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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Betreiben eines Fahrerassistenzsystems eines Kraftwagens gemäß dem Oberbegriff von Patentanspruch 1 sowie ein derartiges Fahrerassistenzsystem gemäß dem Oberbegriff des Patentanspruchs 3.
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Grundsätzlich ist es bereits bekannt, mittels des elektrophysiologischen Messverfahrens der Elektrogastrographie die Magenaktivität mittels Hautelektroden zu messen. Für die Messung werden Elektroden auf der Hautoberfläche des Bauches in Nähe des Magens angebracht, welche die Bewegungen der Magenmuskulatur messen. Durch die Erfassung der Aktionsströme der Magenmuskulatur können die Muskelkontraktionen des Magens interpretiert werden.
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Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, ein Verfahren zum Betreiben eines Fahrerassistenzsystems eines Kraftwagens sowie ein Fahrerassistenzsystem eines Kraftwagens der eingangs genannten Art derart weiterzuentwickeln, dass es die Fahrtplanung insbesondere bei autonomer Fahrt an die Bedürfnisse der Fahrzeuginsassen anpasst.
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Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß durch ein Verfahren zum Betreiben eines Fahrerassistenzsystems eines Kraftwagens mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 sowie durch ein Fahrerassistenzsystem mit den Merkmalen des Patentanspruchs 3 gelöst. Vorteilhaft Ausgestaltungen der Erfindung sind Gegenstand der abhängigen Ansprüche.
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Ein erster Aspekt der Erfindung betrifft ein Verfahren zum Betreiben eines Fahrerassistenzsystems eines Kraftwagens, bei welchem mittels einer Erfassungseinrichtung spezifische Parameter eines Fahrzeuginsassen erfasst und in Abhängigkeit der erfassten Parameter eine Aktion des Fahrerassistenzsystems veranlasst wird. Mittels der Erfassungseinrichtung kann das Auftreten einer Kinetose eines Fahrzeuginsassen überwacht und bei detektierter Kinetose als Aktion des Fahrerassistenzsystems das Fahrverhalten des Kraftfahrzeugs im autonomen Modus angepasst werden.
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Diese Erfassungseinrichtung kann beispielsweise Sensoren umfassen, welche die Muskelkontraktionen des Magens wenigstens eines Fahrzeuginsassen messen. Dazu müssen die Sensoren auf der Hautoberfläche des Bauches in Nähe des Magens der Fahrzeuginsassen angebracht werden. Die von den Sensoren erfassten Daten zur Muskelkontraktion des Magens des Fahrzeuginsassen werden an das Fahrerassistenzsystem weitergeleitet. Das Fahrerassistenzsystem zeichnet die von den Sensoren gesendeten Daten auf und speichert diese wenigstens vorübergehend. Anhand der von den Sensoren an das Fahrerassistenzsystem gesendeten Daten sowie in Kombination mit im Fahrerassistenzsystem hinterlegten Daten kann das Fahrerassistenzsystem ermitteln, ob bei einem der Fahrzeuginsasse mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit eine sogenannte Kinetose, auch Reisekrankheit genannt, auftritt oder zeitnah auftreten wird.
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Alternativ kann die Erfassungseinrichtung in Kombination mit dem Fahrerassistenzsystem anhand der Herzfrequenz, der Schweißbildung auf der Stirn, der Gesichtsfarbe, den Bewegungen, auftretendem Gähnen oder einer Kombination dieser Indikatoren den Gesundheitszustand wenigstens eines der Fahrzeuginsassen bezüglich einer Kinetose überwachen. Hierbei kann die Erfassungseinrichtung die Herzfrequenz wenigstens eines der Fahrzeuginsassen mittels Elektrokardiografie überwachen. Zur Untersuchung der Schweißbildung auf der Stirn wenigstens eines der Fahrzeuginsassen kann der Hautleitwert aufgezeichnet werden. Für die Überwachung der Gesichtsfarbe, der Bewegungen oder auftretendem Gähnens wenigstens eines der Fahrzeuginsassen können im Fahrzeug Kameras angebracht werden.
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Wird bei einem Fahrzeuginsassen eine Kinetose detektiert, so kann durch eine Anpassung des Fahrverhaltens eine weitere Verschlechterung des Gesundheitszustandes dieses Fahrzeuginsassen verhindert beziehungsweise der Gesundheitszustand eventuell sogar wieder verbessert werden. Dies kann beispielsweise durch Veränderung des Lenkverhaltens beziehungsweise durch Anpassen des Brems- und Beschleunigungsverhaltens erfolgen. Die kurzfristige Planung des Fahrverhaltens, was unter anderem das Brems- und Beschleunigungsverhalten einschließt, durch den autonomen Fahrmodus wird als Trajektorienplanung bezeichnet. Durch die Veränderung der Trajektorienplanung sollen somit weniger Brems- und Beschleunigungsvorgänge durchgeführt werden sowie übermäßige Bewegungen des Sitzinsassen durch sehr schnell gefahrene enge Kurven vermieden werden. Dies bewirkt eine geringere Abweichung zwischen den visuellen und vestibulären Reizen, die zu Kinetose führen wenn der Fahrer beispielsweise ein Display betrachtet oder die Sicht nach außen eingeschränkt ist.
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Insgesamt ist somit erkennbar, dass durch die Erfindung eine Kinetose vermindert werden kann, indem eine Echtzeiterfassung des Passagierzustandes erfolgt. Durch die Messung des Passagierzustandes wenigstens eines Fahrzeuginsassen kann somit eine Aussage über dessen Zustand bezüglich des Eintretens von Symptomen der Kinetose erfolgen und sehr früh eine Aussage über den Passagierzustand bezüglich Kinetose getroffen werden.
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In vorteilhafter Ausgestaltung besteht die Aktion des Fahrerassistenzsystems, bei einer detektierten Kinetose eines der Fahrzeuginsassen, aus einer Veränderung der Streckenplanung. Dies schließt die Entscheidung des Fahrerassistenzsystems ein, ob verschiedene Streckenabschnitte auf der Autobahn, auf der Schnellstraße oder auf der Landstraße zurückgelegt werden sollen. Im autonomen Fahrmodus des Fahrerassistenzsystems kann eine detektierte Kinetose auch Einfluss auf das Einleiten eines Überholvorganges haben. So kann das Fahrerassistenzsystem beispielsweise bei detektierter Kinetose eines Fahrzeuginsassen entscheiden, dass ein Überholvorgang, der unter normalen Umständen durchgeführt werden würde, nicht eingeleitet wird. Dies soll verhindern, dass sich der Gesundheitszustand des Fahrzeuginsassen, bei welchem eine Kinetose detektiert wurde, nicht weiter verschlechtert.
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Vorteile und vorteilhafte Ausgestaltungen des ersten Aspekts der Erfindung sind als Vorteile und vorteilhafte Ausgestaltungen des zweiten Aspekts der Erfindung anzusehen und umgekehrt.
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Der zweite Aspekt der Erfindung betrifft ein Fahrerassistenzsystem eines Kraftwagens, mit einer Erfassungseinrichtung, mittels welcher spezifische Parameter eines Fahrzeuginsassen erfassbar sind. Zur optimalen Erfassung der Magenaktivität der Fahrzeuginsassen sollen die Erfassungseinrichtungen, welche Sensoren umfassen kann, auf der Hautoberfläche des jeweiligen Fahrzeuginsassen in Nähe des Magenbereichs angebracht werden. Über die von den Sensoren erfassten und an das Fahrerassistenzsystem übermittelten Werte kann das Fahrerassistenzsystem den Zustand der Fahrzeuginsassen hinsichtlich Kinetose überwachen. Bei detektierter Kinetose kann das Fahrerassistenzsystem das Fahrverhalten durch eine Änderung der sogenannten Trajektorienplanung an den Gesundheitszustand der Fahrzeuginsassen anpassen. Diese sogenannte Trajektorienplanung umfasst die Streckenplanung, sowie das Lenkverhalten und das Brems- und Beschleunigungsverhalten. Über die Anpassung der Trajektorienplanung im autonomen Modus des Fahrerassistenzsystems kann eine weitere Verschlechterung des Gesundheitszustandes eines der Fahrzeuginsassen vermieden werden.
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In vorteilhafter Ausgestaltung ist die Erfassungseinrichtung eine in wenigstens einen Bauchgurt des Kraftwagens integrierbare Sensorik. Aufgrund der Gurtpflicht in Deutschland sind sämtliche Fahrzeuginsassen dazu verpflichtet, während der gesamten Fahrtdauer den Gurt zu tragen. Wird dieser Gurt so angelegt, dass die in dem Gurt integrierte Erfassungseinrichtung auf der Hautoberfläche in Nähe der Magengegend der jeweiligen Fahrzeuginsassen angebracht ist, so kann über die gesamte Fahrtdauer der Gesundheitszustand bezüglich Kinetose der Fahrzeuginsassen durch das Fahrerassistenzsystem überwacht werden.
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In weiterer vorteilhafter Ausgestaltung umfasst die Erfassungseinrichtung eine in wenigstens ein am Körper zu tragendes Accessoire oder Kleidungsstück, welches mit dem Kraftfahrzeug verbindbar ist, integrierbare Sensorik. Dabei kann es sich beispielsweise um einen Bauch- oder Nierengurt handeln, welcher nach dem Einsteigen in das Fahrzeug mit dem Fahrerassistenzsystem verbunden wird. Die Verbindung zwischen der Erfassungseinrichtung und dem Fahrzeug kann entweder über Funk, Bluetooth, über WLAN, über eine Kabelverbindung oder über sonstige Verbindungen erfolgen. Bei dem am Körper zu tragenden Accessoire oder Kleidungsstück kann es sich insbesondere um ein sogenanntes „intelligentes“ Kleidungsstück handeln.
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Durch die mittels der im Gurt integrierten Sensorik getroffene Aussage des Fahrerassistenzsystems zum Gesundheitszustand der Fahrzeuginsassen bezüglich Kinetose ist der Einsatz von situativen Stellhebeln zur Kinetosevermeidung möglich. Im Unterschied zu dauerhaft eingesetzten Stellhebeln, wie zum Beispiel Scheibenposition und -größe, haben solche situativen Stellhebel zusätzliche Auswirkungen auf den Passagier. Dies bedeutet, dass eine Änderung der Trajektorienplanung zur Verminderung der Beschleunigungsraten ebenfalls die Geschwindigkeit des Kraftfahrzeuges minimiert und damit die Fahrzeit zum Ziel erhöht.
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Weitere Merkmale der Erfindung ergeben sich aus den Ansprüchen, den Figuren und der Figurenbeschreibung. Die vorstehend in der Beschreibung genannten Merkmale und Merkmalskombinationen sowie die nachfolgend in der Figurenbeschreibung genannten und/oder in der einzigen Figur alleine gezeigten Merkmale und Merkmalskombinationen sind nicht nur in der jeweils angegebenen Kombination, sondern auch in anderen Kombinationen oder in Alleinstellung verwendbar.
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Die Erfindung wird nun anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels sowie unter Bezugnahme auf die Zeichnungen näher erläutert.
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Weitere Einzelheiten der Erfindung ergeben sich aus der nachfolgenden Beschreibung bevorzugter Ausführungsbeispiele mit der zugehörigen Zeichnung. Dabei zeigt die einzige Figur eine schematische und ausschnittsweise Darstellung des Fahrerraums in einem Kraftfahrzeug.
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In der einzigen Fig. ist der Fahrzeuginnenraum im Fahrerbereich 1 eines Fahrzeugs schematisch und ausschnittsweise gezeigt. Hierbei ist sowohl das Cockpit als auch der Fahrersitz gezeigt. Ein Sicherheitsgurt 2 des Fahrersitzes umfasst dabei in demjenigen Bereich, der bei Anlegen des Sicherheitsgurtes 2 als sogenannter Beckengurt beziehungsweise Bauchgurt dient und mit dem Magenbereich des jeweiligen Fahrzeuginsassen in Berührung kommt, eine Sensorik 3. Diese Sensorik 3 umfasst mehrere Einzelsensoren 4, welche bei Auflage auf der Hautoberfläche in Nähe der Magengegend eines der Fahrzeuginsassen die Magenaktivität erfassen können. Die mit dieser Sensorik 3 gemessenen Daten können an ein Fahrerassistenzsystem 5 des Kraftwagens übertragen werden. Das Fahrerassistenzsystem 5 ist in der Fig. lediglich schematisch angedeutet. Die Weiterleitung der Daten von den Einzelsensoren 4 an das Fahrerassistenzsystem 5 kann auf unterschiedlichen Wegen erfolgen. So können die Daten beispielsweise über Funk, über Bluetooth, über WLAN oder über andere Übertragungsmöglichkeiten gesendet werden.
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Eine weitere Möglichkeit die Magenaktivität der Fahrzeuginsassen zu erfassen wäre, die Erfassungseinrichtung beziehungsweise Sensorik 3 in ein am Körper zu tragendes Accessoire oder Kleidungsstück einzubringen. Beispielsweise wäre hierzu ein Bauchbeziehungsweise Nierengurt denkbar. Über beispielsweise einen Sender könnten die Daten von der Erfassungseinrichtung an das Fahrzeug mittels eines schematisch dargestellten Empfängers 6 übertragen werden. Von diesem Empfänger 6 können die Daten innerhalb des Fahrzeuges an das Fahrerassistenzsystem 5 übertragen werden.
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Die im Fahrerassistenzsystem gesammelten Daten kann das Fahrerassistenzsystem dazu verwenden, den Gesundheitszustand der Fahrzeuginsassen zu überwachen. Verschlechtert sich der Gesundheitszustand der Fahrzeuginsassen, so kann das Fahrerassistenzsystem im Falle einer Kinetose dies über die durch die Erfassungseinrichtung erfassten und an das Fahrerassistenzsystem weitergeleiteten Daten detektieren. Diese Detektion kann entweder im Vergleich mit hinterlegten Daten, oder mit Daten, die im Fahrtverlauf gesammelt worden sind, erfolgen.
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Im Falle einer detektierten Kinetose bei einem der Insassen des Kraftfahrzeugs, insbesondere des Fahrers, durch das Fahrerassistenzsystem kann das Fahrerassistenzsystem insbesondere im autonomen Modus das Fahrverhalten anpassen. Dies kann sich in einer Veränderung des Brems- und Beschleunigungsverhaltens niederschlagen. Darüber hinaus kann das Lenkverhalten beeinflusst werden. Auch kann das Fahrerassistenzsystem 5 in Abhängigkeit des Gesundheitszustandes der Fahrzeuginsassen entscheiden, ob die Einleitung eines Überholvorganges eine detektierte Kinetose weiter verschlimmern könnte. Der Gesundheitszustand der Fahrzeuginsassen kann ebenfalls bei der Streckenplanung durch das Fahrerassistenzsystem miteinbezogen werden. Das Fahrerassistenzsystem kann bei der Streckenplanung auf unterschiedliche Streckentypen zurückgreifen. Beispielsweise kann das Fahrerassistenzsystem die Strecke durch eine Ortschaft, über eine Landstraße, über eine Schnellstraße oder über eine Autobahn planen.
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Bei einer bei einem der Fahrzeuginsassen aufgetretenen Kinetose kann das Fahrerassistenzsystem sich dafür entscheiden, einen Umweg beispielsweise über eine Autobahn oder eine Schnellstraße in Kauf zu nehmen, wenn dadurch vermieden werden kann, dass der an Kinetose erkrankte Fahrzeuginsasse an sich intensivierender Kinetose leiden muss aufgrund der zahlreichen Brems- und Beschleunigungsvorgänge beziehungsweise der Beschleunigung in Kurven auf Landstraßen oder innerorts. Das Fahrerassistenzsystem kann auch über mehrere dieser genannten Stellhebel gemeinsam das Fahrverhalten so beeinflussen, dass sich der Zustand des unter Kinetose leidenden Fahrzeuginsassen nicht weiter verschlechtert. Zusammengefasst kann das Brems- und Beschleunigungsverhalten, die Streckenplanung, das Lenkverhalten und das Planen der Überholvorgänge als Trajektorienplanung bezeichnet werden.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Fahrzeuginnenraum
- 2
- Gurt
- 3
- Sensorik
- 4
- Einzelsensoren
- 5
- Fahrerassistenzsystem
- 6
- Empfänger