folgt die Zeitproportionalität der Deformation und damit
die Identität des zeitlichen Kraftverlaufs mit dem Kraft-Deformations-Diagramm.
Dies bedeutet eine wesentliche Vereinfachung des technischen Aufwandes zur Aufzeichnung
eines Zerreißdiagramms, denn entsprechend den Verhältnissen beim normalen Zugversuch
entfällt die Notwendigkeit der wegen der kurzen Versuchsdauer (Millisekunden) der
Schlagzugbeanspruchung sonst erforderlichen aufwendigen elektronischen Deformationsmessung.
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Die dem Fachmann geläufige Berechnung der die Bedingungen 1, 2 und
3 erfüllenden beiden kongruenten Steuerkurven am Pendelhammer führt auf zwei je
nach den Randbedingungen und geforderten zusätzlichen Eigenschaften in charakteristischer
Weise sich unterscheidende Funktionen A und B. Diese sind abhängig von der Geometrie
und Dynamik des Körperpendels (Masse, Trägheitsmoment, reduzierter Pendellänge und
Pendelenergie). Sie konvergieren im Stoßpunkt von Hammer und Schlitten und gehen
hier ineinander über. Für ein mit konstanter Winkelgeschwindigkeit rotierendes Körperpendel
oder eine mit konstanter Drehzahl rotierende Schwungmasse werden die beiden Funktionen
A und B identisch.
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Kurve A, unter der Randbedingung einer über den genannten Deformationsbereich
kinematisch streng konstanten Schlittengeschwindigkeit (= Abzugsgeschwindigkeit)
berechnet, ergibt nur für den Stoßpunkt, also den Beginn der Schlittenbewegung,
einen bezüglich der Schlittenführung querkraftfreien, d. h. zur Bewegungsrichtung
der Probenspannvorrichtung streng parallelen Schub durch den Hammer des Körperpendels.
Mit zunehmender Probendeformation erfolgt
die Verschiebung nicht
mehr ganz'querkraftfrei, doch beträgt für ein Körperpendel von 70 cm reduzierter
Pendellänge und 3,25 kg Masse bei etwa 40 cm Probendeformation die senkrecht zur
Führung wirkende Schubkraftkomponente nur wenige O/o der Gesamtkraft. Die Schlittenverschiebung
erfolgt nahezu proportional zum Pendelausschlag, wobei auch hier die Abweichung
mit wachsender Verschiebung zunimmt. Sie ist im Stoßpunkt 0 und beträgt maximal
<50/0. Die Abweichungen vom Idealfall sind also gegenüber der werkstoffbedingten
Streuung der Meßwerte klein und daher technisch uninteressant.
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Kurve B, die unter der Voraussetzung völlig querkraftfreien Schubs
während der gesamten Deformation berechnet wurde, ergibt für die genannte Pendeldimensionierung
bei 40 cm Probendeformation nur eine für die Prüfung völlig unkritische Änderung
der Klemmengeschwindigkeit von maximal <40/0. Dafür ist hier die Schlittenverschiebung
streng proportional dem Pendelausschlag. Entsprechend den angegebenen geringen Unterschieden
in den Funktionsdaten unterscheiden sich die beiden Steuerkurven und damit die zugehörigen
Pendelhammer nur wenig, im Stoßpunkt überhaupt nicht voneinander. Mit zunehmendem
Pendelausschlag werden die Abweichungen größer.
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Als optimale Form der Steuerkurve bietet sich eine zwischen A und
B liegende mittlere Kurve an, bei der die Abweichungen vom Idealfall mit konstanter
Geschwindigkeit, verschwindender Querkraft und Proportionalität zwischen Pendelausschlag
und Verschiebung am kleinsten sind.
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Die Abb. 1 und 2 zeigen die technische Durchführung der erfindungsgemäßen
Vorrichtung für den einachsigen Schlagzugversuch, die sich in die bekannten Pendelschlagwerke
einbauen läßt. Die Länge des Pendelarmes ist dabei maßgebend für die Größe der mit
einem Pendelschlagwerk noch meßbaren Bruchdeformation, was keine Einschränkung des
erfinderischen Gedankens bedeutet. Ein aus Leichtmetall gefertigter Schlitten 1
kleiner Masse, der ein Einspannteil 2 trägt, wird durch die beiden kongruenten Steuerkurven
3 eines Pendelhammers 4 in der tiefsten Pendellage mitgenommen, wobei durch aus
Polytetrafluoräthylen bestehende Puffer 5 die die Kraftmessung (Meßdose 6) störenden
Schwingungen gedämpft werden. Gleichzeitig ermöglichen die günstigen Reibungsbeiwerte
des Polytetrafluoräthylens mit Stahl ein nahezu reibungsfreies Gleiten entlang der
Steuerkurven. Zur Führung des Schlittens mit dem Einspannteil 2, dessen Schwerpunkt
unterhalb seiner Aufhängung auf Höhe der Puffer 5 sich befindet. dient als tragendes
Element eine gehärtete und geschliffene Führungsstange 7. Während der Bewegung verhindert
ein am Einspannteil 2 sitzender Vorsprung aus Polytetrafluoräthylen, welcher in
einer Leitschiene 7a mit U-Profil gleitet, ein seitliches Auspendeln des Schlittens.
Ein am Ende der Führungsstange 7 angebrachter Prellbock 8 fängt den Schlitten nach
dem Zerreißen der Probe auf, wobei eine Sperrklinke 9 ein Zurücklaufen in die Bahn
des zurückschwingenden Pendels verhindert. Federbolzen 10 in der vorderen Halterung
11 für die Führungsstange drücken bei Versuchsbeginn den Schlitten 1 nach links
und verhindern dadurch ein Durchhängen wenig biegesteifer Proben, beispielsweise
Folien. Zur Kraftmessung dient je nach den zu erwartenden Zerreißkräften eine Piezodose,
eine induktive oder Wiederstandsmeßstreifendose, mit welcher eine ortsfeste
Einspannklemme
12 fest verbunden ist. Auf der Pendelachse kann ein elektrischer (digitaler oder
analoger) winkelproportional anzeigender Deformationsgeber angebracht werden.
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Die erfindungsgemäße Vorrichtung ermöglicht auch die Durchführung
des Schlagzugversuches unter mehrachsiger Beanspruchung. In diesem Fall wird beispielsweise
eine Rundprobe zwischen zwei als Schlitten ausgebildeten konzentrischen Metallringen
gehaltert, die z. B. nach der Art eines Stickrahmens die Probe trommelfallähnlich
aufspannen oder die, als Doppelflansch ausgebildet, die Probe nach Art einer Reißscheibe
festhalten. An Stelle der mit einer Kraftmeßdose verbundenen ortsfesten Klemme beim
einachsigen Schlagversuch wird bei der Probenmembran die mehrachsige Beanspruchung
durch einen ebenfalls ortsfesten Dorn aufgebracht. Dieser liegt parallel zur Bewegungsrichtung
der Probenhalterung, also parallel der Schlittenführung. Sein Abstand von den Führungselementen
ist derart bemessen, daß die an dem der Probe zugewandten freien Ende des Dornes
befindliche kalottenförmig, beispielsweise halbkugelig oder halbellipsoidförmig
ausgebildete elektrische Meßdose konzentrisch zur Probenmitte und senkrecht zur
Probenoberfläche die sich auf sie mit großer Geschwindigkeit hinbewegende Membran
durchstößt. Die Führung und Bewegung der schlittenförmig ausgebildeten Probenhalterung
erfolgt durch die bereits bei der Durchführung des einachsigen Schlagzugversuches
beschriebenen erfindungsgemäßen Elemente.