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Die Erfindung betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zum dynamischen Steuern einer Lichtsignalanlage.
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Zur Steuerung von Straßenverkehrsknoten kommen oft Lichtsignalanlagen zum Einsatz. Diese haben als primäre Aufgabe, die Warte- und Verlustzeiten der Verkehrsteilnehmer durch eine geschickte Freigabezeitverteilung gering zu halten. Oft werden hierfür in Deutschland etablierte Steuerungsverfahren wie Festzeitsteuerungen oder verkehrsabhängig regelbasierte Verfahren auf Grundlage von Fahrzeugzeitlücken, Fahrzeuganforderungen oder Fahrzeugbelegungsgraden eingesetzt. Allerdings gibt es mittlerweile Konzepte und technische Möglichkeiten zur Detektion von Fahrzeugen, die bisher kaum ausgenutzt werden. Dazu gehören beispielsweise Floating Car Daten, Vehicle-to-X-Kommunikation oder die Erfassung von Fahrzeugtrajektorien mittels Kameras.
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Zusätzlich tragen die etablierten Verfahren Wechselwirkungen auf Netzebene höchstens mit statischen Ansätzen Rechnung. Dies schränkt die Flexibilität der Verfahren ungemein ein und Nachfragen, welche von der ursprünglichen Planungsgrundlage abweichen, können zu ineffizientem Steuerverhalten der Verfahren führen. Freiläufer, also Lichtsignalanlagen ohne feste Umlaufzeit, sind meist regelbasiert gesteuert. Hier wird aber oft nur die Verkehrslage in der aktuell freigegebenen Richtung betrachtet, die Gesamtverkehrslage am Knotenpunkt geht höchstens über Anforderungsschleifen für andere Phasen in Kombination mit einer maximalen Wartezeit oder Anforderungen durch den ÖPNV mit ein. Freiläufer erreichen damit eine höhere Flexibilität als Anlagen mit Festzeitsteuerung oder Rahmenplan, tragen dafür aber den Wechselwirkungen auf Netzebene nahezu keinerlei Rechnung mehr. Damit sind sie nur für isolierte Knotenpunkte geeignet.
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Zur Berücksichtigung von Wechselwirkungen ist es bekannt, Festzeitsteuerungen entlang eines Verkehrskorridors zu koordinieren. Hierbei werden die Freigabebeginne der aufeinanderfolgenden Lichtsignalanlagen so aufeinander abgestimmt, dass die meisten Verkehrsteilnehmer in der koordinierten Richtung den Netzabschnitt ungehindert passieren können. Je nach Tageszeit können an den verschiedenen Knotenpunkten verschiedene Festzeitprogramme laufen, die in Koordinierungen in verschiedenen Richtungen resultieren können. Für sie alle gilt allerdings, dass für die nicht koordinierten Richtungen meist massive Einschränkungen in der Verkehrsqualität entstehen.
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Um diese Einschränkungen abzumildern, können statt Festzeitplänen auch Rahmenpläne eingesetzt werden. Diese zeichnen sich durch bestimmte Kernfreigabezeiten aus, die wie bei der Festzeitsteuerung so aufeinander abgestimmt sind, dass eine ungehinderte Durchfahrt des Netzabschnitts möglich sein sollte. Zusätzlich sind am Anfang und/oder am Ende der Kernfreigabezeit Dehnungsbereiche vorgesehen, in denen die Freigabe im Allgemeinen auf Basis regelbasierter Ansätze gedehnt werden kann. Auf diese Weise kann eine eingeschränkte Verkehrsabhängigkeit hergestellt werden. Gerade bei hohen Auslastungen des Netzabschnitts hat aber auch dieser Ansatz den Nachteil, dass die Phasen im Allgemeinen maximal gedehnt werden und sich somit erneut das Verhalten einer Festzeitsteuerung einstellt. Ein Nachteil gegenüber der Festzeitsteuerung besteht zusätzlich in der schlechteren Koordinierung der Knotenpunkte untereinander, da die alleinige Abstimmung der Kernfreigabezeiten für eine ideale Koordinierung nicht ausreichend ist.
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Grundsätzlich sind drei Verfahren bekannt: Unabhängig-dezentrale Steuerverfahren versuchen Wechselwirkungen auf Netzebene auf Basis lokaler Messwerte zu detektieren. Der Vorteil besteht hier darin, dass keine Kommunikationsinfrastruktur zu benachbarten Anlagen oder einer zentralen Recheneinheit aufgebaut werden muss. Dies ist gerade dort wichtig, wo viele Lichtsignalanlagen noch nicht in ein Kommunikationsnetz eingebunden sind und der Aufbau eines solchen Netzes nur mit großem Aufwand möglich wäre. Der Nachteil der unabhängig-dezentralen Steuerverfahren besteht jedoch folglich darin, dass nur die lokalen Daten zur Verfügung stehen. Das kann beispielsweise die Erkennung von Fahrzeugpulks beeinträchtigen und die Lichtsignalanlage zu spät reagieren lassen. Mit einer Erweiterung des Detektionsradius ließe sich diesem Problem aber entgegenwirken.
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Das zweite Verfahren basiert auf selbstorganisierten dezentralen Systemen. Hier können benachbarte Lichtsignalanlagen miteinander kommunizieren und so beispielsweise ihren virtuellen Prognosehorizont erweitern, Anforderungen austauschen oder sich anderweitig miteinander abstimmen und so ihre lokale Steuerung weiter optimieren. Dazu muss allerdings eine entsprechende Kommunikationsinfrastruktur vorhanden sein oder geschaffen werden.
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Das dritte Verfahren basiert auf zentral organisierten Systemen. Hier sind die Lichtsignalanlagen aller gesteuerten Knotenpunkte über eine zentrale Recheneinheit miteinander verbunden. Die zentrale Recheneinheit führt hier meist auf Basis der aggregierten Messwerte der einzelnen Knotenpunkte eine Optimierung durch, welche im Ergebnis beispielsweise direkte Steuerbefehle oder Rahmenpläne für die einzelnen Knotenpunkte liefert. Die Problematik besteht hier neben den Kosten für den Aufbau und den Erhalt der Kommunikationsinfrastruktur in der erhöhten Komplexität des Systems. Diese kann zu langen Verzögerungen während der Kommunikation führen, womit das System nur verzögert auf lokale Änderungen reagieren kann. Zusätzlich ist solch ein System auch nur schwer einführ- und erweiterbar, da einzelne Komponenten für sich genommen nahezu ohne Funktion sind und neue Komponenten in ein bestehendes, komplexes Gesamtsystem eingepflegt werden müssen.
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Aus der
DE 10 2009 033 431 A1 sind ein Verfahren und eine Vorrichtung zur dynamischen Steuerung einer Lichtsignalanlage bekannt, wobei mindestens eine Steuereinheit Phasen der Lichtsignalanlage auf Grundlage von mindestens einer Verlustzeit mindestens eines Fahrzeugs steuert.
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Der Erfindung liegt das technische Problem zu Grunde, ein Verfahren und eine Vorrichtung zum dynamischen Steuern einer Lichtsignalanlage zu schaffen, bei denen eine dynamische Steuerung der Phasen der Lichtsignalanlage verbessert ist.
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Die technische Aufgabe wird erfindungsgemäß durch ein Verfahren mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 und eine Vorrichtung mit den Merkmalen des Patentanspruchs 7 gelöst. Vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung ergeben sich aus den Unteransprüchen.
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Insbesondere wird ein Verfahren zum dynamischen Steuern einer Lichtsignalanlage zur Verfügung gestellt, wobei Phasen der Lichtsignalanlage mittels einer Steuerung auf Grundlage einer Verlustzeit gesteuert werden, wobei die Verlustzeit eine Gesamtverlustzeit aller sich in einem Detektionsradius befindenden Fahrzeuge ist, und wobei die Gesamtverlustzeit mittels einer Prognoseeinrichtung auf Grundlage von aktuellen und von geschätzten zukünftigen Fahrzeugpositionen der Fahrzeuge in dem Detektionsradius geschätzt wird.
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Ferner wird eine Vorrichtung zum dynamischen Steuern einer Lichtsignalanlage geschaffen, umfassend eine Steuerung, wobei die Steuerung derart ausgebildet ist, Phasen der Lichtsignalanlage mittels einer Steuerung auf Grundlage einer Verlustzeit zu steuern, wobei die Steuerung eine Prognoseeinrichtung umfasst, wobei die Verlustzeit eine Gesamtverlustzeit aller sich in einem Detektionsradius befindenden Fahrzeuge ist, und wobei die Prognoseeinrichtung derart ausgebildet ist, die Gesamtverlustzeit auf Grundlage von aktuellen und von geschätzten zukünftigen Fahrzeugpositionen in dem Detektionsradius zu schätzen.
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Die Grundidee der Erfindung ist, eine Lichtsignalanlage an einem Knotenpunkt auf Grundlage der Gesamtverlustzeit aller in einem Detektionsradius erfassten Fahrzeuge dynamisch zu steuern. Hierbei werden insbesondere aktuelle, aber auch zukünftige in dem aktuellen Umlauf der Phasen den einzelnen Fahrzeugen entstehenden Verlustzeiten mitberücksichtigt. Die jeweilige Verlustzeit wird auf Grundlage der aktuellen und zukünftigen Fahrzeugpositionen in dem Detektionsradius geschätzt.
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Erfindungsgemäß ist vorgesehen, dass eine aktuelle Phase beendet wird, wenn eine für einen kompletten Phasenumlauf geschätzte Gesamtverlustzeit bei sofortiger Beendigung der aktuellen Phase geringer ist als eine bei jeder anderen möglichen Restfreigabezeit für den kompletten Phasenumlauf geschätzte Gesamtverlustzeit. Dies ermöglicht ein flexibles Reagieren auf einen geänderten Zustand an dem Knotenpunkt und ein dynamisches Steuern der Lichtsignalanlage. Ändert sich beispielsweise die Anzahl der Fahrzeuge in einem aktuell nicht freigegebenen Zufluss zum Knotenpunkt, so kann sich die abgeschätzte Gesamtverlustzeit in Abhängigkeit des betrachteten Zeithorizonts ändern. War beispielsweise ursprünglich eine Restfreigabedauer von 10 Sekunden vorgesehen und hätte sich ein Zustand am Knotenpunkt nicht verändert, so würde die Restfreigabedauer in der nächsten Sekunde auf 9 Sekunden verringert werden usw. Sind jedoch weitere Fahrzeuge in einem nicht freigegebenen Zufluss detektiert worden, so kann sich hierdurch eine Änderung der für die zukünftigen Zeitpunkte geschätzten Gesamtverlustzeiten ergeben, da die neu hinzugekommenen Fahrzeuge mit ihren Verlustzeiten zur Gesamtverlustzeit beitragen. Es kann somit die Situation auftreten, dass die ursprünglich geschätzte Restfreigabedauer von 10 Sekunden nach weiteren 5 Sekunden nicht auf die restlichen 5 Sekunden verringert wird, sondern erst auf 1 Sekunde und nach Ablauf dieser Sekunde auf 0 Sekunden, so dass die aktuelle Phase abgebrochen wird. Dies hat den Vorteil, dass stets ein aktueller Zustand an dem Knotenpunkt berücksichtigt wird.
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Der Vorteil der Erfindung ist, dass eine effiziente Steuerung von Knotenpunkten unter Beachtung von Wechselwirkungen auf Netzebene ohne statische Ansätze realisiert werden kann. Durch den echtzeitfähigen, modellbasierten Ansatz wird die entstehende Gesamtverlustzeit am Knotenpunkt abschätzt und auf diese Weise eine verlustzeitoptimale dynamische Steuerung ermöglicht, ohne dass eine Kommunikation mit benachbarten Knotenpunkten und eine aufwändige Kommunikationsinfrastruktur notwendig sind. Die Vorrichtung ist hierbei nicht durch eine feste Umlaufzeit eingeschränkt, kann aber durch die Prognose der entstehenden Verlustzeiten trotzdem Wechselwirkungen auf Netzebene Rechnung tragen. Eine dynamische Steuerung der Lichtsignalanlage ist somit wesentlich verbessert.
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In einer Ausführungsform ist vorgesehen, dass zum Schätzen der Gesamtverlustzeit mittels der Prognoseeinrichtung auf Grundlage der einzelnen Fahrzeugpositionen eine Anzahl von Fahrzeugen in einer Warteschlange und eine Warteschlangenlänge geschätzt werden. Hierdurch kann eine Warteschlangenlänge mit in die dynamische Steuerung einbezogen werden. Die Warteschlangenlänge wird stets aktualisiert, wenn ein weiteres Fahrzeug bei dem entsprechenden Zufluss zum Knotenpunkt hinzukommt.
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In einer weiterbildenden Ausführungsform ist vorgesehen, dass zum Schätzen der Gesamtverlustzeit mittels der Prognoseeinrichtung eine Restfreigabedauer einer Phase und ein Freigabebeginn einer auf diese Phase folgenden Phase auf Grundlage der Anzahl von Fahrzeugen in der Warteschlange geschätzt wird. Diese Abschätzung bildet dann die Grundlage für die Abschätzung der jeweiligen Verlustzeiten der Fahrzeuge in den auf die aktuelle Phase nachfolgenden Phasen. Je länger die aktuelle Phase andauert, desto länger müssen Fahrzeuge, welche gerade nicht fahren dürfen, warten etc.
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In einer weiterbildenden Ausführungsform ist ferner vorgesehen, dass zum Schätzen der Gesamtverlustzeit mittels der Prognoseeinrichtung eine Verlustzeit für jedes sich im Detektionsradius befindende Fahrzeug auf Grundlage der Restfreigabedauer geschätzt wird, wobei für die Verlustzeit eines Fahrzeugs jeweils eine Warteverlustzeit, eine Reaktionsverlustzeit und eine Beschleunigungsverlustzeit berücksichtigt wird. Die Warteverlustzeit bezeichnet hierbei die Zeit, die ein Fahrzeug bei Stillstand am Knotenpunkt warten muss. Die Reaktionsverlustzeit ist die Zeit, die das Fahrzeug braucht, um nach dem Anfahren eines vorausfahrenden Fahrzeugs zu reagieren. Die Beschleunigungsverlustzeit bezeichnet die Zeit, die das Fahrzeug braucht, um aus dem Stillstand auf seine Endgeschwindigkeit gebracht zu werden.
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Die Fahrzeugpositionen werden innerhalb des Detektionsradius mittels geeigneter Detektoren erfasst. Hierbei können sämtliche bekannte Verfahren zum Einsatz kommen. Insbesondere kann die Lichtsignalanlage hierzu geeignete Detektoren umfassen. Es kann aber auch vorgesehen sein, dass die Fahrzeuge innerhalb des Detektionsradius ihre jeweilige Fahrzeugposition an die Lichtsignalanlage übermitteln. Hierzu kann die Lichtsignalanlage entsprechende Kommunikationseinrichtungen umfassen, welche die übermittelten Fahrzeugspositionen empfängt und diese der Steuerung zuführt.
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In einer Ausführungsform ist vorgesehen, dass die Fahrzeugpositionen innerhalb des Detektionsradius mittels Floating Car Daten und/oder Vehicle-to-X-Kommunikation und/oder Kameradaten erfasst und/oder bestimmt werden. Hierzu umfasst die Lichtsignalanlage entsprechende Mittel zum Erfassen und/oder Empfangen der entsprechenden Daten.
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In einer Ausführungsform ist vorgesehen, dass einzelne Fahrzeuge zur Vereinfachung mittels eines Verkehrsmodells beschrieben werden, in dem die Fahrzeuge lediglich die Zustände „Warten in der Warteschlange“ oder „Fahren mit maximaler Geschwindigkeit“ einnehmen können. Hierdurch vereinfacht sich das Abschätzen der jeweiligen Verlustzeiten und ein in der Steuerung notwendiger Bedarf an Rechenleistung kann hierdurch reduziert werden.
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Teile der Vorrichtung können einzeln oder zusammengefasst als eine Kombination von Hardware und Software ausgebildet sein, beispielsweise als Programmcode, der auf einem Mikrocontroller oder Mikroprozessor ausgeführt wird.
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Nachfolgend wird die Erfindung anhand bevorzugter Ausführungsbeispiele unter Bezugnahme auf die Figuren näher erläutert. Hierbei zeigen:
- 1 eine schematische Darstellung einer Ausführungsform der Vorrichtung zum dynamischen Steuern einer Lichtsignalanlage;
- 2 eine schematische Darstellung einer zeitlichen Abfolge einer Prognose eines Phasenumlaufs mit drei Phasen P0, P1, P2 zur Verdeutlichung des Verfahrens;
- 3 einen schematischen Ablauf für eine beliebige Anzahl von Phasen P1, P2, Pi eines Phasenumlaufs zur Verdeutlichung des Verfahrens;
- 4 Ergebnisse für die mittlere Geschwindigkeit einer mittels des Verfahrens durchgeführten Simulation im Vergleich zu den Ergebnissen herkömmlicher Verfahren.
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In 1 ist eine schematische Darstellung einer Ausführungsform der Vorrichtung 1 zum dynamischen Steuern einer Lichtsignalanlage 2 an einem Knotenpunkt gezeigt. Die Vorrichtung 1 umfasst eine Steuerung 3 und eine Prognoseeinrichtung 4.
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Die Steuerung 3 steuert Phasen der Lichtsignalanlage auf Grundlage einer Verlustzeit der Fahrzeuge an dem Knotenpunkt. Die Verlustzeit ist hierbei eine Gesamtverlustzeit 21 aller sich in einem Detektionsradius befindenden Fahrzeuge. Hierzu werden der Vorrichtung 1 aktuelle Fahrzeugpositionen 10-x innerhalb eines Detektionsradius um den Knotenpunkt bzw. die Lichtsignalanlage 2 zugeführt. Die Detektion der Fahrzeugpositionen 10-x kann beispielsweise mittels Floating Car Daten und/oder Vehicle-to-X-Kommunikation und/oder Kameradaten erfolgen. Die Vorrichtung 1 kann hierzu geeignete Schnittstellen 5 umfassen.
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Auf Grundlage der aktuellen Fahrzeugpositionen 10-x schätzt die Prognoseeinrichtung 4 jeweils aktuelle und zukünftige Verlustzeiten aller sich im Detektionsradius befindenden Fahrzeuge und führt eine aus diesen Verlustzeiten abgeleitete aktuelle und geschätzte zukünftige Gesamtverlustzeit 21 der Steuerung 3 zu. Auf Grundlage der geschätzten aktuellen und zukünftigen Gesamtverlustzeit 21 steuert die Steuerung 3 die Phasen der Lichtsignalanlage 2. Die Steuerung 3 kann hierzu beispielsweise eine Restfreigabedauer 22 der aktuellen Phase der Lichtsignalanlage 2 steuern.
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In einer Ausführungsform erfolgt die dynamische Steuerung auf Grundlage dreier Modelle. Diese Modelle sind ein Verkehrsmodell, ein Modell der Lichtsignalanlage 2 und ein Verlustzeitmodell. Diese Modelle können beispielsweise teilweise oder vollständig in der Prognoseeinrichtung 4 und/oder der Steuerung 3 umgesetzt sein.
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Das Verkehrsmodell modelliert ein Verhalten der Fahrzeuge und verschiedene Zustände eines Fahrzeugs. Es wird hierbei ein mikroskopisches Verkehrsmodell genutzt, das jedes Fahrzeug einzeln betrachtet. Dabei kann jedes Fahrzeug nur einen von zwei Zuständen annehmen: „Fahren mit maximaler Geschwindigkeit“ (d), wobei die maximale Geschwindigkeit der Streckenhöchstgeschwindigkeit entspricht, oder „Warten in der Warteschlange " (w). Dies impliziert, dass weitere Zustände, insbesondere Fahrzeugfolgebetrachtungen, Spurwechsel sowie Brems- und Beschleunigungsvorgänge, nicht von diesem Modell abgebildet werden. Es wird nur eine Streckenhöchstgeschwindigkeit betrachtet, da diese an Knotenpunkten mit Lichtsignalanlagen auf 70 km/h beschränkt ist und damit für die meisten Fahrzeuge erreichbar sein sollte. Bei dieser Annahme müssen nur die Fahrzeugpositionen bekannt sein, nicht jedoch die (realen) Fahrzeuggeschwindigkeiten.
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Warteschlangen können nur vor einer Haltelinie einer Lichtsignalanlage aufgebaut werden. Dort liegt auch der Ursprung eines jeweiligen Koordinatensystems der Zuflüsse. Erreicht ein Fahrzeug das Ende einer Warteschlange, wird es der Warteschlange hinzugefügt. Warteschlangen werden zu Beginn der zu der Warteschlange gehörenden Freigabe aufgelöst. Die Länge L
q einer Warteschlange ergibt sich aus einer Anzahl der Fahrzeuge in der Warteschlange N
q, der Fahrzeuglänge l
veh und der Größe der Lücke l
gap zwischen den Fahrzeugen (als Längenangabe):
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Gemäß der Formel für lineare Bewegung errechnet sich der prognostizierte Abstand S
veh,t eines Fahrzeugs (Zustand „d“) zur Haltelinie nach einer Zeit t bei Streckenhöchstgeschwindigkeit Vmax und einem Anfangsweg S
veh,0 wie folgt:
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Ein Ende einer Warteschlange gilt als erreicht, wenn eine Fahrzeugposition S
veh,r im Modell zum Prognosezeitpunkt t näher an der Haltelinie liegt als das Warteschlangenende L
q:
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Erreicht ein Fahrzeug das Ende der Warteschlange, wird die Anzahl der Fahrzeuge in der Warteschlange und damit auch die Länge der Warteschlange aktualisiert. Zusätzlich geht das Fahrzeug in den Zustand „w“ über. Die Anzahl der Fahrzeuge in einer Warteschlange Nq und die Warteschlangenlänge Iq haben für das Verkehrsmodell keine weitere Relevanz. Sie spielen allerdings bei der Verlustzeitprognose und im Modell der Lichtsignalanlage eine entscheidende Rolle.
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Nachfolgend wird das Modell für die Lichtsignalanlage beschrieben. Entscheidend für die Auflösung einer Warteschlange N
q,i ist der Freigabebeginn t
i der Phase i. Deswegen sollen mithilfe des Modells der Lichtsignalanlage Umschaltzeitpunkte eines gesamten Phasenumlaufs geschätzt werden. Da es sich um ein Dehnungskriterium handelt, wird immer von einer aktuellen, zu bemessenden Phase ausgegangen. Hierbei gilt für einen Freigabebeginn t
1 einer Folgephase einer zu bemessenden Phase 0:
t
rg beschreibt dabei die verbleibende Freigabezeit der aktuellen Phase, welche als Restfreigabezeit bezeichnet wird und t
Ü[0;1] eine Dauer eines Phasenübergangs von der aktuellen Phase 0 zur Folgephase 1. Zur vereinfachten Betrachtung beinhalten Phasenübergänge hier keine Freigabezeiten. Unter der Voraussetzung, dass trg bekannt ist, lässt sich so ein Anfang der Folgephase der zu bemessenden Phase sehr genau bestimmen.
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Um allerdings den Freigabebeginn einer beliebigen Folgephase i+1 mit (i ≥ 1) zu schätzen, ist neben dem Freigabebeginn der Phase i auch die Dauer t
g,i dieser Freigabe notwendig. Diese ist nicht bekannt, wird in diesem Modell allerdings geschätzt:
T
g,veh entspricht hierbei der durchschnittlichen Freigabezeit pro Fahrzeug, also beispielsweise T
g,veh = 2 s (d.h. in jeweils zwei Sekunden Freigabezeit wird ein Fahrzeug in einer Warteschlange abgebaut). Sie ist nach unten durch die minimale Freigabezeit T
g,min und nach oben durch die maximale Freigabezeit T
g,max beschränkt. N
q,i entspricht der Warteschlange der entsprechenden Phase i. Hintergrund dieser Überlegung ist, dass es in den meisten Fällen sinnvoll ist, zumindest die vorhandene Warteschlange abzubauen. Die Freigabezeit kann allerdings während der Optimierung dieser Phase noch verlängert werden, wodurch die Freigabezeit mit der gegebenen Gleichung gewissermaßen nach unten abgeschätzt wird. Damit ergibt sich der geschätzte Freigabebeginn einer Phase i + 1 zu:
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Entsprechend ergibt sich ein erneuter Anfang der aktuellen, zu bemessenden Phase bei einem festen Phasenumlauf, der imax + 1 Phasen beinhaltet, zu:
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In 2 ist eine schematische Darstellung einer zeitlichen Abfolge einer Prognose eines Phasenumlaufs mit drei Phasen P0, P1, P2 zur Verdeutlichung der Erfindung dargestellt. Hierbei bedeuten nicht schraffierte Bereiche eine Freigabe (= Ampel grün) und schraffierte Bereiche, dass nicht freigegeben (= Ampel rot) ist. Die einzelnen Phasen P0, P1, P2 sind mittels der Übergangszeiten tÜ miteinander verbunden. Die Übergangszeiten tragen Sicherheitsanforderungen Rechnung, insbesondere, dass gewährleistet sein muss, dass Fußgänger und Fahrzeuge ausreichend Zeit haben, die Fahrbahn bzw. den Knotenpunkt nach einem Umschalten der Phase zu räumen.
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Nachfolgend ist das Verlustzeitmodell beschrieben. Das Verlustzeitmodell ist an die Zustände des oben beschriebenen Verkehrsmodells angelehnt. Fahrzeuge, die mit maximaler Geschwindigkeit (Zustand „d“) fahren, sammeln keine Verlustzeit an, das heißt im Zustand „d“ fällt keine Verlustzeit an. Im Gegensatz hierzu fällt für jede Sekunde, die ein Fahrzeug im Zustand „w“ verweilt, eine Sekunde Verlustzeit an. Hieraus ergibt sich für die Warteverlustzeit eines Fahrzeugs t
V,veh,i, das einen Abstand S
veh,0,1 zur Haltelinie hat, an der eine Warteschlange mit Länge L
q,i steht und einer Restzeit t
i bis zum Freigabebeginn der Phase i zu:
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Hierbei gibt der Term
die Restfahrzeit des Fahrzeugs bis zum Warteschlangenende an, diese ist verlustzeitfrei. Die restliche Zeit bis zum Freigabebeginn t
i sowie die Zeit N
q,i · t
r, bis die Warteschlange bis zu dieser Position aufgelöst ist (das Verkehrsmodell bildet diese Auflösung nicht ab), wartet das Fahrzeug in der Warteschlange und sammelt Verlustzeit an (vgl.
3). t
r gibt dabei die Reaktionszeit der Fahrzeuge auf den jeweiligen Vorgänger in der Warteschlange an. Hierbeiwird immer zunächst angenommen, dass sich ein Fahrzeug zum Zeitpunkt der Detektion im Zustand „d“ befindet. Wenn es sich zum gegebenen Zeitpunkt bereits in einer Warteschlange befindet, drückt sich dies durch eine Restfahrzeit von 0 s und einem sofortigen Übergang in den Zustand „w“ aus. Diese Formel würde allerdings negative Ergebnisse und somit negative Verlustzeiten liefern, wenn Fahrzeuge die Warteschlange bis zum Freigabebeginn und Abbau der Warteschlange überhaupt nicht erreichen (die Restfahrzeit wäre dann größer als die Zeit bis zum Freigabebeginn und Abbau der Warteschlange). Dies ist allerdings nicht zulässig, weswegen als minimale Verlustzeit dann 0 s gewählt wird.
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Zusätzlich fallen bei der Warteschlangenauflösung Verlustzeiten an. Hierbei müssen die Fahrzeuge in der Realität wieder beschleunigen, auch wenn das hier angewandte Verkehrsmodell dies nicht abbildet. Die hierdurch entstehende Verlustzeit leitet sich folgendermaßen her: Die Verlustzeit t
V,a bzw. eine Zeitdifferenz zwischen einer Fahrt mit maximaler Geschwindigkeit und einer Beschleunigung aus dem Stillstand in diese Geschwindigkeit ist durch folgende Gleichung gegeben:
s
a entspricht hierbei dem zurückgelegten Weg während des Beschleunigungsvorgangs aus dem Stillstand auf v
max:
t
a gibt dabei die Zeit an, bis v
max erreicht wird:
s
vmax aus Gleichung (9) entspricht wiederum dem zurückgelegten Weg bei maximaler Geschwindigkeit während der Zeit des Beschleunigungsvorgangs:
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Insgesamt ergibt sich damit die Verlustzeit bei der Beschleunigung von 0 m/s auf v
max zu:
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Demnach fällt für eine Wartschlange mit N
q,i Fahrzeugen für die Beschleunigungsvorgänge insgesamt folgende Verlustzeit t
V,a,i an:
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Weitere anfallende Verlustzeiten, insbesondere solche durch Verzögerungsvorgänge beim Warteschlangenaufbau, werden im Rahmen des Verlustzeitmodells vernachlässigt und deshalb nicht modelliert.
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Die Gesamtverlustzeit bei gegebener Restfreigabezeit einer aktuellen Phase ergibt sich dann wie folgt. Der Ablauf ist hierbei schematisch in der 3 für die Phasen P1, P2, Pi dargestellt.
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Für eine gegebene Restfreigabezeit trg der aktuellen, zu bemessenden Phase kann mit den im vorigen Abschnitt beschriebenen Modellen eine Gesamtverlustzeit aller Fahrzeuge im Detektionsradius geschätzt werden. Ein schematischer Ablauf des Verfahrens ist in 3 dargestellt. Hierbei entspricht jede der für die einzelnen Phasen dargestellten diagonal verlaufenen Linienzüge einer Trajektorie einer Fahrzeugposition 10-1,...,10-7 in Bezug auf eine vertikale Zeitachse und eine horizontale Positionsachse.
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Das Verfahren läuft nun wie folgt ab: Zuerst wird der Freigabebeginn t1 der auf die aktuelle Phase folgenden Phase gemäß Gleichung (4) geschätzt. Auf Basis des geschätzten Freigabebeginns können mittels der Iteration über alle sich im Detektionsradius befindlichen Fahrzeuge (Verfahrensschritt 101) der betrachteten Phase mit den Gleichungen (1), (2) und (3) die Anzahl der Fahrzeuge in der Warteschlange und die Warteschlangenlänge geschätzt werden. Hierbei wird in jedem der Iterationsschritte für das jeweilige Fahrzeug gemäß Gleichung (8) eine anfallende Verlustzeit tV,veh,i berechnet (Verfahrensschritt 102). Für die vollständige Warteschlange fallen anschließend Verlustzeiten gemäß Gleichung (14) an (Verfahrensschritt 103). Zusätzlich wird die Dauer der Phase tg,i mit Gleichung (5) geschätzt (Verfahrensschritt 104).
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Mit der geschätzten Freigabezeit kann mittels Gleichung (6) wiederum der Freigabebeginn der nächsten Phase geschätzt werden (Verfahrensschritt 100), damit einhergehend erneut die Warteschlangenlänge, die Verlustzeiten und die Freigabedauer. Der Vorgang wird fortgesetzt, bis ein Phasenumlauf komplett abgearbeitet und mittels Gleichung (7) der erneute Freigabebeginn der aktuellen Phase geschätzt wird. Hier wird nun eine Unterscheidung getroffen: Kann ein Fahrzeug noch während der ursprünglich verbleibenden Freigabezeit trg die Haltelinie passieren, sammelt es keine Verlustzeit an. Ansonsten wird die Verlustzeit gemäß Gleichung (8) berechnet (Verfahrensschritt 102). Auch hier fallen dann zusätzlich noch die oben beschriebenen Beschleunigungsverlustzeiten für die Auflösung der Warteschlange gemäß Gleichung (14) an.
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Die geschätzte Gesamtverlustzeit tV(trg) in Abhängigkeit der verbleibenden Freigabezeit trg entspricht dann der Summe aller Verlustzeiten, die während des hier beschriebenen Prozesses berechnet wurden.
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Auf Grundlage dieser geschätzten Gesamtverlustzeit steuert die Steuerung die zeitliche Abfolge der einzelnen Phasen der Lichtsignalanlage.
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Im vorigen Abschnitt wurde beschrieben, wie die Gesamtverlustzeit t
V(t
rg) am Knotenpunkt bei einer gegebenen Restfreigabezeit trg geschätzt werden kann. Ein einzelner Wert für die Gesamtverlustzeit gibt aber noch keinen Aufschluss darüber, wie gut ein Umschaltpunkt ist. Der Steuerungsansatz besteht nun darin, die durch die verschiedenen Restfreigabezeiten entstehenden Gesamtverlustzeiten miteinander zu vergleichen und so eine optimale Restfreigabezeit zu ermitteln. Da es sich hier um ein Dehnungskriterium handelt, ist nur interessant, ob die aktuelle Phase abgebrochen werden soll oder nicht. Die aktuelle Phase sollte abgebrochen werden, wenn folgende Ungleichung erfüllt ist:
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Diese Ungleichung drückt aus, dass die Steuerung die aktuelle Phase abbricht, wenn ein Abbrechen und Umschalten zur nachfolgenden Phase in der aktuellen Sekunde weniger Gesamtverlustzeit verursacht als jede Umschaltung zu jeder sonst möglichen Restfreigabezeit. Sobald auch nur eine einzelne geschätzte zukünftige Gesamtverlustzeit mit trg > 0 s gefunden wird, die weniger Gesamtverlustzeit verursacht als t = 0 s, so wird die aktuelle Phase mit einer Restfreigabezeit > 0 s verlängert und das Verfahren in der nächsten Sekunde wiederholt. Die maximale Restfreigabezeit t
rg,max berechnet sich hierbei aus der bisherigen Freigabezeit t
g der aktuellen Phase und der maximalen Freigabezeit T
g,max:
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Hierdurch ist sichergestellt, dass die Freigabezeit nicht über die maximale Freigabezeit hinaus gedehnt werden kann. Zusätzlich wird die beschriebene Optimierung erst begonnen, wenn die minimale Freigabezeit Tg,min erreicht wurde, sodass auch die untere Schranke in jedem Fall eingehalten wird.
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Insgesamt erhält die Steuerung durch die Schätzung der Prognoseeinrichtung die Fähigkeit, die Auswirkungen von Steuerentscheidungen auf den Verkehr am Knotenpunkt abzuschätzen. Der Vorteil dieses Verfahrens und der Vorrichtung ist, dass hierzu keine Kommunikation mit benachbarten Lichtsignalanlagen oder einer zentralen Recheneinheit notwendig ist.
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Der größte Vorteil der Vorrichtung und des Verfahrens ist, dass die Verlustzeiten der Fahrzeuge als direkte Entscheidungsgröße genutzt werden. Hierdurch wird die Verlustzeit nicht nur zur Qualitätsbewertung, sondern direkt auch zur Steuerung genutzt.
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Ferner haben das Verfahren und die Vorrichtung den Vorteil, dass diese gegenüber einer oft angewendeten tageszeitabhängigen, aber festen Phasenbeeinflussung verkehrsabhängig ausgestaltet sind. Damit kann direkt auf sich ändernde Verkehrsverhältnisse am Knotenpunkt reagiert werden, was den Verkehrsablauf begünstigt.
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Dies spiegelt sich in geringeren Reisezeiten mit geringeren Verlustzeiten der Verkehrsteilnehmer wider, wie noch im nachfolgenden Abschnitt und anhand der 4 beschrieben wird.
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Die Steuerung richtet sich hierbei nach dem aktuellen Verkehrsgeschehen und führt im Rahmen eines Phasenumlaufs zu einer effektiveren Freigabezeitaufteilung, da die Gewichtung einer Phase im direkten Zusammenhang mit der Verkehrsstärke steht. Phasen mit großen Verkehrsströmen sammeln schneller Verlustzeiten an und werden mittels des beschriebenen Verfahrens und der der beschriebenen Vorrichtung eher berücksichtigt als nachfrageschwache Verkehrsströme, welche dann entsprechend geringe Freigabezeiten erhalten.
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Trotz der einfachen Ausgestaltung des Verfahrens und der Vorrichtung sind diese echtzeitfähig, da keine rechenintensiven Verfahren notwendig sind, wie es teilweise bei anderen modellgestützten Verfahren der Fall ist.
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Da es sich bei der beschriebenen Lösung um ein dezentral-unabhängiges Verfahren handelt, muss keine zusätzliche Kommunikationsinfrastruktur aufgebaut werden. Dies spart Aufwand und Kosten.
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Das beschriebene Verfahren und die beschriebene Vorrichtung beziehen Wechselwirkungen auf Netzebene mit in die lokale Steuerung der Lichtsignalanlage ein, ohne hierbei auf statische Ansätze wie Rahmenpläne etc. zurückgreifen zu müssen. Die dynamische Steuerung von Lichtsignalanlagen ist hierdurch deutlich verbessert.
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In 4 sind Ergebnisse für die mittlere Geschwindigkeit einer mittels des Verfahrens durchgeführten Simulation im Vergleich zu den Ergebnissen herkömmlicher Verfahren dargestellt.
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Im Rahmen der Simulation wurden verschiedene Netzabschnitte mit dem beschriebenen Verfahren (VZP) gesteuert. Zum Vergleich wurde außerdem eine wartezeitoptimale Festzeitsteuerung (FZS), eine auf der Festzeitsteuerung basierende Rahmenplansteuerung (RPS) sowie eine klassische Zeitlückensteuerung (ZLS) betrachtet. Die Modellierung und die Simulation weisen dabei folgende Eigenschaften auf:
- - Der Streckenzug umfasst fünf aufeinanderfolgende Knotenpunkte. Die Zufahrten bzw. Zuflüsse sind jeweils 500 m lang.
- - Die wartezeitoptimale Festzeitsteuerung wird beispielsweise nach dem Handbuch für die Bemessung von Straßenverkehrsanlagen (Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, FGSV Verlag, Köln, 2015) als Standardmethode berechnet.
- - Die Knotenpunkte sind einmal gleichmäßig und einmal ungleichmäßig verteilt. Dementsprechend wird mit der Festzeit- und Rahmenplansteuerung einmal in beide und einmal in nur eine Richtung koordiniert. Die Umlaufzeit ist für diese beiden Verfahren mit 60 s vorgeschrieben; bei der regelmäßigen Verteilung befinden sich die Knotenpunkte im Teilpunktabstand.
- - Die Szenarien werden weiter in Szenarien mit und ohne abbiegende Ströme gegliedert. Für abbiegende Linksabbieger werden in den entsprechenden Szenarien eine Linksabbiegerspur sowie eine Phase zum gesicherten Linksabbiegen eingeführt.
- - Die Netze werden mit den Auslastungen 60 %, 85 % und 100 % belastet.
- - Die Phasenfolge ist fest und unveränderlich. Sie stimmt bei allen getesteten Ansätzen überein.
- - Als Testfahrzeuge werden ausschließlich Personenkraftwagen eingesetzt.
- - Die minimal zulässige Freigabezeit beträgt 5 s, die maximale Freigabezeit 90 s.
- - Die konstante, zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt 50 km/h.
- - Die kritische Zeitlücke für die Zeitlückensteuerung wird mit 2 s definiert. Sie wird an Detektoren 20 m vor der Haltelinie der entsprechenden Zufahrt erfasst.
- - Als Planungsverkehrsstärken werden 80 % im Hauptrichtungsverkehr zu 20 % im Nebenrichtungsverkehr untersucht (80-20). Zusätzlich werden auch die Verhältnisse 90-10 und 70-30 betrachtet, ohne hierbei die Festzeitsteuerung oder den Rahmenplan anzupassen. Dies soll die Abweichung der tatsächlichen Verkehrsstärke von der Planungsverkehrsstärke simulieren und die Flexibilität der Verfahren prüfen.
- - Die Simulationszeit beträgt für jeden Simulationslauf 11 h, wobei die Messwerte der ersten Stunde verworfen werden, da die erste Stunde nur zur Netzfüllung dienen soll.
- - Zur Auswertung wird die mittlere Geschwindigkeit im gesamten Netz betrachtet. Sie ergibt sich aus der Summe aller gefahrenen Strecken im Netz und der Gesamtdauer aller Fahrten.
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Die 4 zeigt die mittleren Geschwindigkeiten im Netz in den verschiedenen Szenarien im Vergleich zu den herkömmlichen Ansätzen. Die y-Achse entspricht den mittleren Geschwindigkeiten im Netz, die x-Achse bezeichnet das jeweilige Szenario. Dargestellt sind die einzelnen Quartile, wobei das obere Quartil so klein ist, dass es in dieser Darstellung nicht zu sehen ist.
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In 4 bezeichnet N1 das Netz mit regelmäßigen Knotenpunktabständen ohne abbiegende Ströme, N2 das Netz mit unregelmäßigen Knotenpunktabständen ohne abbiegende Ströme und N3 und N4 sind jeweils solche mit abbiegenden Strömen. Aus den Ergebnissen lassen sich folgende Schlussfolgerungen ziehen:
- - Die Festzeitsteuerung (FZS) funktioniert besonders gut bei wenig komplexen Knotenpunkten mit geringer bis mittlerer Auslastung. Bei starker Auslastung bricht der Verkehr oft zusammen und es werden zum Teil nur noch mittlere Geschwindigkeiten von unter 10 km/h erreicht.
- - Die Rahmenplansteuerung (RPS) ist so flexibel, dass sie Schwankungen relativ gut abfangen kann. Durch die Koordinierung der Kernfreigabezeiten auf dem koordinierten Streckenzug wird damit insgesamt sogar eine höhere Geschwindigkeit als bei der reinen Zeitlückensteuerung (ZLS) erreicht.
- - Die Zeitlückensteuerung arbeitet grundsätzlich nach dem Prinzip des Rückstauabbaus, weswegen die Koordinierung mit Freiläufern kaum funktioniert. Allerdings werden die Nebenströme stärker beachtet, weswegen selbst die Zeitlückensteuerung ohne Rahmenplan in der Netzbetrachtung zum Teil bessere Ergebnisse liefert als die Festzeitsteuerung. Zusätzlich ist die Steuerung flexibel genug, dass es zu keinen Überlastungen kommt.
- - Die Steuerung auf Basis des beschriebenen Verfahrens (VZP) vereint gewissermaßen die Vorteile der Zeitlücken und Rahmenplansteuerung: Sie ist nicht an feste Umlaufzeiten gebunden, zieht aber trotzdem die Netzproblematik mit in die Steuerung ein. Auf diese Weise können in allen Szenarien durch die Steuerung auf Grundlage der Gesamtverlustzeit bessere Ergebnisse erzielt werden als mit den anderen Verfahren. Die mittlere Geschwindigkeit im Netz erhöht sich hier gegenüber den gängigen Verfahren im Schnitt um 5 % bis 25 % (siehe Tabelle 1).
Tabelle 1: Relative Änderung der mittleren Geschwindigkeit bei Einsatz des beschriebenen Verfahrens bzw. der beschriebenen Vorrichtung (VZP) | FZS | RPS | ZLS | VZP |
Mittlere Geschwindigkeit im Netz (alle Szenarien) | 31,3 km/h | 37,4 km/h | 36,7 km/h | 39,4 km/h |
Relative Verbesserung durch VZP | 25,9 % | 5,3 % | 7,4 % | - |
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Das beschriebene Verfahren und die beschriebene Vorrichtung können im Bereich der Steuerungen von Lichtsignalanlagen zum Einsatz kommen. Dieser umfasst praktisch sämtliche Technik im öffentlichen Straßenraum, die zur Regelung von Verkehrsströmen Anwendung findet. Besonders dem Gebiet der verkehrsabhängigen Lichtsignalanlagen-Steuerung wird hierbei zunehmend mehr Bedeutung beigemessen, da dort wesentliche Potentiale zur Einsparung von Verlustzeiten, Kraftstoff und Schadstoffemissionen durch die Verkehrsteilnehmer liegen. Die Integration von neuen Kenngrößen, wie z.B. Verlustzeiten, ist hierbei für Lichtsignal-Hersteller und Kommunen von besonderem Interesse, um das steigende Verkehrsaufkommen auch zukünftig noch angemessen abwickeln zu können.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Vorrichtung
- 2
- Lichtsignalanlage
- 3
- Steuerung
- 4
- Prognoseeinrichtung
- 5
- Schnittstelle
- 10-x
- Fahrzeugposition
- 21
- Gesamtverlustzeit
- 22
- Restfreigabedauer
- P0
- Phase
- P1
- Phase
- P2
- Phase
- Pi
- Phase
- 100-104
- Verfahrensschritte