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Gebiet der Erfindung
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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines Formkörpers, welcher mindestens zu 90 Gew.-%, bezogen auf seinen Feststoffgehalt, aus Glaskeramik besteht, mit komplexer Geometrie, beispielsweise von filigranen Strukturen oder Hinterschneidungen, sowie einen solcherart hergestellten Formkörper.
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Hintergrund der Erfindung
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Glaskeramiken, speziell Glaskeramiken, welche eine sehr geringe thermische Wärmedehnung aufweisen, beispielsweise sogenannte „LAS“- oder Lithium-Aluminium-Silikat-Glaskeramiken, finden seit einer Vielzahl von Jahren Verwendung. Beispielsweise werden Spiegelträgersubstrate für Teleskope oder sonstige optische Anwendungen, beispielsweise in der Lithographie, hergestellt.
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Üblicherweise werden Glaskeramiken erhalten durch einen Schmelzprozess mit einer anschließenden Heißformgebung, beispielsweise in Form eines Gusses in eine Form, Walzprozess oder ähnliches. Auf diese Weise entsteht zunächst ein Formkörper, beispielsweise ein Block oder ein Band, aus einem keramisierbaren Glas oder Grünglas, welches in einer nachfolgenden Temperaturbehandlung, die auch als Keramisierung bezeichnet wird, in eine Glaskeramik umgewandelt wird. Sofern der Formkörper aus Grünglas vorliegt, wird er im Rahmen der vorliegenden Erfindung auch als Grünkörper bezeichnet.
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Zwischen der Heißformgebung und der nachfolgenden Keramisierung liegen dabei oft weitere Verarbeitungsschritte. Beispielsweise kann durch mechanische Verarbeitungsschritte eine bestimmte vorgegebene Form oder Geometrie erhalten werden, indem Teile des ursprünglichen Grünkörpers abgetragen werden, beispielsweise durch Fräsen oder Bohren. Weiterhin ist es möglich, das Grünglas vor der Keramisierung zu beschichten, beispielsweise durch Auftrag einer Druckfarbe.
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Eine Glaskeramik ist somit ein Material, welches im Gegensatz zu einer Keramik zunächst aus einer homogenen flüssigen Phase, beispielsweise einer Glasschmelze, als amorpher Festkörper erhalten und anschließend erst einer gezielten Kristallisation unterworden wird. Dabei liegt auch nach erfolgter Keramisierung weiterhin ein Teil des Materials glasig vor, wobei allerdings bis zu 90 Vol.-% des Materials von Kristallen gebildet werden.
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Die beschriebenen herkömmlichen Methoden zur Einstellung einer bestimmten Geometrie des Grünkörpers weisen dabei allerdings eine Reihe von Nachteilen auf.
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Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn die Herstellung eines glaskeramischen Formkörpers in einer sogenannten „Leichtgewichtsstruktur“ gewünscht ist. Bei einer solchen Leichtgewichtsstruktur werden große Teile des ursprünglichen Formkörpers dergestalt abgetragen, dass weiterhin eine mechanisch stabile Form vorliegt, allerdings eine Gewichtsreduktion um bis zu 90 % erzielt wird. Beispielsweise werden in Spiegelträgersubstraten oft wabenförmige Aussparungen erzeugt.
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Solche nachgeschalteten Formgebungsprozesse, welche aus einem nachträglichen Materialabtrag bestehen, haben also einen hohen Arbeitsaufwand zu Folge. Weiterhin fällt ein Großteil des ursprünglich erschmolzenen Materials als Abfall an. Darüber hinaus ist auf diese Weise eine Herstellung eines Formkörpers aus Glaskeramik mit komplexer Geometrie, beispielsweise in Form von Hinterschneidungen, filigranen dreidimensionalen Netzstrukturen oder inneren Hohlräumen, nicht möglich.
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Eine Herstellung solcher Strukturen erscheint allerdings zumindest prinzipiell dann möglich, wenn anstelle eines festen Formkörpers, der aus einer Schmelze erhalten und durch anschließenden, beispielsweise mechanischen, Abtrag in Form gebracht wird, ein Formkörper generativ hergestellt wird.
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Bei den sogenannten generativen Herstellungsverfahren, die auch als „Additive Manufacturing“ oder dreidimensionales Drucken bezeichnet werden, handelt es sich um Herstellungsverfahren, bei welchen die Geometrie des zu formenden Körpers als dreidimensionales Modell, das aus einer Vielzahl von Lagen aufgebaut ist, vorgegeben ist. Der Formkörper wird dann durch lageweisen Aufbau hergestellt, beispielsweise indem eine Pulverlage vorgelegt wird, die in den vom Modell vorgegebenen Bereichen verdichtet wird, beispielsweise durch selektives Aufschmelzen oder Sintern der einzelnen Partikel in diesen Bereichen durch einen Laser (sogenanntes Selektives Laser-Sintern SLS).
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Zwar erscheint ein solches Verfahren prinzipiell auch für die generative Herstellung eines Körpers mit komplexer Geometrie aus Glaskeramik geeignet, in der Praxis erwies sich ein solches Verfahren jedoch bisher als nicht durchführbar:
- - Unter Verwendung von Glaskeramikpartikeln ist ein selektives Sintern der Partikel nicht möglich, da hierfür die erforderlichen Schmelzpunkte der kristallinen Bestandteile nicht oder nicht in ausreichendem Maße zu Erstellung eines mechanisch stabilen Formkörpers erreicht werden können.
- - Der Wärmeeintrag in das Material erfolgt weiterhin unkontrolliert in dem Sinne, dass es sowohl bei Verwendung von Pulvern aus Grünglas als auch bei Glaskeramikpulvern zu einer unkontrolliert fortschreitenden Kristallisation kommt und die Vorteile des glaskeramischen Werkstoffes, die sich aus seiner komplexen Mikrostruktur, beispielsweise dem Vorliegen von Kristalliten mit einer engen Größenverteilung, nicht realisiert werden konnten.
- - Die unkontrollierte Kristallisation wird weiterhin dadurch verstärkt, dass durch die Bereitstellung des Grünglases als Pulver neue, veränderte Bedingungen für die Kristallisation gegeben sind.
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WO 2015 / 073 081 A1 betrifft ein Verfahren zum Verdichten einer pulverförmigen Zusammensetzung. Ein Verfahren zum Herstellen von Glaskeramik ist nicht genannt.
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US 2014 / 0 183 799 A1 betrifft ein Verfahren zum Herstellen eines Keramikartikels. Das Dokument betrifft aber keine Glaskeramik mit niedrigem thermischen Ausdehnungskoeffizienten.
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DE 102 39 369 A1 beschreibt selektives Lasersintern von Glas und Glaskeramik. Allerdings wird nicht beschrieben, dass ein Glas gesintert und anschließend keramisiert würde.
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DE 196 22 522 C1 betrifft die Herstellung von Glaskeramik in einem Schlickergussverfahren.
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Zusammengefasst lässt sich also sagen, dass bei bekannten Verfahren zur generativen Herstellung bzw. des „Additive Manufacturing“ ein Grünglas nicht nur gesintert, sondern auch gleichzeitig keramisiert würde. Dies hat jedoch den Nachteil, dass die für die Herstellung von Glaskeramik bekannten Prozesse der Keimbildung und Kristallisation, welche unter herkömmlichen Bedingungen als zwei getrennte Prozesse mit definierten Prozessparametern ablaufen, in einem Schritt und somit nicht hinreichend kontrolliert durchführt.
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Sofern sich an das Sintern weitere Verfahrensschritte, beispielsweise in Form einer Temperaturbehandlung zur Keramisierung des Grünglases, anschließen, wurden diese bereits durch das Sintern hervorgerufenen Effekte noch verstärkt.
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Damit fehlt es bislang an einem Verfahren zur Herstellung eines Formkörpers mit komplexer Geometrie aus einer Glaskeramik.
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Aufgabe der Erfindung
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Die Aufgabe der Erfindung besteht in der Bereitstellung eines Verfahrens zur Herstellung eines Formkörpers aus Glaskeramik mit komplexer Geometrie. Ein weiterer Aspekt der Erfindung betrifft einen verfahrensgemäß hergestellten glaskeramischen Formkörper mit komplexer Geometrie, wobei die Glaskeramik einen thermischen Ausdehnungskoeffizienten von mindestens -0,8 ppm/K bis 7 ppm/K, bevorzugt von mindestens -0,8 bis 2,2 ppm/K, im Temperaturbereich von 20 bis 700°C aufweist, sowie weiterhin ein Pulver zur Herstellung eines solchen Formkörpers.
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Zusammenfassung der Erfindung
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Die Aufgabe wird gelöst durch ein Verfahren gemäß Anspruch 1, dessen Verwendung zur Herstellung eines Formkörpers entsprechend Anspruch 19 sowie einen Formkörper nach den Ansprüchen 20, 21 sowie 22. Bevorzugte Ausführungsformen finden sich in den Unteransprüchen.
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Mit dem erfindungsgemäßen Verfahren wird ein Formkörper hergestellt, welcher eine komplexe Geometrie aufweist und weiterhin zumindest 90 Gew.-% des Feststoffanteils aus Glaskeramik besteht. Das Verfahren umfasst dabei mindestens die folgenden Schritte:
- a. Bereitstellen mindestens eines ersten Pulvers, welches mindestens einen glasigen Bestandteil umfasst, wobei der mindestens eine glasige Bestandteil einer gesteuerten Kristallisation zugänglich ist,
- b. Vorgeben der geometrischen Form des zu erzeugenden Formkörpers als dreidimensionales Modell, wobei dieses Modell als Stapel aus einer Vielzahl von Lagen gebildet ist,
- c. Erzeugen einer Pulverlage,
- d. Selektives Erhitzen der Lage auf eine Temperatur oberhalb der Glasübergangstemperatur Tg des mindestens einen glasigen Bestandteils so, dass zumindest die in den zu erhitzenden Bereichen vorliegenden glasig ausgebildeten Pulverkörner zumindest teilweise aufschmelzen, wobei das selektive Erhitzen in den Bereichen der Lage erfolgt, welche gemäß der Vorgabe des Modells einen Teil des Formkörpers bilden und wobei das Erwärmen in den zu erhitzenden Bereichen innerhalb von weniger als 5 Sekunden, bevorzugt innerhalb von weniger als 2 Sekunden und besonders bevorzugt innerhalb von weniger als einer Sekunde erfolgt,
- e. Wiederholen der Schritte c. und d, bis der Formkörper entsprechend der Modellvorgabe erhalten ist, sowie
- f. Umwandeln des erhaltenen glasigen Formkörpers in eine Glaskeramik.
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Das mindestens eine erste Pulver kann hier sowohl als trockenes Pulver, d.h. als Pulver im engeren Sinne, als auch als aufgeschlämmtes Pulver in Form einer Suspension, beispielsweise als Schlicker, vorliegen. Im Rahmen der vorliegenden Erfindung umfasst der Begriff des Pulvers somit sowohl trockenes Pulver als aufgeschlämmtes Pulver (Suspension), beispielsweise einen Schlicker.
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Als Glaskeramik wird im Rahmen der vorliegenden Erfindung ein Material verstanden, welches zunächst aus einer homogenen flüssigen Phase, beispielsweise einer Glasschmelze, als amorpher Festkörper erhalten und anschließend einer gesteuerten Kristallisation dergestalt unterworfen wurde, dass der Gehalt an kristallinen Bestandteilen hinsichtlich der Größe und Art der Kristallite sowie ihrer Anzahl in Bezug auf eine nichtkristallisierte Restglasphase sowie der räumlichem Verteilung im Material gezielt eingestellt wird. Zwischen der Schmelze und der gesteuerten Kristallisation können dabei weitere Prozessschritte, beispielsweise in Form von Dekoration, Bedruckung, aber auch mechanische Verkleinerung und Formgebung, liegen.
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Die gesteuerte Kristallisation oder Keramisierung umfasst verschiedene Prozessschritte, beispielsweise die sogenannte Keimbildungsphase, in welcher über das Volumen des betrachteten glasigen Ausgangskörpers regelmäßig verteilt Kristallisationskeime erzeugt werden, sowie die als Kristallisation im engeren Sinne bezeichnete Phase, in welcher es zu einem Wachstum dieser Kristallkeime kommt.
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Hinsichtlich der Keimbildungsphase ist hierbei beachtlich, dass in dieser nicht nur Keime entstehen, sondern vielmehr auch eine Keimbildungsrate erhalten wird, bei welcher in relativ kurzer, also fertigungstechnisch relevanter Zeit, eine gewisse Anzahl genau definierter Keime, insbesondere hinsichtlich ihrer Größe und Verteilung, erhalten wird. Weiterhin muss die sogenannte Induktionszeit für die Keimbildung auch hinreichend gering sein. Als die Induktionszeit (als Funktion der Temperatur) wird hierbei die Zeitspanne bezeichnet, welche es bei einer gegebenen Temperatur dauert, bis sich tatsächlich ein erster Keim bildet. Zwar ist die Keimbildungsrate als eine der Temperatur abhängige Größe zu betrachten, allerdings stellt sich diese nach Erreichen einer bestimmten Temperatur erst mit der Zeit ein, wobei dieser „Offset“ auch als Induktionszeit bezeichnet wird. Unter Keimbildung oder Keimbildungsphase im Sinne der vorliegenden Offenbarung wird daher verstanden, dass eine hinreichende Keimzahl entsteht, also eine signifikante Keimbildungsrate vorliegt. Nicht unter dem Begriff der Keimbildung oder der Keimbildungsphase fällt daher im Rahmen der vorliegenden Erfindung ein Vorgang, bei welchem lediglich lokal eine sehr geringe Zahl an Keimen entsteht. Der Begriff der signifikanten Keimbildung wird bei der Beschreibung zu den dieser Erfindung beigeschlossenen Figuren, insbesondere bei 1, näher erläutert.
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Beispielhaft kann eine solche Glaskeramik als Lithium-Aluminium-Silikat-Glaskeramik vorliegen. Allerdings sind auch andere chemische Zusammensetzungen einer Glaskeramik möglich. Beispielsweise kann eine Glaskeramik auch als Magnesium-Aluminium-Glaskeramik vorliegen, wobei beispielsweise die kristallinen Bestandteile als Cordierit und/oder Spinell vorliegen.
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Als eine komplexe Geometrie eines Formkörpers werden im Rahmen der vorliegenden Erfindung zunächst beliebige, dreidimensionale Ausgestaltungen verstanden, welche beispielsweise auch Hinterschneidungen, filigrane dreidimensionale Netzstrukturen oder zumindest partiell geöffnete innere Hohlräume aufweisen können. Der Begriff „komplex“ soll dabei darauf hinweisen, dass an die jeweilige dreidiemensionale Form der komplexen Geometrie im Wesentlichen keine Beschränkungen in deren tatsächlicher Form vorliegen. Insbesondere können auch ineinander liegende Strukturen hergestellt werden, wie beispielsweise in einander greifende Getriebebestandteile, welche ansonsten nicht oder nur sehr schwer herstellbar wären.
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Die Glasübergangstemperatur oder Transformationstemperatur Tg ist weiterhin bestimmt durch den Schnittpunkt der Tangenten an die beiden Äste der Ausdehnungskurve bei Messung mit einer Heizrate von 5K/min. Dies entspricht einer Messung nach ISO 7884-8 bzw. DIN 52324.
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Als glasig wird ein Material in der vorliegenden Erfindung bezeichnet, wenn es aus einer homogenen flüssigen Phase, beispielsweise einer Schmelze, durch einen Erstarrungsprozess als fester Formkörper aufweist und weiterhin amorph vorliegt, d.h. auf atomarer Ebene keine dreidimensionale Fernordnung aufweist.
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Überraschend hat sich bei Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens gezeigt, dass eine solche schnelle Erwärmung eines Pulvers, welches mindestens einen glasigen Bestandteil umfasst, wobei dieser mindestens eine glasige Bestandteil einer gesteuerten Kristallisation zugänglich ist, in den Bereich der Sintertemperatur, also auf eine Temperatur, welche oberhalb der Glasübergangstemperatur Tg des mindestens einen glasigen Bestandteils liegt, zwar zu einem selektiven Aufschmelzen führt, allerdings kein Keramisierungsprozess oder Keimbildungsprozess initiiert wird. Somit kann die Abkühlung des erhaltenen Körpers auf die Erfordernisse des glasigen Materials abgestellt werden.
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Dies heißt also, dass durch die sehr schnelle Aufwärmung auf die Sintertemperatur die Keimbildung im Grünglas umgeht bzw. auf ein Minimum reduziert und so eine ungewollte und nicht hinreichend definierte Keramisierung des Materials beim Sintern vermeidet.
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Dies erfordert aber ein geeignetes Material sowie eine geeignete Prozessführung.
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Hierbei erfolgt das selektive Erhitzen mit beliebigen lokale thermische Effekte im Pulvermaterial auslösenden Wärmequellen, insbesondere durch Laserstrahlung, bevorzugt durch einen CO2-Laser. Ein solches Erhitzen ist lokal begrenzt sowie zeitlich kontrolliert. Hier hat sich gezeigt, dass auf diese Weise kein Keramisierungsprozess ausgelöst wird, also der mindestens eine glasige Bestandteil nicht unter Keimbildung einer zumindest partiellen Kristallisierung unterworfen wird. Hierfür ist es allerdings notwendig, dass die Wärmequelle auf die Anforderungen des mindestens einen glasigen Bestandteils abgestimmt ist. So hat sich gezeigt, dass durch die Einwirkung eines Lasers mit einer mittleren Leistungsdicke von 9 W/mm2 nach einer Einwirkzeit von 60 Sekunden auf ein unkeramisiertes LAS-Bulk-Material („Grünglas“) nur ein Anteil von etwa 4 Vol.-% als Hochquarzmischkristall keramisiert vorliegt. Bei deutlich kürzeren Einwirkzeiten des Lasers, insbesondere auch beim erfindungsgemäßen Verfahren, entsteht somit kein messbarer Kristallgehalt.
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Das selektive lokale Erhitzen führt zu einer Versinterung an der solcherart erwärmten Stelle. Hierzu erfolgt das Erhitzen mindestens einmal, beispielsweise durch eine einmalige Bestrahlung mit einem Laser. Es ist aber auch möglich, dass dieselbe Stelle mehrfach erhitzt wird.
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Gemäß einer Ausführungsform der Erfindung ist ein einmaliges selektives Erhitzen der zu erhitzenden Bereiche bevorzugt.
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Die anschließende Umwandlung des mit dem erfindungsgemäßen Verfahren erhaltenen glasigen Formkörpers mit komplexer Geometrie in eine Glaskeramik erfordert keine speziellen Anpassungen konventioneller Keramisierungsprozesse. Somit können bekannte Keramisierungsprozesse durchgeführt werden, mittels derer die Eigenschaften des glaskeramischen Formkörpers komplexer Geometrie gezielt eingestellt werden können.
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Gemäß einer Ausführungsform der Erfindung erfolgt das Verfahren bei einer Temperatur des Reaktionsraumes von 200°C bis 400°C. Als Reaktionsraum wird hierbei die Anlage mit den darin befindlichen Reagenzien bezeichnet, also insbesondere der Bereich, in welchem sich das zu sinternde Pulver befindet. Dies ist deswegen bevorzugt, weil auf diese Weise beim Abkühlen des erzeugten Formkörpers mit komplexer Geometrie beim erhitzen aufgetreten Spannungen leichter abgebaut werden können.
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Bevorzugt ist das mindestens eine Pulver, welches mindestens einen glasigen Bestandteil umfasst, so ausgebildet, dass die Korngrenzen nicht als Kristallisationspunkte dienen. Dies wird in vorteilhafter Weise durch eine gezielte Anpassung der chemischen Zusammensetzung des Pulvers erzielt.
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Weiterhin bevorzugt liegt das Pulver in globularer Form vor, beispielsweise erhalten durch eine Flammverrundung.
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Gemäß einer Ausführungsform der Erfindung weisen die einzelnen Lagen eine Dicke zwischen 30 und 200 um, bevorzugt zwischen 50 und 150 um, besonders bevorzugt zwischen 80 und 120 µm und am meisten bevorzugt eine Dicke von 100 µm auf.
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Eine Lage ist hierbei definiert als ein Bereich des Formkörpers, bei dem die laterale Ausdehnung in zwei Raumrichtungen mindestens eine Größenordnung größer ist als die laterale Ausdehnung in der dritten Raumrichtung, wobei die laterale Ausdehnung in der dritten Raumrichtung als Dicke bezeichnet wird. Die Lage kann dabei aus verschiedenen Pulverkörnern zusammengesetzt sein. In der dritten Raumrichtung liegen die Pulverkörner mithin übereinander, sodass sich die Dicke der Lage, also ihre laterale Ausdehnung in der dritten Raumrichtung sich als die Summe der Teilchendurchmesser der übereinanderliegenden Pulverkörner ergibt.
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Bevorzugt erfolgt das Erhitzen des Pulvers in der Lage mittels eines Lasers, insbesondere mittels eines CO2-Lasers.
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Dabei liegt gemäß einer Ausführungsform der Erfindung die Laserleistung zwischen mindestens 10 und höchstens 70 Watt, bevorzugt zwischen 25 und 50 Watt.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform der Erfindung beträgt der Durchmesser des Laserfokus' zwischen 50 µm und 500 um, bevorzugt zwischen 70 µm und 200 um.
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Ein wesentlicher Faktor bei der Prozessführung ist weiterhin die Einstellung der Form des Laserspots. Wesentlich ist hier die Einstellung der Energieverteilung nicht in Form eines üblichen Gauss-Fensters, sondern mit möglichst steilen Kanten, was durch Formoptiken oder Blenden erreicht werden kann. Ziel ist es, den Bereich geringer Intensität und mithin geringerer Temperatur zu reduzieren, um eine parasitäre Keimbildung im Randbereich zu unterbinden.
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Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform der Erfindung ist daher der Laserspot so geformt, dass eine Energieverteilung mit steilen Flanken vorliegt.
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Der Durchmesser des Laserstrahls definiert sich in der üblichen Form so, dass die Intensität bei größer als 1/e2 liegt.
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Sofern das Erhitzen mittels eines Lasers erfolgt, erfolgt die Behandlung der Lage so, dass der Laser entlang vorbestimmter Bahnen über die Lage geführt wird. Dabei beträgt der Abstand dieser Bahnen zwischen bevorzugt mindestens 0,05 mm und höchstens 0,2 mm.
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Weiterhin bevorzugt fährt der Laser die einzelnen Bahnen mit einer Geschwindigkeit zwischen mindestens 1 mm/sec und höchstens 100 mm/sec, bevorzugt zwischen mindestens 5 mm/sec und höchstens 40 mm/sec ab.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform der Erfindung beträgt die Einwirkzeit, also die Zeit, welche die zu erwärmende Stelle einer bestimmten Heizleistung ausgesetzt ist, zwischen 0,5 ms (Millisekunden) und 500 ms, bevorzugt zwischen 0,7 ms und 70 ms und besonders bevorzugt zwischen 10 ms und 50 ms.
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In einer Ausführungsform der Erfindung wird die Lage vollflächig aufgebracht.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform der Erfindung bildet zumindest ein weiteres Pulver zumindest einen Teil zumindest einer Lage des Formkörpers, wobei die Zusammensetzung des weiteren Pulvers von der Zusammensetzung des mindestens einen ersten Pulvers abweicht.
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Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform der Erfindung weist das weitere Pulver mindestens einen anorganischen kristallinen Bestandteil auf.
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Gemäß einer Ausführungsform der Erfindung weist das verwendete Pulver eine Partikelgrößenverteilung auf, bei der der d90 des Pulvers 10 µm oder weniger beträgt. Dies bedeutet, dass 90 % der Partikel des Pulvers höchstens einen gemittelten oder Äquivalentdurchmesser von höchstens 10 µm aufweisen.
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Nach der Erfindung weist die Glaskeramik einen linearen thermischen Ausdehnungskoeffizienten α von mindestens -0,8 ppm/K bis 7 ppm/K auf, bevorzugt von mindestens -0,8 bis 2,2 ppm/K, im Temperaturbereich von 20 bis 700°C auf.
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Beim linearen thermischen Ausdehnungskoeffizient α handelt es sich um den nominalen mittleren thermischen Längenausdehnungskoeffizienten gemäß ISO 7991, welcher in statischer Messung bestimmt ist.
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Gemäß einer nochmals weiteren Ausführungsform der Erfindung liegt die Glaskeramik als Lithium-Aluminium-Glaskeramik vor.
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Gemäß einer nochmals weiteren bevorzugten Ausführungsform der Erfindung umfasst das erfindungsgemäße Verfahren einen weiteren Bearbeitungsschritt, beispielsweise in Form eines mechanischen Nachbearbeitens wie Schleifen, Polieren oder Läppen. Ein solcher Nachbearbeitungsschritt erfolgt insbesondere zur Verbesserung der Oberflächengüte, beispielsweise an Funktionsflächen des Formkörpers.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform der Erfindung erfolgt das Verfahren in der Form, dass das Erzeugen der ersten Lage, umfassend das mindestens eine Pulver, welches mindestens einen glasigen Bestandteil umfasst, auf eine Unterlage erfolgt, und das Erhitzen dieser ersten Pulverlage das Verbinden zumindest eines Teils des die erste Pulverlage bildenden Materials mit der Unterlage umfasst. Bevorzugt umfasst das Material der Unterlage ein Bulk-Material, also eines, welches beispielsweise in einem Schmelzprozess mit anschließender Heißformgebung sowie einer Keramisierung und gegebenenfalls weiteren nachverarbeitenden Schritten erhalten wurde.
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Mit dem erfindungsgemäßen Verfahren wird ein Formkörper erhalten, welcher bezogen auf den Feststoffgehalt zumindest zu 90 Gew.-% aus Glaskeramik besteht und eine komplexe Geometrie aufweist, wobei die Glaskeramik einen thermischen Ausdehnungskoeffizienten von mindestens -0,8 ppm/K bis 7 ppm/K, bevorzugt von mindestens -0,8 bis 2,2 ppm/K, im Temperaturbereich von 20 bis 700°C aufweist.
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Der erfindungsgemäße Formkörper liegt weiterhin als Sinterglaskeramik vor. Dabei liegen die Oberflächen des Formkörpers bevorzugt als geschlossene Flächen, beispielsweise als geschlossene glasige Flächen, vor. Als geschlossen wird eine Oberfläche dann bezeichnet, wenn sie durchgehend ausgebildet ist dergestalt, dass sie dicht gegenüber dem Durchtritt von Fluiden ist.
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Eine Ausbildung der Oberflächen des Formkörpers als geschlossene glasige Flächen ist insbesondere dann bevorzugt, wenn Anwendungen adressiert werden, bei denen es zum Kontakt des Formkörpers mit korrosiven Medien, beispielsweise zum Kontakt mit Schwefel und/oder schwefelhaltigen Verbindungen kommt.
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Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform der Erfindung beträgt die Porosität des erhaltenen Formkörpers höchstens 1%, wobei die Poren bevorzugt als geschlossene Poren vorliegen. Als geschlossene Poren werden dabei im Rahmen der vorliegenden Erfindung solche Poren verstanden, welche isoliert vorliegen, also nicht durchgehend untereinander und/oder mit der Oberfläche des Formkörpers in Kontakt stehen.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform der Erfindung weist der Formkörper weiterhin mindestens 90%, bevorzugt mindestens 95% und besonders bevorzugt mindestens 98% der theoretischen Dichte einer Glaskeramik, welche über einen Schmelzprozess mit anschließender Keramisierung erhalten wurde, auf.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform der Erfindung umfasst der Formkörper weiterhin mindestens ein Material, welches anorganisch kristallin ausgebildet ist. Dieses Material kann beispielsweise ein Metall und/oder ein anorganisch kristalliner Feststoff sein.
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Gemäß einer Ausführungsform der Erfindung liegt das mindestens eine weitere Material im Formkörper in Form einer vorgegebenen räumlichen Struktur vor.
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Ein Formkörper gemäß der vorliegenden Erfindung kann beispielhaft ein Spiegelträgersubstrat aus Glaskeramik mit einer Leichtgewichtsstruktur sein. Dabei bedeutet eine Leichtgewichtsstruktur, dass das Spiegelträgersubstrat bezogen auf seine geometrischen Abmessungen ein Gewicht von höchstens 75%, bevorzugt von höchstens 80% im Vergleich zu einem Werkstück mit denselben geometrischen Abmessungen, aber ohne die Ausbildung von Leichtgewichtsstrukturen, hat.
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Beschreibung der Zeichnungen
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Im Folgenden wird die Erfindung anhand von Figuren beispielhaft erläutert. Es zeigen
- 1 eine schematische Darstellung von Keimbildungs- bzw. Keimwachstumsrate in Anhängigkeit von der Temperatur, sowie
- 2 eine fotographische Darstellung eines beispielhaften glaskeramischen Formkörpers mit komplexer Geometrie.
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1 zeigt in vereinfachter, schematischer Darstellung die Abhängigkeit der Keimbildungsrate sowie der Rate für das Keimwachstum von der Temperatur. Auf der x-Achse ist hierbei die Temperatur T aufgetragen, wobei mit Ts die Schmelztemperatur bezeichnet ist. Die gestrichelte Kurve 1 zeigt schematisch den Verlauf der Bildungsrate für Kristallisationskeime (kurz: Keimbildungsrate) in Abhängigkeit von der Temperatur, die mit 2 bezeichnete gepunktete Kurve zeigt schematisch den Verlauf der Keimwachstumsrate in Abhängigkeit von der Temperatur. Die dimensionslose Größe der Rate ist auf der y-Achse aufgetragen. Hierbei handelt es sich um die Veränderung einer bestimmten Größe pro Zeiteinheit im Vergleich zu einem Ausgangswert.
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Bezogen auf die Keimbildungsrate bedeutet dies, dass die Keimbildungsrate definiert ist durch die Zahl der neugebildeten Keime pro Zeiteinheit. Zum Ausgangszeitpunkt beträgt die Zahl der neugebildeten Keime 0, da sich noch keine Kristallisationskeime gebildet haben. In Abhängigkeit von der Temperatur weist der Verlauf der Keimbildungsrate ein Maximum auf.
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Die Keimwachstumsrate wiederum ist die Änderung der Größe der vorhandenen Keime oder Kristallite in einem kristallisierbaren System. Auch diese variiert mit der Temperatur, sodass bei niedrigeren Temperaturen das Wachstum der Kristallisationskeime sehr gering ist, bei mittleren Temperaturen groß und zu höheren Temperaturen wieder abnimmt.
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Bei glaskeramischen Materialsystemen liegt das Maximum der Keimbildungsrate bei deutlich niedrigeren Temperaturen als das Maximum der Keimwachstumsrate, wie schematisch in 1 dargestellt.
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Weiterhin ist beachtlich, dass für eine Keimbildung oder Keimbildungsphase im Sinne der vorliegenden Erfindung die Keimbildungsrate auch einen signifikant von 0 verschiedenen Wert aufweisen muss. Wird die Verteilung der Keimbildungsraten um das zentrale Maximum als eine Gaußsche Normalverteilung aufgefasst, ist dies in einem Intervall von ± 26 um das zentrale Maximum der Fall. Eine Keimbildung im Sinne der vorliegenden Erfindung liegt daher dann vor, wenn Keimwachstumsraten erzielt werden, welche einen bestimmten Mindestwert, bestimmt durch das 26-Intervall, vorliegen. Eine solche Keimbildung im Sinne der vorliegenden Erfindung wird auch als signifikante Keimbildung bezeichnet.
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2 zeigt eine fotographische Abbildung eines beispielhaften Formkörpers mit komplexer Geometrie, welcher durch ein generatives Verfahren erhalten wurde. Die dreidimensionalen Strukturen wurden also nicht durch eine nachträgliche Formgebung erhalten, sondern vielmehr direkt erhalten. Somit ist ein wesentlich materialsparenderer Prozess zur Erzeugung einer solchen Struktur möglich. Weiterhin ist es möglich, Formkörper aus Glaskeramik mit Hinterschneidungen zu erhalten.