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Die vorliegende Erfindung betrifft
die Verwendung Chinoloncarbonsäurederivate
enthaltender Darreichungsformen, die eine lokale Behandlung bakteriell
verursachter Lungenkrankheiten ermöglichen.
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Trotz enormer Fortschritte auf dem
Gebiet der Bekämpfung
bakterieller Infektionskrankheiten durch die Einführung verschiedener
Antibiotikaklassen in den letzten 70 Jahren stellen schwere Lungeninfektionen auch
heute noch ein wichtiges Problem dar, insbesondere hinsichtlich
Krankheitsbildern wie der cystischen Fibrose, der Bronchiektasis
und zunehmend auch der chronisch obstruktiven Atemwegserkrankungen
(COPD), die mit nur schwierig bis gar nicht zu behandelnden Infektionen
einhergehen. Häufig
werden für
die Behandlung derartiger Erkrankungen wegen Ihres relevanten antibakteriellen
Wirkspektrums und ihrer bakteriziden Wirkung Wirkstoffe aus der
Klasse der Fluorchinolone, insbesondere auch Moxifloxacin und Ciprofloxacin
eingesetzt.
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Moxifloxacin-Hydrochlorid (I) ist
ein antibakterieller Wirkstoff aus der
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Klasse der Chinoloncarbonsäurederivate
zur Behandlung und Verhinderung von Otitis, Pharyngitis, Pneumonie,
Peritonitis, Pyelonephritis, Cystitis, Endocarditis, Systeminfektionen,
akuter und chronischer Bronchitis, septischen Infektionen, Er krankungen
der oberen Luftwege, diffuser Panbronchiolitis, pulmonärem Emphysem,
Dysenterie, Enteritis, Leberabzessen, Urethritis, Prostatitis, Epididymitis,
gastrointestinalen Infektionen, Knochen- und Gelenkinfektionen,
zystischer Fibrose, Hautinfektionen, postoperativen Wundinfektionen,
Abszessen, Phlegmonen, Wundinfektionen, infizierten Verbrennungen,
Brandwunden, Infektionen im Mundbereich, Infektionen nach Zahnoperationen,
Osteomyelitis, septischer Arthritis, Cholecystitis, Peritonitis mit
Appendicitis, Cholangitis, intraabdominalen Abszessen, Pankreatitis,
Sinusitis, Mastoiditis, Mastitis, Tonsillitis, Typhus, Meningitis,
Infektionen des Nervensystems, Salpingitis, Endometritis, Genital-Infektionen,
Pelveoperitonitis und Augeninfektionen (
EP 350 733 B1 ,
US 4 990 517, 5 607 942 und
WO 01/45679). Die wichtigsten Indikationen für Moxifloxacin sind Erkrankungen
des Respirationstraktes, insbesondere der Lunge.
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Als Darreichungsformen von Moxifloxacin
nennt die
EP-B 350 733 Tabletten,
Dragees, Kapseln, Pillen, Granulate, Suppositorien, Lösungen,
Suspensionen und Emulsionen, Pasten, Salben, Gele, Cremes, Lotions, Puder,
und Sprays. Auf dem Markt sind unseres Wissens nur Tabletten und
(für die
intravenöse
Verabreichung) Lösungen.
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In der Praxis wird Moxifloxacin bis
heute bei allen Erkrankungen, für
deren Bekämpfung
es in Frage kommt (einschließlich
denen der Lunge), ausschließlich
systemisch angewandt. Der Grund dafür liegt in der hohen oralen
Bioverfügbarkeit
und in der guten Verteilung des Wirkstoffs. Die Wirkstoffkonzentration
in Serum und Lunge von Ratten nach lokaler (intratrachealer) Applikation
von Moxifloxacin-Hydrochlorid steigt zwar, verglichen mit der systemischen
(oralen) Applikation der gleichen Menge Moxifloxacin-Hydrochlorid,
stärker
an, aber diese Konzentration fällt
auch relativ rasch (etwa innerhalb einer Stunde) auf das Niveau
der oral erzielten Konzentration ab, so dass auch in Versuchen an
der Ratte eine intratracheale lokale Verabreichung keine Vorteile
gegenüber
einer oralen Applikation erzielt wird.
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Ciprofloxacin- und Enrofloxacin-Hydrochlorid
(II) sind seit ca. 20 Jahren bekannte antibakterielle Chinoloncarbonsäurederivate
(
EP-B 49 355 ,
US-PS 4 670 444 ), die äußerst erfolgreich
sowohl zur Prophylaxe als auch zur Behandlung von systemischen und
lokalen bakteriellen Infektionen, insbesondere der Harnwege eingesetzt
werden können.
Ciprofloxacin ist u.a. auch gegen Milzbranderreger wirksam.
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Als Darreichungsformen von Ciprofloxacin/Enrofloxacin
nennt die
EP-B 49 355 Tabletten,
Dragees, Kapseln, Pillen, Granulate, Suppositorien, Lösungen,
Suspensionen und Emulsionen, Pasten, Salben, Gele, Cremes, Lotionen,
Puder und Sprays. Auf dem Markt sind von Ciprofloxacin derzeit Tabletten,
Suspensionen, Augen- und Ohrentropfen und zur intravenösen Infusion
geeignete Lösungen.
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Überraschenderweise
wurde gefunden, dass die Bekämpfung
bakteriell verursachter Lungenkrankheiten dann überaus erfolgreich verläuft, wenn
man Ciprofloxacin oder Enrofloxacin als festes Betain und/oder als
festes Embonat lokal appliziert. Die Wirkstofikonzentrationen in
der Lunge können über längere Zeit
auf einem Niveau gehalten werden, wie es aus ärztlicher Sicht zur optimalen
Behandlung wünschenswert
ist. Neben dem hohen und lang anhaltenden Wirkstoffspiegel am Ort
der Infektion lässt
sich gleichzeitig eine vergleichsweise niedrige systemische Konzentration
des Wirkstoffs erzielen, so dass auf diesem Wege Nebenwirkungen
der Medikation und die gefürchtete
Resistenzentwicklung durch systemischen Selektionsdruck zumindest
drastisch reduziert oder gar ganz vermieden werden.
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Gegenstand der Erfindung ist also
ein Verfahren zur Bekämpfung
bakteriell verursachter Lungenkrankheiten in Menschen und Tieren
durch lokale Applikation einer antibakteriell wirksamen Menge von
festem Betain der Formel (III)
und/oder
dessen Embonat und die Verwendung dieser Verbindungen zur Herstellung
von Arzneimitteln zur lokalen Bekämpfung bakteriell verursachter
Lungenkrankheiten in Menschen und Tieren, wobei die Verbindungen
in fester Form appliziert werden.
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Die Embonate (auch als Pamoate bezeichnet)
sind Salze der Embonsäure;
sie entsprechen den Formeln (IVa) und (IVb)
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Der Begriff "Embonat" bezeichnet im Sinne der Erfindung das
Embonat, das Hemiembonat und deren Mischungen.
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Unter "lokaler Applikation" bzw. "lokaler Bekämpfung" im Zusammenhang mit Lungenkrankheiten
wird im Sinne der Erfindung – im
Gegensatz zur oralen Applikation von zur Aufnahme über den
Gastrointestinaltrakt vorgesehenen Daneichungsformen und im Gegensatz
zur intravenösen
Applikation – die
intratracheale Applikation des Wirkstoffs in inhalierbarer Darreichungsform
verstanden. Bei den erfindungsgemäß zu verwendenden pulverförmige Zubereitungen
handelt es sich um Zubereitungen, die zerstäubt und dann inhaliert werden.
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Weiterer Gegenstand der Erfindung
sind Vorrichtungen, die Betain (III) und/oder dessen Embonat enthaltende
Zubereitungen beinhalten und zur intratrachealen Applikation derselben
in fester Form geeignet sind, also Zerstäuber, die Betain (III) und/oder
dessen Embonat enthaltende Zubereitungen intratracheal in fester Form
applizieren können
(Pulverinhalatoren).
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Feste Zubereitung zur Dry-powder-Inhalation
werden im Allgemeinen einen. möglichst
hohen Wirkstoffanteil (d.h. Betain (III) und/oder dessen Embonat)
enthalten. Sie besitzen in der Regel einen Wirkstoffanteil von mindestens
60, vorzugsweise mindestens 70, insbesondere mindestens 80 und höchst bevorzugt
mindestens 90 Gew.-%, bezogen auf die gebrauchsfertige Zubereitung.
Sofern keine Hilfsmittel notwendig sind, können sie auch allein aus Wirkstoff
bestehen. Aus praktischen Gründen
handelt es sich bei den erfindungsgemäßen Zubereitungen aber oft
um Arzneimittel, die neben dem Wirkstoff einen oder mehrere pharmakologisch unbedenkliche
Hilfsstoffe enthalten. Eine Übersicht über verschiedene
geeignete Zubereitungen und entsprechende Verabreichungshilfen findet
man z.B. in R. Stangl, „An
Overview of Innovative Inhalation Devices", European Pharmaceutical Review, Seiten
50–55,
(2002) und in der dort zitierten Literatur. Zu den pharmakologisch
unbedenklichen Hilfsstoffen zählen
u.a. Bindemittel (z.B. Maisstärke,
Gelatine), Stabilisatoren (z.B. Antioxidantien wie Ascorbinsäure), Trägerstoffe
(z.B. mikrokristalline Cellulose, Lactose, Sucrose, Calciumphosphat,
Maisstärke),
Gleitmittel (z.B. Talk, Stearinsäure,
Magnesium-, Calcium- oder Zinkstearat), Aromastoffe und/-oder Duftstoffe.
Die Herstellung geeigneter Zubereitungen durch Auswahl geeigneter
Hilfsstoffe nach Art und Menge ist unproblematisch.
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Die Herstellung der erfindungsgemäßen Zubereitungen
kann – wie
bei der Herstellung inhalierbarer frei fließender pulverförmiger Arzneimittel üblich – durch
Mikronisierung des Wirkstoffs oder durch Sprühtrocknung entsprechender Lösungen oder
Suspensionen erfolgen.
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Die festen Zubereitungen weisen im
Allgemeinen als Volumenmittel (mit Hilfe eines Laserbeugungsgeräts) bestimmte
Teilchendurchmesser von 0,2 bis 15 μm, vorzugsweise von 1 bis 5 μm, auf. Der
als Volumenmittel bestimmte Durchmesser ist der Wert, unterhalb
und oberhalb dessen jeweils 50 % des Volumens der Teilchen liegen.
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Im Allgemeinen hat es sich als vorteilhaft
erwiesen, bei intratrachealer Applikation Mengen von etwa 0,1 bis
20, vorzugsweise etwa 0,5 bis 7,5 mg/kg Körpergewicht zur Erzielung wirksamer
Ergebnisse zu verabreichen.
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Trotzdem kann es gegebenenfalls erforderlich
sein, von den genannten Mengen abzuweichen, und zwar in Abhängigkeit
von Körpergewicht,
individuellem Verhalten gegenüber
dem Wirkstoff, Art der Zubereitung und Zeitpunkt bzw. Intervall,
zu welchem die Applikation erfolgt. So kann es in einigen Fällen ausreichend sein,
mit weniger als der vorgenannten Mindestmenge auszukommen, während in
anderen Fällen
die genannte obere Grenze überschritten
werden muss. Im Falle der Applikation größerer Mengen kann es empfehlenswert
sein, diese in mehreren Einzelgaben über den Tag zu verteilen.
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Beispiele
Herstellung von Ciprofloxacin-Embonat
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a) Ciprofloxacin-Embonat
(IVa; R = H)
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33,1 g (0,1 mol) Ciprofloxacin-Betain
und 38,8 g (0,1 mol) Embonsäure
werden in 500 ml Glykolmonomethylether 1 Stunde unter Rückfluss
erhitzt. Nach dem Abkühlen
wird der Niederschlag abgesaugt, gut mit Ethanol gewaschen und im
Hochvakuum bei 120°C
getrocknet.
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b) Ciprofloxacin-Hemi-Embonat
(IVb; R = H)
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66,2 g (0,2 mol) Ciprofloxacin-Betain
und 38,8 g (0,1 mol) Embonsäure
werden in 500 ml Glykolmonomethylether 1 Stunde unter Rückfluss
erhitzt. Nach dem Abkühlen
wird der Niederschlag abgesaugt, gut mit Ethanol gewaschen und im
Hochvakuum bei 120°C
getrocknet.
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Bestimmung
der Wirkstoffkonzentration in Lungen von Ratten
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Weibliche Wistar-Ratten (80 bis 100
g) wurden behandelt mit
A-7,5 mg/kg Ciprofloxacin-Betain intratracheal;
B-7,5
mg/kg Ciprofloxacin-Hydochlorid intratracheal; C-7,5 mg/kg Ciprofloxacin-Hydrochlorid
intravenös.
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Je drei Tiere aus den Dosisgruppen
wurden nach 0,25; 0,5; 1; 3 und 5 Stunden getötet und die Lungen entnommen.
Die Lungen wurden mit Hilfe eines Potters der Fa. Braun homogenisiert.
Durch Bioassay wurde der Wirkstoffgehalt in den Lungenhomogenaten
bestimmt.
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Pharmakokinetikparameter
der Lungen
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Lungenkonzentrationen
in μg/ml;
Mittelwerte von 3 Tieren
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AUC, Cmax und
t1
/
2 sind
wichtige pharmakokinetische Parameter für die Beschreibung von Pharmakokinetik/Pharmakodynamik-Interaktionen;
vgl. z.B. W.A. Craig, "Pharmacokinetic/pharmacodynamic
parameters: rationale for antibacterial dosing of mice and men", Clin. Infect. Dis.
26, 1–12
(1998).
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Die intratracheale-Applikation von
Ciprofloxacin-Betain ergibt, verglichen mit der intratrachealen
Gabe von Ciprofloxacin-Hydrochlorid, eine 40-fach größere AUC
und eine 8-fach höhere
Cmax. Dieser kinetische Vorteil wird noch
deutlicher, wenn man mit der intravenösen Applikation von Ciprofloxacin-Hydrochlorid
vergleicht (AUC: Faktor 250, Cmax: Faktor
80).
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Wirksamkeit im Lungeninfektionsmodell
mit P. aeruginosa
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Weibliche Wistar-Ratten (80 bis 100
g) wurden intratracheal mit P. aeruginosa DSM 12055 infiziert und 1
und 4 Stunden nach der Infektion mit Ciprofloxacin-Betain intratracheal
(i.t.) bzw. mit Ciprofloxacin-Hydrochlorid intratracheal bzw. intravenös (i.v.)
behandelt. Es wurden verschiedene Dosisgruppen mit jeweils 5 Ratten
einge setzt. 24 Stunden nach der Infektion wurden die Tiere getötet, die
Lungen entnommen und diese mit Hilfe eines Potters der Fa. Braun
homogenisiert. Zur Bestimmung der Keimzahl in den Lungen wurden
die Homogenate plattiert.
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Die folgende Tabelle zeigt die Keimzahlreduktion
in den Lungen (log-Einheiten) nach 24 Std., bezogen auf die unbehandelte
Infektionskontrolle (jeweils Mittelwerte der 5 Tiere):
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Die intratracheale Anwendung von
Ciprofloxacin-Betain führt
in allen drei Dosisgruppen zu einer Keimzahlreduktion von 4 bis
10 log-Einheiten in den Lungen, während gleiche Dosierungen von
Ciprofloxacin-Hydrochlorid, intratracheal appliziert, eine weitaus
geringere Reduktion der Keimzahl bewirken (1,1 bis 2,8 log-Einheiten).
Die intravenöse
Gabe von Ciprofloxacin-Hydrochlorid, der gegenwärtige Stand der Technik, führt zwar
auch zu einer deutlichen Keimzahlreduktion in den Lungen (2,8 bis
8,8 log-Einheiten), allerdings erst bei 10-fach höheren Dosierungen.
Die erfindungsgemäße Behandlung
führt also
zu einer stark verringerten systemischen Belastung.