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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Ermitteln von Verschleißwerten an zumindest einer ersten und einer zweiten Fahrzeugbremse eines Kraftfahrzeugs.
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In Kraftfahrzeugen werden oftmals Fahrzeugbremssysteme eingesetzt, welche mehrere Fahrzeugbremsen umfassen, wobei jede Fahrzeugbremse einem Fahrzeugrad des Kraftfahrzeugs zugeordnet ist.
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Jede Fahrzeugbremse kann wiederum eine hydraulisch betätigbare Betriebsbremse und/oder eine mechanisch oder elektromechanisch betätigbare Feststellbremse (EPB) und/oder eine elektromechanisch betätigbare Betriebsbremse (EMB) aufweisen.
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Eine hydraulische Betriebsbremse umfasst einen unter Einwirken eines Hydraulikdrucks verschiebbaren Betätigungskolben, der bei Einnahme einer Betätigungsposition Reibbeläge gegen eine mit einem Fahrzeugrad des Kraftfahrzeugs gekoppelte Bremsscheibe presst und somit das Kraftfahrzeug abbremst. Der dazu notwendige Hydraulikdruck wird dabei üblicherweise infolge einer Pedalbetätigung durch den Fahrzeuglenker aufgebaut und durch das Fahrzeugbremssystem verstärkt.
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Falls die Fahrzeugbremse eine elektromechanische Feststellbremse (EPB) und/oder eine elektromechanische Betriebsbremse (EMB) aufweist, ist diese häufig als elektromechanische Stelleinheit ausgebildet.
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Die Fahrzeugbremsen des Fahrzeugbremssystems müssen dabei nicht alle den gleichen Aufbau aufweisen. So ist es beispielsweise üblich, lediglich die Fahrzeugräder einer Fahrzeugachse, insbesondere der Hinterradachse, mit einer Feststellbremse (EPB) zu versehen.
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Infolge des Betriebs von Kraftfahrzeugen kommt es zu Bremsvorgängen, sodass sich die Reibbeläge der Fahrzeugbremsen des Kraftfahrzeugs abnutzen.
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In anderen Worten werden die Reibbeläge durch die Bremsvorgänge abgerieben und verschleißen mit der Zeit.
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Bei einem zu starken Verschleiß der Reibbeläge kann die gewünschte Bremswirkung nicht mehr erzielt werden, weshalb ein Austausch des verschlissenen Reibbelags notwendig wird.
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Gleichzeitig soll im Sinne eines ökonomischen Vorgehens der Reibbelag nicht zu früh ausgetauscht werden, weshalb angestrebt wird, einen Verschleißwert, also eine Angabe über den Verschleißzustand einer Fahrzeugbremse, im laufenden Fahrzeugbetrieb abseits der regelmäßigen Wartung eines Fahrzeugs zu bestimmen.
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Zur Bestimmung von Verschleißwerten an Fahrzeugbremsen sind Verfahren aus dem Stand der Technik bekannt, welche jedoch oft zu teuer sind.
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Es ist daher die Aufgabe der vorliegenden Erfindung, Verschleißwerte von Fahrzeugbremsen eines Kraftfahrzeugs fortlaufend, genau und effizient bestimmen zu können.
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Die Aufgabe wird erfindungsgemäß gelöst durch ein Verfahren zum Ermitteln von Verschleißwerten an zumindest einer ersten und einer zweiten Fahrzeugbremse eines Kraftfahrzeuges, die einem ersten bzw. zweiten Fahrzeugrad einer selben ersten Radachse zugeordnet sind. Die erste Fahrzeugbremse hat einen Betätigungskolben, der in einer Betätigungsposition einen Reibbelag gegen eine rotierend gelagerte Bremsscheibe drückt, und eine elektromechanische Stelleinheit. Dabei umfasst das Verfahren folgende Schritte:
- - Bestimmen eines ersten Verschleißwertes, welcher einen Verschleiß des Reibbelags der ersten Fahrzeugbremse angibt, durch Berücksichtigen mindestens eines eine Betriebshistorie des Fahrzeugs betreffenden verschleißbestimmenden Einflussparameters;
- - in Abhängigkeit davon, ob der erste Verschleißwert ein vorbestimmtes Kriterium erfüllt, Durchführen einer Messung des Verschleißes des Reibbelags der ersten Fahrzeugbremse durch Bewegen der elektromechanische Stelleinheit und durch Erfassen eines Verlaufs eines Betriebsparameters der elektromechanischen Stelleinheit während des Bewegens;
- - Bestimmen, auf Grundlage der Messung, eines zweiten Verschleißwertes, welcher einen Verschleiß des Reibbelags der ersten Fahrzeugbremse angibt; und
- - Bestimmen eines dritten Verschleißwertes der zweiten Fahrzeugbremse auf Grundlage des zweiten Verschleißwertes der ersten Fahrzeugbremse.
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Die Erfindung sieht also vor, dass zuerst der erste Verschleißwert des Reibbelags der ersten Fahrzeugbremse bestimmt wird, wobei dies beispielsweise bei jeder Betätigung der ersten Fahrzeugbremse geschieht. Sofern der erste Verschleißwert ein vorbestimmtes Kriterium erfüllt und beispielsweise die elektromechanische Stelleinheit betätigt wird, kann über die elektromechanische Stelleinheit eine Messung des Verschleißes des Reibbelags der ersten Fahrzeugbremse erfolgen. Auf Grundlage dieser Messung kann dann ein zweiter Verschleißwert bestimmt werden, der den Verschleißzustand des Reibbelags der ersten Fahrzeugbremse aufgrund der Messung genauer beschreibt.
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Anschließend sieht der Grundgedanke der Erfindung vor, dass auf den Verschleißzustand, also den dritten Verschleißwert, der zweiten Fahrzeugbremse derselben ersten Radachse geschlossen wird, wobei an der zweiten Fahrzeugbremse keine Messung durchgeführt werden muss und trotzdem eine exakte Schätzung des Verschleißzustands der zweiten Fahrzeugbremse erfolgen kann.
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Bei sämtlichen Verschleißwerten im Rahmen dieser Erfindung kann es sich beispielsweise um eine verbleibende unkritische Restdicke des Bremsbelags der jeweils zum Verschleißwert zugehörigen Fahrzeugbremse handeln. Die verbleibende unkritische Restdicke gibt dabei die Restdicke des Bremsbelags an, welche während eines unkritischen Betriebs der Fahrzeugbremse noch abgetragen werden darf.
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Vorteilhafterweise umfasst das vorbestimmte Kriterium des ersten Verschleißwertes eine Beurteilung, ob der erste Verschleißwert über einem vorbestimmten Schwellenwert liegt. Der vorbestimmte Schwellenwert erlaubt es, unnötige Messungen zur Bestimmung des zweiten Verschleißwertes einzusparen, sodass die Messung erst nach Auftreten eines kritischen ersten Verschleißwerts erfolgt.
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Gemäß einer Ausgestaltung der Erfindung umfasst das Bestimmen des ersten Verschleißwertes eine Berechnung auf Grundlage eines mathematischen Modells, wobei der die Betriebshistorie des Fahrzeugs betreffende verschleißbestimmende Einflussparameter in dem mathematischen Modell berücksichtigt wird. Insbesondere wird dabei das mathematische Modell mit dem zweiten Verschleißwert korrigiert. Beispielsweise wird dem mathematischen Modell zumindest ein Einflussparameter als Eingangsgröße vorgegeben, wobei das mathematische Modell anschließend den ersten Verschleißwert bestimmt und ausgibt. Der erste Verschleißwert liefert somit eine erste Information über den geschätzten Verschleißzustand des Reibbelags der ersten Fahrzeugbremse. Außerdem bringt das mathematische Modell den Vorteil mit sich, dass mehrere verschleißbestimmende Einflussparameter einfach berücksichtigt werden können.
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Ein Aspekt der Erfindung sieht vor, dass der die Betriebshistorie des Fahrzeugs betreffende verschleißbestimmende Einflussparameter zumindest einen der folgenden Einflussparameter umfasst:
- - Gesamtsumme der gefahrenen Strecke des Fahrzeugs;
- - Summe der gefahrenen Strecke des Fahrzeugs seit einem letzten Wechsel des Reibbelags;
- - Vergangene Zeit seit Erstinbetriebnahme des Fahrzeugbremssystems;
- - Vergangene Zeit seit einem letzten Wechsel des Reibbelags;
- - Betriebsdauer des Fahrzeugs seit Erstinbetriebnahme des Fahrzeugs; und
- - Betriebsdauer des Fahrzeugs seit einem letzten Wechsel des Reibbelags.
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Es hat sich gezeigt, dass sich die aufgeführten Einflussparameter, welche sich allesamt auf die Betriebshistorie des Fahrzeugs beziehen, besonders auf den Verschleißzustand des Bremsbelags einer Fahrzeugbremse auswirken, weshalb mit diesen Einflussparametern der erste Verschleißwert bereits relativ exakt bestimmt werden kann.
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Vorteilhafterweise umfasst das Bestimmen des dritten Verschleißwertes eine Berechnung auf Grundlage eines zusätzlichen mathematischen Modells, wobei zumindest ein die Betriebshistorie der zweiten Fahrzeugbremse betreffende verschleißbestimmende Einflussparameter in dem zusätzlichen mathematischen Modell berücksichtigt wird. Insbesondere wird dabei das zusätzliche mathematische Modell mit dem zweiten Verschleißwert korrigiert. Beispielsweise wird dem zusätzlichen mathematischen Modell der die Betriebshistorie der zweiten Fahrzeugbremse betreffende verschleißbestimmende Einflussparameter als Eingangsgrößen vorgegeben, wobei das zusätzliche mathematische Modell anschließend den dritten Verschleißwert bestimmt und ausgibt. Der dritte Verschleißwert liefert somit eine Information über den geschätzten Verschleißzustand des Reibbelags der zweiten Fahrzeugbremse. Außerdem bringt das zusätzliche mathematische Modell den Vorteil mit sich, dass mehrere verschleißbestimmende Einflussparameter, welche im Speziellen Aufschluss über den Verschleißzustand der zweiten Fahrzeugbremse geben, berücksichtigt werden können.
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Insbesondere umfasst der die Betriebshistorie der zweiten Fahrzeugbremse betreffende verschleißbestimmende Einflussparameter zumindest einen der folgenden Einflussparameter:
- - Dauer von vergangenen Bremsvorgängen der zweiten Fahrzeugbremse;
- - Druckverlauf, insbesondere den zeitlichen Verlauf der Reibbremskraft, an der zweiten Fahrzeugbremse von vergangenen Bremsvorgängen der zweiten Fahrzeugbremse;
- - Druckgradientenverlauf, insbesondere den zeitlichen Verlauf des Reibbremskraftgradienten, an der zweiten Fahrzeugbremse von vergangenen Bremsvorgängen der zweiten Fahrzeugbremse;
- - Radgeschwindigkeiten des zweiten Fahrzeugrads während vergangener Bremsvorgänge der zweiten Fahrzeugbremse;
- - Temperaturverlauf der vergangenen Bremsvorgänge der zweiten Fahrzeugbremse an einer Komponente der zweiten Fahrzeugbremse; und
- - Umgebungsbedingung, der die zweite Fahrzeugbremse während vergangener Bremsvorgänge ausgesetzt war.
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Es hat sich gezeigt, dass sich die aufgeführten Einflussparameter, welche sich alle auf die Betriebshistorie der zweiten Fahrzeugbremse beziehen, besonders auf den spezifischen Verschleißzustand des Bremsbelags der zweiten Fahrzeugbremse auswirken, weshalb mit diesen Einflussparametern der dritte Verschleißwert besonders exakt bestimmt werden kann. Der zweite Verschleißwert, der auf Grundlage einer Messung ermittelt wurde, kann zusammen mit den die Betriebshistorie der zweiten Fahrzeugbremse betreffenden Einflussparametern dazu dienen, einen besonders exakten dritten Verschleißwert der zweiten Fahrzeugbremse zu bestimmen. Damit beruht der dritte Verschleißwert einerseits auf einer Messung und gleichzeitig auch auf zumindest einem spezifischen Einflussparameter der zweiten Fahrzeugbremse.
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In einer Ausführungsvariante wird bei der Bestimmung des dritten Verschleißwerts eine Achslastverteilung der vergangenen Bremsvorgänge berücksichtigt, wobei eine Kennlinie zwischen dem zweiten und dritten Verschleißwert der ersten Radachse im Wesentlichen linear verläuft. Da innerhalb derselben Radachse von einer in etwa gleichen Gewichtsverlagerung auf die der Radachse zugeordneten Fahrzeugräder des Kraftfahrzeugs bei einem Bremsvorgang ausgegangen wird, stellt sich ein im Wesentlichen linearer Kennlinienverlauf der Verschleißwerte aufgrund der ähnlichen Bremslast ein.
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Ein Aspekt der Erfindung sieht vor, dass die erste Radachse, der die erste und zweite Fahrzeugbremse zugeordnet sind, die Vorderradachse oder die Hinterradachse des Kraftfahrzeugs ist. Sowohl die Vorderradachse als auch die Hinterradachse des Kraftfahrzeugs eignen sich grundsätzlich für die Zuordnung der ersten Fahrzeugbremse, welche in der Lage ist, eine Messung durchzuführen, auf deren Grundlage der zweite Verschleißwert bestimmt wird.
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Vorteilhafterweise sind einer von der ersten Radachse verschiedenen zweiten Radachse des Kraftfahrzeugs ein drittes und viertes Fahrzeugrad zugeordnet, denen wiederum eine dritte Fahrzeugbremse und eine vierte Fahrzeugbremse zugeordnet sind. Außerdem werden ein vierter Verschleißwert der dritten Fahrzeugbremse und ein fünfter Verschleißwert der vierten Fahrzeugbremse auf Grundlage des zweiten Verschleißwertes der ersten Fahrzeugbremse bestimmt.
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Dadurch können sehr exakte Verschleißwerte der dritten und vierten Fahrzeugbremse bestimmt werden, die indirekt wieder von der exakten Messung infolge der Ermittlung des zweiten Verschleißwerts abhängen.
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Gemäß einer Ausgestaltung der Erfindung wird bei der Bestimmung des vierten und fünften Verschleißwerts die Achslastverteilung der vergangenen Bremsvorgänge berücksichtigt, wobei Kennlinien zwischen dem zweiten und vierten Verschleißwert sowie zwischen dem zweiten und fünften Verschleißwert im Wesentlichen entweder exponentiell oder logarithmisch verlaufen. Aufgrund der Gewichtsverlagerung am Kraftfahrzeug infolge eines Bremsvorgangs erhöht sich die Last auf die Vorderradachse überproportional im Vergleich zur Hinterradachse, weswegen sich auch der Verschleiß infolge einer erhöhten Bremskraft an den Fahrzeugbremsen der Vorderradachse im Vergleich zu den Fahrzeugbremsen der Hinterradachse überproportional vergrößert. Diese Kenntnis kann bei der Bestimmung des vierten und fünften Verschleißwertes berücksichtigt werden, die den Verschleißzustand der Fahrzeugbremsen der zweiten Radachse beschreiben.
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Ein weiterer Aspekt der Erfindung sieht vor, dass die elektromechanische Stelleinheit eine elektromotorische Antriebseinheit und eine mit dem Betätigungskolben wechselwirkende Aktoreinheit umfasst. Die elektromotorische Antriebseinheit ist dazu ausgebildet, die Aktoreinheit zu bewegen, um den Reibbelag gegen eine Bremsscheibe zu drücken. Dabei umfasst der Betriebsparameter der elektromechanischen Stelleinheit einen Motorstrom der elektromotorischen Antriebseinheit und/oder eine Drehzahl der elektromotorischen Antriebseinheit. Durch die Betriebsparameter der elektromechanischen Stelleinheit kann der Hub des Betätigungskolbens, beispielsweise von einer Referenzposition zu einer Betätigungsposition der Fahrzeugbremse, ermittelt werden, wodurch beispielsweise eine indirekte Messung des zweiten Verschleißparameters, also z.B. der unkritischen Restdicke des Bremsbelags der zweiten Fahrzeugbremse, erfolgen kann.
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Die Erfindung wird nachfolgend anhand verschiedener Ausführungsbeispiele erläutert, die in den beigefügten Zeichnungen gezeigt sind. Es zeigen:
- - 1 eine schematische Draufsicht auf ein Kraftfahrzeug, das dazu ausgebildet ist, ein erfindungsgemäßes Verfahren zum Ermitteln von Verschleißwerten an zumindest einer ersten und zweiten Fahrzeugbremse des Kraftfahrzeugs durchzuführen;
- - 2 eine schematische Ansicht der ersten Fahrzeugbremse des Fahrzeugs aus 1;
- - 3 ein Ablaufdiagramm des erfindungsgemäßen Verfahrens zum Ermitteln von Verschleißwerten an der ersten und zweiten Fahrzeugbremse des Kraftfahrzeugs aus 1;
- - 4 ein Ablaufdiagramm des erfindungsgemäßen Verfahrens zum Ermitteln von Verschleißwerten an der ersten, zweiten, dritten und vierten Fahrzeugbremse des Kraftfahrzeugs aus 1; und
- - 5 eine weitere schematische Draufsicht auf das Kraftfahrzeug aus 1, wobei zusätzlich qualitative Kennlinien der zweiten, dritten, vierten und fünften Verschleißwerte abgebildet sind.
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In 1 ist ein Kraftfahrzeug 10 schematisch dargestellt, in welchem ein Fahrzeugbremssystem 11 angeordnet ist.
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Das Kraftfahrzeug 10 umfasst eine erste Radachse 12, hier beispielsweise die Hinterradachse, und eine zweite Radachse 14, hier beispielsweise die Vorderradachse.
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An der ersten Radachse 12 sind ein erstes und ein zweites Fahrzeugrad 16, 18, und an der zweiten Radachse 14 ein drittes und viertes Fahrzeugrad 20, 22 angeordnet.
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Somit bilden das erste und zweite Fahrzeugrad 16, 18 die Hinterräder des Kraftfahrzeugs 10 und das dritte und vierte Fahrzeugrad 20, 22 die Vorderräder des Fahrzeugs 10.
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Ferner ist an jedem der Fahrzeugräder 16-22 eine Bremsscheibe vorgesehen, welche mechanisch so an das jeweilige Fahrzeugrad 16-22 gekoppelt ist, dass sie mit diesem rotierbar gelagert ist. Bei einer Bremsung einer der Bremsscheiben durch das Fahrzeugbremssystem 11 wird das zugehörige Fahrzeugrad 16-22 auf bekannte Weise abgebremst.
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Das in 1 gezeigte Fahrzeugbremssystem 11 umfasst eine erste, zweite, dritte und vierte Fahrzeugbremse 24-30, wobei dem ersten Fahrzeugrad 16 die erste Fahrzeugbremse 24, dem zweiten Fahrzeugrad 18 die zweite Fahrzeugbremse 26, dem dritten Fahrzeugrad 20 die dritte Fahrzeugbremse 28 und dem vierten Fahrzeugrad 22 die vierte Fahrzeugbremse 30 zugeordnet ist.
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Die Fahrzeugbremsen 24-30 umfassen jeweils eine hydraulisch betriebene Betriebsbremse, welche dazu eingerichtet ist, beim Betätigen eines Bremspedals im Betrieb des Kraftfahrzeugs 10 die jeweilige Bremsscheibe und somit das jeweilige Fahrzeugrad 16-22 abzubremsen. Zusätzlich umfasst die erste Fahrzeugbremse 24 eine elektromotorische Stelleinheit; hier zum Durchführen einer Feststellbrems-Funktion. Details der ersten Fahrzeugbremse 24 werden weiter unten im Zusammenhang mit 2 beschrieben.
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Das in 1 gezeigte Fahrzeugbremssystem 11 umfasst ferner eine Steuereinheit 32. Die Steuereinheit 32 hat wiederum einen Prozessor und einen Speicher und ist dazu eingerichtet, ein Verfahren zum Ermitteln von Verschleißwerten V1-V5 an zumindest der ersten und der zweiten Fahrzeugbremse 24, 26 durchzuführen. Hierfür sind in dem Speicher der Steuereinheit 32 entsprechende Anweisungen hinterlegt, welche den Prozessor der Steuereinheit 32 dazu veranlassen, das Verfahren durchzuführen.
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Bei der Steuereinheit 32 kann es sich beispielsweise um eine zentrale Steuereinheit des Kraftfahrzeug 10 handeln, welche auch dazu dient, weitere Funktionen des Kraftfahrzeug 10 zu steuern. Ferner kann es sich bei der Steuereinheit 32 auch um eine separate Steuereinheit des Fahrzeugbremssystems 11 handeln.
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Die in 2 etwas detaillierter gezeigte erste Fahrzeugbremse 24 wird nachfolgend kurz beschrieben. Die erste Fahrzeugbremse 24 ist als Schwimmsattelbremse ausgebildet, wobei nur ausgewählte Komponenten der ersten Fahrzeugbremse 24 dargestellt sind.
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Die erste Fahrzeugbremse 24 hat einen Bremssattel 34. Ferner ist eine drehfest mit dem ersten Fahrzeugrad 16 gekoppelte Bremsscheibe 36 vorgesehen. Der Bremsscheibe 36 liegen beidseitig Reibbeläge 38 gegenüber, die zum Erzielen einer Bremskraft in Anlage mit der Bremsscheibe 36 bringbar sind.
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Hierzu umfasst eine Betriebsbremse 40 der ersten Fahrzeugbremse 24 einen im Bremssattel 34 aufgenommenen verlagerbaren Betätigungskolben 42. Unter Einleiten und Ablassen von Hydraulikfluid in eine Hydraulikkammer 46 kann der Betätigungskolben entlang einer Verlagerungsachse V bewegt werden.
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Insgesamt können die Reibbeläge 38 zum Erzielen einer Bremskraft somit in Anlage mit der Bremsscheibe 36 gebracht und bei Abbau des Hydraulikdrucks wieder von dieser gelöst werden, um die Betriebsbrems-Funktion zu gewährleisten.
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Ferner erkennt man in 2, dass für die Feststellbrems-Funktion in der Hydraulikkammer 46 eine elektromechanische Stelleinheit 48 aufgenommen ist, die sich ebenfalls entlang der Verlagerungsachse V bewegen kann. Die elektromechanische Stelleinheit 48 umfasst eine Aktoreinheit 50, die als Mutter/Spindel-Anordnung ausgebildet ist. Genauer gesagt umfasst die Aktoreinheit 50 eine Spindelmutter 52, die durch Rotation einer Spindel 54 translatorisch entlang der Verlagerungsachse V bewegbar ist. Hierbei ist die Spindelmutter 52 in Anlage mit einem Kolbenboden 56 des Betätigungskolbens 42 bringbar.
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Die Spindel 54 der Aktoreinheit 50 wird durch eine nicht gesondert dargestellte elektromotorische Antriebs- bzw. Getriebeeinheit rotatorisch angetrieben, um die gewünschte Verlagerungsbewegung der Spindelmutter 52 entlang der Verlagerungsachse V zu erzielen.
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Bei einer gewöhnlichen fahrergesteuerten Betriebsbremsung wird ein Hydraulikdruck in der Hydraulikkammer 46 aufgebaut und der Betätigungskolben 42 wird entlang der Verlagerungsachse V in eine bremskrafterzeugende Betätigungsposition bewegt. Dabei gerät er in Anlage mit dem dem Betätigungskolben 42 zugewandten Reibbelag 38, bringt diesen in Anlage mit der Bremsscheibe 36 und spannt die erste Fahrzeugbremse 24 zu. Zum Abbauen der Bremskraft bewegt sich der Betätigungskolben 42 in Folge einer Reduktion des Hydraulikdrucks wieder in die ursprüngliche Position.
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Die elektromechanische Stelleinheit 48 kann allgemein in Anwesenheit oder Abwesenheit eines Hydraulikdrucks aktiviert werden, um den Betätigungskolben 42 in dessen Betätigungsposition zu bewegen und/oder darin mechanisch festzustellen. Hierzu wird die Spindelmutter 52 in der vorstehend geschilderten Weise entlang der Verlagerungsachse V bewegt und stützt sich dabei an dem Kolbenboden 56 ab.
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Der Aufbau der zweiten, dritten und vierten Fahrzeugbremse 26, 28, 30 entspricht größtenteils dem soeben beschriebenen Aufbau der ersten Fahrzeugbremse 24, wobei diese keine elektromechanische Stelleinheit 48 haben. Dementsprechend befindet sich in der Hydraulikkammer 46 lediglich die Hydraulikflüssigkeit.
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In 3 ist ein Ablaufdiagramm dargestellt, mit welchem nachfolgend das erfindungsgemäße Verfahren zum Ermitteln von Verschleißwerten V1, V2, V3 an der ersten und zweiten Fahrzeugbremse 24, 26 des Kraftfahrzeuges 10 erläutert wird.
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In einem ersten Schritt S1 wird ein erster Verschleißwert V1, welcher einen Verschleiß der Reibbeläge 38 der ersten Fahrzeugbremse 24 angibt, unter Berücksichtigung mindestens eines eine Betriebshistorie des Fahrzeugs 10 betreffenden verschleißbestimmenden Einflussparameters, bestimmt.
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Dabei erfolgt die Bestimmung des ersten Verschleißwerts V1 auf Grundlage eines mathematischen Modells, wobei der die Betriebshistorie des Kraftfahrzeugs 10 betreffende verschleißbestimmende Einflussparameter in dem mathematischen Modell berücksichtigt wird.
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Beispielsweise wird dem mathematischen Modell zumindest ein Einflussparameter als Eingangsgröße vorgegeben, wobei das mathematische Modell anschließend den ersten Verschleißwert V1 bestimmt und ausgibt.
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Zu den die Betriebshistorie des Kraftfahrzeugs 10 betreffende verschleißbestimmende Einflussparametern zählen z.B. die Gesamtsumme der gefahrenen Strecke des Kraftfahrzeugs 10, die Summe der gefahrenen Strecke des Kraftfahrzeugs 10 seit einem letzten Wechsel der Reibbeläge 38 der ersten Fahrzeugbremse 24, die vergangene Zeit seit Erstinbetriebnahme des Fahrzeugbremssystems 11, die vergangene Zeit seit einem letzten Wechsel der Reibbeläge 38 der ersten Fahrzeugbremse 24, die Betriebsdauer des Kraftfahrzeugs 10 seit Erstinbetriebnahme des Kraftfahrzeugs 10, und die Betriebsdauer des Kraftfahrzeugs 10 seit einem letzten Wechsel der Reibbeläge 38 der ersten Fahrzeugbremse 24.
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Anschließend wird in einem Schritt S2 überprüft, ob der erste Verschleißwert V1 ein vorbestimmtes Kriterium erfüllt.
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Das vorbestimmte Kriterium des ersten Verschleißwertes V1 ermöglicht z.B. eine Beurteilung, ob der erste Verschleißwert V1 über einem vorbestimmten Schwellenwert liegt. Der vorbestimmte Schwellenwert kann beispielsweise ein kritischer Verschleißwert sein, ab dem eine genauere Kenntnis des Verschleißes an der ersten Fahrzeugbremse 24 gewünscht ist.
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Falls das Kriterium erfüllt wird, wird in den Schritt S3 gesprungen. Andernfalls erfolgt ein Rücksprung in den Schritt S1, wo erneut der erste Verschleißwert V1 bestimmt wird.
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Im Schritt S3 wird dann eine Messung des Verschleißes der Reibbeläge 38 der ersten Fahrzeugbremse 24 durch Bewegen der elektromechanischen Stelleinheit 48 und durch Erfassen eines Verlaufs eines Betriebsparameters der elektromechanischen Stelleinheit 48 während des Bewegens durchgeführt.
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Dadurch können direkt oder indirekt der Hub des Betätigungskolbens 42 und damit die verbleibende unkritische Restdicke der Reibbeläge 38 der ersten Fahrzeugbremse 24 bestimmt werden.
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Beispielsweise ist die unkritische Restdicke der Reibbeläge 38 der ersten Fahrzeugbremse 24 ein zweiter Verschleißwert V2. Die Bestimmung des zweiten Verschleißwerts V2 geschieht also auf Grundlage der zuvor durchgeführten Messung.
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Der Betriebsparameter der elektromechanischen Stelleinheit 48 kann beispielsweise ein Motorstrom der elektromotorischen Antriebseinheit und/oder eine Drehzahl der elektromotorischen Antriebseinheit sein.
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Im darauffolgenden Schritt S4 wird ein dritter Verschleißwert V3 der zweiten Fahrzeugbremse 26 auf Grundlage des zweiten Verschleißwertes V2 der ersten Fahrzeugbremse 24 bestimmt.
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Beispielsweise kann zur Bestimmung des dritten Verschleißwerts V3 eine Berechnung auf Grundlage eines zusätzlichen mathematischen Modells erfolgen, wobei zumindest ein die Betriebshistorie der zweiten Fahrzeugbremse 26 betreffender verschleißbestimmender Einflussparameter in dem zusätzlichen mathematischen Modell berücksichtigt wird.
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Insbesondere wird dem zusätzlichen mathematischen Modell der zumindest eine die Betriebshistorie der zweiten Fahrzeugbremse 26 betreffende verschleißbestimmende Einflussparameter als Eingangsgröße vorgegeben, wobei das zusätzlichen mathematische Modell anschließend den dritten Verschleißwert V3 bestimmt und ausgibt.
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Zu den die Betriebshistorie der zweiten Fahrzeugbremse betreffende verschleißbestimmende Einflussparameter zählen z.B. die Dauer von vergangenen Bremsvorgängen der zweiten Fahrzeugbremse 26, der Druckverlauf, insbesondere der zeitliche Verlauf der Reibbremskraft, an der zweiten Fahrzeugbremse 26 von vergangenen Bremsvorgängen der zweiten Fahrzeugbremse 26, der Druckgradientenverlauf insbesondere der zeitliche Verlauf des Reibbremskraftgradienten, an der zweiten Fahrzeugbremse 26 von vergangenen Bremsvorgängen der zweiten Fahrzeugbremse 26, die Radgeschwindigkeiten des zweiten Fahrzeugrads 18 während vergangener Bremsvorgänge der zweiten Fahrzeugbremse 26, der Temperaturverlauf der vergangenen Bremsvorgänge der zweiten Fahrzeugbremse 26 an einer Komponente der zweiten Fahrzeugbremse 26, und eine Umgebungsbedingung, der die zweite Fahrzeugbremse 26 während vergangener Bremsvorgänge ausgesetzt war.
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Theoretisch könnte das zusätzliche mathematische Modell auch ohne den zweiten Verschleißwert V2 einen dritten, jedoch relativ ungenauen, Verschleißwert V3 bestimmen. Deswegen kann der Einbezug des zweiten Verschleißwertes V2 im zusätzlichen mathematischen Modell auch als Korrektur des zusätzlichen mathematischen Modells angesehen werden.
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Bei der Bestimmung des dritten Verschleißwertes V3 aus dem zweiten Verschleißwert V2 (in 5 durch einen Pfeil 58 angedeutet) ist eine im Wesentlichen lineare Kennlinie zwischen dem zweiten und dritten Verschleißwert V2, V3 zu erwarten, da diese Verschleißwerte V2, V3 von der ersten und zweiten Fahrzeugbremse 24, 26 derselben ersten Radachse 12 stammen und innerhalb einer Radachse mit einer ähnlichen Achslastverteilung zu rechnen ist.
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In anderen Worten kann also die Kenntnis der Achslastverteilung während der vergangenen Bremsvorgänge zu einer exakteren Bestimmung des dritten Verschleißwerts V3 dienen. Insbesondere verarbeitet die Steuereinheit 32 dazu die Achslastverteilung der vergangenen Bremsvorgänge bei der Bestimmung des dritten Verschleißwertes V3.
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Nach dem Schritt S4 kann optional wieder in den Schritt S1 gesprungen werden, sodass die Verfahrensschritte S1-S4 während des gesamten Lebenszyklus des Fahrzeugs 10 sehr häufig durchlaufen werden.
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Zusammenfassend hat das beschriebene Verfahren das übergeordnete Ziel, einen möglichst exakten dritten Verschleißwert V3 der zweiten Fahrzeugbremse 26 zu bestimmen. Da hierfür eine Messung zur Bestimmung des zweiten Verschleißwerts V2 an der ersten Fahrzeugbremse 24 notwendig ist, können die Schritte S3 und S4 beispielsweise bei jeder Betätigung der elektromechanischen Stelleinheit 48 der ersten Fahrzeugbremse 24 durchgeführt werden.
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In 4 ist ein weiteres Ablaufdiagramm dargestellt, das ein erweitertes Ausführungsbeispiel des in 3 gezeigten Verfahrens beschreibt.
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Im Unterschied zum Verfahren gemäß 3 ist ein weiterer Schritt S5 nach dem Schritt S4 vorgesehen, in dem ein vierter Verschleißwert V4 der dritten Fahrzeugbremse 28 und ein fünfter Verschleißwert V5 der vierten Fahrzeugbremse 30 auf Grundlage des zweiten Verschleißwertes V2 der ersten Fahrzeugbremse 24 bestimmt werden.
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Bei der Bestimmung des vierten und fünften Verschleißwertes V4, V5 aus dem zweiten Verschleißwert V2 (in 5 durch jeweils einen Pfeil 60, 62 angedeutet) ist eine im Wesentlichen exponentielle Kennlinie zwischen dem zweiten und vierten Verschleißwert V2, V4 bzw. zwischen dem zweiten und fünften Verschleißwert V2, V5 zu erwarten, da der zweite, vierte und fünfte Verschleißwert V2, V4, V5 nicht die Verschleißzustände von Fahrzeugbremsen 24-30 derselben Radachse 12, 14 angeben.
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Dies ist darauf zurückzuführen, dass mit einer stark unterschiedlichen Achslastverteilung zwischen den Radachsen 12, 14 zu rechnen ist.
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Deshalb kann auch hier analog zum Schritt S3 die Kenntnis der Achslastverteilung während der vergangenen Bremsvorgänge zu einer sehr exakten Bestimmung des vierten und fünften Verschleißwerts V4, V5 dienen. Insbesondere verarbeitet die Steuereinheit 32 dazu die Achslastverteilung der vergangenen Bremsvorgänge bei der Bestimmung des vierten und fünften Verschleißwertes V4, V5.
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Falls die erste Radachse 12 die Vorderradachse des Kraftfahrzeugs 10 wäre, wäre anstelle des exponentiellen Verlaufs aufgrund der Achslastverteilung mit einem logarithmischen Verlauf, also einem umgekehrt exponentiellen Verlauf, der Kennlinien unterschiedlicher Radachsen 12, 14 zu rechnen, sofern die Achsauftragung der Kennlinien im Vergleich zum vorhin beschriebenen exponentiellen Verlauf unverändert bleibt.