Mikrostrukturierte Polymerträger bzw.
Kunststoffmatrizes z.B. in Form von Mikrotiterplatten aus Spritzguß werden
seit vielen Jahren in der Biochemie, Medizin und Biologie für die Analytik
oder Diagnostik von Analyten eingesetzt. Als zu bestimmende Analyten
stehen dabei Biomoleküle
wie Antigene, Antikörper,
Nukleinsäuren,
pathogene Substanzen sowie Bakterien, Pilze oder Zellen im Vordergrund. Am
weitesten verbreitet ist heutzutage der Einsatz von Mikrotiterplatten
beim ELISA Test (Enzyme Linked Immunosorbant Assay) zur Bestimmung
pathogener Substanzen aus dem Blut, Serum, Plasma oder anderer Körperflüssigkeiten.
Das grundlegende Analysenprinzip besteht in der Regel darin, ein
Molekül,
einen Rezeptor bzw. Liganden an den unteren Teil der einzelnen Reaktionsgefäße physikalisch
oder chemisch zu binden. Diese Liganden fungieren als Fängermoleküle für den Analyten,
der komplementär während der
Inkubationsphase von dem Liganden gebunden wird. Der anschließende Nachweis
des Analyten erfolgt entweder über
die Zugabe einer Markersubstanz (z.B. Sekundär-Antikörper), die ein detektierbares
Signal z.B. in Form radioaktiver Strahlen, einer Farbreaktion oder
einer Lumineszenz abgibt. Durch entsprechende Eichung und Signalauswertung
können
sowohl qualitative als auch quantitative Aussagen über den
Analyten getroffen werden. Als Liganden zur Bindung des Analyten
kommen bei dieser Technologie auch solche Spezies in Frage, die Ribosomenkomplexe
oder Phagen als Analyten zu binden in der Lage sind. Diese Analyten
sind dem Fachmann auf diesem Gebiet im Rahmen des Phage- oder Ribosomen
Displays allgemein bekannt sind (R.A. Irving et al., J. Immunol.
Methods, Vol. 248, 2001, 31–45).
Der attraktive Aspekt der Mikrotiterplatten-Technologie
ist ihre einfache Handhabung sowie der Umstand, durch die Vielzahl
der Reaktionsbehältnisse
pro Platte eine Vielzahl von Reaktionen bzw. Nachweisen simultan
durchführen
zu können.
In der Praxis werden heute vorwiegend Mikrotiterplatten mit 96 Vertiefungen
eingesetzt. Platten mit 384 und 1536 Vertiefungen, die ebenfalls
angeboten werden, benutzt man dagegen vorzugsweise für automatische DNA
Hochdurchsatz-Analysen („screening
tests").
Die heute kommerziell angebotenen
Mikrotiterplatten werden in der Regel aus Polystyrol, Polymethylmethacrylat
oder Polycarbonat mittels Spritzguß hergestellt. Der Vorteil
dieser Kunststoffe ist ihre Transparenz, die einen optischen Nachweis
begünstigen.
Mikrotiterplatten aus Polypropylen oder Teflon werden ebenfalls
in der Praxis eingesetzt, besitzen jedoch gegenüber den vorgenannten nicht
die vorteilhaften optischen Eigenschaften.
Der grundsätzliche Nachteil der heute
auf dem Markt angebotenen Produkte besteht darin, daß die Bindungskapazitäten der
Reaktionsgefäße für die Liganden
und demzufolge für
den Analyten sehr begrenzt ist. Insbesondere der Zellnachweis wird
durch die nur unzureichend zur Verfügung stehende Oberfläche der
Mikrotiterplatten stark eingeschränkt. Ein weiterer Nachteil
der heutzutage verwendeten Mikrotiterplatten ist der relativ hohe
Preis besonders für speziell
beschichtete Platten – hier
im besonderen Streptavidin-beschichtete Mikrotiterplatten, die für spezielle
Nachweisverfahren in der Praxis routinemäßig eingesetzt werden.
In den US Patenten 5,540,891 und 5,792,426
werden Komposit-Mikrotiterplatten für die instrumentelle Analysen
beschrieben, die aus zwei Plastikkomponenten gebildet sind. Der
Bodenteil besteht dabei aus einem transparenten thermoplastischen
Material und die Plastikwandung aus einem apolaren Thermoplasten.
Ziel dabei ist vor allem, die Oberflächenspannung zu minimieren,
um so eine akkuratere Messung zu gewährleisten. Das Verfahren ist
somit sehr aufwendig, Maßnahmen
zur Verbesserung der Biosubstanz-Adsorption sind nicht beschrieben.
Gegenstand des US Patentes 5,265,754 sind
Reaktionsbehältnisse,
die für
analytische Zwecke mit speziellen Beads befällt werden.
In dem US Patent 6,057,163 wird ein
Lumineszenz- und Fluoreszenz-Detektionssystem z.B. für den Immunoassay
oder Enzymassay beschrieben, das durch eine bewegliche Maske und Probenhalter nur
die Substanz auf dem Probenhalter freigibt, die unmittelbar gemessen
werden soll. Dadurch können störende Streulichteinflüsse umgangen
werden.
Gegenstand der US Patente 5,290,513, 5,202,091
und 5,401,465 sind ebenfalls bewegbare Probenbehältnisse u.a. in Mikrotiterplatten-Form,
die von einem Photodetektionssystem erfaßt werden. In ähnlicher
Weise ist ein sich zum optischen Detektionssystem bewegbares Probenbehältnis Gegenstand
des US Patentes 5,611,994.
US Patent 4,710,031 behandelt ein
Detektionssystem bestehend aus einer Mikrotiterplatte und einer
von unten angeordneten Lichtquelle. Zwischen Lichtquelle und Mikrotiterplatten
befindet sich eine transparente Maske mit regelmäß angeordneten lichtundurchlässigen Sektionen.
Durch Verschieben dieser Maske kann der Lichtdurchgang durch die Probe
gezielt gesteuert werden. Das Detektionssystem ist vor allem für die Untersuchungen
von Präzipitaten
oder dispergierten Substanzen geeignet.
Bei allen aus dem Stand der Technik
bekannten Verfahren handelt es sich zum Teil um recht aufwendige
Herstellungsverfahren, deren vornehmliche Aufgabe in der Verbesserung
der optischen Auswertbarkeit besteht, Ansätze zur Verbesserung der Oberflächenbeschaffenheit
mit der Zielsetzung einer verbesserten Biosubstanzanbindung sind
nicht beschrieben.
Aufgabe der vorliegenden Erfindung
ist die Herstellung und Modifikation neuartiger Mikrotiterplatten
insbesondere mit sehr kleinen Reaktionsvolumina im Bereich von 1–100 μl. Dadurch
kann die Analytmenge gegenüber
den etablierten Verfahren deutlich reduziert werden und eröffnet darüber hinaus
die Möglichkeit,
eine wesentlich größere Anzahl von
Einzelanalysen simultan z.B. für „screening" Tests durchzuführen.
Diese Aufgabe wird gemäß der vorliegenden Erfindung
durch neuartige Oberflächenmodifikationen
von mikrostrukturierten Polymerträgermedien z.B. in Form von
Mikrotiterplatten, Folien oder Thermocycler-Reaktionsbehältnissen
gelöst,
die zum einen eine hohe Ligandenbeladungen ermöglichen, zum anderen eine breite
Palette gezielter Anwendungen im analytischen und diagnostischen
Bereich eröffnen.
Um für die praktischen Anwendungen
eine Vielzahl verschiedener Plastikträger kostengünstig anzubieten, werden dünne Trägerplatten
oder Folien aus einem Basiskunststoff vorzugsweise mit Hilfe des
Thermoformens hergestellt, die anschließend einer speziellen Oberflächenbeschichtung
bzw. -modifikation unterworfen werden. Für die Inkubationstests und
die anschließende Vermessung
werden die neuartigen Trägerplatten
auf einen stabilen, formfesten Kunststoffrahmen aufgelegt, der für alle Trägerplatten
bzw. Tests verwendbar ist. Diese Vorgehensweise gewährleistet
eine sehr flexible Handhabung der jeweiligen Systeme, die somit
bestmöglich
an die gewünschten
Einsatzgebiete adaptiert werden können. Aus der Literatur ist
bekannt (D.R. Absolom et al., J. Biomedical Mat. Res., Vol. 21,
161, 1987), daß Polymeroberflächen mit
einer niedrigen Oberflächenspannung
in der Regel gute Proteinadsorptionen zeigen und umgekehrt. D.h.,
hydrophobe Polymere wie Polymethylmethacrylat, Polystyrol oder Polytetrafluoräthylen z.B.
binden Proteine in der Regel sehr viel besser als hydrophile Kunststoffe
mit höherer
Oberflächenspannung
wie Polyacrylamid, Polyvinylakohol oder Polyvinylacetat. Da beim
Einsatz der Mikrotiterplatten eine ausgeprägte Proteinbindung angestrebt wird,
werden dementsprechend in der Praxis Mikrotiterplatten aus Polymeren
mit einer niedrigen Oberflächenspannung
bevorzugt. Bei der Beschichtung von Plastikoberflächen mit
Zellen liegen die Eigenschaftszuordnungen in bezug auf die Zellanbindung und
Oberflächenspannung
grundsätzlich
anders. Hierfür
werden semi-hydrophile Polymeroberflächen bevorzugt, die die dispersiven
und nicht-dispersiven sekundären
Bindungskräfte
so zu steuern in der Lage sind, daß eine Anbindung der Zellen
an die Polymersubstrate stattfindet (A. Baszkin und D. J. Lyman,
J. Biomedical Mat. Res., Vol. 14, 393, 1980).
Gegenstand der Erfindung ist es,
die Nachteile der bisherigen Polymerträgersysteme in Form von z.B.
Mikrotiterplatten, Folien oder Thermocyclerbehältnissen – zu umgehen und neue hochfunktionelle
Trägersysteme
herzustellen, die eine gezieltere und rationellere Beschichtung
der Polymerträger
mit Bioliganden sowohl für
den bioanalytischen Bereich bei ELISA-ähnlichen Verfahren als auch
für den
molekularbiologischen Bereich bei dem beschriebenen Ribosomen Display
ermöglichen.
Die zentrale Methodik für die Beschichtung bzw.
Modifikation der Kunststoffoberflächen besteht in der Anwendung
radikalbildender Strahlen in Gegenwart funktioneller Substanzen.
Als radikalbildende Strahlen kommen z.B. Röntgen-, Gamma-, UV-, Elektronen-
oder Ionen-Strahlen
oder Mikrowellen in Frage, deren Erzeugung allgemeiner Stand der
Technik ist. Die Bestrahlung der Polymermatrix erzeugt sowohl auf
der Polymermatrixoberfläche
als auch in den zugegebenen funktionellen Substanzen Radikale, die
sofort miteinander abreagieren. Dadurch wird ein Aufpfropfprozess
in Gang gesetzt, der sich in einer chemischen Bindung zwischen der
Polymermatrix und der zugegebenen funktionellen Substanz, deren
chemische Struktur und physikalische Eigenschaften die spezifische
Funktionalität
der Polymerträgeroberfläche bestimmt,
manifestiert.
Mit Hilfe eines neu entwickelten
Strahlenpfropfverfahrens konnte gezeigt werden, daß sich Plastikmaterialien
für Mikrotiterplatten
an der Oberfläche
so verändern
lassen, daß eine
deutlich verbesserte Oberflächenbindungskapazität in Verbindung mit
einer selektiven Funktionalisierung gegeben ist, die eine spezifische
Anbindung bestimmter Bioliganden ermöglicht.
Die Oberflächenmodifizierung wird durch
ein Strahlenpfropfverfahren realisiert, das aufgrund einer nach
spezifischen Kriterien erfolgten Auswahl der Monomeren, Comonomeren
und der zugesetzten Lösungsmittel
bzw. Quellmitteln in Bezug auf das zu pfropfende Polymersubstrat
zu einem synergistische Effekt führt,
dergestalt, daß eine
hocheffiziente Pfropfausbeute bei minimaler Strahlendosis erreicht wird.
Der synergistische Pfropfeffekt ergibt
sich aus der Anwendung des Löslichkeitsparameters δ, der als
Quadratwurzel der mittleren Kohäsionsenergiedichte
definiert ist (Polymer Handbook, Hrsg. Brandrup, Immergut, 3. Auflage,
Wiley Intersciernce, 1989). Es konnte gezeigt werden, daß bei der
Auswahl der Lösungsmittel,
die den Monomermischungen zugesetzt werden, überraschenderweise dann ein
synergistischer Effekt auftritt, wenn die Löslichkeitsparameter-Differenz zwischen
dem Lösungsmittel
und dem Polymersubstrat ein Minimum aufweist. Das Lösungsmittel
hat bei dem vorliegenden Verfahren vor allem zwei Funktion zu erfüllen: a)
das Polymersubstrat anzuquellen, so dass die Diffusion des Monomeren
in die Oberflächenschichten
gefördert wird
und b) substantielle Reduktion der Homopolymerisation.
Lösungsmittel
mit den bezeichneten Eigenschaften sind für Polyamid-6 mit einem Löslichkeitsparameter
von 13,5 (cal/cm –3)1/2
z.B. Pyrrolidon, Dimethylformamid, Dimethylsulfoxid, Dimethylsulfon, Äthylalkohol,
deren Löslichkeitsparameter zwischen
12 und 15 liegen, für
Polypropylen (δ =
9,4 (cal/cm –3)1/2)
Lösungsmittel
wie z.B. Chlorbenzol, Tetrahydrofuran, Methyläthylketon, Furan, Methylacetat,
deren Löslichkeitsparameter
im Bereich von 9 liegen. Andere, das Verfahren jedoch nicht einschränkende Beispiele
sind für
Polyäthylen
(δ = 7,7): Amylacetat,
Dodekan, Tributylamin, Hexan, Cyclohexan; für Polyäthylenterephthalat (δ = 22,5)
und Polystyrol (δ =
22,5): Wasser, Formamid, Äthylenglykol, Methanol;
für PMMA
(δ = 9,1):
Chloroform, Benzol, 1,1,2-Trichloäthylen, Butyloktanol, Perchloräthylen, Diäthylketon.
Die Lösungsmittel
können
auch als binäre
und ternäre
Mischungen verwendet werden, wobei ihr Anteil im Pfropfansatz in
der Regel zwischen 50 und 80 Vol.%, vorzugsweise zwischen 65 und
75% Vol.% liegt. Die Konzentrationen der einzelnen Lösungsmittel-Komponenten
betragen in der Regel 4 bis 38 Vol.%.
Eine weitere Effizienzsteigerung
des Pfropfprozesses in bezug auf Pfropfausbeute und Funktionalität kann durch
Zugabe solcher Lösungsmittel
ereicht werden, die über
einen hohen Wasserstoff-Bindungs-Parameter (> 10 (cal/cm –3) 1/2) verfügen (s. K.L.
Hoy, „Tables
of Solubility Parameters",
Union Carbide Corp., South Charleston, USA, 1969). Dieser spezielle
Löslichkeitsparameter
kommt vor allem bei solchen Polymeren zum Tragen, die, wie z.B.
Polyamid, eine Oberflächenspannung > 30 erg/cm2 aufweisen.
Beispiele für
solche Lösungsmittel
sind: Ameisensäure,
Hydrazin, 1,3-Propandiol, 1,4-Butandiol, 1,5-Pentandiol, Äthylencyanhydrin,
Trichloressigsäure,
Methanol, Wasser, Äthylenglykol,
Acetonitril, Äthanol,
Essigsäure.
Die Konzentrationen dieser Lösungsmittel
im Pfropfansatz liegen in der Regel zwischen 1 und 10 Vol%, vorzugsweise
3–6 Vol%.
Einen besonders stark pfropffördernden
Effekt erhält man
dadurch, daß man
bei der Verwendung von Wasser als Lösungsmittel Schwermetalle z.B.
in Form von Cu(II)-Salzen, Fe(II)- oder Fe(III)-Salzen, die in einer
Konzentration von 0,002 bis 0,2 Mol/Liter vorliegen, zusetzt.
Der Effekt dieser Lösungsmittel
leitet sich daraus ab, daß die
stark ausgeprägten
intermolekularen Wasserstoff-Brückenbindungen
dieser Polymeren aufgebrochen werden und durch die Auflockerung
der Mikrostruktur die Diffusion der Monomeren zum Ort der Reaktion
begünstigt
wird.
Neben der Auswahl entsprechender
Monomere und der den synergistischen Effekt bedingenden Lösemittel
konnte überraschenderweise
auch gezeigt werden, daß Comonomere
mit nicht reaktiven Funktionen, die im Pfropfansatz in einer Konzentration
zwischen 0,1 und 10 Vol% vorliegen, den eigentlichen Pfropfprozess
günstig
beeinflussen. Dies resultiert im wesentlichen aus den unterschiedlichen Polymerisationseigenschaften
der Comonomeren. Sie verzögern
im Pfropfansatz die Homopolymerisation des Monomers, so dass dieses
ausreichend Zeit hat, zum Ort der gebildeten Polymerradikale auf
dem Polymersubstrat zu diffundieren und dort unter Ausbildung wachsende
Pfropfketten abzureagieren.
Die Verwendung von Comonomeren fördert darüber hinaus
die Bindungseffizienz des Analyten an den Bioliganden dadurch, daß die aktiven
kopplungsfähigen
Gruppen im Homopolymeren durch die Zugabe nicht-reaktiver Comonomere
so vermindert werden kann, daß der
gekoppelte Ligand optimale sterische Bedingungen für den Analyten
gewährleistet.
Beispiele für diese Art Comonomere sind
: Acrylamid, N-Vinylpyrrolidon, Acrylsäureisopropylamid, Methacrylamid,
Allylharnstoff, Methacrylsäüre-2-methoxyäthylester,
Methacrylsäure-2-butoxyäthylester,
Methacrylsäureisopropylamid,
Maleinsäureanhydrid.
Ein Kernaspekt des neuen Verfahrens
ist es, eine Vielzahl verschieden beschichteter Polymerkörper in
mikrostrukturierter Form anzubieten, mit denen die vielfältigen Funktionsanforderungen,
die im Rahmen der heutigen Bioanalytik anfallen, erfüllt werden können.
Durch die simultane Verwendung bestimmter Vinylmonomere
und Comonomere lassen sich mit Hilfe der Strahlenpfropfung eine
Reihe von Oberflächenfunktionen
einführen,
die es erlauben, jedweden Bioliganden adsorptiv bzw. physikalisch
oder kovalent mit hoher Ausbeute an die Oberfläche der Mikrotiterplatten zu
binden.
Für
die kovalente Bindung werden vorzugsweise solche Monomere gepfropft,
die über
funktionelle Gruppen in Form von Hydroxyl-, Carboxyl- oder Amino-Gruppen
verfügen.
Beispiele für
solche, die Erfindung jedoch nicht einschränkende funktionelle Monomere
sind: 2-Hydroxyäthyl-methacryyat,
2-Hydroxyäthyl-acrylat,
Acrlysäure,
Methacrlysäure, 2-Hydroxypropyl-methacrylat,
N-Methylolacrylamid, N-Acryloyl-2-amino-2-hydroxymethyl-1,3-propandiol, Acrylnitril.
Über
diese funktionellen Gruppen lassen sich nach den bekannten Verfahren
(Methods in Enzymology, K. Mosbach Hrsg, Vol. 135, 3–170, 1987) über eine
Aktivierung mittels Bromcyan, Carbodiimiden, Glutaraldehyd, Cyanurchlorid,
N-Hydroxysuccinimid, Benzotriazol, Tosylchlorid, Tresylchlorid, Epichlohydrin,
Chlurcarbonat, 2-Fluor-1-methyl-pyridinium-toluol-4-sulfonat, Divinylsulfon,
1,1'-Carbonyldiimidazol
z.B. die entsprechenden Liganden wie Proteine, Peptide, Oligosaccharide,
Nukleinsäure koppeln.
Eine alternative Methode zur Anbindung
jedweder Art von Bioliganden, die vor allem im Hinblick auf eine
rationelle Prozessführung
große
Vorteile bietet, besteht in der Verwendung solcher Monomeren, die
bereits im Grundzustand eine aktive, kopplungsfähige Gruppe in Form einer Isocyanat-,
Epoxy-, Aldehyd- oder Halogenid-Funktion verfügen. Beispiele für solche
Monomeren sind: Glycidyl-methacrylat, Acrolein, Acrylsäurechlorid,
2-Isocyanatoäthylmethacrylat.
Die reaktiven Endgruppen dieser Monomer sind befähigt, Bioliganden über deren
Amino- oder Hydroxylgruppen durch einfache Inkubation ohne zusätzliche
Aktivierung direkt zu koppeln.
Eine weitere Oberflächenmodifikation,
die das neue Modifikationsverfahren eröffnet, besteht in der Pfropfung
solcher Vinylmonomere, die geladene positive oder negative Gruppen
enthalten. Beispiele für
anionische Monomeren sind: Acrylsäure, Methacrlysäure, 3-Sulfopropylmethacrylat,
solche für kationische
Monomere: 2-Dimethylaminoäthyl-methacrylat,
2-Diäthylaminoäthyl-methacrylat,
Methacrylsäure-(3-dimethylaminopropylamid),
Acrylsäure-[3-(dimethylamino)-propylester],
Acrylsäure-[2-(dimethylamino)-äthylester],
Acrylsäure-[2-(diäthylamino)-äthylester].
Diese Modifikationsweise bietet die Basis für eine ionische Anbindung solcher
Bioliganden, die, wie z.B. Nukleinsäuren oder Proteine, ihrerseits
ausgeprägte
Ladungen aufweisen. Besonders vorteilhaft erweist sich diese Art
der Oberflächenbeschichtung
jedoch für
die Zellanbindung. Zellen tragen auf ihrer Membran in der Regel
eine negative Ladung. Durch Ausbringen einer positiven Ladung auf
die Kunststoffmatrix mit Hilfe der Strahlenpfropfung unter Verwendung
der oben aufgeführten kationischen
Vinylmonomere lassen sich Zellen aller Art in hervorragender Weise
binden.
Außer der Zellanbindung über rein
ionische Kräfte
kann die Strahlenmodifizierung auch dazu benutzt werden, Zellen
auf neutralen Oberflächen
zu binden. In der Regel werden Zellen weder von ausgeprägt hydrophoben
noch von rein hydrophilen Polymeroberflächen merklich gebunden. Erst
wenn die Oberfläche
eine bestimmte Balance zwischen hydrophilen und hydrophoben Eigenschaften
aufweist, die sich mit Hilfe der Kontaktwinkel-Messung quantifizieren
läßt, wird
eine deutliche Zellanbindung beobachtet. Dieser Kontaktwinkel, der,
wie dem Fachmann auf diesem Gebiet allgemein bekannt, mittels eines auf
dem Substrat befindlichen, genormten Flüssigkeitstropfens bestimmt
wird, muß durchweg
einen Wert von < 50° aufweisen,
um die Zelladhäsionskriterien
zu erfüllen.
Erst durch die Balance der sekundären Bindungskräfte wird
eine reversible Bindung von Zelladhäsion-vermittelnden Proteinen
wie z.B. Fibronectin oder Vitronectin ermöglicht (J.G. Steel et al. Biomater.
Vol 12, 1991, 531).
Die oben beschriebenen Kriterien
zur Erfüllung
der zelladhärierenden
Eigenschaften kann durch Beschichtung mit ausgeprägt hydrophilen
Vinylmonomeren auf aus z.B. Polyäthylen,
Polypropylen, Polymethylmethacrylat, Polystyrol oder Polyamid bestehenden
Kunststoffmatrizes vorgenommen werden. Überraschenderweise hat sich
dabei gezeigt, daß eine
signifikante Zellanbindung nur dann stattfindet, wenn die Pfropfausbeute < 5 Gew.% beträgt. Monomere,
die für
eine solche Modifikation besonders in Frage kommen, sind beispielsweise:
2-Hydroxyäthyl-methacrylat,
2-Hydroxylpropyl-methacrylat oder 2-Hydroxyäthyl-acrylat.
Das Problem hydrophober Reaktionsgefäße aus z.B..
Polystyrol, Polyäthylen,
Polymethylmethacrylat, Polytetrafluoräthylen, Polypropylen ist, daß diese
zwar aufgrund der Dispersionskräfte
Proteine grundsätzlich
gut zu adsorbieren befähigt
sind, jedoch infolge des Spritzgußverfahrens eine sehr glatte
Oberflächenmorphologie
aufweisen, so dass nur eine geringe effektive Oberfläche für die Bindung
der Protein-Liganden zur Verfügung
steht. Um diesen Nachteil weitestgehend zu umgehen, sind einige Hersteller
dazu übergegangen,
die vorgefertigten Mikrotiterplatten mit Gammastrahlen oder beschleunigten
Elektronen zu behandeln. Infolge dieses Bestrahlungsprozesses findet
eine Fragmentierung der Polymerketten statt, mit der eine gewisse
mikrostrukturierte Oberflächenvergrößerung („Aufrauhung") einhergeht. Diese
Behandlung führt
jedoch in der Regel zu unspezifischen und unfunktionellen Oberflächenmodifizierungen,
aus denen sich keine spezifischen Kopplungen mit Bioliganden für spezielle
Anwendungen ableiten lassen.
Die Aufgabe einer verbesserten Bioligand-Anbindung
wird gemäß der Erfindung
durch die Beschichtung der Kunststoffmatrizes mit hydrophoben Monomeren
bewerkstelligt. Durch das Aufpfropfen der Vinylmonomeren wird eine
mikrostrukturierte Morphologie geschaffen, die eine zwei- bis fünffach größere effektive
Oberfläche
gegenüber
der ursprünglichen
Mikrotiterplatte aufweist. Beispiel für Vinylmonomere, die für diese
Modifikationsart in Frage kommen, sind: Acrylsäure-äthylester, 2-Äthylhexyl-acrylat,
Isobutyl-acrylat, Lauryl-methacrylat,
Isobutyl-methacrylat, Cyclohexyl-methacrylat, Butyl-2-Äthylhexyl-methacrylat,
Methyl-methacrylat, Methacrylsäure-(3,3,4,4,5,6,6,6-nonafluorhexylester),
Methacrylsäure-[3,3,4,4,5,6,6,6-octafluor-5-(trifluormethyl)-hexylester],
Methacrylsäureoctadecylester,
Methacrylsäure-butylester,
Methacrylsäurephenylester
oder 2-Phenoxyäthyl-methacrylat.
Die Pfropfausbeuten bei dieser Art Modifikation liegen in der Regel
im Bereich von 1–10
Gew.%, vorzugsweise bei 2–5
Gew.%.
Neben der Aufgabe, die effektiv zugängliche Oberfläche der
Kunststoffmatrizes zu vergrößern, hat sich
bei der Beschichtung mit hydrophoben Vinylmonomeren überraschenderweise
herausgestellt, daß diese
je nach der Kohlenstoffkettenlänge
des Acrylat- oder Methacrylat-Esterrestes
eine selektive Bindungsaffinität
zu bestimmten Proteinen zeigen. So weisen (Meth)acrylat-beschichtete
Mikrotiterplatten, deren Estergruppe 8–10 C-Atome enthalten, eine ausgeprägte Bindungsneigung
zu Serum Albumin, Lactoglobulin und zu Antikörpern (IgG) auf.
Estergruppen mit einer C7-Kette oder
einem Phenylrest vermögen γ-Globuline
und Fibrinogen zu binden, während
eine C4-Kette bevorzugt Thrombin adsorbiert.
Die entsprechenden Kohlenstoffsubstituenten
lassen sich alternativ auch gezielt über einen Zweistufenprozess
in das Substrat einführen.
Dazu werden im ersten Schritt die Mikrotiterplatten mit Glycidyl-methacrylat
analog den obigen Verfahren gepfropft. Dem schließt sich
die nucleophile, ringöffnende
Substitution unter Zugabe eines entsprechenden Monoamins wie z.B.
Pentylamin, Butylamin, Hexylamin, Dodecylamin, Heptylamin an.
Eine weitere Methode, die Oberflächen der Kunststoffbehältnisse
im Hinblick auf eine gezielte Biomolekül-Anbindung mit Hilfe radikalbildender
Strahlen zu modifizieren bzw. zu beschichten, besteht in der Anwendung
von UV-Strahlen in Gegenwart photosensibler Agenzien. Dabei handelt
es sich durchweg um Substanzen, die über solche Seitengruppen verfügen, die
mittels UV-Strahlen leicht abgespalten werden können und dadurch Radikale ausbilden.
Besonders geeignete Verbindungen, die hierfür vorzugsweise in Frage kommen,
sind Azido-, Diazido-, Diazirin-, Halogen- oder Peroxid-Seitengruppen-tragende
Substanzen. Ein hervorstechender Aspekt dieser Modifikationsweise
ergibt sich aus der Kombinationsmöglichkleit der Photosensibilität dieser
Verbindung mit einem bioaffinen Liganden, z.B. Biotin. Durch Kopplung
des betreffenden Bioliganden an die photosensible Verbindung kann
dieser während
der Bestrahlung simultan auf die Oberfläche des Kunststoffträgers gepfropft
werden. Beispiel für
ein solches Kombinationspräparat
ist die Verbindung eines Mercaptobiotin-Derivates mit einem funktionellen
Diazirinderivat wie N-[3-[3-(trifluormethyl)diazirin-3-yl]phenyl]-4-maleimidobutyramid.
Ein so modifizierter Polymerträger
ist dann befähigt,
Streptavidin bzw. Streptavidin-Derivate zu binden. Eine Variante
dieser Kopplungsmethodik, nämlich
zunächst
z.B. Streptavidin oder auch andere Proteine über das photosensible Alctivierungsagens
zu koppeln, ist gleichermaßen
möglich.
Auf diese Weise lassen sich biotinylierte Biomoleküle oder
Liganden, die in der heutigen biochemischen Analytik eine bedeutende
Rolle spielen, nachweisen. Für
die Kopplung von Proteinen werden vorzugsweise N-Hydroxysuccinimid-Derivate der
photosensiblen Agenzien herangezogen.
Für
die Bestrahlung gelangen herkömmliche UV-Lampen
(z.B. Hochdruck-Quecksilberlampen), die einen Spektralbereich von
200 bis 320 nm abdecken, zum Einsatz. Die Bestrahlungszeiten betragen, je
nach Leistung und gewünschter
Beschichtungsdichte, in der Regel 5 bis 30 Minuten. Für die praktische
Durchführung
der Oberflächenbeschichtung werden
die photosensiblen Kombinationspräparate vorzugsweise aus einer
Lösung
auf das Polymersubstrat aufgebracht, anschließend getrocknet und sodann
entsprechend bestrahlt.
Die Beschichtung der Kunststoffmatrizes
mit den aufgeführten
Monomeren oder Monomermischungen erfolgt nach Verfahren, die zur
Erzeugung von Molekülradikalen
befähigt
sind und die eine rationelle und kontinuierliche Modifizierung bzw.
Beschichtung im technischen Maßstabe
erlauben.
Grundsätzlich lassen sich für diese
Aufgaben drei Verfahrensweisen anwenden:
- a)
Behandlung mit ionisierend wirkenden Strahlen wie z.B. Gammastrahlen
oder UV-Strahlen,
- b) Polymerisation im Plasma,
- c) Behandlung mit beschleunigten Elektronen.
Alle obigen Verfahren sind aus dem
Stand der Technik allgemein bekannt (Bell und Shen, Hrsg., „Plasma
Polymerisation",
ACS Symp. Ser 108, Amer. Chem. Soc., Washington, 1979, S. Yan et
al., J. Biomed. Mat. Res., Vol. 27, 811, 1993; A. Heger: „Technologie
der Strahlenchemie von Polymeren",
Akademie-Verlag Berlin, 1990 ; D. Müller-Schulte, Radiat. Phys.
Chem, Vol. 16, 140, 1980) und können
somit von einem Fachmann auf diesem Gebiet jeder Zeit genutzt werden.
Die Erzeugung des Plasmas kann wahlweise mittels
Gleichstrom- und Niederfrequenz-Glimmentladung,
Mikrowellenentladung , Corona-Entladung oder Hochfrequenz- bzw.
Radio-Glimmentladung
erfolgen. Durch Variation bestimmter Verfahrensparameter wie Gasdurchflußrate, Druck,
Verdünnungsgrad
der Monomeren mit dem Trägergas,
elektrische Leistung, Gasteilchendichte, Verweilzeit des Plasmas,
Elektronendichte lassen sich die Plasmen so steuern, daß entsprechend
den jeweiligen Anforderungen Polymerschichten von 5 bis 200 nm erzeugt werden
können.
Schichtdicken von 5 bis 30 nm zur Erhaltung der ursprünglichen
optischen Eigenschaften der mikrostrukturierten Polymerträger haben
sich als vorteilhaft herausgestellt.
Für
die Modifikation der Substrate mit Gammastrahlen zur Erzeugung der
notwendigen Radikale kommen im wesentlichen Cobalt-60 und Caesium-137-Gammastrahlenquellen
zum Einsatz. Diese Quellen sind kommerziell verfügbar. Die Strahlendosen liegen
bei diesen Anwendungen zwischen 0,1 und 0,3 Mrad.
Eine weitere Möglichkeit zur Modifikation
der Polymerträger
besteht in der Anwendung von Elektronenbeschleunigern. Dazu werden
die Mikrotiterplatten in einer technischen Beschleunigeranlage mit Elektronen
bestrahlt, die allgemein eine Energie von 0,5 bis 1,5 MeV aufweisen.
Je nach Leistungsauslegung ist der Bestrahlungsvorgang innerhalb
von 1- bis 2 Minuten abgeschlossen. Dem schließt sich die unmittelbare Inkubation
der bestrahlten Mikrotiterplatten in den jeweiligen Monomermischungen über einen
Zeitraum von 0,5 bis 1 Stunde unter Normalbedingungen an. Durch
Variation der Beschleunigerleistung sowie der Inkubationszeit kann
der Grad der Beschichtung den jeweiligen Anforderungen angepaßt werden.
Hier haben sich Schichtdicken von 1 bis 100 nm, bevorzugt, 5 bis
50 nm, als vorteilhaft herausgestellt.