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Die Erfindung betrifft eine Inertialmesseinheit und ein Verfahren zum Bestimmen mindestens einer kinematischen Größe, das mit einer solchen Inertialmesseinheit durchgeführt wird.
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Stand der Technik
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Eine Inertialmesseinheit (IMU: Inertial Measurement Unit) ist eine räumliche Kombination von mehreren Inertialsensoren, die wiederum jeweils als Beschleunigungssensor und/oder Drehratensensor dienen. Eine solche Messeinheit kann bspw. die sensorische Messeinheit eines Trägheitsnavigationssystems darstellen, wie dieses bspw. zur Flugnavigation eingesetzt wird. Aber auch in Land-Kraftfahrzeugen werden solche Inertialmesseinheiten eingesetzt. So kann eine Inertialmesseinheit, insbesondere bei Motorrädern, dabei helfen, den fahrdynamischen Zustand zu bestimmen. Auf diese Weise können elektronische Fahrwerke, die Motorsteuerung, der Hinterradabhebeschutz und das ABS genauer arbeiten. In Schiffen, in der Robotik sowie bei der Bildstabilisierung dienen derartige IMUs zur Bewegungsdetektion.
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Es ist bekannt, zur Erfassung der sechs möglichen kinematischen Freiheitsgrade drei jeweils aufeinander orthogonal stehende Beschleunigungssensoren, für die Erfassung der translatorischen Bewegung in x-, y- bzw. z-Achse, und drei orthogonal zueinander angebrachte Drehratensensoren, für die Erfassung rotierender Bewegungen um die x-, y- bzw. z-Achse, vorzusehen.
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Die Druckschrift
DE 10 2016 211 984 A1 beschreibt einen Inertialsensor zur Messung einer Drehrate und/oder Beschleunigung, der als mikroelektromechanischer Inertialsensor ausgebildet ist. Dieser Inertialsensor weist ein Substrat und zwei aus einer Ruhelage auslenkbare Massen auf, wobei die Massen mit dem Substrat gekoppelt sind. Der Inertialsensor weist weiterhin ein Detektionsmittel zur Erfassung der Bewegungen der Massen auf, wobei die Massen durch wenigstens ein erstes Koppelelement, ein zweites Koppelelement und ein drittes Koppelelement miteinander mechanisch gekoppelt sind. Die Koppelelemente sind im Wesentlichen starr ausgebildet, wobei jedes Koppelelement mit wenigstens einem anderen der Koppelelemente verbunden ist. Ein auf solche Weise ausgebildeter Inertialsensor ist flexibel einsetzbar, einfach aufgebaut und gegenüber Störsignalen, die durch parallele Störmoden hervorgerufen werden, unempfindlich.
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Bekannte IMUs sind in der Lage, 6D Signale zu liefern, d. h. drei Drehratensignale und drei Beschleunigungssignale. Diese stellen eine robuste und kompakte Lösung dar. Weiterhin sind IMUs im Einsatz, die drei Messmodule, eine kleine Leiterplatte, ein Kunststoff-Gehäuse und einen Mikrocontroller aufweisen, deren Signaleigenschaften alle Anforderung für geplante Assistenzsysteme erfüllen.
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Derzeit entwickelte IMUs bieten u. a. eine Überwachung redundanter Signale an. Die physikalische Größe wird in verschiedenen Messmodulen mehrmals gemessen und die Signale werden dann als „korreliert“ gekennzeichnet, wenn die Abweichung und die entsprechende zeitliche Änderung dieser Abweichung zwischen den Messquellen niedriger als eine vordefinierte Schwelle ist.
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Jeder Baustein dieser neuen Generation wurde optimiert, um die Robustheit bzw. Qualität der gelieferten Signale zu erhöhen. Beispiele hierfür sind die Bodenplatte aus Aluminium, die Geometrie und Anzahl der Befestigungsbuchsen, genietete Gehäuse mit einer dämpfenden Gummidichtung usw.
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Besonders wirksam für die Erhöhung der Signalqualität ist die Verbesserung der Messmodule beim Übergang auf eine neue Produktgeneration. Diese Module sind nicht nur messfähiger geworden, in Bezug auf die Anzahl der messbaren physikalischen Größen pro Modul, sondern auch robuster und rauscharmer. Das alles dient einem einwandfreien Signal-Rausch-Verhalten.
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Offenbarung der Erfindung
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Vor diesem Hinergrund werden eine Inertialmesseinheit nach Anspruch 1 und ein Verfahren, das mit einer solchen Inertialmesseinheit durchgeführt wird, gemäß Anspruch 7 vorgestellt. Ausführungsformen ergeben sich aus den abhängigen Ansprüchen und aus der Beschreibung.
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Die vorgestellte Inertialmesseinheit (IMU) weist mindestens zwei Messmodule auf, wobei jedes Messmodul zumindest einen Inertialsensor aufweist, der mindestens ein Signal liefert, das eine kinematische Größe trägt. Dies bedeutet, dass diese kinematische Größe gemessen bzw. direkt bestimmt wird. Die IMU weist weiterhin eine Recheneinheit auf, die dazu eingerichtet ist, wenigstens ein Signal von wenigstens einem der mindestens zwei Messmodule und wenigstens ein Signal von wenigstens einem weiteren der mindestens zwei Messmodule miteinander zu kombinieren, um so ein weiteres Signal zu erzeugen, das eine weitere kinematische Größe trägt. Diese weitere kinematische Größe wird somit indirekt bestimmt.
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Die Messmodule und die Recheneinheit sind typischerweise in einem Bauteil, bspw. auf einer Leiterplatte, angeordnet. Es ist aber auch denkbar, dass diese in unterschiedlichen Bauteilen, die miteinander kommunizieren, vorgesehen sind.
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Das vorgestellte Verfahren dient zum Bestimmen einer weiteren kinematischen Größe und wird mit bzw. in einer Inertialmesseinheit der hierin beschriebenen Art durchgeführt. Bei dem Verfahren wird wenigstens ein gemessenes erstes Signal, das eine erste kinematische Größe trägt, und wenigstens ein gemessenes zweites Signal, das eine zweite kinematische Größe trägt, miteinander kombiniert. Auf diese Weise wird ein weiteres Signal erhalten, das die weitere kinematische Größe trägt, die somit nicht direkt sondern indirekt bestimmt wurde.
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Die Inertialmesseinheit (IMU) trägt in Ausgestaltung eine Vielzahl von Modulen, die unterschiedlichen Zwecken dienen können. Die vorgestellte IMU kann somit bspw. auf einer Leiterplatte eine von vielen Funktionen erfüllen. Die Module der Leiterplatte können dabei als diskrete Bauteile oder als integrierte Bauteile in unterschiedlichen Technologien realisiert sein.
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Unter Kinematik wird die geometrische Bechreibung der Bewegung materieller Körper verstanden. In diesem Fall werden insbesondere sogenannte Starrkörperbewegungen betrachtet, also die Translation und Rotation von Körpern. In diesem Fall werden sowohl eine Bewegung mit konstanter Geschwindigkeit als auch eine beschleunigte Bewegung betrachtet. Kinematische Größen im Rahmen der vorgestellten Erfindung sind inbesondere translatorische Beschleunigungen und Drehraten.
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In der vorgestellten Inertialmesseinheit werden in den beschriebenen Messmodulen insbesondere Inertialsensoren, d. h. Drehratensensoren und Beschleunigungssensoren, verwendet. Drehratensensoren sind bspw. als Faserkreisel oder als Laserkreisel realisiert. Es finden weiterhin mikromechanische und mikro-elektro-mechanische Systeme (MEMS) Anwendung. Diese bieten den Vorteil, dass diese sich direkt in integrierten Schaltkreisen realisieren lassen.
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Beschleunigungssensoren sind bspw. als piezoelektrische Beschleunigungssensoren aufgebaut. Diese basieren auf Quarzstäben, die durch die Beschleunigung gering gebogen werden und einen elektrischen Schwingkreis gering verstimmen. Auch in diesem Bereich ist der Einsatz von MEMS bekannt.
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MEMS sind Bauteile, die Logikelemente und mikromechanische Strukturen in einem Chip vereinen. Diese können mechanische und elektrische Informationen verarbeiten. Elemente sind typischerweise Sensoren, Aktoren, Oszillatoren und Filter.
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Mit der beschriebenen Vorgehensweise wird sowohl eine Erweiterung der gelieferten Signale erreicht als auch ein ergänzendes Konzept für Redundanz und Robustheit vorgelegt. Dies bedeutet, dass in Ausgestaltung weniger Signale direkt erzeugt werden müssen und somit weniger Messmodule oder einfachere Messmodule verwendet werden können. Weiterhin können Signale redundant, d. h. direkt und indirekt, erzeugt werden, so dass eine Plausibilisierung von Signalen vorgenommen werden kann.
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Die vorgestellte IMU kann dabei folgende Eigenschaften der derzeit eingesetzten IMU-Generation haben:
- Die gelieferten Signale sind extrem rauscharm, insbesondere im Vergleich zu der letzten Generation,
- Die Leiterplatten sind ausreichend groß für die Bereitstellung eines bedeutenden Hebelarms zwischen den gelöteten Messmodulen,
- es gibt keine Resonanz der Leiterplatte in dem messbaren Frequenzbereich,
- es ist ausreichend Rechenleistung bzw. Speicherkapazität für diskrete Integrations- bzw. Ableitungsschritte vorhanden.
- Bei der vorgestellten IMU und dem beschriebenen Verfahren ist vorgesehen, dass mindestens eine physikalische Größe mittels einer mathematischen Verarbeitung von zwei direkt gemessenen Größen bestimmt bzw. ermittelt wird.
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Die Hauptvorteile dieser Erfindung sind:
- eine mögliche Reduzierung der Produktionskosten der IMUs durch eine reduzierte Anzahl der Messmodule für die Lieferung gleicher Anzahl von Signalen,
- eine mögliche Erweiterung des Redundanzkonzepts, in der man eine zusätzliche Quelle für die zu vergleichenden Signale bereitstellt.
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Weitere Vorteile und Ausgestaltungen der Erfindung ergeben sich aus der Beschreibung und den beiliegenden Zeichnungen.
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Es versteht sich, dass die voranstehend genannten und die nachstehend noch zu erläuternden Merkmale nicht nur in der jeweils angegebenen Kombination, sondern auch in anderen Kombinationen oder in Alleinstellung verwendbar sind, ohne den Rahmen der vorliegenden Erfindung zu verlassen.
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Figurenliste
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- 1 zeigt in schematischer Darstellung eine Ausführungsform einer vorgestellten Inertialmesseinheit in einer Draufsicht.
- 2 zeigt eine weitere Ausführungsform der vorgestellten Inertialmesseinheit zur Verdeutlichung des beschriebenen Verfahrens.
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Ausführungsformen der Erfindung
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Die Erfindung ist anhand von Ausführungsformen in den Zeichnungen schematisch dargestellt und wird im Folgenden unter Bezugnahme auf die Zeichnungen ausführlich beschrieben.
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1 zeigt eine Ausführung der Inertialmesseinheit, die insgesamt mit der Bezugsziffer 10 bezeichnet ist. In der Darstellung sind weiterhin eine x-Achse 12, eine y-Achse 14 und eine z-Achse 16 eingetragen.
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Die IMU 10 ist auf einer Leiterplatte 20 aufgebaut, die eine Vielzahl von unterschiedlichen Modulen, wie Speicher, Recheneinheiten, Logikeinheiten usw. trägt. In diesem Fall sind auf der Leiterplatte 20 vier Messmodule 22 vorgesehen, die jeweils mindestens einen Inertialsensor aufweisen. Es können dabei mindestens ein Beschleunigungsensor und/oder mindestens ein Drehratensensor in jedem der Messmodule 22 vorgesehen sein.
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2 zeigt eine weitere Ausführungsform der IMU, die insgesamt mit der Bezugsziffer 50 bezeichnet ist. Auch diese IMU 50 weist eine bestückte Leiterplatte 52 auf. Die Darstellung zeigt ein Messmodul A 60, ein Messmodul B 62, ein Messmodul C 64 und ein Messmodul D 66. Die Funktionsweise wird anhand der Module A 60 und B 62 erläutert. Es ist zu betonen, dass dies lediglich eine mögliche Ausführung der vorgestellten IMU und des beschriebenen Verfahrens darstellt und keine Einschränkung darstellen soll.
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Das Verfahren lässt sich für mehrere Kombinationen von Signalen und physikalischen Größen anwenden. In dem Beispiel werden zwei Beschleunigungen, nämlich AccYA 70 und AccYB 72 genutzt, um eine Drehrate, nämlich RateZ, zu bestimmen.
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Die Drehrate in Z-Richtung lässt sich mit folgender Formel berechnen:
HABx 74 ist hier der Hebelarm zwischen den Messmodulen A 60 und B 62 in X-Richtung. Allgemein beschrieben ergibt sich:
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Die Differenz zwischen zwei Beschleunigungen in einer Richtung multipliziert mit dem Hebelarm zwischen den entsprechenden Messmodule in einer anderen Richtung ergibt die Drehbeschleunigung in der dritten Richtung. Die zeitliche Integration dieser Drehbeschleunigung ergibt die Drehrate in der dritten Richtung.
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Die Position der Messmodule A 60 und B 62 ermöglicht eine vergleichbare Berechnung der Drehrate in Y-Richtung mit der Verwendung von Beschleunigungen in Z-Richtung und dem gleichen Hebelarm in X-Richtung.
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Diese Position ist aber ungeeignet für die Berechnung der Drehrate in X-Richtung, weil es praktisch keinen Hebelarm zwischen den Modulen in Y-Richtung gibt. Eine diagonale Positionierung der Module in Bezug auf die Leiterplatte kann zweckmäßig sein, um die vollständige Anwendung dieser Methode zu gewährleisten und alle drei Drehraten ermitteln zu können.
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Die Bestimmung des Hebelarms ist kritisch für die Genauigkeit der Berechnung. Dieser lässt sich jedoch mit CAD-Modellen der Leiterplatte grob abschätzen und dann mit einer Kalibriermessung feinjustieren.
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Zu beachten ist, dass sowohl auf die Reihenfolge der Schritte in der Signalverarbeitung, nämlich Filterung, Abtastung, Interpolation usw., als auch auf die Implementierung der diskreten Integration Rücksicht genommen werden sollte.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 102016211984 A1 [0004]