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Die Erfindung betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung von Verkehrsströmen an Knotenpunkten mittels einer Signalanlage.
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Üblicherweise werden Verkehrsströme an Knotenpunkten eines Verkehrsnetzes durch Lichtsignalanlagen (LSA) gesteuert, wobei die Knotenpunkte meist Kreuzungen sind. Dabei sind Festzeitsteuerungen oder auch adaptive Steuerungen der Sperr- und Freigabezeiten bekannt.
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Eine gute Darstellung des Standes der Technik zur adaptiven Steuerung des Verkehrs mit Lichtsignalanlagen vor allem auf Basis stationärer Detektion findet sich in der
DE 10 2009 033 431 B4 . Die
DE 10 2009 033 431 B4 selbst beschreibt (ähnlich wie die
DE 10 2010 027 327 B3 ) ferner ein Verfahren zur Steuerung einer Signalanlage auf Basis der sogenannten Verlustzeiten einzelner Fahrzeuge. Verlustzeiten treten hierbei immer dann auf, wenn ein Fahrzeug aufgrund des Rückstaus an der Signalanlage die Geschwindigkeit (ggf. bis zum Stillstand) verringern muss. Mit jeder Sekunde unterhalb der Freifahrgeschwindigkeit wächst dabei die fahrzeugspezifische Verlustzeit kontinuierlich an. Ziel des beschriebenen Steuerungsverfahrens ist es, innerhalb gewisser Grenzen die Freigabezeit der Signalanlage so zu verlängern, bis alle Fahrzeuge mit angesammelter Verlustzeit die Haltlinie passiert haben und der Rückstau abgebaut ist. Danach wird der kreuzende Verkehrsstrom freigegeben. Die Kommunikation zwischen den entsprechend ausgestatteten Fahrzeugen und der Signalanlage erfolgt dabei im Sinne einer Fahrzeug-Infrastruktur-Integration – auch Car-2-Infrastructure-Kommunikation (C2I) genannt – wie z. B. beschrieben in der
EP 1 628 274 B1 . Die
DE 10 2011 107 663 B4 erweitert den Ansatz um die Bestimmung einer Verkehrshauptrichtung auf Basis der sogenannten Verlustzeitverkehrsstärke, welche als Verkehrsstärke der Fahrzeuge mit angesammelter Verlustzeit definiert ist.
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Grundvoraussetzung ist in jedem Fall das Vorhandensein entsprechend ausgestatteter Fahrzeuge ähnlich zu dem aus der Literatur bekannten Floating-Car-Prinzip mit der zusätzlichen Möglichkeit der direkten Kommunikation zwischen Fahrzeug und Infrastruktur (d. h. Signalanlage).
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Entsprechend dem Stand der Technik erfolgt die adaptive Steuerung des Verkehrs an Knotenpunkten mit Hilfe von Signalanlagen hauptsächlich auf Basis stationärer Detektoren, die einzig zu diesem Zweck installiert sind. Neuere Technologien wie die oben genannten Floating-Car-Ansätze sind hier konzeptionell deutlich flexibler, da sie grundsätzlich nicht nur lokal, sondern in der Fläche operieren und zudem das Potential haben, zusätzliche Fahrerassistenzfunktionen (z. B. verkehrslageabhängige Navigation, Ampelassistent, dynamische grüne Welle) zu integrieren. Die verlustzeitbasierten Ansätze der
DE 10 2009 033 431 B4 , der
DE 10 2010 027 327 B3 oder der
DE 10 2011 107 663 B4 benötigen aber selbst im günstigsten Fall eine Ausstattungsrate von mindestens ca. 10% an kommunikationsfähigen Fahrzeugen, um sinnvolle Steuerungsergebnisse erzielen zu können (vgl.
Oertel, 2011: Verlustzeitbasierte LSA-Steuerung eines Einzelknotens, Straßenverkehrstechnik 9/2011, S. 561–568).
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Neben dem bereits genannten Flotating-Car-Ansatz ist aus der
DE 10 2010 018 815 A1 ein Verfahren zur Generierung von Verkehrsinformationen innerhalb eines räumlichen Bereiches bekannt, wobei ein Detektor seine räumliche Position zumindest bezüglich des räumlichen Bereiches bestimmt. Der Detektor detektiert mindestens ein Signal mindestens einer ersten Sendeeinheit, wobei der Detektor eine Kennung der ersten Sendeeinheit identifiziert. Der Detektor übermittelt mindestens seine räumliche Position und die Kennung der ersten Sendeeinheit an eine zentrale Einheit zur Generierung von Verkehrsinformationen, wobei die zentrale Einheit zur Generierung von Verkehrsinformationen Verkehrsinformationen innerhalb des räumlichen Bereiches aus mindestens den übermittelten Daten bestimmt. Der Detektor, der vorzugsweise ein Detektor von WLAN-Signalen und/oder Bluetooth-Signalen und/oder GSM-Signalen ist, kann dabei mobil oder stationär sein. Allgemein erfasst der Detektor Signale von drahtlosen Endgeräten.
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Aus Webster, F. V. (1958): Traffic Signal Settings, Road Research Technical Paper No. 39, Her Majesty's Stationery Office, London ist eine Berechnung von Verlustzeiten aus Zuflussverkehrsstärken bekannt.
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Der Erfindung liegt das technische Problem zugrunde, ein Verfahren zur Steuerung von Verkehrsinformationen an Knotenpunkten zur Verfügung zu stellen sowie eine Vorrichtung zu schaffen, mittels derer mit geringerem Sensor- und Rechenaufwand eine adaptive Steuerung der Verkehrsströme möglich ist.
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Die Lösung des technischen Problems ergibt sich durch das Verfahren mit den Merkmalen des Anspruchs 1 sowie die Vorrichtung mit den Merkmalen des Anspruchs 5. Weitere vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung ergeben sich aus den Unteransprüchen.
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Das Verfahren zur Steuerung von Verkehrsströmen an Knotenpunkten eines Verkehrsnetzes erfolgt mittels einer Signalanlage und mindestens einer Steuereinheit. Die Signalanlage ist vorzugsweise eine Lichtsignalanlage und der Knotenpunkt ist vorzugsweis eine Kreuzung. Die Signalanlage weist eine parametrierbare Umlaufzeit auf. Die Umlaufzeit ist dabei gleich der Summe von Freigabe- und Sperrzeit für eine Verkehrsrichtung. Die Steuereinheit berechnet Steuerungsparameter für die Signalanlage anhand von Verlustzeiten von Verkehrsteilnehmern. Dabei kann direkt die Verlustzeit gemessen werden oder diese beispielsweise aus Reisezeiten ermittelt werden. Die Verlustzeiten werden dabei durch Sensoren erfasst bzw. die Sensoren erfassen eine Verkehrsinformation, aus der die Verlustzeit ermittelt werden kann.
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Mittels der Sensoren wird für jede Zuflusskante eine mittlere Verlustzeit über ein Zeitintervall Δtupdate ermittelt, wobei die Umlaufzeit ein Vielfaches kleiner als das Zeitintervall Δtupdate ist. Beispielsweise ist die Umlaufzeit eine Minute und das Zeitintervall Δtupdate ist fünfzehn Minuten lang. In der Steuereinheit werden dann aus den mittleren Verlustzeiten mittlere Zuflussverkehrsstärken ermittelt und in die Steuerungsparameter (Sperr- und Freigabezeit) der Signalanlage umgerechnet.
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Dieser Ansatz hat eine Menge an Vorteilen. Da das Zeitintervall im Verhältnis relativ lang ist, ist eine direkte Kommunikation zwischen den Fahrzeugen der Signalanlage entbehrlich. Vielmehr können die Daten zentral gesammelt werden und anschließend an die Signalanlage übermittelt werden. Ein weiterer Vorteil ist, dass beispielsweise bei der Verwendung von FCD-Fahrzeugen als Sensoren erheblich geringere Ausstattungsraten notwendig sind, da eben nur mittlere Verlustzeiten benötigt werden. Hierfür reichen Ausstattungsraten zwischen 1% und 2% aus, was heute schon erreichbar ist. Hinsichtlich der Umrechnung von Verlustzeiten in Zuflussverkehrsstärken sind verschiedene Methoden bekannt.
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Vorzugsweise erfolgt die Aufteilung der Freigabezeiten an verkehrsgeregelten Knotenpunkten analog zu einer optimalen Festzeitsteuerung (s. Webster, 1958). Die Idee dabei ist es, Sperr- und Freigabezeiten an den Proportionen der Zuflussverkehrsstärken der einzelnen Kreuzungsströme festzumachen, diese jedoch regelmäßig entsprechend dem Updateintervall der mittleren Verlustzeiten (z. B. alle 15 min) adaptiv neu zu berechnen. Hierzu werden die gemessenen mittleren Verlustzeiten unter Verwendung gängiger Wartezeitenformeln für den Rückstau an Signalanlagen (s. z. B. Webster, 1958) zunächst in die jeweiligen Zuflussverkehrsstärken umgerechnet, aus denen anschließend die Aufteilung der Sperr- und Freigabezeiten abgeleitet wird.
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Dadurch ergibt sich – anders als etwa in der
DE 10 2009 033 431 B4 – angesichts in der Praxis niedriger Ausstattungsraten bei Floating Cars zwar keine fahrzeugfeine Verkehrsadaptivität der Signalanlage, das erfindungsgemäße Verfahren erstellt aber in gewisser Weise regelmäßig entsprechend dem Updateintervall der mittleren Verlustzeiten (z. B. 15 min) eine neue optimale Festzeitsteuerung und erreicht dadurch ebenfalls eine Form der Verkehrsadaptivität. Da die Steuerung dabei dynamisch der tatsächlichen Verkehrsnachfrage folgt, ergibt sich unter anderem auch eine konzeptionelle Überlegenheit des erfindungsgemäßen Verfahrens gegenüber der in der Praxis häufig eingesetzten, sogenannten zeitabhängigen Signalprogrammauswahl, bei der unter der Annahme regelmäßig wiederkehrender Verkehrsmuster verschiedene Festzeitsteuerungen nicht unmittelbar verkehrsabhängig sondern ausschließlich abhängig von Wochentag und Uhrzeit geschaltet werden.
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Bezüglich der Festlegung von Sperr- und Freigabezeiten entsprechend dem erfindungsgemäßen Verfahren sind zwei alternative Vorgehensweisen möglich.
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In einer ersten Ausführungsform, den man auch als Vorwärtsansatz bezeichnen kann, werden die mittleren Zuflussverkehrsstärken q
i mittels der Gleichung
mit
λ (t) / i ≔ g (t) / i/c bestimmt, wobei die Freigabezeiten g
i (t+1) für den jeweils nächsten Zeitschnitt vereinfacht durch
festgelegt werden.
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Dabei ist c die Umlaufzeit und s eine als konstant angenommene Sättigungsverkehrsstärke. Des Weiteren gilt für eine typische Kreuzung j ∊ {1, 2}.
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Dabei werden die Freigabezeiten gj (t+1) also anhand der nach Ende des Zeitintervalls (Updateintervalls) Δtupdate zur Zeit t bekannten Größen ermittelt, nämlich den ermittelten mittleren Verlustzeiten sowie den zuvor festgelegten Freigabezeiten gj (t) aufgrund der davor in einem vorangegangenen Updateintervall bestimmten Zuflussverkehrsstärken qi (t-1). Der Vorteil ist die sehr einfache Berechnung.
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In einer zweiten Ausführungsform, den man auch als Rückwärtsansatz bezeichnen kann, werden die mittleren Zuflussverkehrsstärken q
1 (t), q
2 (t) mittels des gekoppelten, nicht-linearen Gleichungssystems
bestimmt, wobei die Freigabezeiten g
j (t) jeweils durch
bestimmt werden.
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Formal werden die Freigabezeiten gj (t) für das Updateintervall hier nachträglich auf Basis der geschätzten Zuflussverkehrsstärken qi (t) bestimmt, die ihrerseits aus den mittleren Verlustzeiten im laufenden Updateintervall bestimmt werden. Der Vorteil dieser im Vergleich zum Vorwärtsschritt komplexeren Rechnung ist die direkte, formelmäßige Kopplung zwischen Freigabezeiten und mittleren Verlustzeiten im selben Zeitintervall, die tendenziell zu einer größeren Stabilität der Steuerung führt.
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Die Sensoren können beispielsweise FCD-Fahrzeuge sein, da für eine mittlere Verlustzeit nur wenige Fahrzeuge ausreichend sind. Alternativ oder ergänzend können jedoch auch drahtlose Endgeräte auf Basis von WLAN, Bluetooth, GSM etc. zur Anwendung kommen. Auch kamerabasierte Sensoren können zur Anwendung kommen.
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Die Erfindung wird nachfolgend anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels näher erläutert. Die Figuren zeigen:
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1 ein schematisches Blockschaltbild einer Vorrichtung zur Steuerung von Verkehrsströmen an Knotenpunkten eines Verkehrsnetzes,
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2 eine Darstellung der Verlustzeit über der Zuflussverkehrsstärke,
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3 eine Darstellung der sich kreuzenden Zuflussverkehrsstärken,
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4 eine Darstellung des begrenzten Lösungsraumes gemäß 3,
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5 eine Darstellung eines Konturendiagrammes in der Lösungsebene gemäß 3,
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6 eine Darstellung eines weiteren Konturendiagrammes in der Lösungsebene gemäß 3,
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7 eine zeichnerische Darstellung der Existenz mindestens einer nicht-degenerierten Lösung,
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8 eine zeichnerische Darstellung der Eindeutigkeit der Lösung und
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9 eine zeichnerische Darstellung einer fehlenden Lösung bei Verletzung der vorgegebenen Bedingungen.
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1 zeigt eine Vorrichtung (
1) zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens. Es handelt sich dabei um eine vierarmige 2-phasen-geregelte Kreuzung mit eingezeichneten zeitabhängigen Verkehrsstärken
q (t) / 1, q (t) / 1', q (t) / 2, q (t) / 2' der sich kreuzenden Verkehrsströme. Die eingezeichneten Floating Cars
2 senden dabei entsprechend einem gängigen Floating-Car-Ansatz ihre Positionen an eine FCD-Zentrale
3, die diese mittels bekannter Algorithmen und Verfahren in regelmäßigen Zeitschritten (Updateintervall z. B. 15 min) in mittlere Reisezeiten
((Δt) (t) / 1, (Δt) (t) / 1', (Δt) (t) / 2, (Δt) (t) / 2') pro Zuflussnetzkante überführt. Durch Subtrahieren der sogenannten Freifahr-Reisezeit gemäß
mit der Länge L
i des jeweiligen Zuflussarms und der jeweils zugelassenen Höchstgeschwindigkeit oder der üblicherweise beobachteten Freifahrgeschwindigkeit v
max,i für i ∊ {1, 1', 2, 2'} ergeben sich somit in jedem Updateintervall die mittleren Verlustzeiten
d (t) / 1, d (t) / 1', d (t) / 2, d (t) / 2' für die vier Zuflussarme. Diese werden weitergeleitet an eine Steuereinheit
4 (z. B. innerhalb einer Verkehrsrechnerzentrale), die adaptiv entsprechend dem erfindungsgemäßen Verfahren die Schaltparameter (d. h. insbesondere die Sperr- und Freigabezeiten) der Lichtsignalanlage festlegt und diese über einen herkömmlichen, angebundenen Signal-Controller
5 an die Signalgeber
6.1–
6.4 der Kreuzung weitergibt.
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Entscheidend ist dabei, wie die Signalparameter aus den mittleren Verlustzeiten bestimmt werden. Hierzu ist bekannt (s.
Webster, 1958), dass die Verlustzeiten
d (t) / i mit i ∊ {1, 1', 2, 2'} bei gegebener Umlaufzeit c und bekannter Sättigungsverkehrsstärke s (hier für alle Zuflussarme als konstant angenommen!) als Funktion f der jeweiligen Zuflussverkehrsstärke
q (t) / i und der zugehörigen (effektiven) Freigabezeit
g (t) / i ≤ c beschrieben werden können. Konkret gilt
mit
λ (t) / i ≔ g (t) / i/c. Dabei ist zu beachten, dass f für
q (t) / i < λ (t) / is, wie in
2 für positive Werte von
q (t) / i skizziert, eine stetige, streng monotone Funktion bezüglich
q (t) / i mit Polstelle bei
λ (t) / is ist, d. h. insbesondere
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Da bei einer 2-Phasen-Steuerung der Lichtsignalanlage im hier beschriebenen Ausführungsbeispiel grundsätzlich g (t) / 1 = g (t) / 1' und g (t) / 2 = g (t) / 2' gilt, folgt also wegen der Annahme einer konstanten Sättigungsverkehrsstärke s für alle vier Zuflussarme, dass q (t) / 1 ≥ q (t) / 1' genau dann erfüllt ist, wenn d (t) / 1 ≥ d (t) / 1'. Der analoge Zusammenhang gilt natürlich auch für q (t) / 2 und q (t) / 2'. Somit lässt sich trotz unbekannter q (t) / i allein auf Basis der gemessenen mittleren Verlustzeiten pro Zuflussarm (d (t) / i) bestimmen, welches die jeweils sogenannte maßgebende Verkehrsstärke pro Phase, d. h. der jeweils größere Wert von q (t) / 1 und q (t) / 1' bzw. q (t) / 2 und q (t) / 2' ist. Ohne Einschränkung gelte im Folgenden q (t) / 1 ≥ q (t) / 1' und q (t) / 2 ≥ q (t) / 2' (sonst Vertauschung der Indizes).
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Unter der Annahme konstanter Sättigungsverkehrsstärken s für alle vier Zuflussarme ergibt sich dann eine optimale Festzeitsteuerung aus dem Verhältnis von
q (t) / 1 und
q (t) / 2 (s.
Webster, 1958). Vor dem Hintergrund der in jedem Updateintervall durchzuführenden adaptiven Anpassung der Signalparameter entsprechend dem erfindungsgemäßen Verfahren resultieren daraus zwei unterschiedliche Varianten zur Festlegung der (effektiven) Freigabezeiten
g (t) / 1 und
g (t) / 2 – sowie damit auch der (effektiven) Freigabezeiten
g (t) / 1' und
g (t) / 2' und der (effektiven) Sperrzeiten
r (t) / i = c – g (t) / i mit i ∊ {1, 1', 2, 2'}. 1. Variante:
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Die Freigabezeiten
g (t+1) / j für den jeweils nächsten Zeitschritt (t + 1) werden also in Form eines „Vorwärtsansatzes” (vgl. im Gegensatz hierzu Variante 2 weiter unten) allein anhand der nach Ende des Updateintervalls t bekannten Größen, d. h. den gemessenen
d (t) / j und den im Zeitschritt zuvor auf Basis der geschätzten maßgebenden Verkehrsstärken
q (t-1) / 1 und
q (t-1) / 2 festgelegten
g (t) / j für j ∊ {1, 2} bestimmt. Die benötigten Werte von
q (t) / 1 und
q (t) / 2 ergeben sich gemäß (2) dabei für j ∊ {1, 2} als Lösung der Gleichung
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Unter der Voraussetzung
q (t) / j < λ (t) / js = q (t-1) / js/(q (t-1) / 1 + q (t-1) / 2) für j ∊ {1, 2} gilt folglich
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Wie man im Übrigen auch an der strengen Monotonie der Funktion f in Verbindung mit (3) erkennt, existiert genau dann eine eindeutige, nicht-degenerierte Lösung von (5), d. h. eine Lösung im jeweils offenen Intervall
]0, λ (t) / js[ mit j ∊ {1, 2}, wenn
gilt. In allen anderen Fällen, wo eine der mittleren Verlustzeiten
d (t) / j die Bedingung (9) verletzt, ergibt sich unter der natürlichen Annahme, dass mindestens
d (t) / j ≥ 0 gilt, gemäß (6) eine nicht-positive Lösung, d. h. eine maßgebende Verkehrsstärke
q (t) / j ≤ 0. Dies ist natürlich nicht realistisch, sodass in diesem Fall stattdessen eine Verkehrsstärke angenommen wird, die entsprechend der Setzung der Freigabezeiten in (4) zu einer Mindestfreigabe gemäß gängiger Richtlinien führt. Überhaupt sollten aus praktischer Sicht grundsätzlich Mindestfreigabezeiten für beide Phasen der Signalsteuerung eingehalten werden, was in einzelnen Fällen gegebenenfalls eine Abweichung von der Definition der Freigabezeit in (4) bedeuten kann. Falls im Übrigen sowohl
d (t) / 1 als auch
d (t) / 2 die Bedingung (9) nicht erfüllen, können die Verkehrsstärken
q (t) / 1 und
q (t) / 2 mit der Konsequenz gleicher Freigabezeiten
g (t+1) / 1 und
g (t+1) / 2 in (4) zum Beispiel identisch gewählt werden. Alternativ ist eine Setzung entsprechend dem Verhältnis von
d (t) / 1 zu
d (t) / 2 denkbar. 2. Variante:
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Bei der 2. Variante des erfindungsgemäßen Verfahrens handelt es sich in gewisser Weise um einen „Rückwärtsansatz”. Formal werden die Freigabezeiten
g (t) / j für das Updateintervall t mit j ∊ {1, 2} hier nämlich nachträglich auf Basis der geschätzten Verkehrsstärken
q (t) / 1 und
q (t) / 2 bestimmt, welche ihrerseits gemäß (2) aus den gemessenen, jedoch erst am Ende des Zeitintervalls t bekannten, mittleren Verlustzeiten
d (t) / 1 und
d (t) / 2 hergeleitet werden. Grundannahme dabei ist das Vorliegen einer stationären Verkehrssituation, bei der stets
gilt, unabhängig davon, dass die eigentlich zu schaltenden Freigabezeiten
g (t) / j zum Schaltzeitpunkt im Intervall t noch gar nicht bekannt sind. In der Praxis wird man sich damit behelfen, im Updateintervall t schlicht die unter Annahme der Stationarität berechneten
g (t-1) / j als tatsächlich geschaltete Freigabezeiten
g ~ (t) / j, d. h.
g ~ (t) / j ≔ g (t-1) / j für j ∊ {1, 2} zu verwenden. Der Unterschied zur 1. Variante des erfindungsgemäßen Verfahrens besteht folglich in der möglichen Diskrepanz zwischen
g (t) / j und
g ~ (t) / j. Darüber hinaus hängt der bereits weiter oben definierte Quotient aus Freigabezeit und Umlaufzeit in (2), d. h.
λ (t) / j ≔ g (t) / j/c, in diesem Fall – abweichend von der 1. Variante – unmittelbar von
q (t) / 1 und
q (t) / 2 ab und ist damit bei der Lösung der Gleichung (2) keine Konstante mehr. Insbesondere ergeben sich dadurch anders als in (5) keine zwei separierten Gleichungen, sondern das wesentlich komplexere, gekoppelte nicht-lineare Gleichungssystem
mit den Unbekannten
q (t) / 1 und
q (t) / 2. Gesucht ist dann wie zuvor eine Lösung mit
q (t) / j ∊ ]0, λ (t) / js[ für j ∊ {1, 2} bzw. wegen
λ (t) / j = q (t) / j/(q (t) / 1 + q (t) / 2) äquivalent hierzu:
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Der Raum zulässiger Lösungen ist somit ein offenes Dreieck im ersten Quadranten der q1-q2-Ebene (vgl. 3), wobei hier wie im Folgenden der Zeitindex (t) bei allen in (12) auftretenden Variablen aus Gründen der Übersichtlichkeit unterdrückt werde.
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Für alle zulässigen Paare (q
1, q
2) gemäß (13) gilt dann:
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Ähnlich wie in (9) müssen also für eine nicht-degenerierte Lösung gleichzeitig mindestens die beiden Bedingungen
erfüllt sein. Im nicht-degenerierten Fall mit q
j > 0 für j ∊ {1, 2} muss also mindestens d
1, d
2 > 0 gelten. Ferner liefert (15) die dazu äquivalenten Ungleichungen
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Gleichung (16) impliziert zusammen mit d
1, d
2 > 0 somit direkt eine notwendige Bedingung für die Existenz einer nicht-degenerierten Lösung des Gleichungssystems (12), die nur von den gemessenen, mittleren Verlustzeiten d
1 und d
2 abhängt, nämlich
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Anschaulich bedeutet dies mitunter eine Verkleinerung des Lösungsraums in dem Sinne, dass nicht-degenerierte Lösungen nur innerhalb eines Teilbereichs des zulässigen Dreiecks aus 3 möglich sind. Die zusätzlichen Begrenzungslinien ergeben sich direkt aus (16) und sind in 4 schematisch dargestellt. Dabei gilt, dass eine gemessene, mittlere Verlustzeit d1 < c/2 stets eine Verkleinerung des Lösungsraums aus Richtung der q2-Achse und ein Wert d2 < c/2 eine Verkleinerung aus Richtung der q1-Achse impliziert. Mittlere Verlustzeiten dj ≥ c/2 mit j ∊ {1, 2} führen in Bezug auf nicht-degenerierte Lösungen hingegen zu keiner zusätzlichen Einschränkung des Lösungsraums, da die jeweilige Ungleichung in (16) in diesem Fall automatisch erfüllt ist. Es sei ferner angemerkt, dass der verkleinerte Lösungsraum bei bestimmten Konstellationen aus Werten d1 und d2 zur leeren Menge wird, nämlich genau dann, wenn sich die zusätzliche, obere und untere Begrenzungslinie in 4 kreuzen bzw. äquivalent dazu die Bedingung (17) verletzt ist.
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Seien daher im Folgenden d1, d2 > 0 so, dass (16) erfüllt ist. Ansonsten existieren, wenn überhaupt, nur degenerierte Lösungen des Gleichungssystems (12) und es sollte analog zur 1. Variante ein Default-Ansatz mit geeigneten Mindestfreigabezeiten angewendet werden.
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Gesucht ist also eine Lösung (q
1, q
2) von (12) im gegebenenfalls verkleinerten Lösungsraum gemäß
4. Hierzu betrachtet man zunächst unabhängig von d
1 und d
2 die Funktionswerte der Funktion f aus (12) für alle relevanten Paare (q
1, q
2), wobei sich im Fall der ersten Gleichung aus (12) das in
5 dargestellte Konturdiagramm ergibt. Die zweite Gleichung aus (12) liefert ferner ein vollständig symmetrisches Diagramm (s.
6). Die Höhenlinien
im Lösungsraum gemäß (13) mit
können dabei als Lösungen eines Polynoms 4. Grades beschrieben werden wie sich durch Umformen der Gleichungen in (12) zeigt. Die vollständige Bestimmungsgleichung für die Funktionswerte von
lautet in diesem Zusammenhang
für alle d
j > 0.
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Man kann die eindeutige Existenz von
allerdings auch mit weniger Aufwand zeigen.
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Hierzu bemerkt man, dass für j, k ∊ {1, 2} mit j ≠ k die Funktion
im Intervall [0, s[ streng monoton wachsend in q
j ist mit
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Die äquivalente Umformung der Gleichung f
0(q
j) = d
j zeigt ferner, dass f
0 den Wert d
j > 0 genau an der Stelle
annimmt, die somit eine nicht-triviale Nullstelle der Höhenlinie
auf dem Rand des Lösungsraums gemäß (13) ist. Für q
j ∊ [0, s[ gilt also f
0(q
j) < d
j bzw. f
0(q
j) > d
j genau dann, wenn q
j < n(d
j) bzw. q
j > n(d
j). Nun ist
für beliebiges, aber festes q
j ∊]0, s[ wegen
im Lösungsraum gemäß (13) streng monoton wachsend in q
k-Richtung mit
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Aus Stetigkeits- und Monotoniegründen existiert also für alle q
j ∊]0, n(d
j)[ ein jeweils eindeutiges
sodass
gilt. Für q
j ∊]n(d
j), s[ gibt es ein solches
wegen f
0(q
j) > d
j jedoch nicht. Mit
ist somit die eindeutige Existenz der Höhenlinie als Funktion
mit Funktionswerten derart, dass stets
gilt, gezeigt. Aus der stetigen Differenzierbarkeit der Funktion f aus (26) folgen sogar die Differenzierbarkeit von
auf dem Intervall ]0, n(d
j)[ sowie zusätzlich die Stetigkeit an der Stelle n(d
j).
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5 und
6 implizieren ferner, dass die stetigen Fortsetzungen aller Höhenlinien
für q
j ↓ 0 durch den Ursprung gehen. Um dies zu beweisen, seien wie zuvor j, k ∊ {1, 2} mit j ≠ k. Außerdem sei d
j > 0 beliebig. Wegen (23) und der strengen Monotonie der Funktion f
0 aus (21) existiert dann ein ε ~ > 0 so (klein), dass für alle ε > 0 mit ε <
ε ~ die Ungleichung
gilt. Dann gibt es wegen (32) zu jedem ε > 0 mit ε < ε ~ zusätzlich ein δ > 0, sodass sich für alle δ > 0 mit δ < δ die Abschätzung
ergibt. Beachtet man im Weiteren für beliebiges, aber festes δ > 0 den Grenzwert
so folgt aus der Stetigkeit der Funktion f aus (26) zusammen mit (33) die Existenz eines q ~
j ∊]0, ε[ derart, dass
gilt. Die Höhenlinie h
dj verläuft also stets durch das Rechteck
und der Grenzübergang ε, δ → 0 zeigt, da d
j > 0 beliebig gewählt war, wie behauptet
für alle d
j > 0.
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Der Grenzwert
der Steigung der Höhenlinie im Ursprung zu gegebenem d
j < c/2 mit j ∊ {1‚ 2}, gegeben dessen Existenz, ist im Übrigen identisch mit der Steigung der zugehörigen Begrenzungslinie des nicht-degenerierten Bereichs des Lösungsraums gemäß (16). Allgemein gilt für j ∊ {1, 2}:
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Zum Beweis seien j, k ∊ {1, 2}, sodass j ≠ k. Für die Höhenlinie
gilt dann aufgrund ihres Verlaufs im ersten Quadranten der q
1-q
2-Ebene (unter der Voraussetzung der Existenz des Grenzwertes) automatisch
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Zu unterscheiden sind im Weiteren die beiden Fälle dj ≥ c/2 und dj < c/2.
- i) Sei zunächst dj ≥ c/2. Mit beliebigem m ≥ 0 gilt dann für qk = mqj
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Die Gerade q
k = mq
j ist demnach keine Tangente an die Höhenlinie
im Ursprung, und es folgt
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Aus (38) ergibt sich somit die Behauptung für d
j ≥ c/2, d. h.
- ii) Sei im zweiten Fall dj < c/2. Mitund qk = mqj gilt dann analog zu (39) und aufgrund der strengen Monotonie der Funktion m ↦ m / 1 + m die Ungleichung
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Wiederum ist die Gerade q
k = mq
j keine Tangente an die Höhenlinie
im Ursprung, und gemäß (38) folgt
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Umgekehrt ergibt sich mit
entsprechend
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Zusammen mit (44) gilt also wie behauptet
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Beachtet man dann zu gegebenen d
1, d
2 > 0 die Nullstellen der zugehörigen, stetigen Höhenlinien
und
(inkl. des Ursprungs), so beweist (37) entsprechend der schematischen Zeichnung in
7 die Existenz mindestens eines Schnittpunkts der beiden Höhenlinien und damit die Existenz einer nicht-degenerierten und folglich wegen (16) automatisch im Innern des verkleinerten Lösungsraums liegenden Lösung des Gleichungssystems (12) mit q
1, q
2 > 0, wann immer d
1 ≥ c/2 oder d
2 ≥ c/2 bzw. sonst
gilt (vgl. (17)). Es folgt, dass (17) somit nicht nur eine notwendige, sondern auch eine hinreichende Bedingung für die Existenz einer Lösung des Gleichungssystems (12) ist. Systematische, numerische Testrechnungen belegen darüber hinaus, dass die Höhenlinien
im gesamten Dreieck des Lösungsraums gemäß (13) streng konvexe Funktionen in der Variablen q
j sind. Insgesamt ergibt sich damit letztlich die in
8 skizzierte Situation hinsichtlich der Lage der Lösung des Gleichungssystems (12). Die strenge Konvexität der Höhenlinien impliziert dabei die insofern wichtige Eindeutigkeit der Lösung, als dass anderenfalls die Steuerungsparameter (d. h. Sperr- und Freigabezeiten) gemäß (10) nicht eindeutig definiert wären.
9 zeigt im Übrigen schematisch, warum im Falle der Verletzung der Bedingung (17) keine (nicht-degenerierte) Lösung existiert. Aufgrund ihrer beschriebenen Eigenschaften gibt es in dieser Situation nämlich keinen Schnittpunkt der entsprechenden Höhenlinien im offenen Dreieck des Lösungsraums gemäß (13) bzw.
3.
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Zusammengefasst ist die Bedingung (17) somit ein sehr einfaches Kriterium, mit dem allein auf Basis der gemessenen, mittleren Verlustzeiten entschieden werden kann, ob eine Festlegung der Freigabezeiten der zu steuernden Signalanlage mittels Lösung des Gleichungssystems (12) möglich ist bzw. wann ein Default-Ansatz auf Grundlage vorgegebener Mindestfreigabezeiten erforderlich ist. Die gutartige Struktur des nicht-linearen Problems aus (12) erlaubt zudem die zuverlässige Lösung mittels numerischer Standardmethoden.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 102009033431 B4 [0003, 0003, 0005, 0014]
- DE 102010027327 B3 [0003, 0005]
- EP 1628274 B1 [0003]
- DE 102011107663 B4 [0003, 0005]
- DE 102010018815 A1 [0006]
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Zitierte Nicht-Patentliteratur
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- Oertel, 2011: Verlustzeitbasierte LSA-Steuerung eines Einzelknotens, Straßenverkehrstechnik 9/2011, S. 561–568 [0005]
- Webster, F. V. (1958): Traffic Signal Settings, Road Research Technical Paper No. 39, Her Majesty's Stationery Office, London [0007]
- Webster, 1958 [0013]
- Webster, 1958 [0033]
- Webster, 1958 [0035]