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Die Erfindung betrifft das Gebiet der Verbindung von Bauteilen. Dabei sind jegliche Arten von mechanischen Verbindungen eingeschlossen, wie form-, kraft- oder stoffschlüssige Verbindungen oder eine Kombination derer. Beispiele sind Schraubverbindungen, Schweißverbindungen, Klemmverbindungen, Klebeverbindungen, Pressverbindungen und Steckverbindungen. Die Bauteile können aus jeglichem Material bestehen, zum Beispiel aus Stahl, Eisen, Kunststoff. Dabei können die beteiligten Bauteile aus unterschiedlichen Materialien bestehen, das heißt ein Bauteil aus einem ersten Material, und ein anderes Bauteil aus einem zweiten Material. Eine Baueinheit kann auch eine Vielzahl von einzelnen Bauteilen umfassen.
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Verbindungen der genannten Typen werden immer häufiger angewandt und erlangen immer größere Bedeutung. So werden zum Beispiel auch solche Bauteile durch Kleben miteinander verbunden, die hohe mechanische Belastungen aufnehmen müssen, und zwar nicht nur die Bauteile, sondern bei einer Klebeverbindung auch die Verbindung selbst. In Betracht kommen zum Beispiel Turbinen und deren Teile. So werden von Turbinenschaufeln durch Schlageinwirkung abgebrochene Teile wieder angeklebt oder zusammengeklebt. Bei Anwendung moderner Klebstoffe hält die Klebeverbindung höheren Kräften stand, als die zusammengeklebten Bauteile.
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Je nach Belastungsfall können auf eine Baueinheit aus zusammengefügten Bauteilen außerordentlich hohe Kräfte wirken, und zwar nicht nur auf die Baueinheit, sondern auch auf die Verbindungsmittel. Über kurz oder lang können solche Kräfte je nach Belastungsfall und kumulierter Betriebsdauer zu einem Schwächen der Verbindung führen, in anderen Worten der Haltekraft der Verbindung. Die Ursachen hierfür können sein:
- - mechanische oder thermische Wechselbelastungen
- - Schwingungen
- - Deplatzieren von Bauteilen relativ zueinander
- - Materialzersetzungen
- - und anderes.
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Die Folgen des Ausfalls einer Verbindung können katastrophal sein. Ein frühzeitiges Erkennen ist daher fundamental wichtig.
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US 6 428 202 B1 beschreibt ein Prüfverfahren für eine Gut-Schlecht-Kontrolle. Damit lässt sich jedoch nicht der Zustand einer Fügeverbindung erkennen.
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RU 2 330 271 C1 beschreibt eine Vorrichtung, bei welcher Wärme mit einem elektrischen Heißluftgebläse in eine Baueinheit eingeführt wird. Dabei ist die Wärmemenge nicht genau bekannt. Ein Erfassen der Festigkeitsverhältnisse ist nicht möglich.
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Zum Thema der zerstörungsfreien Prüfung von Fügeverbindungen sind die folgenden Druckschriften bekannt geworden:
- DE 32 17 906 A1 . Hierbei werden Wärmewellen für ein Abbildungsverfahren erzeugt, bei welchem die Strukturen von Objekten sichtbar gemacht werden.
- DE 10 2011 018 263 A1 beschreibt ein Verfahren zur thermografischen Qualitätsanalyse einer Klebverbindung.
- US 2014/0236528 A1 beschreibt ein Messverfahren zum Erfassen eines thermischen Widerstandes.
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Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren und eine Vorrichtung anzugeben, womit die Qualität einer Fügeverbindung zwischen zwei oder mehreren Bauteilen zerstörungsfrei erfasst werden kann. Die Aufgabe besteht darin, eine gealterte Fügeverbindung mit ihrem Neuzustand zu vergleichen oder zur Qualitätssicherung des Herstellprozesses die Fügeverbindung mit der Fügeverbindung eines Gut-Teils zu vergleichen.
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Diese Aufgabe wird mittels eines Verfahrens beziehungsweise einer Vorrichtung gemäß der selbständigen Ansprüche gelöst.
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Die Erfindung beruht auf der folgenden Überlegung:
- Die Qualität der Fügeverbindung kann sich im Laufe der Betriebsdauer der Baueinheit verschlechtern. Zum Beispiel können sich der Spalt oder die Spalte zwischen zusammengefügten Bauteilen vergrößern oder ungleichförmig werden. Während des Herstellungsprozesses können Qualitätsprobleme eine minderwertige Fügeverbindung verursachen. Damit wird ein Wärmefluss, der von einem Bauteil über die Fügeverbindung strömt, behindert. Wird in eines der Bauteile der Baueinheit ein Wärmestrom eingespeist, so kann dieser bei einer Fügeverbindung verminderter Qualität in geringerem Maße zum anderen Bauteil überströmen. Es wird sich somit das Bauteil, an dem der Wärmestrom eingeprägt wird, schneller und/oder auf einen höheren Temperaturwert aufheizen, als bei einer völlig intakten Fügeverbindung.
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Der Erfinder schlägt daher vor, zum Erfassen der Qualität der Fügeverbindung das Wärmetransportverhalten auszunutzen.
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Um dies zu verwirklichen, sind mehrere Ausführungen denkbar. So kann beispielsweise ein definierter Wärmestrom einem ersten Bauteil eingespeist werden. Bei qualitativ hochwertigen Fügeverbindungen wird der Wärmepfad nicht unterbrochen und nur wenig eingeschränkt vom ersten zum zweiten Bauteil. Im ersten Bauteil wird die Temperatur somit nach Beginn des Einleitens des Wärmestroms nur einen verhältnismäßig geringen Wert annehmen, weil die Wärme leicht zum zweiten Bauteil überströmen kann.
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Gemäß einer zweiten Ausführungsform der Erfindung wird wiederum der resultierende Temperaturverlauf gemessen. Jedoch findet die Temperaturmessung im zweiten Bauteil statt. Ist die Fügeverbindung noch weitgehend in Ordnung, so wird sich das zweite Bauteil relativ schnell auf einen hohen Temperaturwert aufheizen. Hier ist der hohe Temperaturwert wiederum ein Maß für eine noch intakte Fügeverbindung.
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Zusammenfassend ausgedrückt, beruht die Erfindung darauf, dass an einer Stelle der Baueinheit ein Wärmestrom eingespeist wird und an derselben oder einer anderen definierten Stelle der Baueinheit der resultierende, zeitliche Temperaturverlauf gemessen wird. Aus diesem Temperaturverlauf lässt sich quantitativ der thermische Widerstand der Fügeverbindung berechnen. Dieser ist ein direktes Maß für den Zustand der Fügeverbindung.
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Die Erfindung ist anhand der Zeichnung näher erläutert. Darin ist im Einzelnen Folgendes dargestellt:
- 1 zeigt eine Baueinheit, umfassend eine ebene Platte sowie eine mit dieser verschraubten Schraube.
- 2 ist eine 3D-Ansicht eines Messkopfes, links in Draufsicht und rechts von unten gesehen.
- 3 ist ein Diagramm, das die Heizleistung P zeigt, die in die Baueinheit eingespeist wird. In diesem Beispiel ist die Heizleistung konstant.
- 4 zeigt die resultierende Temperaturerhöhung T(t) an einer definierten Stelle eines Bauteils der Baueinheit. In diesem Beispiel bezieht sich die Temperaturerhöhung auf die Einspeisestelle der Heizleistung.
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1 zeigt die beiden Bauteile Schraube 1 und Platte 2. Schraubenkopf 1.1 wird mit einer konstanten Leistung P beheizt, und die Temperaturerhöhung T wird gleichzeitig gemessen.
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Es versteht sich, dass statt der hier gewählten Schraubverbindung jegliche andere Verbindungsart zwischen Bauteilen gewählt werden kann. Beim vorliegenden Ausführungsbeispiel geht es um zwei Bauteile, nämlich die Schraube 1 und die Platte 2 über ein Gewinde zwischen diesen beiden. Die Schraube 1 hat ein normales Außengewinde, und die Platte 2 ein hierzu passendes Innengewinde. Die Schraube hat einen Sechskant-Schraubenkopf 1.1.
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Messkopf 3 ist an den Prüfling angepasst. Demgemäß weist in diesem Beispiel der Messkopf 3 eine sechseckige Aussparung auf, die dem Sechskantkopf 1.1 der Schraube 1 entspricht. Somit lässt sich Messkopf 3 dem Schraubenkopf 1.1 überstülpen. Es ergibt sich ein relativ strammer Sitz des Messkopfes 3 derart, dass der Messkopf 3 ohne großen Kraftaufwand vom Schraubenkopf 1.1 wieder entfernbar ist.
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Im Falle einer flachen Probe kann der Messkopf beispielweise als Zange ausgeführt sein. Die Heizquelle kann ein elektrischer Widerstand oder ein Halbleiterbauelement sein. Es kann aber auch ohne äußere Wärmequelle gearbeitet werden, indem man an den Prüfling - hier die Schraube 1.1 - eine elektrische Stromquelle anlegt. Die Temperaturerhöhung des Prüflings lässt sich über die Spannungsänderung mit 4-Leitertechnik messen. Durch vorausgehende Kalibrierung ergibt sich der Zusammenhang zwischen der gemessenen Spannungsänderung und der Erwärmung des Prüflings.
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Der Messkopf 3 ist nach außen hin wärmeisoliert.
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Die eingespeiste Heizleistung ergibt sich aus der angelegten Heizspannung und dem Heizstrom. Zusätzlich kann der Wärmestrom mit einem Wärmestromsensor im Messkopf bestimmt werden.
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Der Temperatursensor im Messkopf 3 erfasst die Erwärmung durch die eingespeiste Heizleistung. Alternativ hierzu kann auch die Abkühlung als Antwort auf das Heizsignal gemessen werden.
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3 veranschaulicht das Aufheizen des Schraubenkopfes 1.1 durch Einspeisen von Wärmeenergie konstanter Leistung P. Gleichzeitig wird gemäß 4 der Verlauf der Temperatur T über der Zeit t gemessen. Das Bestimmen des thermischen Wiederstandes der Fügeverbindung aus dem Temperaturverlauf T(t) kann dann entfallen, wenn die Fügeverbindung nur qualitativ untersucht werden soll.
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Das Heizsignal kann abhängig vom Aufbau einer beliebigen Funktion der Zeit sein. Es kann zum Beispiel pulsartig, periodisch oder stationär sein. Es kann als Heizleistung oder als Temperatur-Randbedingung aufgeprägt werden.
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Aus der Aufheizkurve der Probe lassen sich mit einem mathematischen Algorithmus detailliert die einzelnen thermischen Widerstände des gesamten thermischen Pfades berechnen: Neben dem thermischen Widerstand der Festkörper im Wärmepfad liefert die Messmethode auch den thermischen Widerstand der Kontaktstellen der Verschraubung. Als mathematische Methoden für die Berechnung der thermischen Widerstände und Wärmekapazitäten im Wärmepfad aus der thermischen Antwort stehen drei Methoden zur Verfügung:
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Anpassungsmethode basierend auf einem RC-Modell
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Die Probe einschließlich der Fügestelle wird mit einem RC-Netzwerk modelliert. Damit wird die thermische Antwort auf das eingeprägte Heizsignal berechnet. Die R- und C-Werte in der berechneten Kurve werden für eine optimale Übereinstimmung der berechneten Kurve mit der Messkurve mit einem Fitalgorithmus angepasst.
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Anpassungsmethode basierend auf einer numerischen Berechnung
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Die Probe einschließlich der Fügeverbindung wird in einem CAD-System modelliert und die thermische Antwort auf das eingeprägte Heizsignal numerisch berechnet. Die R- und C-Werte der Festkörper und der Kontaktstelle im Wärmepfad sind dabei Funktionsparameter. Für eine optimale Übereinstimmung zwischen der berechneten und der gemessenen Kurve werden die R- und C-Werte im Simulationsmodell durch einen mathematischen Algorithmus angepasst.
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I.D.-Methode (Network Identification by Deconvolution)
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Im Fall eines eindimensionalen Wärmepfades können mit einer mathematischen Entfaltungs-Operation aus der Messkurve die R- und C-Werte der einzelnen Komponenten im Wärmepfad berechnet werden.
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Andere Verfahren zur Charakterisierung von Fügeverbindungen sind:
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Lock-In-Thermografie
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Die Lock-In-Thermografie ist ein bildgebendes Verfahren für die zerstörungsfreie Werkstoffprüfung [1]. Dabei wird eine Probe kontaktlos, zum Beispiel mit einem Laser, erwärmt und die resultierende Temperaturverteilung in der Probe mit einer Wärmebildkamera betrachtet. Aus der Temperaturverteilung kann auf etwaige Fehler im Gefüge oder dem Aufbau der Probe geschlossen werden. Bei der Messung mit der Lock-In-Thermografie sind nur qualitative Aussagen über die Werkstoff- und Systemeigenschaften möglich.
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In [2] wird die Induktions-Puls-Phasen-Thermografie beschrieben. Bei dieser Methode wird die Probe induktiv erwärmt. In [3] ist ein Verfahren zur impulsthermografischen Qualitäts- und Fehlerklassifikation einer Fügeverbindung im KFZ-Bereich patentrechtlich geschützt.
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Bei beiden Methoden ist keine quantitative Aussage über die thermischen Widerstände möglich.
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Messung des ohmschen Widerstandes
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Eine Fügeverbindung, die aus elektrischen Leitern besteht, kann durch die Messung des ohmschen Widerstandes untersucht werden. Zum Beispiel haben lockere Schraubverbindungen einen höheren ohmschen Widerstand im Vergleich zu festen Verbindungen. Bei sensibler Messtechnik in 4-Leiterschaltung lässt sich eine Korrelation zwischen dem ohmschen Widerstand und dem Anzugsmoment der Verschraubung feststellen. Nachteilig ist, dass die Fügeverbindung für den Stromein- und -austritt an zwei Stellen kontaktiert werden muss. Außerdem kann mit dieser Messtechnik die Fügeverbindung nur als Ganzes bewertet werden. Eine örtliche Auflösung ist nicht möglich. In Frage kommen bei der Methode nur elektrische Leiter.
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Thermisches Transientenverfahren für elektronische Bauelemente
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In [4] und [5] wird ein Verfahren für die thermische Analyse von Wärmepfaden in der Elektronik beschrieben. Dabei wird die Sperrschicht eines Halbleiters mit konstanter Leistung beheizt und gleichzeitig an derselben Sperrschicht die Spannungsänderung gemessen. Durch vorausgehendes Kalibrieren kann so die Aufheizkurve des Halbleiters bestimmt werden. Alternativ dazu kann die Abkühlkurve des Bauelementes gemessen werden. Die Aufheiz- oder Abkühlkurve des Systems wird in eine sogenannte Strukturfunktion umgerechnet. Diese bildet den realen Wärmepfad von der Wärmequelle bis zur Umgebung ab. Aus der Strukturfunktion lassen sich die thermischen Widerstände und Kapazitäten der unterschiedlichen Materialien im Wärmepfad ablesen.
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Das Thermische Transientverfahren ist auf elektronische Bauelemente beschränkt. Als Heiz- und Messelement nutzt es die Sperrschicht eines Halbleiters.
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Anwendungsgebiete der Erfindung
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Mit dem Mess- und Prüfverfahren sollen Fügeverbindungen in der Mechanik, Elektronik, Mechatronik und Mikrosystemtechnik untersucht werden. Ziel ist es, mit Hilfe des thermischen Widerstandes der Verbindung eine präzise quantitative Aussage über deren Zustand zu bekommen. Das Verfahren bietet sich zum Beispiel in der Qualitätskontrolle an, besonders bei der Überprüfung sicherheitsrelevanter Verbindungen. Damit entfällt in manchen Fällen der routinemäßige Austausch teurer Baugruppen aufgrund eines abgelaufenen Wartungsintervalls. Der Austausch wird erst notwendig, wenn die Messung eine Veränderung der Fügeverbindung zeigt. Die Lebensdauervorhersage wird damit zu einem wichtigen Anwendungsgebiet.
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Weitere Anwendungsbeispiele sind zum Beispiel die Charakterisierung von
- - Schraubverbindungen sicherheitsrelevanter Bauelemente
- - Löt- und Klebeverbindungen in der Elektronik und Mikrosystemtechnik
- - Einpressverbindungen in der Elektronik
- - Kunststoffschweißverbindungen
- - elektrischen Steckverbindungen.
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Vorteile gegenüber herkömmlichen Verfahren
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Das vorgeschlagene Verfahren bietet gegenüber den herkömmlichen Verfahren folgende Vorteile:
- - Es ist für elektrisch leitende und nicht leitende Werkstoffe und Verbindungen anwendbar, zum Beispiel auch KunststoffSchweißverbindungen oder Klebeverbindungen.
- - Es hat eine hohe Empfindlichkeit von bis zu 0,01 K/W. Kleine Veränderungen der Fügestelle sind erkennbar und quantifizierbar. Es ist für Lebensdaueruntersuchungen sicherheitsrelevanter Teile geeignet.
- - Es muss nur eine Seite der Probe, zum Beispiel der Schraubenkopf, kontaktiert werden. Dies kann bei schwer zugänglichen Stellen ein entscheidender Vorteil sein.
- - Inline-Messungen sind möglich, zum Beispiel in der Fertigungskontrolle.
- - Das Verfahren arbeitet zerstörungsfrei.