-
Verfahren zur Herstellung verzweigter schlagfester Kunststoffmassen
Es ist bekannt, daß man durch Vermischen von Polystyrol oder anderen harten und
spröden Polymerisaten mit Naturkautschuk oder Butadienmischpolymerisaten zu thermoplastischen
Kunststoffmassen gelangen kann, die nach der Formgebung eine hohe Widerstandsfähigkeit
gegen Stoß und Schlag zeigen.
-
Diese schlagfesten Massen zeigen infolge des ungesättigten Charakters
der Kautschukkomponente eine gewisse Anfälligkeit gegen Luft - besonders bei Einwirkung
von Licht, so daß sie bei Bewitterung im Freien die guten mechanischen Eigenschaften
wieder verlieren.
-
Wenn man aber, um diese Nachteile auszuschalten, gesättigte und daher
alterungsbeständige kautschukartige Polymerisate, wie Polyacrylsäureester oder Polyisobutylen,
mit harten Polymerisaten, z. B. Polystyrol, mischt, so erhält man je nach der Auswahl
der Komponenten und dem Verfahren des Mischens thermoplastische Massen von verschiedenartigen
Eigenschaften, nicht aber solche vom Charakter des schlagfesten Polystyrols, das
sich durch eine Vereinigung von Härte (hoher Widerstand gegen Deformation) und Zähigkeit
(Unzerbrechlichkeit bei Schlag und Stoß) auszeichnet. Nimmt man die Mischung der
Komponenten in Form der Polymerdispersionen, wie man sie durch Emulsionspolymerisation
erhält, vor, so erhält man nach Trocknen der Mischungen, z. B. durch Zerstäubungstrocknung
oder auf Sprühwalzen, und Formgebung, z. B. im Spritzgußverfahren, Produkte, die
zwar bei langsamer Deformation eine gewisse Zähigkeit besitzen, deren Schlagzähigkeit
jedoch völlig unbefriedigend ist und meist noch unter den Werten des reinen Polystyrols
liegt.
-
Zu ähnlich unbefriedigenden Ergebnissen führt es, wenn man gesättigte
kautschukartige Mischpolymerisate, die größere Mengen des die harte Komponente bildenden
Monomeren als Mischpolymerisatkomponente enthalten, mit dem harten Polymeren mischt,
wenn man also beispielsweise ein Mischpolymerisat aus Acrylsäurebutylester und Styrol
im Molverhältnis 1:1 mit Polystyrol mischt. Man erhält auf diese Weise Produkte,
deren Erweichungspunkte - verglichen mit der harten Komponente - immer stark herabgesetzt
sind. Bei gewöhnlicher Temperatur sind sie entweder - bei geringem Gehalt an Mischpolymerisat,
z. B. unter 300/0 - hart und spröde oder - bei hohem Gehalt an Mischpolymerisat,
z. B. über 30/o - zäh und weich. Die erwünschte Eigenschaftskombination hart und
zäh fehlt.
-
Auch Kunststoffmassen, die man durch Mischen der reinen Homopolymerisate
oder durch Polymerisieren einer Lösung des kautschukartigen Polymeri-
sates im Monomeren,
das harte Polymerisate bildet, erhält, befriedigen nicht. In beiden Fällen entstehen
weiche, bröckelige, oft kaum zu einem Fell verwalzbare Produkte, die für eine Weiterverarbeitung,
z. B. im Spritzguß, gänzlich ungeeignet sind. Solche weichen Massen ohne festen
Zusammenhalt erhält man z. B. durch Verwalzen von Mischungen aus Polyacrylsäureestern
und Polystyrol im Verhältnis 10: 90 bis 50:50. Auch durch längeres mechanisches
Bearbeiten solcher Mischungen auf Walzen oder in Mischschnecken lassen sich deren
Eigenschaften nicht verbessern.
-
Nach einem eigenen älteren Vorschlag kann man schlagfeste Kunststoffmassen
herstellen, indem man ein hartes und sprödes Polymerisat, das noch funktionelle
Gruppen im Molekül enthält, mit einem weiche und kautschukelastische Polymerisate
bildenden Monomeren, welches ebenfalls funktionelle Gruppen im Molekül enthält,
vermischt und polymerisiert und dabei eine Vernetzung der Moleküle herbeiführt,
wobei man gegebenenfalls noch ein Vernetzungsmittel, das mit den funktionellen Gruppen
der Polymerisate zu reagieren vermag, zugeben kann.
-
Es wurde nun gefunden, daß man verzweigte, alterungsbeständige schlagfeste
Kunststoffmassen (Pfropfpolymerisate) erhält, wenn man ein Radikale oder zur Bildung
von Radikalen befähigte (radikalbildende) Gruppen enthaltendes, gesättigtes und
vernetztes
kautschukelastisches Polymeres mit einer harte Homopolymerisate
bildenden polymerisierbaren, monomeren Verbindung misch und die Mischung polymerisiert.
-
Zur Herstellung gesättigter, bei normaler Temperatur kautschukartiger
Polymerisate eignen sich z. B.
-
Acrylsäureester, Vinyläther, Isobutylen oder Vinylidenchlorid. Unter
den Acrylester- und Vinylätherpolymerisaten sind besonders solche mit möglichst
niedriger Einfriertemperatur von Interesse, z. B. die Polymerisate der Acrylsäureester
und Vinyläther von Äthylalkohol, n-Butylalkohol, Isobutylalkohol, Sithylhexylalkohol
und der Acrylsäureester und Vinyläther von Äthyheralkoholen, wie Acrylsäureester
und Vinyläther der Monoäther von Äthylenglykol oder anderen Glykolen mit Äthanol,
n-Butanol, Isobutanol.
-
Auch Mischpolymerisate der genannten Monomeren untereinander oder
mit anderen Vinylmonomeren, z. B. Styrol oder Acrylsäurenitril, sind brauchbar.
-
Radikale enthaltende, gesättigte und vernetzte kautschukartige Polymerisate
lassen sich in bekannter Weise durch Bestrahlen von gesättigten kautschukartigen
Polymerisaten mit ionisierenden Strahlen herstellen. So kann man z. B. die Polymerisate
einer Röntgenstrahlung oder der Strahlung von radioaktiven Stoffen aussetzen. Dabei
ist es zweckmäßig, wenn die zu bestrahlenden gesättigten kautschukartigen Polymerisate
in Form von dünnen Filmen oder Folien oder als Lösungen vorliegen.
-
Durch Bestrahlen mit ionisierenden Strahlen kann man auch Polymerisate
mit zur Bildung von Radikalen befähigten Gruppen herstellen, indem man z. B. die
Bestrahlung in Gegenwart von Sauerstoff vornimmt. Dadurch werden Peroxydgruppen
in den Polymeren gebildet.
-
Gruppen, die zur Bildung von Radikalen befähigt sind, lassen sich
aber auch auf rein chemischen Wegen in die Polymerisate einführen. Man kann z. B.
die Polymerisation durch ein polymeres Phthalylperoxyd einleiten und erhält dadurch
ein Polymerisat, das noch unzersetzte Peroxydgruppen enthält. Man kann auch Bromatome
in das Polymere einführen, die dann unter dem Einfluß von Licht unter Bildung von
Radikalen abgespalten werden können. Ferner kann man auch Poly-p-isopropylstyrol
oder dessen Mischpolymerisate durch Sauerstoffeinwirkung peroxydieren und erhält
auf diese Weise Polymere mit Hydroperoxydgruppen.
-
Polymerisate mit radikalbildenden Gruppen erhält man auch durch Mischpolymerisation
von monomeren Verbindungen, von denen wenigstens eine radikalbildende Gruppen enthält.
Die Mischpolymeri sation muß dann unter Bedingungen erfolgen, bei der noch keine
Aufspaltung der radikalbildenden Gruppen eintritt. Die Anzahl der in dem Mischpolymerisat
enthaltenen radikalbildenden Gruppen kann durch die Wahl des Mengenverhältnisses
des radikalbildende Gruppen enthaltenden Monomeren zu der anderen Monomerenkomponente
reguliert werden.
-
Die Vernetzung kann auf verschiedene Weise erreicht werden. Beispielsweise
kann man das gesättigte kautschukartige Polymere schon während seiner Herstellung
durch Zusatz von Verbindungen, die zwei oder mehr polymerisierbare Gruppen enthalten,
vernetzen. Solche Verbindungen sind z. B. Divinylverbindungen, wie Divinylbenzol,
Alkandioldiacrylsäureester oder Alkandioldimethacrylsäureester, Acrylsäureallylester
oder andere Verbindungen, z. B.
-
Fumarsäurediallylester. Dieses Verfahren ist besonders dann zweckmäßig,
wenn die Polymerisation in Emulsion vorgenommen wird.
-
Man kann aber auch die Vernetzung des gesättigten kautschukartigen
Polymeren nach seiner Herstellung dadurch erreichen, daß man in das kautschukartige
Polymere funktionelle Gruppen einbaut, mit deren Hilfe die Vernetzung bewirkt wird.
Solche funktionellen Gruppen sind z. B. Carboxyl-, Carbonsäureanhydrid-, Carbonsäureamid-,
Hydroxyl-, Amino-und Isocyanatgruppen. Sie lassen sich auf bekannte Weise leicht
in das kautschukartige Polymere einbauen, indem man z. B. die zum Kautschuk führende
Polymerisation in Anwesenheit von polymerisierbaren monomeren Verbindungen, die
solche Gruppen tragen, vornimmt. Dabei werden die reaktionsfähigen, zur Vernetzung
geeigneten Gruppen durch Mischpolymerisation in das Polymere eingebaut. Geeignete
polymerisierbare Verbindungen, die reaktionsfähige Gruppen tragen, sind z. B. Acrylsäure,
Maleinsäureanhydrid, Epoxyacrylsäureester und Isocyanatoacrylsäureester. Die funktionellen
Gruppen lassen sich auch noch nach der Polymerisation durch chemische Umsetzungen
in ein Polymeres einführen. Beim Verseifen von Vinylesterpolymerisaten erhält man
Polymerisate mit freien OH-Gruppen; durch Verseifung von Acrylsäureesterpolymerisaten
erhält man Polymerisate mit freien Carboxylgruppen.
-
Die Vernetzung des kautschukartigen Polymeren durch solche funktionellen
Gruppen kann auf verschiedene Weise herbeigeführt werden. Man kann z. B. von vornherein
zwei verschiedene reaktionsfähige Gruppen, die miteinander unter Ausbildung einer
Vernetzung reagieren hönnen, z. B. Carboxyl-und Hydroxylgruppen, in das kautschukartige
Polymere einbauen und die erhaltenen verschiedenartigen kautschukartigen Polymeren
bei erhöhter Temperatur zur Reaktion bringen.
-
Als harte Polymerisate sind verschiedene harte Polyvinylverbindungen,
die in der Regel bei Raumtemperatur spröde sind, von Interesse. Derartige Polyvinylverbindungen
sind z. B. die Homo- und Mischpolymerisate von Styrol, Vinylchlorid, Methacrylsäuremethylester,
Acrylsäurecyclohexylester, Acrylsäuredecalylester,Methacrylsäurecyclohexylester,
Methacrylsäuredecalylester, Cyclohexyl- und Decalylvinyläther, Acrylsäurenitril
und Vinylacetat.
-
Diese Verbindungen werden mit den Radikalgruppen oder radikalbildende
Gruppen enthaltenden, gesättigten und vernetzten kautschukelastischen Polymerisaten
vermischt und polymerisiert. Die Polymerisationsbedingungen hängen dabei einmal
von der Art der Komponenten und auch von der Art, in der die Komponenten vermischt
wurden, ab. Grundsätzlich kann man die Polymerisation der Mischung nach dem Block-,
Lösungs-, Perl- bzw. Suspensions- oder Emulsionsverfahren durchführen.
-
Die Radikale oder radikalbildende Gruppen enthaltenden gesättigten
und vernetzten kautschuk artigen Polymerisate lassen sich in verschiedener Weise
mit der harte Polymere bildenden, polymerisierbaren monomeren Verbindung mischen.
Man kann z. B. das kautschukartige Polymerisat in der monomeren Verbindung lösen
oder - falls das kautschukartige Polymere unlöslich ist - quellen, man kann aber
auch eine Dispersion des kautschukartigen Polymeren, wie man sie z.B. bei der Emulsionspolymerisation
erhält, mit dem Monomeren mischen. Oft ist es zweckmäßig,
die Vermischung
in einem indifferenten Lösungsmittel vorzunehmen.
-
Die in den Beispielen genannten Teile sind Gewichtsteile.
-
Beispiel 1 960 Teile Acrylsäurebutylester und 40 Teile Acrylsäuremonobutandiol-1"4-ester
werden mit 1000 Teilen Essigsäuremethylester gemischt und nach Zugabe von 1 Teil
Azodiisobuttersäurenitril und 1 Teil Dodecylmercaptan bei etwa 55 bis 650 C unter
Stickstoffatmosphäre polymerisiert. Nach 8 Stunden ist die Polymerisation beendet.
-
500 Teile Essigsäuremethylester werden abdestilliert. 240 Teile der
zurückbleibenden sirup artigen Lösung werden in einem Gefäß, an dessen Boden mit
Hilfe einer Fritte ein feinverteilter Luftstrom eingeleitet wird, 60 Stunden lang
mit einer Dosis von 1 Megaröntgen pro Stunde bestrahlt. Nach Beendigung der Bestrahlung
wird das Polymere mit Methanol gefällt und wiederholt mit viel Methanol gewaschen
und im Vakuum getrocknet.
-
150 Teile des so erhaltenen Hydroxylgruppen und peroxydische Gruppen
enthaltenden Polymerisates werden in 850 Teilen Styrol unter Zusatz von 1 Teil Hexamethylendiisocyanat
gelöst. Die Lösung wird bei 600 C unter Stickstoffatmosphäre 60 Stunden lang polymerisiert.
Das Blockpolymerisat wird zerkleinert und 12 Stunden bei 1200 C im Vakuum erhitzt.
Die gesinterte Masse wird 10 Minuten bei 1400 C gewalzt. Man erhält ein schlagfestes
Polymerisat, das in üblicher Weise weiterverarbeitet werden kann.
-
Beispiel 2 I. Ein Mischpolymerisat aus 94 Teilen Acrylsäurebutylester,
4 Teilen Acrylsäure und 2 Teilen Acrylsäurechlorid, hergestellt durch Lösungspolymerisation
in Dioxan, wird mit einem Überschuß von Butylhydroperoxyd bei 200 C entsprechend
den Angaben von Hahn und Fischer (Makrom. Chem., 16, S.48 [1955J) umgesetzt. Das
so hergestellte Peroxydgruppen enthaltende kautschukartige Polymerisat wird durch
Eingießen der Lösung in Methanol gefällt, wiederholt mit Methanol gewaschen und
im Vakuum bei 200 C getrocknet.
-
II. 150 Teile des Polymerisates I werden in 850 Teilen Styrol unter
Zusatz von 2 Teilen 1,4-Butandiol gelöst. Die Lösung wird zunächst 48 Stunden bei
850 C polymerisiert, dann 12 Stunden auf 1400 C und schließlich 12 Stunden auf 1800
C erhitzt.
-
Nach dem Zerkleinern des so hergestellten Blockpolymerisates wird
die Masse 8 Stunden bei 1400 C auf einem Walzwerk, dessen Zylinder eine verschiedene
Umdrehungszahl haben, geknetet. Man erhält so ein schlagfestes Polymerisat, das
in üblicher Weise, z. B. im Spritzgußverfahren, zu Formkörpern weiterverarbeitet
werden kann.