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Die Erfindung betrifft ein Verkehrsleitsystem für die Steuerung von Lichtsignalanlagen.
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Hintergrund
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Zur Steuerung von Verkehrsströmen können Lichtsignalanlagen verwendet werden. Jedoch sind bisherige Lichtsignalanlagen häufig ineffizient und können Stauungen von Verkehr häufig nicht verhindern, bzw. begünstigen diese. Solche Stauungen führen nicht nur zu primären Problemen in Bezug auf den Verkehrsfluss an sich, sondern auch zu weiteren Problemen, wie z.B. Lärm- und Schadstoff-Emission, oder aber zu einem Verlust an verfügbarer Zeit.
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In der Vergangenheit wurden verschiedene Ansätze vorgeschlagen, um diesen Problemen zu begegnen.
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So wurde zum einen versucht, herkömmliche Festzeitsteuerungen durch Freigabeverlängerungen und dergleichen zu flexibilisieren. Andere Verfahren gehen davon aus, dass tageszeitabhängig unterschiedliche Steuerprogramme verwendet werden.
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Durch Forschung und Entwicklung - unter anderem seitens der Anmelderin - wird es zunehmend möglich, eine verbesserte und sichere Kenntnis des Verkehrsgeschehens zu erlangen, die es ermöglicht, bisherige Verkehrsschätzungsansätze abzulösen. Auch mit der Zunahme des autonomen Verkehrs, die ein besser vorhersehbares Verkehrsgeschehen darstellt, ist eine sichere Kenntnis des Verkehrsgeschehens möglich.
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Ausgehend davon, dass es jedoch auch noch in absehbarer Zeit Verkehr unter Einfluss von nicht autonomen Verkehrsteilnehmern geben wird, wäre es wünschenswert, den Verkehrsfluss präziser anhand des Verkehrsgeschehens zu steuern, wobei auf bestehende Lichtsignalanlagen zurückgegriffen werden kann.
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Gegenwärtig gibt es jedoch keinen ganzheitlichen Ansatz, der es ermöglichen würde, den Verkehrsfluss in hochadaptiver Weise zu regeln und dabei tatsächlich mögliche Signalphasen(folgen) sicher und zuverlässig zu bestimmen. Weiterhin sollen die Schaltzeiten für die einzelnen Phasenübergänge so gewählt werden, dass eine vorteilhafte Phasenschaltung ermöglicht wird. Dabei wäre es wünschenswert, den bisher zumeist genutzten Pfad der Grünphasenlängensteuerung zu verlassen.
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In der 1 ist eine beispielhafte Kreuzungssituation in unterschiedlichen Ausgestaltungen dargestellt. Dabei unterscheidet sich die Situation für das Fahrzeug auf der Richtungsbahn 3. In 1a gibt es nur eine Fahrspur während es in 1b ein spezifische Rechtsabbiegespur gibt, wobei in 1b angenommen ist, dass jede der Fahrspuren 3, 3R ein eigenes Lichtzeichen hat.. Häufig werden Lichtsignalanlagen, wie in 1b, innerhalb des Regelungsalgorithmus vereinfacht wie in 1a behandelt, in der die Verkehrsflüsse der Spuren 3 und 3R zusammengefasst werden.
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Zwar sind mittelweile Steuerungen wie z.B. aus dem Aufsatz „Model predictive control in urban traffic network management,“ der Autoren T. Tettamanti, I. Varga, B. Kulcsar und J. Bokor veröffentlicht in 16th Mediterranean Conference on Control and Automation, 2008 bekannt, jedoch erlauben auch diese Ansätze - anders als die Erfindung - keine freie Phasenwahl, sondern erlauben nur, die Grünphasendauer anzupassen.
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Jedoch sind auch diese Ansätze nur eingeschränkt geeignet, eine Verbesserung zu erzielen, da sie insbesondere bei der Phasenauswahl beschränkt sind. Dabei ergibt sich zudem die Notwendigkeit, Rahmenbedingungen regulatorischer Natur mitzuberücksichtigen.
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Aufgabe
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Vor diesem Hintergrund ist es eine Aufgabe der Erfindung, eine Verbesserung Lichtsignalanlagensteuerung bereitzustellen.
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Kurzdarstellung der Erfindung
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Die Aufgabe wird gelöst durch ein Verkehrsleitsystem für die Steuerung von Lichtsignalanlagen gemäß Anspruch 1. Vorteilhafte Ausgestaltungen sind Gegenstand der abhängigen Ansprüche, der Beschreibung und der Figuren.
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Figurenliste
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Nachfolgend wird die Erfindung näher unter Bezug auf die Figuren erläutert. In diesen zeigt:
- 1a und 1b beispielhafte Kreuzungssituationen,
- 2 eine schematische Ansicht des geschlossenen Regelkreises inklusive der Erfindung,
- 3 eine schematische Ansicht einer Ausführungsform der Erfindung.
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Ausführliche Darstellung der Erfindung
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Nachfolgend wird die Erfindung eingehender unter Bezugnahme auf die Figuren dargestellt werden. Dabei ist anzumerken, dass unterschiedliche Aspekte beschrieben werden, die jeweils einzeln oder in Kombination zum Einsatz kommen können. D.h. jeglicher Aspekt kann mit unterschiedlichen Ausführungsformen der Erfindung verwendet werden, soweit nicht explizit als reine Alternative dargestellt.
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Weiterhin wird nachfolgend der Einfachheit halber in aller Regel immer nur auf eine Entität Bezug genommen werden. Soweit nicht explizit vermerkt, kann die Erfindung aber auch jeweils mehrere der betroffenen Entitäten aufweisen. Insofern ist die Verwendung der Wörter „ein“, „eine“ und „eines“ nur als Hinweis darauf zu verstehen, dass in einer einfachen Ausführungsform zumindest eine Entität verwendet wird.
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Soweit nachfolgend Verfahren beschrieben werden, sind die einzelnen Schritte eines Verfahrens in beliebiger Reihenfolge anordbar und/oder kombinierbar, soweit sich durch den Zusammenhang nicht explizit etwas Abweichendes ergibt. Weiterhin sind die Verfahren - soweit nicht ausdrücklich anderweitig gekennzeichnet - untereinander kombinierbar.
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Angaben mit Zahlenwerten sind in aller Regel nicht als exakte Werte zu verstehen, sondern beinhalten auch eine Toleranz von +/- 1 % bis zu +/- 10 %.
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Bezugnahme auf Standards oder Spezifikationen sind als Bezugnahme auf Standards bzw. Spezifikationen, die zum Zeitpunkt der Anmeldung und/oder - soweit eine Priorität beansprucht wird - zum Zeitpunkt der Prioritätsanmeldung gelten / galten zu verstehen. Hiermit ist jedoch kein genereller Ausschluss der Anwendbarkeit auf nachfolgende oder ersetzende Standards oder Spezifikationen zu verstehen.
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Unter Bezug auf die Figuren wird nunmehr ein erfindungsgemäßes Verkehrsleitsystem für die Steuerung von Lichtsignalanlagen beschrieben werden.
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Das Verkehrsleitsystem für die Steuerung von Lichtsignalanlagen weist zumindest Eingänge für Verkehrszustandsermittlungsverfahren abhängig von verschiedenen Sensoren auf, wobei die Sensoren einen aktuellen Verkehrszustand eines zugeordneten Verkehrsabschnitts ermitteln.
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Weiterhin weist das Verkehrsleitsystem für die Steuerung von Lichtsignalanlagen Statusregister auf, die den aktuellen Status der gesteuerten Lichtsignalanlagen speichern.
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Darüber hinaus weist das Verkehrsleitsystem für die Steuerung von Lichtsignalanlagen auch Phasenregister auf, die alle möglichen Verkehrsleitphasen, die durch die Lichtsignalanlagen angesteuert werden können, speichern.
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Innerhalb des Verkehrsleitsystems für die Steuerung von Lichtsignalanlagen ist eine Fuzzy-Logik (F) zur Vorselektion von möglichen Verkehrsleitphasen vorgesehen, wobei die Vorselektion auf einem aktuellen Verkehrszustand basiert, wobei für jede mögliche Verkehrsleitphase basierend auf dem aktuellen Verkehrszustand ein Prioritätswert ermittelt wird, wobei für die weitere Verarbeitung nur eine vorbestimmte Anzahl von vorselektierten nachfolgenden Verkehrsleitphasen anhand der Priorität ausgewählt wird.
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Die so vorausgewählten Verkehrsleitphasen werden einer modellprädiktiven Regelung mit einer Verkehrsprädiktionssimulation (MPC) zugeführt, wobei die Regelung basierend auf jeder vorselektierten Verkehrsleitphase, dem aktuellen Verkehrszustand und dem aktuellen Status der gesteuerten Lichtsignalanlagen eine geeignete prädiktive zeitliche Phasensteuerung ermittelt, wobei Schaltzeitpunkte der betreffenden vorselektierten Verkehrsleitphasen durch ein Optimierungsverfahren berechnet werden, wobei die so ermittelte prädiktive zeitliche Phasensteuerung mehrere zu schaltende Phasen mit den ermittelten Schaltzeitpunkten aufweist, wobei anhand der aus der Optimierung hervorgehenden Bewertungen der einzelnen prädiktiven zeitlichen Phasensteuerungen ermittelt wird, welche der prädiktiven zeitlichen Phasensteuerungen zur weiteren Steuerung der Lichtsignalanlagen ausgewählt und verwendet wird.
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In einer Ausführungsform der Erfindung stellt die Fuzzy-Logik (F) eine Bewertung von möglichen Folgephasen auf Basis der spurspezifischen Verkehrssituation zur Verfügung.
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In einer weiteren Ausführungsform der Erfindung berücksichtigt die modellprädiktive Regelung mit Verkehrsprädiktionssimulation (MPC) zumindest aktuellen Verkehrsdaten wie Fahrzeug- und Fußgängerdetektionen durch Sensoren und Schaltzeiten zwischen Verkehrsleitphasen.
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Gemäß einer Ausführungsform der Erfindung berücksichtigt die modellprädiktive Regelung inkl. Verkehrsprädiktionssimulation (MPC) Verkehrsdaten fahrbahnbezogen.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform der Erfindung nimmt die modellprädiktive Regelung inkl. Verkehrsprädiktionssimulation (MPC) eine prädiktive zeitliche Phasensteuerung nur in einem beschränkten Zeitraum (z.B. von weniger als 1 Minute) vor. Allerdings ist es im Rahmen der Erfindung auch möglich, deutlich längere prädiktive zeitliche Phasensteuerungen (z.B. im Bereich mehrerer Minuten) zur Verfügung zu stellen. Allerdings ist es dann eher wahrscheinlich, dass eine nachfolgende (geplante) Phase durch eine zwischenzeitlich geänderte Verkehrssituation obsolet wird und durch eine aktuellere prädiktive zeitliche Phasensteuerung ersetzt werden wird.
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Eine praktikable Untergrenze zur Untersuchung von Phasenwechseln innerhalb des Prädiktionshorizonts sieht zumindest zwei aufeinanderfolgende Phasenlagen vor, wobei die Beibehaltung der aktuellen Phasenlage ebenfalls bewertet werden sollte. Eine obere Grenze an geplanten Phasenwechseln ergibt sich, wenn die Berechnungszeit der optimierten Phasenfolge so hoch ist, dass das aktuelle Verkehrsgeschehen nicht mehr sinnvoll angesteuert wird.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform der Erfindung können die Berechnungsintervalle der modellprädiktiven Regelung mit Verkehrsprädiktionssimulation (MPC) flexibel an die Systembegebenheiten (Übertragungsraten sowie Verzögerungen der Kommunikation, limitierte Rechnerleistung etc.) angepasst werden.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform der Erfindung gibt die modellprädiktive Regelung mit Verkehrsprädiktionssimulation (MPC) mindestens eine zu schaltende Folgephase mitsamt optimierten Schaltungszeitpunkten vor. Dabei werden lediglich diejenigen Phasenwechsel direkt aufgeschaltet, welche aufgrund ihrer Schaltzeitpunkte durch eine zukünftige Optimierung nicht mehr beeinflusst werden können. Die restlichen berechneten Phasenwechsel finden in einer Rückfallebene Berücksichtigung.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform der Erfindung verwendet die modellprädiktive Regelung inkl. Verkehrsprädiktionssimulation (MPC) ein Prädiktionsmodell, welches ausgehend von einer vorgegebenen Verkehrslage (u.a. Zustand der LSA, Verkehrsdaten) und einer Phasensteuerung die zukünftige Verkehrssituation durch Simulation prädiziert.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform der Erfindung ist die Bewertungsfunktion der modellprädiktiven Regelung (MPC) variabel modifizierbar, sodass ein oder mehrere definierbare Kriterien ausgewählt aus der Gruppe aufweisend fahrzeugtypspezifische Wartezeiten, Anzahlen von Haltevorgängen, Spurbelegungen berücksichtigt werden können. Natürlich stellt dies nur eine Auswahl von möglichen Kriterien dar und es ist dem Anwender überlassen, eines oder mehrere Kriterien als Optimierungsziel(e) auszuwählen.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform der Erfindung sind die Gewichtungen der Kriterien innerhalb der Bewertungsfunktion der modellprädiktiven Regelung (MPC) variabel modifizierbar. Diese Gewichtungen können z.B. abhängig von der vorliegenden Verkehrssituation oder den Verkehrsleitgrundsätzen - politische Entscheidungen wie z.B. eine starke Bevorrechtigung von öffentlichem Personennahverkehr - ebenso in Abhängigkeit von der Tageszeit oder Witterung durch Anpassung des Parametersatzes der Gewichtung variiert werden.
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Das vorgestellte System bzw. Verfahren ist in der Lage, verschiedenste Anforderungen, wie z.B. regulatorische Anforderungen, Bevorzugung einzelner Verkehrsteilnehmer, etc., zu berücksichtigen. Dazu kann erfindungsgemäß bspw. eine mikroskopische Verkehrssimulation verwendet werden, um eine Verkehrssteuerung bereitzustellen, die sowohl Anforderungen an bestimmte Spuren als auch bestimmte Verkehrsteilnehmer, wie z.B. bevorrechtigte Verkehrsteilnehmern oder Fußgänger bzw. Radfahrer, berücksichtigen kann.
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Anders als in bisherigen Ansätzen wird im Rahmen der Erfindung eine Phasensequenz bestimmt, die sich als vorteilhaft unter Analyse des gegenwärtigen Verkehrszustandes und seiner mutmaßlichen Entwicklung darstellt. Um dies zu erreichen, wird eine modellprädiktive Regelung mit Verkehrsprädiktionssimulation (MPC) verwendet. Verkehrsphasenübergänge können dabei im Detail in die MPC integriert werden. Um den Rechenleistungsbedarf zu reduzieren, kann mittels einer Fuzzylogik eine Vorauswahl aus allen möglichen Phasen getroffen werden. Steht mehr Rechenkapazität zur Verfügung, ist eine solche Vorauswahl nicht zwingend notwendig.
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Die Bewertung im Sinne einer Vorteilhaftigkeit kann dabei an die gewünschten Randparameter angepasst werden und kann z.B. als Ziel / Bewertungsmaßstab die Verringerung von Wartezeiten, die Verringerung von Start-/Stopp-Vorgängen, die Bevorrechtigung von öffentlichem Nahverkehr / Fahrradfahrern / Fußgängern, Anzahl von Phasenübergängen etc. formuliert werden, um basierend darauf auch vorteilhafte Schaltzeiten zu bestimmen.
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In 2 ist beispielhaft der geschlossene Regelkreis gemäß den Ausführungsformen der Erfindung skizziert. Eine Vielzahl von Sensoren kann dabei Daten der aktuellen Verkehrslage / des aktuellen Verkehrszustandes erfassen. Solchen Sensoren können z.B. Induktionsschleifen / Pyrosensoren etc. in der Nähe von Lichtsignalanlagen sein; Daten können aber auch von Radarsensoren oder Fahrzeug-zu-Fahrzeug als auch Fahrzeug-zu-Infrastruktur-Systemen stammen. Neuartige Sensoren, wie sie beispielsweise aus der deutschen Patentanmeldung 102021204191.4 der Anmelderin ersichtlich sind, können ebenfalls verwendet werden. Diese erlauben z.B. auch eine Unterscheidung von Fahrzeugtypen und können zudem Daten in Bezug auf Fahrzeuggeschwindigkeiten zur Verfügung stellen. Ein Verkehrsschätzer kann diese Daten verwenden, um die gegenwärtige Verkehrslage / Verkehrszustand zu rekonstruieren. Dies kann periodisch oder anlassbezogen erfolgen. Basierend auf der so zur Verfügung gestellten Information kann das erfindungsgemäße Verkehrsleitsystem als Steueralgorithmus die Steuerung für die Lichtsignalanlage(n) zur Verfügung stellen, deren Signale wiederum auf die aktuelle Verkehrslage / Verkehrszustand einwirken.
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Im Rahmen der Erfindung wurde eine modellprädiktive Regelung mit einer Verkehrsprädiktionssimulation (MPC) entwickelt. Diese ermöglicht es nicht nur die vorherige Verkehrslage / den vorherige Verkehrszustand und die aktuelle Verkehrslage / den aktuellen Verkehrszustand zu berücksichtigen, sondern erlaubt es auch, die anzunehmende zukünftige Verkehrslage / Verkehrszustand zu berücksichtigen, um entsprechende Steueranweisungen an die Lichtsignalanalgen geben zu können. Hierzu wird ein Vorhersagemodell bereitgestellt, um die gegenwärtige Verkehrslage / den gegenwärtigen Verkehrszustand in die Zukunft abzubilden, basierend auf den ausgewählten Steueranweisungen, um so das mögliche Ergebnis bewerten zu können.
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Um den Rechenaufwand bei beschränkten Ressourcen zu reduzieren, können im Rahmen der Erfindung bestimmte Maßnahmen ergriffen werden, darunter die Bereitstellung einer Fuzzy-Logik, um eine Vorauswahl an möglichen Folgephasen zu treffen.
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Es sei angemerkt, dass die Erfindung es ermöglicht, im Rahmen der Prädiktionssimulation auch regulatorische Ansätze, wie z.B. in Deutschland die „Richtlinien für Lichtsignalanlagen: RiLSA: Lichtzeichenanlagen für den Straßenverkehr“ der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, Köln, FGSV R1- Regelwerke FGSV-321, 2015, bei der Berechnung der Phasensteuerung zu berücksichtigen.
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In solchen Regelwerken sind z.B. Übergangszeiten zwischen Phasen, Phasenübergänge, minimale Zeitdauern, etc. zusammengefasst.
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Die Struktur einer Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verkehrsleitsystems als Steueralgorithmus kann in einer schematischen Darstellung der 3 entnommen werden. Diese weist in Ausführungsformen eine Fuzzy-Logik auf, die dazu verwendet werden kann, den Rechenaufwand zu verringern. Kernelement der Erfindung ist jedoch die modellprädiktive Regelung mit einer Verkehrsprädiktionssimulation (MPC).
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Zunächst sei jedoch die (optionale) Fuzzy-Logik erläutert. Die Fuzzy-Logik untersucht zunächst die (grundsätzliche) Eignung von allen definierten Phasen für die gegenwärtige Verkehrslage / den gegenwärtigen Verkehrszustand. So kann z.B. mittels eines Satzes einfacher, generischer Regeln der Systemzustand untersucht werden, um einen Vorzugswert für jede Phase zu ermitteln. Die Phasen mit einem niederen Vorzugswert werden verworfen. Es kann z.B. so sein, dass eine bestimmte Mindestzahl von Phasen berücksichtigt wird, oder aber, dass Phasen unterhalb eines bestimmten Vorzugswertes generell nicht berücksichtigt werden. Hierdurch kann aus einer größeren Menge von definierten Phasen eine Untermenge für die weitere Untersuchung vorausgewählt werden. Eine beispielhafte Regel für die „Alles Rot“ Phase könnte sein „Falls die Belegung aller Fahrspuren gering ist, dann ist der Vorzug der Phase „Alles Rot“ hoch“, wodurch wiederum eine schnelle Reaktion auf die sich ändernde Verkehrslage / den sich ändernden Verkehrszustand hin zu einer Weiterschaltung zu einer nächsten Phase favorisiert.
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Die (von der Fuzzy-Logik zur Verfügung gestellte Unter-) Menge an Phasen wird der MPC zur Verfügung gestellt, um die entsprechende(n) nachfolgende(n) Phase(n) auszuwählen. Die MPC kann dabei über einen zeitlichen Horizont (z.B. tp > 30 s) Vorhersagen treffen und es können nsplits nachfolgende Phasen berücksichtigt werden. Folglich kann der MPC für jede mögliche Kombination der Phasen der Länge nsplits die jeweiligen Schaltzeiten bestimmen, z.B. durch Minimierung einer vorbestimmten Zielfunktion. Sind alle Phasen so verarbeitet, wird die Phasenkombination mit den zugehörigen Schaltzeiten ausgewählt, die den besten Zielfunktionswert aufweist.
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Im Beispiel der 3 wurde durch die Fuzzy-Logik für 3 Phasenfolgen ein Wert von über 7 ermittelt. Diese 3 Phasenfolgen werden als Untermenge vorausgewählt und der MPC zur Verfügung gestellt. Die MPC berechnet für jede Kombination dieser 3 Phasenfolgen mit der Länge von nsplits optimierte Schaltzeiten und bewertet diese. Beispielsweise ergibt sich für die Phasenfolge RGRG (Rot-Grün-Rot-Grün für die zugehörigen Signale 1 bis 4) eine optimierte Schaltzeit von 3s. Für diese Phasenfolge mit der zugehörigen Schaltzeit 3s beträgt der Zielfunktionswert 157. Keine andere Phasenfolge zeigt einen höheren Zielfunktionswert (Score), weswegen diese Phasenfolge mit der zugehörigen Schaltzeit ausgewählt wird.
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Die MPC weist einen Optimierer und das Vorhersagemodel P(sk, u, tu) auf. Bei gegebenem Satz von vorausgewählte Phasenkombination u und den zugehörigen Schaltzeiten tu, kann das Vorhersagemodel P(sk, u, tu) eine Verkehrssimulation basierend auf dem aktuellen Systemstatus sk durchführen. Der Status weist z.B. Informationen über die Verkehrszusammensetzung auf der betrachten Spur, Fußgänger, den gegenwärtigen Zustand der Lichtsignalanlage, eine erwartete Anzahl eintreffender Verkehrsteilnehmer unterschieden nach Fahrzeugtyp und erwartetem Ankunftszeitpunkt, etc. auf.
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Im k-ten Zeitschritt stellt die Simulation die geschätzten zukünftigen Systemzustände wie folgt für die Dauer des Prädiktionshorizontes t
p und resultierend aus den gewählten Steuergrößen zur Verfügung:
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Nachfolgend kann sk dazu verwendet werden, die antizipierte Entwicklung des Verkehrssystems zu untersuchen.
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Die zugehörige Zielfunktion lautet:
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In dieser Funktion werden individuelle Bewertungen jedes vorhergesagten Systemzustandes durch jeweiliges Anwenden der Bewertungsfunktion j(s
k+i) und Summieren der Ergebnisse kombiniert.
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Da die Simulationsergebnisse mutmaßlich mit jedem weiteren Schritt von dem tatsächlichen Systemverhalten abweichen werden, kann eine Gewichtungsfunktion g(i) dazu verwendet werden, um den Einfluss späterer Schritte (in Formel (2)) zu reduzieren.
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Der Zielfunktionswert (score) für jeden Zustand kann auf verschiedenen Kriterien beruhen. Eine Vielzahl kann von einem gegebenen Zustand s
k+i mit
und für den gesamten Vorhersagehorizont der Dauer t
p abgeleitet werden.
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Ein wichtiges Optimierungsziel kann die Reduktion von Wartezeiten sowohl für Fahrzeuge als auch für Fußgänger sein. Der Vektor t
w(s
k+i) kann diese Daten für jede einzelne Spur und für jeden Fahrzeugtyp enthalten. Durch Definition der Gewichtungsfaktoren in
kann der Einfluss des gewählten Fahrzeugtyps und der Fahrspur angepasst werden, um z.B. den öffentlichen Personennahverkehr oder Fußgänger gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern zu bevorzugen.
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Andere Optimierungsziele können z.B. sein, die Anzahl der Straßennutzer im Bereich einer Lichtsignalanlage LSA zu reduzieren und/oder den Verkehrsfluss zu erhöhen. Auch hierfür kann der Vektor der Fahrzeugbelegung x(s
k+i) zwischen Fahrbahnen und Fahrzeugtypen unterscheiden. Dieser kann hierzu im Systemzustand ausgelesen und mit
gewichtet werden.
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Ein gleichartiges Verfahren kann auch für die maximale Wartezeit t
w,max(s
k+i) eines individuellen Fahrbahnnutzers (ebenso unterschieden durch Fahrzeugtyp und Fahrbahn und gewichtet mit
verwendet werden.
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Ebenso kann die Anzahl von Phasenwechseln δu mit dem Gewichtsfaktor gu berücksichtigt werden, um gleichmäßigere Phasensequenzen hervorzurufen (d.h., 8", ≤ nsplits für alle möglichen Phasenpermutationen).
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Die Bewertungsfunktion j(sk+i) dient als sein Beispiel und kann individual verändert werden, um spezifische Anforderungen abzubilden.
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Für jede Menge an Phasenkombination u kann der Optimierer die Schaltzeit(en) t
u suchen, die J(P(s
k,u, t
u)) minimiert:
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Wird für jede Phasenkombination u das Optimierungsproblem gelöst, kann die Phasenfolge mit den zugehörigen Schaltzeiten ausgewählt werden, die zu dem besten Wert der Zielfunktion führt.
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Die Prädiktionssimulation bzw. das Vorhersagemodel P(sk,u, tu) erfüllt dabei zwei Anforderungen: Zum einen soll es präzise genug sein, um eine aussagekräftige Beurteilung der Regeleingänge zu ermöglichen, zum anderen darf es aber nicht zu aufwändig im Sinne des Bedarfs an Rechenleistung sein (wenn die Ressourcen beschränkt sind), sodass es oft genug innerhalb jedes MPC Optimierungsintervalls ausgeführt werden kann.
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In 3 wird die aktuelle Verkehrssituation verwendet. Diese kann z.B. wie in der deutschen Patentanmeldung 102021204191.4 der Anmelderin gezeigt und hierin explizit durch Verweis aufgenommen ermittelt werden. Mithilfe dieser können die Steuereingänge u und tu ermittelt werden, welche als Eingangsgrößen der Prädiktionssimulation dienen. Diese Simulation kann von der MPC zur Ermittlung der optimierten Phasensteuerung verwendet werden.
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Wie bereits angemerkt, können hier regulatorische Anforderungen zu Einschränkungen führen. Diese können ebenfalls in der Verkehrsprädiktion berücksichtigt werden.
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Innerhalb der Verkehrsprädiktion können die Verkehrsflüsse in der Nachbarschaft zu einer Lichtsignalanlage in Bezug auf die einkommenden Fahrbahnen in einer mesoskopischen Weise betrachtet werden.
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Im Folgenden wird eine Ausführungsform des Vorhersagemodells näher beschrieben.
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Die Variable x
i,
k repräsentiert die aktuelle Fahrzeuganzahl unterschieden nach Fahrzeugtyp auf jeder Fahrbahn i im Zeitschritt k und wird als Teil des Systemstatus der jeweiligen Fahrbahn gewählt. Dieser Wert wird beeinflusst durch den eigehenden Fluss f
in,i,k und den ausgehenden Fluss f
out,i,k:
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Für den eingehenden Zufluss kann eine Abschätzung über den gesamten Prädiktionshorizont basierend auf dem gegenwärtigen Systemstatus sk erfolgen. Abhängig von der Position der Fahrzeuge und ihrer Geschwindigkeiten kann ein Algorithmus berechnen, zu welcher Zeit neue Fahrzeuge eines bestimmten Typs voraussichtlich in eine bestimmte Fahrbahn einfahren werden.
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Für den ausgehenden Abfluss fout,i,k wird eine skalare Größe berechnet, die nicht nach Fahrzeugtyp unterscheidet.
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Daher kann in der Gleichung (5) m(xi,k) verwendet werden, um den Abfluss entsprechend dem Anteil und auf Basis anderer Eigenschaften (Länge, Beschleunigung) den Fahrzeugtypen zuzuordnen. Beispielsweise betrifft ein gegebener Abfluss Busse anders als Motorräder, da diese unterschiedlich viel Platz beanspruchen und ein unterschiedliches typisches Beschleunigungsverhalten aufweisen.
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Verkehrssimulationen (z.B. mithilfe von SUMO) von beschleunigendem Verkehr nach einer LSA, die auf Grün wechselt, zeigen, dass die Abflussrate in etwa konstant ƒout,i,max ist, bis ausreichend wartende Fahrzeuge (z.B. ein gewisser Prozentsatz) abgefahren sind. Zu diesem Zeitpunkt nähert sich der Abfluss der Zuflussrate.
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Für das Abflussverhalten der Fahrzeuge kann näherungsweise die nachfolgende Gleichung formuliert werden:
wobei der Abfluss ƒ
out,i,k als proportional zur gegenwärtigen Fahrzeugzahl x
i,
k auf der Fahrbahn angenommen wird, und ein Faktor φ
i verwendet wird, der individuell für jeden Fahrzeugtyp gewählt ist.
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Um verschiedenste Effekte, die den Abfluss an einer Lichtsignalanlage behindern, modellieren zu können (wie z.B. kreuzender Verkehr / Fußgänger / Vorrang der Rechtsabbieger vor Linksabbiegern ...) bzw. der hierdurch entstehende Rückstau, kann in Gleichung (6) der Faktor ri(sk) ∈ [0,1] eingeführt werden. Zum Beispiel kann eine rote Ampel oder ein querender Fußgänger (z.B. erkannt durch einen betätigten Taster für die Signalanforderung) kann der Abfluss entsprechend reduziert werden. Während Fußgängerüberquerungen ein zeitlicher Rahmen zugeordnet werden kann, sind Hemmungen durch höher priorisierte (Fahrzeug-)Verkehrsströme eher abhängig vom Belegungsgrad der betreffenden Spuren.
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Mit der vorgestellten Erfindung ist es möglich, Ineffizienz, Stauungen und sonstige Beeinträchtigungen des (insbes. urbanen) Verkehrs durch eine flexible und adaptive Regelung von realen Verkehrssystemen durch Lichtsignalanlagen (LSA) unter Berücksichtigung sicherheitsrelevanter Richtlinien zu begegnen.
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Im Unterschied zu den herkömmlichen Ansätzen, die oftmals ineffizient und wenig adaptiv sind, erlaubt die Erfindung eine flexible Phasenauswahl (d.h. im Prinzip unbeschränkt in der Reihenfolge und den Schaltzeiten). Bei der Phasenauswahl sowie der Aufschaltung von Phasen auf die LSA können auch relevante Sicherheitskriterien berücksichtigt werden. Anders als in bisherigen Ansätzen ist eine flexible Auswahl realer LSA-Phasen (ohne feste Reihenfolge oder Maximaldauern, nicht nur Rot oder Grün in eine Fahrtrichtung, sondern auch spurbasierte Signalzuweisung) mit zusätzlicher Fußgängerberücksichtigung (z.B. verkehrsabhängige Abschaltung) möglich. Zudem ermöglicht die Erfindung die Integration eines Echtzeit-Verkehrszustandsschätzers (u.a. Ausnutzung neuester Sensortechnologien). Insbesondere erlaubt die Erfindung auch eine individuelle Konfigurierbarkeit für den Anwender oder End-Abnehmer, sodass beispielsweise bestimmte Verkehrsteilnehmer priorisiert werden können (z.B. Bus- und Fußgängerpriorisierungen)