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Die
Erfindung betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Vorauswahl
von zur Anwendung als Arzneimittel vorgesehenen Wirkstoffen auf
Grund ihres Einflusses auf den Stoffwechsel. Dabei werden Untersuchungen
zur Metabolisierung der Wirkstoffe und zur Stoffwechselbeeinflussung
durch die Wirkstoffe und ihrer Metaboliten unter dem Einfluss freier
Radikale durchgeführt.
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Für die Prüfung von
für die
Verwendung als Arzneimittel vorgesehenen Wirkstoffen ist ein mehrstufiges Verfahren
gesetzlich vorgeschrieben. Der notwendige Aufwand steigt von Prüfstufe zu
Prüfstufe
an. Es existiert bisher kein Verfahren, mit welchem Ereignisse,
die erst in der dritten Stufe der klinischen Prüfung (Multi-Center-Studien)
beobachtet werden, durch eine experimentelle in-vitro-Prüfung vorhergesagt
werden können.
Da die Durchführung
von Multi-Center-Studien sehr kostenaufwändig ist, besteht ein hoher
Bedarf an einem Verfahren, durch das bereits in der Frühphase der
Arzneimittelentwicklung eine Prognose erstellt werden und eine Vorauswahl
aus mehreren Wirkstoffkandidaten getroffen werden kann.
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Aufgabe, die durch die
Erfindung gelöst
werden soll
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Viele
der für
die Verwendung als Arzneimittel vorgesehenen Wirkstoffe, die bereits
in der Präklinik
sowie in klinischen Tests der Phase 1 und 2 untersucht wurden, haben
bei Versuchstieren und 200 bis 300 Probanden ihre gute Verträglichkeit
für den
Menschen bewiesen.
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Trotz
der im Normalfall guten Verträglichkeit
werden in folgenden Multi-Center-Studien
sehr oft weitere Eigenschaften festgestellt, die ihre Verwendung
beim Menschen einschränken.
Diese Eigenschaften können in
bisherigen Versuchsmodellen nicht erfasst werden.
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Der
Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, diesen Mangel zu beheben.
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Die
Aufgabe wurde erfindungsgemäß durch
ein in-vitro-Verfahren zur Testung von Wirkstoffen für deren
Verwendung als Arzneimittel gelöst,
wobei Untersuchungen zur Metabolisierung der Wirkstoffe und zur Stoffwechselbeeinflussung
durch die Wirkstoffe und ihre Metaboliten unter dem Einfluss freier
Radikale durchgeführt
werden. Freie Radikale sind bei vielen Krankheitsbildern erhöht. Unter
ihrem Einfluss wird der Metabolismus eines Wirkstoffes verändert. Unter
dem Einfluss von freien Radikalen sind Wechselwirkungen mit gleichzeitig
gegebenen Arzneistoffen möglich,
die im Normalfall nicht gebildet werden.
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Das
erfindungsgemäße Verfahren
ist insbesondere dafür
geeignet, Interaktionsstudien zur Wechselwirkung von Arzneimitteln
und zur Anwendung von als Arzneimittel vorgesehenen Wirkstoffen
unter dem Einfluss freier Radikale durchzuführen. Um den notwendigen Aufwand
in Grenzen zu halten, ist es zweckmäßig, das Verfahren in einer
dem Stand der Technik entsprechenden Biosensor-kontrollierten Zellkultur
(
DE 197 09 649 A1 )
durchzuführen.
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Die
Radikale können
in einfacher Weise durch Zusatz eines Radikalbildenden Enzyms vorzugsweise der
Klassifikation gemäß Internationaler
Enzym-Nomenklatur
(Enzym Nomenclature, Academic Press, Inc, 1992, S. 24–154) EC
1.10.3.2. (Laccase), EC 1.11.1.13 (Manganperoxidasen), EC 1.11.17
(Peroxidasen), EC 1.14.99.1, (Monophenolmonooxygenase), EC 1.10.3.3.
(Ascorbat-Oxidase) zum Zellkulturmedium erzeugt werden.
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Das
erfindungsgemäße Verfahren
besteht aus folgenden Schritten:
- – Einbringen
der Wirkstoffe in eine Biosensor-kontrollierte Perfusionszellkultur
- – Zugabe
von radikalbildenden Enzymen oder Erzeugung von freien Radikalen
mit einer Plasmaquelle
- – Aufarbeitung
der Zellkultur und Untersuchung der Wirkstoffe sowie der Metaboliten
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In
einer vorteilhaften Ausführung
werden die freien Radikale plasmagestützt erzeugt. Dadurch werden sowohl
Qualität
als auch Quantität
der freien Radikale besser beeinflussbar als auch die zeitliche
Reihenfolge ihrer Einwirkung frei steuerbar. Somit ist eine optimale
Quelle mit entsprechend großem
und selektiv variablem Parameterbereich verfügbar. Die Parameter zur Radikalerzeugung
sind im Bereich von Bruchteilen einer Sekunde variierbar, die Plasmaquelle
kann zusätzlich
miniaturisiert werden.
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Gegenstand
der Erfindung ist daher auch eine Vorrichtung zur Testung von Wirkstoffen
für deren
Verwendung als Arzneimittel, bestehend aus einer Biosensorkontrollierten
Perfusionszellkultur und einer Plasmaquelle.
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Unter
Einbeziehung der Untersuchungen zur Stoffwechselbeeinflussung durch
die Wirkstoffe und ihrer Metaboliten wird unter dem Einfluss freier
Radikale ein Regelkreis gemäß folgendem
Schema gebildet: Schema
1:
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- 1
- = Kombination von
Biokombinatorik/Metabolomics/Perfusionszellkultur und Mustererkennung
- 2
- = Mustererkennung
von Therapieerfolgen/Auswahl aus virtueller Datenbank/ Selbstlernende
Biokombinatorik
- 3
- = Störgrößengenerierung,
Bewertung durch Metabolomics und Mustererkennungsprogramme
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Ein
besonderer Vorteil wird erreicht, wenn das Verfahren so geführt wird,
dass die gewonnenen Informationen in einem Regelkreis für die Auswahl
aus einer realen und/oder virtuellen Substanzbibliothek und/oder
für eine
Wirkstoffmodifikation genutzt werden. Das ist besonders dann von
Vorteil, wenn die Substanzmodifikation in einem dem Stand der Technik
entsprechenden Verfahren ohne Beeinflussung der pharmakophoren Gruppen
(Schauer, E. Hammer, U. Lindequist, A. Schäfer, W.-D. Jülich: Biotransformation
von biologisch aktiven Verbindungen aus verschiedenen chemischen
Stoffklassen mittels der Enzyme Laccase und Manganperoxidase. WO
01/98518 A2) vorgenommen wird.
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Das
Verfahren und die Vorrichtung eignen sich erfindungsgemäß zur in-vitro-Simulation zur Erstellung von
Prognose für
Multi-Center-Studien bei der klinischen Prüfung von Arzneimitteln.
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Das
Wesen der Erfindung besteht aus einer Kombination aus bekannten
(Radikalerzeugung mittels Plasmen, Biosensor-gesteuerte Zellkultur)
und neuen Elementen (Nutzung der freien Radikale, um „seltene Ereignisse" in einer Zellkultur
zu simulieren), die sich gegenseitig beeinflussen und in ihrer neuen
Gesamtwirkung einen Gebrauchsvorteil und den erstrebten Erfolg ergeben,
der darin liegt, dass erstmals experimentell begründete Prognosen
für das
Verhalten eines Wirkstoffes in Multi-Center-Studien abgegeben werden
können und
dass die Einwirkung der freien Radikale nach Qualität, Quantität und in
ihrer zeitlichen Abfolge durch Wahl geeigneter Niedertemperatur-Plasmen
gesteuert werden kann.
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Die
Erfindung soll anhand von Ausführungsbeispielen
erläutert
werden, ohne auf diese Beispiele beschränkt zu sein.
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Ausführungsbeispiele
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Beispiel 1
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Bindung von Penicillinen
an Aminosäuren
und Eiweiße
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Methodik:
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- 1.1. Herstellung einer Lösung Radikalbildender Enzyme,
die dem Zellkulturansatz in einer Perfusionszellkultur zugesetzt
werden kann.
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Kultivierung der filamentösen Pilze
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Die
Kultivierung der filamentösen
Pilze erfolgte zuerst auf Schrägagar
(Malzagar) bei 30°C
7 d und dann 7 d auf Malzagarplatten bei 30°C. Drei ca. 1 cm2 große, gut
bewachsene Malzagarstücke
wurden anschließend
aus einer Agarplattenkultur mit einem sterilen Spatel ausgeschnitten
und in 300-ml-Erlenmeyer-Kolben mit 60 ml BSM übertragen. Diese Vorkultur
wurde bei 30°C über 7 Tage
als Standkultur inkubiert.
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Das
bei den Glucosevorkulturen der filamentösen Pilze gebildete Myzel wurde
mit Hilfe eines Ultraturraxgerätes
bei 17000 U/min dreimal 10 s homogenisiert. 2,5 ml des Homogenisats
wurden für
die Experimente in 100-ml-Erlenmeyer-Kolben mit 25 ml BSM überimpft.
Kolben und Medium wurden getrennt voneinander sterilisiert, um Medienverluste
bei der Hitzesterilisation im Autoklaven zu vermeiden. Vor der Beimpfung
wurde das Medium in die Kolben gefüllt. Diese Ansätze wurden
mit einer 0,05%igen sterilfiltrierten Tween 80-Lösung supplementiert. Die Kolben
wurden in einem Schüttelinkubator
bei 158 U/min und 30°C
kultiviert.
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Anionenaustauscherchromatographie
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Zur
verstärkten
Ausscheidung der ligninolytischen Enzyme in Kulturen von Trametes.
versicolor und Pycnoporus cinnabarinus wurde Veratrylalkohol eingesetzt.
Da diese Verbindung und ihre Metaboliten bei späteren Inkubationsexperimenten
mit Kulturfiltrat störend
wirken, erfolgte ihre Abtrennung mit Q-Sepharose. Dazu wurde 1 ml
der Anionenaustauschermatrix mit 100 ml Histidinpuffer dreimal equilibriert.
Anschließend wurde
die equilibrierte Q-Sepharose mit 80 ml Kulturfiltrat 1 h langsam
auf einem Magnetrührer
bei Raumtemperatur gerührt.
Danach wurde der wässrige Überstand
von der Q-Sepharose
durch GF-6 Glasphaserfilter abfiltriert, die Matrix mit je 10 ml
Histidinpuffer 20 mal gewaschen und das Protein mit 15 ml Hochsalz-Histidinpuffer
eluiert.
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Ultrafiltration
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Zur
Vergleichbarkeit der Experimente mit Kulturfiltrat sollte in den
Inkubationsansätzen
mit gleicher Enzymaktivität
gearbeitet werden. Dazu war es notwendig, die gereinigten Kulturüberstände einzuengen
und für
die Umsätze
entsprechend zu verdünnen.
Die Konzentration erfolgte durch Ultrafiltration mit Centricon-30 und
Centriprep-30 Mikrokonzentratoren in einer Kühlzentrifuge mit 3000 U/min
bei 4°C
für 60
min.
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Entsalzung
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Für die Umsätze mit
Kulturfiltrat war es erforderlich, die gereinigte und eingeengte
Proteinprobe zu entsalzen. Auf eine gepackte Sephadex G-25 Superfine
Säule wurden
2,5 ml Probe aufgetragen und mit 3,7 ml Histidinpuffer eluiert.
Das erhaltene Proteineluat wurde bei –20°C gelagert.
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- 1.2. Durchführung
einer Biosensor-gesteuerten Perfusionszellkultur nach Jülich, W.-D.,
Woedtke, Th. von, Abel, P.: Messanordnung zur Erfassung von toxischen,
subtoxischen, chronisch toxischen oder stimulierenden Effekten von
Wirk- und Schadstoffen mit Hilfe von Perfusionszellkulturen. DE 197 09 649 A1 .
- 1.3. Nachweis eventueller Reaktionsprodukte: Zur Aufarbeitung
wird das Zellkulturmedium mittels Oktadekanfestphase extrahiert.
Die Elution evtl. gebildeter Metabolite des Wirkstoffes erfolgt
mit Ethylacetat oder Acetonitril. Der nach der Entfernung des Lösungsmittels
verbleibende Rückstand
wird mit Hochleistungsflüssigchromatographie
gereinigt. Die Metabolite werden mittels Massenspektroskopie und/oder
NMR analysiert.
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Ergebnisse
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Die
mögliche
Bindung der Wirkstoffe an Eiweiße
mit oder ohne Öffnung
des Lactam-Ringes
führt als seltenes
Ereignis zur Bildung von Allergien. Durch Einwirkung freier Radikale
werden entsprechende Bindungen des Haptens an Eiweiße möglich.
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Bei
Wirkstoffen, die nicht auf diese Weise reagieren können, ist
diese Möglichkeit
für die
Entstehung von Allergien ausgeschlossen.
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Beispiel 2
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Bindung von Cephalosporinen
an Bestandteile der Atmungskette unter dem Einfluss freier Radikale
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Dem
Medium einer Perfusionszellkultur, beschrieben im Beispiel 1, wird
7-Aminodesacetoxycephalosporinsäure zugesetzt.
Als Modell für
eine chinoide Verbindung wie sie in der Atmungskette eine Rolle
spielen, wird außerdem
2,5-Dihydroxy-N-(2-hydroxyethyl)benzamid
zugesetzt. Unter dem Einfluss einer Laccase (gewonnen aus Trametes
versicolor) kommt es zur Bildung von Kopplungsprodukten, die wie
im Beispiel 1 beschrieben mittels Oktadekanfestphase extrahiert
werden können.
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Beispiel 3
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Umsetzung von Norfloxacin
mit 2,5-Dihydroxy-N-(2-hydroxyethyl)benzamid als Modellsubstanz
für Bestandteile
der Atmungskette
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1 zeigt die Umsetzung von
Norfloxacin mit 2,5-Dihydroxy-N-(2-hydroxyethyl)benzamid als Modellsubstanz
für Bestandteile
der Atmungskette:
Die Peaks der Ausgangsstoffe liegen am Start
der Reaktion bei 4,6 und 6,2 min (1a).
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In 1b ist zu erkennen, dass
sich nach 15 Minuten viele Produkte gebildet haben.
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Nach
30 Minuten sind neben den vielen kleinen Peaks noch ein Eigenkopplungsprodukt
des Benzamides (5,3 min), das Kopplungsprodukt (6,2 min) und unverbrauchtes
Norfloxacin (8,1 min) erkennbar (1c).
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1d zeigt, dass nach 45 Minuten
das Eigenkopplungsprodukt eigentümlicherweise
nicht abnimmt, obwohl noch Norfloxacin im Ansatz ist.
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Beispiel 4
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Entstehung neuer Metaboliten
aus der Modellsubstanz Kaffeesäure
und dem Stoffwechselprodukt 4-Aminobenzoesäure:
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Die
Metaboliten entstehen nach Zusatz von Laccase unter den im Beispiel
1 geschilderten Bedingungen. Die entstehenden neuen Metaboliten
werden ohne die Einführung
der freien Radikale als Störgrößen in der
Metabolomanalyse nicht erfasst.
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2 zeigt die Entstehung neuer
Metaboliten aus der Modellsubstanz Kaffeesäure und dem Stoffwechselprodukt
4-Aminobenzoesäure:
In 2a sind am Start der Reaktion
die beiden Ausgangsstoffe zu erkennen.
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Nach
15 Minuten sind neben dem Hauptkopplungsprodukt bei 7,86 min noch
weitere Produkte entstanden (2b).
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Nach
30 Minuten sind neben dem Hauptkopplungsprodukt bei 7,86 min sind
noch viele weitere Produkte detektierbar.
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Beispiel 5
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Beispiel
für mögliche Interaktionen
zweier Wirkstoffe unter dem Einfluss freier Radikale. Die freien
Radikale wurden dabei gemäß Beispiel
1 erzeugt.
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(+)-meso-Nordihydroguajaretsäure + Cefadroxil
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In 3 ist der Verlauf der Umsetzung
von (+)-meso-Nordihydroguajaretsäure
+ Cefadroxil abgebildet:
Am Start sind die Peaks der beiden
Ausgangsstoffe erkennbar (3a).
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In 3b ist nach 15 Minuten ist
die Bildung von 3–4
Produkte zu erkennen.
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Nach
30 Minuten bilden sich noch mehrere Produkte, von dem nur eines
ein typisches UV-Spektrum hat (8,73 min) (3c).
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3d zeigt das neue Produkt
bei 8,04 min mit einem typischen Spektrum nach 60 Minuten.
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Beispiel
6 Beispiel
für eine
Verbindung von Wirkstoffen und Aminosäuren Chlorogensäure + 4-Aminohippursäure
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Der
Reaktionsverlauf ist in 4 abgebildet.
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Die
Peaks der Ausgangsstoffe liegen beim Start bei 1,6 und 5,1 min (4a).
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Nach
15 Minuten sind mehrere Produkte gebildet worden. Alle Produkte
nach 5,08 min haben KP-ähnliches
Spektrum. (4b).
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4c zeigt eine Vielzahl von
Produkten von 4,6 bis 7,3 min nach 30 Minuten.
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In 4d und 4e ist erkennbar, dass nach 75 Minuten
(4d) bzw. nach 110 Minuten
(4e) beinahe alle Produkte
instabil sind (Menge nimmt ab).
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Beispiel
7 Beispiel
für Bildung
von Metaboliten unter dem Einfluss freier Radikale Quercetin
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Quercetin
wird rasant zu einer Vielzahl von Produkten abgebaut, so dass eine
Kopplung nicht möglich ist.
Die Derivate Luteolin und Rutin werden wesentlich langsamer zersetzt.
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Der
Abbau von Quercetin ist in 5 abgebildet. 5a zeigt die Situation ab
Start der Reaktion. In 5b und 5c ist der Abbau nach 15
bzw. 30 Minuten erkennbar.