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Die Erfindung betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Bereitstellung eines Parameters, der auf einen Bewusstseinsverlust eines Patienten unter Narkose hinweist.
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Die Ableitung der Hirnaktivität mittels Oberflächenelektroden als Elektroenzephalogramm (EEG) ist seit den 30er Jahren des 21. Jahrhunderts bekannt. Die regelmäßige Überwachung der Narkosetiefe mittels frontaler EEG Ableitung ist seit den 90er Jahren des 21. Jahrhunderts bekannt, wobei die EEG Datenanalyse sich auf die Berechnung eines Index beschränkt, der mittels eines hinterlegten Algorithmus berechnet wird und dem Anästhesisten eine einfache Einschätzung der Narkosetiefe liefern soll, siehe Sebel PS, Lang E, Rampil IJ, White PF, Cork R, Joplin M, Smith NT, Glass PSA, Manberg P: „A Multicenter Study of Bispectral Electroencephalogram Analysis for Monitoring Anesthetic Effect“, Anesth Analg 1997; 84 (4): 891 - 899.
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Für einen Anästhesisten ist es in seiner täglichen Arbeit von Vorteil, das Eintreten des Bewusstseinsverlusts bei der Narkose („loss of consciousness“ - LOC) punktgenau bestimmen zu können, da dadurch (1) eine zu frühe Intubation mit nachfolgender Schmerzwahrnehmung des Patienten vermieden werden kann und (2) eine zu späte Intubation, die durch das tiefe Narkosestadium mit Verlust der Schutzreflexe die Gefahr von Komplikationen wie einer Aspiration in sich birgt, vermieden werden kann. Der oben genannte EEG Index zeigt über den Zeitpunkt des Bewusstseinsverlusts (LOC) einen Abfall. Damit ist der genaue Zeitpunkt des Bewusstseinsverlusts jedoch nicht zu bestimmen.
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Der vorliegenden Erfindung liegt die Aufgabe zu Grunde, ein Verfahren und eine Vorrichtung anzugeben, die automatisiert Informationen bereitstellen, die es einem Anästhesisten erlauben, bei einem Patienten die genaue Bestimmung des Eintretens des Bewusstseinsverlusts bei der Narkose genauer zu bestimmen.
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Diese Aufgabe wird durch ein Verfahren mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 und eine Vorrichtung mit den Merkmalen des Patentanspruchs 12 gelöst. Ausgestaltungen der Erfindung sind in den abhängigen Ansprüchen angegeben.
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Danach stellt die Erfindung in einem ersten Erfindungsaspekt ein Verfahren zur Bereitstellung eines Parameters, der auf einen Bewusstseinsverlust eines Patienten unter Narkose hinweist, zur Verfügung. Gemäß dem erfindungsgemäßen Verfahren wird mindestens ein EEG-Signal am Kopf des Patienten erfasst. Weiter wird fortlaufend die spektrale Eckfrequenz in einem aktuellen Zeitfenster des EEG-Signals bestimmt. Die spektrale Eckfrequenz ist dabei dahingehend definiert, dass sie die Frequenz angibt, für die gilt, dass sie im Leistungsspektrum 95% der Gesamtleistung mit einschließt. Im Leistungsspektrum wird das Amplitudenquadrat gegen die Frequenz aufgetragen. Es gibt den jeweiligen Anteil der einzelnen Frequenzbereiche am Gesamtleistungsanteil des Rohsignals wieder. Die spektrale Eckfrequenz ist also diejenige Frequenz, unterhalb der ein bestimmter Anteil der Energie des Gesamtspektrums liegt. Gemäß der Erfindung wird dabei ein Anteil von 95% betrachtet.
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Das betrachtete Zeitfenster betrachtet das EEG-Signal in einem Zeitraum, der von der aktuellen Zeit eine definierte Zeitspanne zurückreicht, beispielsweise das EEG-Signal der letzten Minute oder der letzten 30 Sekunden oder der letzten 20 Sekunden. Insofern handelt es sich um ein mit der Zeit wanderndes Zeitfenster. Die spektrale Eckfrequenz wird dabei über eine Spektralanalyse ermittelt. Insbesondere wird eine diskrete Fourier-Transformation vorgenommen, beispielsweise eine schnelle Fourier-Transformation (FFT - „Fast Fourier Transformation“). Das betrachtete Zeitfenster gibt dabei das Zeitfenster an, das der Spektralanalyse zugrunde gelegt wird.
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Gemäß dem erfindungsgemäßen Verfahren wird des Weiteren der Verlauf der spektralen Eckfrequenz des EEG-Signals in einem Zeitraum bestimmt, der vor Applikation des Narkosemittels und dem Eintreten einer narkoseinduzierten Bewusstlosigkeit des Patienten beginnt und nach dem Eintreten des narkoseinduzierten Bewusstseinverlusts endet. Es wird das absolute Minimum der spektralen Eckfrequenz in dem betrachteten Zeitraum bestimmt und eine Information, zu welchem Zeitpunkt das absolute Minimum erreicht worden ist, als Parameter zur indiziellen Anzeige eines Bewusstseinsverlusts des Patienten bereitgestellt bzw. ausgegeben.
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Dabei wird darauf hingewiesen, dass der genannte Zeitraum in seiner Länge nicht notwendigerweise vordefiniert ist. Beispielsweise kann vorgesehen sein, dass der Zeitraum endet, sobald das Vorliegen eines absoluten Minimums bestimmt worden ist.
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Die Erfindung beruht auf der überraschenden und durch eine Studie abgesicherten Erkenntnis, dass der Zeitpunkt LOC des Bewusstseinsverlusts mit einem kurzzeitigen Abfall der spektralen Eckfrequenz einhergeht. Es wurde erkannt, dass die spektrale Eckfrequenz genau am Zeitpunkt des Bewusstseinsverlusts kurzzeitig abfällt, mit einem nachfolgenden Wiedereinstieg. Dabei ist ein signifikanter negativer Peak der spektralen Eckfrequenz ausgebildet. Der kurzzeitige Abfall der spektralen Eckfrequenz am Zeitpunkt des Bewusstseinsverlusts und deren Wiedereinstieg erfolgt typischerweise über einen Zeitraum von näherungsweise 1 bis 3 Minuten, insbesondere über einen Zeitraum von näherungsweise 2 Minuten.
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Durch Bestimmung des Zeitpunkts des negativen Peaks, d. h. des absoluten Minimums der spektralen Eckfrequenz in dem betrachteten Zeitraum kann somit ein Parameter bereitgestellt werden, der indiziell einen Bewusstseinsverlust des Patienten bei der Narkose anzeigt und durch den Anästhesisten gegebenenfalls zusammen mit weiteren Parametern berücksichtigt werden kann. Hierdurch wird ein verbessertes Anästhesie-Management ermöglicht.
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Es wird darauf hingewiesen, dass in dem betrachteten Zeitraum das absolute Minimum bestimmt und der Zeitpunkt dessen Vorliegens als Parameter mitgeteilt wird. Es können auch lokale Minima auftreten, insbesondere während des Abfall des Signals, die jedoch signifikant höhere Minimalwerte aufweisen als das absolute Minimum, das den negativen Peak der spektralen Eckfrequenz angibt. Der negative Peak, der das absolute Minimum enthält, ist sowohl hinsichtlich seiner Breite als auch seiner Tiefe signifikant stärker ausgebildet als eventuelle lokale Minima und daher gut detektierbar.
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Gemäß der Erfindung wird bevorzugt ein frontales EEG-Signal aufgenommen, also eine frontale Ableitung vorgenommen, wobei das EEG-Signal an mindestens zwei Elektroden gemessen wird, die an unterschiedlichen Orten an der Stirn des Patienten angeordnet sind. Dabei kann vorgesehen sein, dass mehrere frontale EEG-Signale aufgenommen werden, die vor einer Bestimmung der spektralen Eckfrequenz gemittelt werden. Im typischerweise eingesetzten 10-20-System ist beispielsweise vorgesehen, dass Signale von Elektroden abgeleitet werden, die an den Positionen F7, F8, Fp1, Fp2 und Fpz positioniert sind.
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Es kann eine bipolare Ableitung (Differenz zweier aktiver Elektroden) oder eine unipolare Ableitung (Differenz mehrerer aktiver Elektroden gegen eine gemeinsame Referenz) erfolgen.
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Eine Ausgestaltung der Erfindung sieht vor, dass die spektrale Eckfrequenz dahingehend fortlaufend bestimmt wird, dass sie mindestens alle 30 Sekunden, insbesondere mindestens alle 10 Sekunden, insbesondere mindestens alle 2 Sekunden neu bestimmt wird. Dabei ist offensichtlich, dass, je häufiger die spektrale Eckfrequenz bestimmt wird, desto genauer der Zeitpunkt des Minimums der spektralen Eckfrequenz bestimmt werden kann.
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Eine weitere Ausgestaltung der Erfindung sieht vor, dass die Information, zu welchem Zeitpunkt das absolute Minimum erreicht worden ist, bereitgestellt wird, sobald dieses bestimmt worden ist. Sobald das Vorliegen eines absoluten Minimums sicher bestimmt werden kann, wird der Zeitpunkt, zu dem das absolute Minimum erreicht worden ist, als Parameter ausgegeben. Da diese Information für den Anästhesisten als Indiz für den Eintritt des Bewusstseinsverlusts wichtig ist, wird die Information so schnell wie möglich bereitgestellt.
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Für die Analyse, ob ein absolutes Minimum der spektralen Eckfrequenz vorliegt, können an sich bekannte Verfahren der Daten- und Kurvenanalyse eingesetzt werden. Beispielsweise kann vorgesehen sein, dass die Information, zu welchem Zeitpunkt das Minimum erreicht worden ist, bereitgestellt wird, wenn die spektrale Eckfrequenz unter einen Wert von 10 Hertz, insbesondere unter einen Wert von 9 Hertz gefallen ist und wieder ansteigt. So hat sich herausgestellt, dass lokale Minima im Verlauf der spektralen Eckfrequenz typischerweise oberhalb dieser Frequenzen liegen, sodass ein Abfall im Verlauf der spektralen Eckfrequenz unter einen Wert von 10 Hertz oder 9 Hertz (oder sogar bis auf 8 Hertz) das Vorliegen des absoluten Minimums indiziert.
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Eine alternative Auswertmethode sieht vor, dass die Information, zu welchem Zeitpunkt das Minimum erreicht worden ist, bereitgestellt wird, wenn für eine definierte Anzahl von Messwerten gilt, dass der gemessene Wert der spektralen Eckfrequenz höher ist als der vorangegangene Messwert. Die Anzahl der Messwerte, die als Indiz dafür festgelegt wird, dass die spektrale Eckfrequenz wieder ansteigt und somit das absolute Minimum erreicht worden ist, hängt dabei naturgemäß davon ab, wie häufig die spektrale Eckfrequenz bestimmt wird.
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Eine weitere Ausgestaltung sieht vor, dass die spektrale Eckfrequenz an dem EEG-Signal bestimmt wird, nachdem dieses durch einen Bandpass-Filter gefiltert worden ist. Der Bandpass-Filter ist beispielsweise derart ausgebildet, dass er nur Signale des Frequenzbereichs von 0,5 - 40 Hz passieren lässt.
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Eine Ausgestaltung der Erfindung sieht vor, dass die spektrale Eckfrequenz mittels einer Spektralanalyse ermittelt wird, wobei jeweils ein mitlaufendes Zeitfenster des EEG-Signals ausgewertet wird. Die spektrale Analyse erfolgt beispielsweise durch einen FFT-Algorithmus. Jedoch bestehen auch andere Möglichkeiten der spektralen Zerlegung des EEG-Signals, die alternativ eingesetzt werden können, beispielsweise die diskrete Cosinus-Transformation, eine diskrete Wavelet-Transformation oder eine Signalzerlegung über eine Bandpass-Filterbank.
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Das erfindungsgemäße Verfahren wird automatisiert, insbesondere durch ein Computerprogramm ausgeführt. Das Computerprogramm enthält Programmcode zur Durchführung des Verfahrens gemäß Anspruch 1, wenn das Computerprogramm auf einem Computer ausgeführt wird.
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In einem weiteren Erfindungsaspekt betrifft die Erfindung eine Vorrichtung zur Bereitstellung eines Parameters, der auf einen Bewusstseinsverlust eines Patienten unter Narkose hinweist. Die Vorrichtung umfasst:
- - Mittel zum Erfassen mindestens eines EEG-Signals am Kopf des Patienten,
- - Mittel zum fortlaufenden Bestimmen der spektralen Eckfrequenz in einem aktuellen Zeitfenster des EEG-Signals, wobei die spektrale Eckfrequenz die Frequenz angibt, für die gilt, dass sie im Leistungsspektrum 95% der Gesamtleistung mit einschließt,
- - Mittel zum Bestimmen des Verlaufs der spektralen Eckfrequenz des EEG-Signals in einem Zeitraum, der vor der Gabe eines narkoseinduzierenden Medikaments beginnt und nach dem Eintreten der narkoseinduzierten Bewusstlosigkeit endet,
- - Mittel zum Bestimmen des absoluten Minimums der spektralen Eckfrequenz in dem Zeitraum bestimmen, und
- - Mittel zum Bereitstellen einer Information, zu welchem Zeitpunkt das absolute Minimum erreicht worden ist, als Parameter zur indiziellen Anzeige eines Bewusstseinsverlusts des Patienten.
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Die genannten Mittel können durch einen Mikroprozessor in Verbindung mit Programmcode, den der Mikroprozessor ausführt, realisiert sein.
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Die Erfindung betrifft in einem weiteren Erfindungsaspekt einen EEG Narkosemonitor mit einer Vorrichtung nach Anspruch 12. Die erfindungsgemäße Vorrichtung ist somit integriert in einen EEG Narkosemonitor, wobei dieser dazu vorgesehen und ausgebildet ist, EEG Daten in Echtzeit zu analysieren und darzustellen.
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Die Erfindung wird nachfolgend unter Bezugnahme auf die Figuren der Zeichnung anhand mehrerer Ausführungsbeispiele näher erläutert. Es zeigen:
- 1 beispielhaft EEG-Signale im Wachzustand und nach einer narkoseinduzierten Bewusstlosigkeit jeweils sowohl als zeitabhängiges Signal und im Leistungsspektrum;
- 2 beispielhaft den zeitlichen Verlauf der spektralen Eckfrequenz in einem Zeitraum, der vor dem Eintreten einer narkoseinduzierten Bewusstlosigkeit eines Patienten beginnt und nach dem Eintreten der narkoseinduzierten Bewusstlosigkeit endet;
- 3 ein Ablaufdiagramm des erfindungsgemäßen Verfahrens;
- 4 beispielhaft eine Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens der 3; und
- 5 Positionierungspunkte für EEG-Elektroden gemäß dem 10-20 System.
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Anhand der 1 und 2 wird zunächst der gemäß der vorliegenden Erfindung erstmals erkannte Zusammenhang zwischen dem zeitlichen Verlauf der spektralen Eckfrequenz und dem Eintritt des Bewusstseinsverlusts bei der Narkose erläutert, der anhand einer Studie belegt worden ist.
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Die 1 zeigt dabei zur Erläuterung des Hintergrunds der Erfindung in der oberen Darstellung („Ausgangssignal“) ein EEG-Signal, wie es bei einem Patienten im Wachzustand auftritt. Das Signal ist sowohl als Zeitsignal (links) als auch nach einer Spektralanalyse als Leistungsspektrum (rechts) dargestellt. Im Leistungsspektrum ist die Power (das Amplitudenquadrat) in db gegen die Frequenz in Hz aufgetragen. Das Leistungsspektrum gibt den jeweiligen Anteil der einzelnen Frequenzbereiche am Gesamtleistungsanteil des Rohsignals wieder. Ebenfalls dargestellt ist die spektrale Eckfrequenz SEF. Diese ist definiert als Frequenz, unterhalb der ein Anteil von 95% der Energie des Gesamtspektrums liegt. Auch die Medianfrequenz F50 ist dargestellt, auf die es vorliegend jedoch nicht ankommt.
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Die untere Darstellung („Anästhesie“) der 1 zeigt ein EEG-Signal unter Narkose. Es ist erkennbar, dass die spektrale Eckfrequenz SEF gegenüber dem Wert beim wachen Patienten nach links verschoben ist.
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Die spektrale Eckfrequenz (SEF) gibt somit Auskunft darüber, wie wach ein Patient ist. Da im Wachzustand höhere Frequenzen im EEG-Signal enthalten sind, ergeben sich hohe Werte der spektralen Neckfrequenz. Im Schlafzustand bzw. unter Narkose dominieren langsame Frequenzen im EEG, so dass niedrigere Werte der spektralen Eckfrequenz vorliegen.
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Es werden nun die Vorgänge bei Einleitung einer Narkose betrachtet. Bei der Einleitung einer Narkose ist der Patient initial wach. Es liegen hohe SEF Werte von ca. 17-20Hz vor. Der Patient geht in der Narkose über in eine tiefe Bewusstlosigkeit. Purdon PL, Pierce ET, Mukamel EA, Prerau MJ, Walsh JL, Wong KFK, Salazar-Gomez AF, Harrell PG, Sampson AL, Cimenser A, Ching S, Kopell NJ, Tavares-SToeckel C, Habeeb K, Merhar R, Brown E.: „Electroencephalogram signatures of loss and recovery of consciousness from propofol“, PNAS 2013; 110 (12): E1142-1151, haben gezeigt, dass es bei einer tiefen Bewusstlosigkeit induziert durch GABA aktivierende Anästhetika zu einer frontalen alpha-Band Aktivierung kommt. Dadurch zeigen sich auch intraoperativ unter tiefer Bewusstlosigkeit relativ höhere SEF Werte von 12-17Hz.
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Vorliegend konnte in einer prospektiven Observationsstudie gezeigt werden, dass es genau am Zeitpunkt des narkoseinduzierten Bewusstseinsverlusts zu einem sehr kurzzeitigen Abfall der SEF Werte kommt, verbunden mit einem nachfolgenden Wiederanstieg. Das Minimum des hierbei entstehenden negativen Peaks gibt dabei den Zeitpunkt des narkoseinduzierten Bewusstseinsverlusts an.
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Die Studie wurde an einer Patientengruppe von insgesamt 37 älteren Patienten durchgeführt, wobei die Narkoseeinleitung mit einem der meist gebrauchten Anästhetika, nämlich Propofol erfolgte. Es ist davon auszugehen, dass bei jüngeren Erwachsenen ein noch signifikanterer Abfall der spektralen Eckfrequenz zum Zeitpunkt des narkoseinduzierten Bewusstseinsverlusts vorliegt.
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Die Messungen wurden wie folgt durchgeführt:
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EEG Ableitung:
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Bei der perioperativen EEG-Bestimmung wurden die EEG-Elektroden am noch wachen Patienten vor Gabe der ersten Medikamente durch den Anästhesisten angebracht. Dazu wurde die Stirn sowie die Schläfen gründlich desinfiziert und von Hautfetten befreit. Diese Maßnahme verbesserte die Leitfähigkeit der Haut und gewährleistete daher eine störungsfreiere Ableitung der EEG-Signale. Auf die vorbereiteten Hautareale wurden dann die vorgefertigten EEG Klebeelektroden der Firma Masimo (4248RD SEDLine Sensor, Single Patient Use, Non-Sterile) auf der Stirn angebracht, wobei die EEG Elektroden jeweils an den Positionen F7, F8, FP1 und FP2 entsprechend dem 10/20 System anlagen, mit Fpz als Referenzelektrode. Die entsprechenden Positionen sind in der 5 dargestellt. Die Impedanz der einzelnen Elektroden lag bei der Ableitung unter 5 kΩ, die Abtastrate lag bei 250Hz. Ein Bandpass-Filter ist auf 0,5 - 40 Hz voreingestellt.
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Nach dem Verbinden der Klebeelektroden mit einem EEG-basierten Gehirnfunktions-Monitor (dem „SEDLine-Monitor“ der Firma Masimo Corporation, Irvine, California) wurde mit der Ableitung und Aufzeichnung eines kontinuierlichen 4-Kanal EEG begonnen. Die Patienten waren zu diesem Zeitpunkt noch wach, sodass die ersten Werte der Ableitung einer Baseline-Aktivität entsprachen. Um definierte Zeitpunkte während der EEG Ableitung zu bestimmen, wurden manuell „Event Marker“ während der EEG Aufzeichnung im EEG eingetragen. Im Verlauf wurde durch den Anästhesisten die Medikamentengabe eingeleitet. Dieser Zeitpunkt wurde als Eventmarker „Start Anästhesie“ vermerkt. Alle Patienten erhielten das Medikament Propofol intravenös zur Narkoseeinleitung. Der Bewusstseinszustand der Patienten wurde anhand des Augenlidreflexes kontinuierlich überprüft, bei fehlendem Augenlidreflex wurde von einem Bewusstseinsverlust ausgegangen, und der Event Marker „loss of consciousness“ gesetzt. Dies Vorgehen ermöglicht eine sekundengenaue Auswertung der Daten.
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EEG Auswertung
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Vom SEDLine Monitor wurden folgende Daten aufgezeichnet: die spektrale Eckfrequenz (SEF), der Narkoseindex (PSI), das Artefaktlevel sowie die elektromyografische Aktivität. Diese EEG-Daten wurden manuell aus dem SEDLine Monitor exportiert und in numerischem Format am Computer in Excel-Tabellen dargestellt.
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Durch die Aufzeichnungsrate der SEDLine von 30 Werten pro Minute lagen alle gemessenen Werte jeweils alle zwei Sekunden vor. Für jeden Patienten wurde zunächst überprüft, ob die untersuchen Zeitpunkte „Baseline“, „Start Anästhesie“ und „loss of consciousness“ vollständig aufgezeichnet wurden und frei von Artefakten waren. Zu diesem Zweck wurden sowohl die vom Gerät berechneten Artefaktlevel als auch die ebenfalls aufgezeichneten EMG-Artefakte inspiziert. Verwendbare Datensätze wurden für „loss of consciousness“ in Zeitfenster von jeweils 20 Sekunden unterteilt. In jedem Zeitfenster, welche von 200 Sekunden vor „loss of consciousness“ bis 200 Sekunden nach „loss of consciousness“ reichten, wurde die artefaktfreie spektrale Eckfrequenz jedes Patienten für die rechte und linke Hemisphäre gemittelt.
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Das Leistungsspektrum zur Bestimmung der spektralen Eckfrequenz wurde somit in Zeitfenstern des EEG-Signals von 20 Sekunden bestimmt, wobei eine Aktualisierung alle 2 Sekunden erfolgte. Die Berechnung erfolgte mittels digitaler, computergestützter EEG-Signalverarbeitung. Grundlage hierfür ist die Spektralanalyse des RohEEG mittels Fast-Fourier-Transformation, durch die für das jeweils aktuell zu analysierende Zeitfenster Leistungsanteile berechnet werden können.
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Um zunächst festzustellen, ob es einen Unterschied zwischen der Betrachtung der rechten beziehungsweise linken Hemisphäre gibt, wurde anhand der Werte vor Medikamentengabe (-200 Sekunden), zum Zeitpunkt des Bewußtseinsverlusts „loss of consciousness“ (0 Sekunden) und nach erfolgter Einleitung (+200 Sekunden) von allen Patienten mit dominanter rechter Hand (n = 36) ein 2-seitiger t-Test für abhängige Stichproben durchgeführt. Da es zu keinem der Zeitpunkte einen signifikanten Unterschied gab (vor Medikamentengabe p=0,26, bei loss of consciousness p=0,940, nach erfolgter Einleitung p=0,44), wurde im weiteren Verlauf mit dem jeweiligen Durchschnittswert von rechter und linker Hirnhälfte gearbeitet.
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Alle Variablen wurden auf ihre Normalverteilung überprüft. Dazu wurden jeweils das Histogramm und das Q-Q-Diagramm visuell untersucht und die Daten mithilfe des Lilliefors-Tests, dem Shapiro-Wilks-Test und den Werten für Schiefe und Kurtosis analysiert.
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Um den Ablauf der Einleitung, Operation und Ausleitung darzustellen, wurden die Zeitangaben der Eventmarker der EEG-Ableitung ausgewertet und mithilfe deskriptiver Statistiken auf Mittelwerte und Standardabweichungen untersucht.
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Der Verlauf der spektralen Eckfrequenz wurde für die Bestimmung des Eintritts der narkoseinduzierten Bewusstlosigkeit im Rahmen einer einfaktoriellen oneway-ANOVA (ANOVA = „analysis of variance“) und dem dazugehörigen Post-Hoc-Test untersucht.
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Um die spektrale Eckfrequenz im Zeitraum von 200 Sekunden vor dem Eintreten der narkoseinduzierten Bewusstlosigkeit bis 200 Sekunden nach dem Eintreten der narkoseinduzierten Bewusstlosigkeit auf einen möglichen Einfluss des Zeitpunkts der Intubation zu untersuchen, wurde der Intubationsbeginn mit der Korrelation nach Pearson mit den Zeitpunkten 20 Sekunden nach „loss of consciousness“ bis 200 Sekunden nach „loss of consciousness“ korreliert. Um den Verlauf ohne den möglichen Einfluss der Intubation darzustellen, wurde die Studienpopulation in zwei Gruppen geteilt. Patienten, bei denen innerhalb von 200 Sekunden nach „loss of consciousness“ mit der Intubation begonnen wurde, stellten eine Gruppe, Patienten mit Intubationsbeginn nach mehr als 200 Sekunden die andere Gruppe dar. Diese wurden dann mit dem Levene-Test auf Varianzengleichheit geprüft und dann durch einen T-Tests für unabhängige Stichproben auf signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen untersucht. Durch die Darstellung von lediglich solchen Fällen, bei denen die Intubation erst nach dem betrachteten Zeitraum erfolgte, konnte so die Intubation als möglicher Störfaktor eliminiert werden.
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Die 2 zeigt die bei der Studie ermittelten Mittelwerte der spektralen Eckfrequenz („SEK“) in Abhängigkeit von der Zeit. Dabei ist der Mittelwert der spektralen Eckfrequenz in Hz über den Zeitpunkt des Bewusstseinsverlusts im Zeitraum von 200 Sekunden vor dem Bewusstseinsverlust bis 280 Sekunden nach dem Bewusstseinsverlust dargestellt. Der Bewusstseinsverlust (LOC) ist dabei als „00“ auf der Zeitachse gekennzeichnet.
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Die folgende Tabelle gibt die Zahlenwerte des Diagramms der
2 einschließlich der jeweiligen Standardabweichung an:
Zeitpunkt in Sekunden vor/nach LOC | Mittelwert in Hz | Standardabweichung |
-200 | 16,1522 | 6,63732 |
-180 | 13.4322 | 5,82472 |
-160 | 14.2643 | 6,29292 |
-140 | 13,4243 | 6,27143 |
-120 | 14,3168 | 6,59561 |
-100 | 12.5081 | 6,12921 |
-BD | 13.0448 | 5,61589 |
-60 | 13,8354 | 5,55857 |
-40 | 12.6829 | 5,85254 |
-20 | 10.1051 | 4,09247 |
00 | 7.9307 | 3,96740 |
20 | 9,0013 | 3,71247 |
40 | 9,6232 | 3,08994 |
60 | 10.9800 | 2,94291 |
80 | 10.6930 | 3,24560 |
100 | 12.0464 | 2,41244 |
120 | 12,4408 | 2,80897 |
140 | 12,5120 | 3,03307 |
160 | 12,0910 | 2,51989 |
180 | 12,1213 | 3,70452 |
200 | 11,8718 | 3,60563 |
220 | 12,0961 | 3,69842 |
240 | 12.8673 | 3,18760 |
260 | 12,6035 | 3,35782 |
280 | 12,4916 | 3,15537 |
Gesamt | 11,8354 | 4,38536 |
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Es ist ein deutlicher negativer Peak zu erkennen, der sein Minimum zum Zeitpunkt des Bewusstseinsverlusts (Zeitpunkt „00“) aufweist. Der Mittelwert der spektralen Frequenz sinkt dabei von Werten von ca. 12-14 Hz auf etwa 8 Hz und steigt anschließend auf ca. 12-13 Hz an. Die Breite des negativen Peaks liegt bei etwa 2 Minuten. Durch Bestimmung des Minimums des negativen Peaks kann der Eintritt des Bewusstseinsverlusts mit einer Genauigkeit von 20 Sekunden oder sogar darunter bestimmt werden.
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Die ermittelten Zusammenhänge werden erfindungsgemäß elektronisch bzw. computerbasiert ausgewertet und dazu verwendet, den Verlauf der spektralen Eckfrequenz des EEG-Signals und in diesem das absolute Minimums der spektralen Eckfrequenz als Parameter für den Eintritt der narkoseinduzierten Bewusstlosigkeit zu bestimmen. Das zugehörige Programm kann dabei als Softwaretool in einen EEG-basierten Gehirnfunktions-Monitor bzw. Elektroenzephalograph integriert werden.
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Die 3 zeigt das Verfahren zur Bestimmung eines Parameters, der auf einen Bewusstseinsverlust eines Patienten unter Narkose hinweist. Gemäß Schritt 301 wird mindestens ein frontales EEG-Signal an einem Patienten erfasst. Beispielsweise werden vier EEG-Signale über Elektroden an den Positionen F7, F8, FP1 und FP2 entsprechend dem 10/20 System, mit Fpz als Referenzelektrode aufgenommen und es wird über diese Signale gemittelt.
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Gemäß Schritt 302 wird fortlaufend die spektrale Eckfrequenz in einem aktuellen Zeitfenster des EEG-Signals bestimmt. Die Bestimmung erfolgt fortlaufend beispielsweise in dem Sinne, dass die spektrale Frequenz alle 2 Sekunden oder alle 5 Sekunden aktuell bestimmt wird. Das aktuelle Zeitfenster weist beispielsweise eine Länge von 20 Sekunden auf, wobei die genannten Werte nur beispielhaft zu verstehen sind.
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In Schritt 303 wird der Verlauf der spektralen Eckfrequenz des EEG-Signals ausgewertet. Dies erfolgt in einem Zeitraum, der vor der Gabe eines narkoseinduzierenden Medikaments (z.B. Propofol) beginnt und nach dem Eintreten der narkoseinduzierten Bewusstlosigkeit endet. Der Zeitraum kann dabei im Hinblick auf seine Zeitdauer festgelegt oder nicht festgelegt sein. Im zweiten Fall endet der Zeitraum beispielsweise, sobald das Minimum der spektralen Eckfrequenz bestimmt werden konnte.
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In Schritt 304 wird das absolute Minimum der spektralen Eckfrequenz in dem betrachteten Zeitraum bestimmt. Es kann beispielsweise dadurch erfolgen, dass ausgewertet wird, ob die spektrale Eckfrequenz unter einen Wert von 10 Hertz, insbesondere unter einen Wert von 9 Hertz gefallen ist und wieder ansteigt. Alternativ oder ergänzend kann zusätzlich ausgewertet werden, ob für eine definierte Anzahl von Messwerten gilt, dass der gemessene Wert der spektralen Eckfrequenz höher ist als der vorangegangene Messwert. Weitere Verfahren der Datenanalyse und Kurvendiskussion können eingesetzt werden, um das absolute Minimum der spektralen Eckfrequenz mit größtmöglicher Genauigkeit zu bestimmen.
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Sobald das absolute Minimum der spektralen Frequenz bestimmt worden ist, wird diese Information als Parameter zur indiziellen Anzeige eines Bewusstseinsverlusts des Patienten bereitgestellt, beispielsweise akustisch und/oder auf der Anzeige eines EEG-Monitors.
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Gemäß Schritt 306 kann ein Arzt bzw. Anästhesist diese Information nutzen, eine vorzunehmende Intubation genau an den individuellen Bewusstseinszustand des Patienten anzupassen und somit die Intubation weder zu früh noch zu spät durchzuführen. Dies führt zu einer höheren Sicherheit für Patienten während der Narkoseeinleitung.
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Zur Durchführung des Verfahrens kann ein EEG-basierter Gehirnfunktions-Monitor oder allgemein ein Computer eingesetzt werden. Die Verfahrensschritte zur Bestimmung und Auswertung der spektralen Eckfrequenz sowie zur Bestimmung des absoluten Minimums der spektralen Eckfrequenz werden dabei durch einen Programmcode ausgeführt, der in einem Prozessor ausgeführt wird. Der Programmcode ist im einem Speicher des Prozessors gespeichert bzw. wird vor der Ausführung in diesen geladen. Bei dem Prozessor, der den Programmcode ausführt, kann es sich um den Hauptprozessor des EEG-Monitors handeln oder um einen gesonderten Prozessor.
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Die 4 zeigt beispielhaft eine mögliche Implementierung eines solchen EEG-basierten Gehirnfunktions-Monitors 1. Der EEG-Monitor 1 umfasst einen Mikroprozessor 2, einen Speicher 3, eine Steuereinrichtung 4, eine Ausgabeeinheit 5 und eine Schnittstelle 7 zum Anschluss von EEG-Kabeln.
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Über die Schnittstelle 7 können EEG-Kabel mit EEG-Elektroden 61, 62 an den EEG-Monitor 1 angeschlossen werden. Es sind beispielhaft zwei EEG-Kabel dargestellt, die ein EEG-Signal aufnehmen, wobei weitere EEG-Kabel zur Aufnahme eines mehrkanaligen EEG-Signals vorgesehen sein können.
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Das EEG-Signal wird dem Mikroprozessor 2 zugeführt. Im Speicher 3 ist der Programmcode gespeichert oder es kann ein Programmcode in den Speicher 3 geladen werden, der bei Ausführung im Mikroprozessor 2 das in Bezug auf die 3 erläuterte Verfahren ausführt. Über die Steuereinrichtung 4 kann der Ablauf gesteuert werden und diese dazu eingerichtet sein, entsprechende Eingabebefehle zu erhalten. Die Steuereinrichtung 4 kann dabei ein Hauptprozessor des EEG-Monitors 1 sein oder einen solchen enthalten. Alternativ kann die Funktionalität des Mikroprozessors 2 durch die Steuereinheit 4 übernommen werden. Über die Steuereinrichtung 4 und/oder weitere, nicht dargestellte Module können dabei weitere Funktionalitäten des EEG-Monitors 1 realisiert werden.
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Der Mikroprozessor 2 bestimmt somit bei Ausführung des geladenen Programmcodes das absoluten Minimum der spektralen Eckfrequenz sowie den Zeitpunkt, zu dem dieses absolute Minimum vorliegt. Die entsprechende Information wird an die Ausgabeeinheit 5 übertragen und an dieser ausgegeben. Dies kann beispielsweise über einen Monitor 51 und/oder eine akustische Einheit 52 erfolgen.
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Es versteht sich, dass die Erfindung nicht auf die oben beschriebenen Ausführungsformen beschränkt ist und verschiedene Modifikationen und Verbesserungen vorgenommen werden können, ohne von den hier beschriebenen Konzepten abzuweichen. Beliebige der Merkmale können separat oder in Kombination mit beliebigen anderen Merkmalen eingesetzt werden, sofern sie sich nicht gegenseitig ausschließen, und die Offenbarung dehnt sich auf alle Kombinationen und Unterkombinationen eines oder mehrerer Merkmale, die hier beschrieben werden, aus und umfasst diese. Soweit Bereiche definiert sind, so umfassen diese sämtliche Werte innerhalb dieser Bereiche sowie sämtliche Teilbereiche, die in einen Bereich fallen.