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Stand der Technik
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Die Erfindung betrifft ein Fahrerassistenzsystem für Kraftfahrzeuge, mit einer Umfeldsensorik zur Erfassung des Verkehrsumfelds des Fahrzeugs, einem aktorischen System für Eingriffe in die Querführung des Fahrzeugs, und einem Rechnersystem zur Berechnung von Befehlen für die Querführung anhand des erfassten Verkehrsumfelds.
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Solche Fahrerassistenzsysteme dienen dazu, den Fahrer bei der Querführung und im allgemeinen auch bei der Längsführung des Fahrzeugs zu unterstützen, indem sie bestimmte Assistenzfunktionen ausführen, beispielsweise eine automatische Regelung des Abstands zu einem vorausfahrenden Fahrzeug (ACC; Active Cruise Control), eine automatische Spurhaltefunktion, und/oder Funktionen zur Kollisionsvermeidung oder zumindest zur Milderung der Kollisionsfolgen durch automatische Einleitung und Unterstützung von Ausweich- und/oder Notbremsmanövern.
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Zur Umfeldsensorik gehören beispielsweise Radarsensoren zur Messung von Abständen und Relativgeschwindigkeiten anderer Fahrzeuge und ggf. auch stehender Objekte, sowie Videosysteme zur Erkennung von Fahrspurmarkierungen und dergleichen. Darüber hinaus kommuniziert das Fahrerassistenzsystem zumeist mit einer Eigensensorik des Fahrzeugs, die Informationen über die aktuelle Fahrgeschwindigkeit, Beschleunigung, Querbeschleunigung und dergleichen liefert, und mit einem Navigationssysteme, das Informationen für den Straßenverlauf und die Verkehrsinfrastruktur bereitstellt. Häufig sind auch Systemkomponenten implementiert, die das Verhalten des Fahrers beobachten und interpretieren, um mögliche Absichten des Fahrers schon frühzeitig zu erkennen.
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Offenbarung der Erfindung
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Aufgabe der Erfindung ist es, ein Fahrerassistenzsystem zu schaffen, das ein Fahren mit erhöhtem Komfort und erhöhter Sicherheit ermöglicht.
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Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß dadurch gelöst, dass in dem Rechnersystem ein Lateralassistent implementiert ist, der in Fahrsituationen, in denen kein Ausweichmanöver des Fahrzeugs erforderlich ist, eine in Abhängigkeit vom Verkehrsumfeld variable laterale Sollposition für das Fahrzeug innerhalb der aktuell befahrenen Fahrspur berechnet und Befehle zur Steuerung des Fahrzeugs auf diese Sollposition ausgibt.
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Bei Kollisionsvermeidungssystemen liegt es in der Natur der Sache, dass im Rahmen eines automatisch eingeleiteten Ausweichmanövers auch eine laterale Sollposition für das Fahrzeug berechnet werden muss. Solche Systeme sind jedoch nur akuter Kollisionsgefahr aktiv. Im Gegensatz dazu ist der erfindungsgemäße Lateralassistent in normalen Fahrsituationen aktiv, also insbesondere auch dann, wenn keine Kollisionsgefahr besteht. Der Zweck des Lateralassistenten ist es, die laterale Position des Fahrzeugs innerhalb der aktuell befahrenen Fahrspur je nach aktuellem Verkehrsumfeld im Hinblick auf bestimmte Kriterien zu optimieren, beispielsweise im Hinblick auf eine bestmögliche Sicht des Fahrers oder im Hinblick auf eine komfortbetonte Vorbereitung oder Anbahnung von Spurwechsel- oder Überholmanövern. Damit nähert sich das Systemverhalten des Fahrerassistenzsystems dem Fahrverhalten eines gut geschulten und geübten aufmerksamen menschlichen Fahrers an und trägt so zu einer erhöhten Fahrsicherheit und einer entspannten Fahrweise bei.
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Vorteilhafte Ausgestaltungen und Weiterbildungen der Erfindung sind in den Unteransprüchen angegeben.
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Anders als bei bekannten Spurhalteassistenten ist die laterale Sollposition bei dem erfindungsgemäßen System in der Regel nicht allein von den Fahrspurbegrenzungen abhängig, sondern auch von mindestens einem weiteren Objekt, das von der Umfeldsensorik geortet wird, beispielsweise vom den Orten und Bewegungsdaten anderer Fahrzeuge oder von stationären Sichthindernissen.
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In einer Ausführungsform ist der Lateralassistent nicht ständig aktiv, sondern nur dann, wenn durch die Umfeldsensorik das Vorliegen vordefinierter Aktivierungsbedingungen festgestellt wird. Eine solche Aktivierungsbedingung kann beispielsweise darin bestehen, dass sich das eigene Fahrzeug einem langsameren vorausfahrenden Fahrzeug nähert, so dass in absehbarer Zukunft mit einem Spurwechsel- oder Überholmanöver zu rechnen ist. Die laterale Sollposition wird dann so gewählt, dass das eigene Fahrzeug versetzt zu dem vorausfahrenden Fahrzeug fährt, so dass der Fahrer gute Sicht nach vorn hat und, wenn die Verkehrssituation es erlaubt, schnell und mit verringerter Querbewegung auf die Gegenfahrbahn oder Nebenspur wechseln kann. Ebenso kann eine Aktivierungsbedingung darin bestehen, dass sich das eigene Fahrzeug einer Stelle nähert, an der die Zahl der parallelen Fahrspuren der Richtungsfahrbahn zu- oder abnimmt, so dass mit einem bevorstehenden Spurwechsel zu rechnen ist.
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Ein weiteres Beispiel für eine mögliche Aktivierungsbedingung ist die Annäherung an eine Kreuzung oder Einmündung, bei der die Sicht durch Bebauung oder durch am Fahrbahnrand parkende Fahrzeuge eingeschränkt ist. Die Lateralposition wird dann so gewählt, dass der Sichtwinkel maximiert wird, so dass der Fahrer möglichst früh einen möglichst großen Teil der Querstraße einsehen kann.
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Insbesondere im Stadtverkehr wirkt sich die durch die Erfindung erreichte Steigerung des Komforts und der Sicherheit besonders vorteilhaft aus.
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Im allgemeinen wird das Fahrerassistenzsystem auch eine ACC-Funktion zur Unterstützung der Längsführung des Fahrzeugs aufweisen. Die Anbahnung eines Spurwechsel- oder Überholvorgangs durch versetztes Fahren hat dann den besonderen Vorteil, dass das vorausfahrende Fahrzeug zu dem Zeitpunkt, an dem der eigentliche Spurwechselvorgang eingeleitet wird, schneller aus der für die Längsregelung relevanten Zone im Ortungsbereich des Radarsensors verschwindet. So lässt sich verhindern, dass das durch das vorausfahrende Fahrzeug im letzten Moment vor dem Spurwechsel noch ein abruptes Bremsmanöver ausgelöst wird, das eine erhebliche Komfortbeeinträchtigung darstellt und bei einem Überholvorgang auch die Sicherheit beeinträchtigt, weil dadurch die Dauer des Überholvorgangs verlängert wird.
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Es ist zweckmäßig, wenn der Längsführungsassistent und der Lateralassistent miteinander interagieren können. So erlauben es beispielsweise die vom Längsführungsassistenten gemessenen Daten, ein bevorstehendes Spurwechsel- oder Überholmanöver zuverlässig zu erkennen und den voraussichtlichen Zeitpunkt des Beginns dieses Manöver korrekt vorherzusagen, so dass die Phase, in der dieses Manöver durch versetztes Fahren vorbereitet wird, zeitgerecht eingeleitet werden kann.
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Umgekehrt kann auch der Lateralassistent eine Änderung des Verhaltens des Längsführungsassistenten veranlassen, beispielsweise eine Reduktion der Sollgeschwindigkeit, wenn sich eine Sichtbehinderung auch bei optimaler Lateralposition des Fahrzeugs nicht ganz beseitigen lässt, etwa bei stehenden Sichthindernissen am Fahrbahnrand. Diese Funktion kann auch die Wirksamkeit von Kollisionsvermeidungssystemen steigern.
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In einer vorteilhaften Ausführungsform findet die Modifikation der lateralen Sollposition zur Anbahnung eines Spurwechsels nur dann statt, wenn ein Spurwechsel auch tatsächlich möglich ist, also beispielsweise nicht, wenn das eigene Fahrzeug bereits auf der äußersten linken Spur der Richtungsfahrbahn fährt oder wenn ein Tote-Winkel-Assistent meldet, dass die Nebenspur nicht frei ist. Ebenso kann die Funktion des Lateralassistenten von erkannten oder als wahrscheinlich anzusehenden Absichten des Fahrers abhängig sein, beispielsweise davon, ob der Fahrer den Blinker betätigt oder ob und in welcher Weise er durch Lenkradbewegungen selbst in die Querführung des Fahrzeugs eingreift. Wenn der Lateralassistent das Fahrzeug zur Fahrspurgrenze steuert, um einen Spurwechsel einzuleiten, der Fahrer dann jedoch bremst und/oder in Richtung Spurmitte gegenlenkt, so ist zu schließen, dass der Fahrer keine Spurwechselabsicht hat, und dementsprechend wird der Lateralassistent deaktivert und die Querführung des Fahrzeugs dem Fahrer oder dem Spurhalteassistenten überlassen. Zur Erkennung des Fahrerwunsches kann ggf. auch ein Blicküberwachungssystem benutzt werden, das beispielsweise erkennt, ob der Fahrer durch einen Blick in den Rückspiegel eine Spurwechselabsicht andeutet.
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Im folgenden werden Ausführungsbeispiele anhand der Zeichnung näher erläutert.
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Es zeigen:
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1 ein Blockdiagramm eines erfindungsgemäßen Fahrerassistenzsystems;
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2 bis 5 Skizzen zur Illustration der Funktionsweise des Fahrerassistenzsystems in verschiedenen Verkehrssituationen; und
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6 ein Flussdiagramm zur Illustration der Arbeitsweise des Fahrerassistenzsystems.
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Das in 1 als Blockdiagramm dargestellte Fahrerassistenzsystem weist eine Umfeldsensorik 10 auf, deren wesentliche Komponenten ein Radarsensor 12 und ein Videosystem 14 sind und das Daten über das Verkehrsumfeld an ein Rechnersystem 16 liefert. Das Rechnersystem 16 berechnet anhand dieser Daten Befehle, die an ein aktorisches System 18 für die Längs- und Querführung des Fahrzeugs ausgegeben werden. Für die Längsführung, also zum Bremsen und Beschleunigen, enthält das aktorische System 18 ein Antriebssystem 20 und eine Bremssystem 22. Für die Querführung des Fahrzeugs ist ein Lenkassistent 24 vorgesehen. Die drei Komponenten des aktorischen Systems 18 sind nicht nur durch Befehle des Rechnersystems 16 steuerbar, sondern auch direkt durch Befehle des menschlichen Fahrers. Im Fall von Konflikten haben die Befehle des Fahrers Vorrang, so dass das Assistenzsystem jederzeit vom Fahrer übersteuert werden kann. Sofern in dem Fahrzeug auch ein aktives Sicherheitssystem oder Kollisionsvermeidungssystem vorhanden ist, z.B. ein AEB-System (Advanced Emergency Brake System), so hat auch dieses System Vorrang gegenüber den hier beschriebenen Assistenzfunktionen.
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Im Rechnersystem 16 sind im gezeigten Beispiel eine zentrale Steuerung 26 und drei Assistenzmodule implementiert, nämlich ein Längsführungsassistent (ACC) 28, ein Spurhalteassistent 30 und ein Lateralassistent 32. Aufbau und Funktionsweise des Längsführungsassistenten 28 und des Spurhalteassistenten 30 sind als solche bekannt und sollen deshalb hier nur kurz skizziert werden.
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Der Radarsensor 10 ist vorn im Fahrzeug eingebaut und dient zur Messung von Abständen, Relativgeschwindigkeiten und Richtungswinkeln von Objekten, die sich im Vorfeld des Fahrzeugs befinden, insbesondere von vorausfahrenden Fahrzeugen. Der Spurhalteassistent 28 ist dazu eingerichtet, in das Antriebssystem 20 und erforderlichenfalls auch in das Bremssystem 22 einzugreifen und regelt die Geschwindigkeit des Fahrzeugs in einen Freifahrtmodus, wenn kein vorausfahrendes Fahrzeug in der eigenen Fahrspur vorhanden ist, auf eine vom Fahrer gewählte Wunschgeschwindigkeit. Wenn der Radarsensor 12 ein vorausfahrendes Fahrzeug ortet, wird die Geschwindigkeit automatisch so angepasst, dass das vorausfahrende Fahrzeug in einem angemessenen, geschwindigkeitsabhängigen Sicherheitsabstand verfolgt wird. Die Geschwindigkeitsabhängigkeit dieses Sicherheitsabstands lässt sich durch eine sogenannte Zeitlücke beschreiben, die den Abstand zwischen zwei Zeitpunkten angibt, an denen das vorausfahrende Fahrzeug und das eigene Fahrzeug einen festen Referenzpunkt an der Fahrstrecke passieren. Die vom Längsführungsassistenten an das aktorische System 18 ausgegebenen Befehle bestehen im wesentlichen aus positiven und negativen Sollbeschleunigungswerten, die die Beschleunigung bzw. Verzögerung des Fahrzeugs bestimmen. Der Wertebereich, in dem diese Beschleunigungswerte variieren können, schöpft jedoch im allgemeinen das tatsächliche Beschleunigungs- und Bremsvermögen des Fahrzeugs nicht vollständig aus, sondern ist auf obere und untere Grenzwerte beschränkt.
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Je enger diese Grenzwerte sind, desto sanfter sind die Fahrzeugbeschleunigungen und Verzögerungen, und desto höher ist der Fahrkomfort.
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Das Videosystem 14 ermöglicht insbesondere die Erkennung von Fahrbahnrändern und Fahrspurmarkierungen auf der Fahrbahn und die Bestimmung der lateralen Position des eigenen Fahrzeugs relativ zu diesen Markierungen. Auf der Grundlage dieser Daten überwacht der Spurhalteassistent 30, ob der Fahrer des Fahrzeugs im Begriff ist, (unabsichtlich) die derzeit befahrene Fahrspur zu verlassen. Wenn das der Fall ist, wird über den Lenkassistenten 24 automatisch ein Lenkeingriff veranlasst, der das Fahrzeug wieder in Richtung auf die Spurmitte zurücklenkt. Typischerweise ist der Spurhalteassistent so ausgelegt, dass kein Lenkeingriff erfolgt, wenn sich die laterale Position innerhalb einer Toleranzzone in der Nähe der Spurmitte befindet. Nur bei Verlassen dieser Toleranzzone wird ein korrigierender Lenkeingriff vorgenommen. Die Stärke des Lenkeingriffs ist dabei vorzugsweise geschwindigkeitsabhängig, so dass gewisse Grenzwerte für die Querbeschleunigung des Fahrzeugs nicht überschritten werden. Auch hier gilt, dass der Komfort um so höher ist, je enger diese Grenzwerte sind.
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Das Rechnersystem 16 weist außerdem eine Schnittstelle 34 zu einer internen Fahrzeugsensorik auf, die dynamische Zustände und sonstige Zustände des eigenen Fahrzeugs erfasst, insbesondere die aktuelle Absolutgeschwindigkeit, die aktuelle Beschleunigung, die Querbeschleunigung und dergleichen, jedoch auch nicht-dynamische Zustände wie beispielsweise den Zustand eines Fahrtrichtungsanzeigers (Blinker).
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Eine weitere Schnittstelle 36 ermöglicht den Datenaustausch mit einem Navigationssystem, das Informationen über die Verkehrsinfrastruktur liefert, insbesondere über den Straßenverlauf, Kreuzungen oder Einmündungen, ggf. auch die Anzahl der Fahrspuren sowie etwaige Streckenverbote wie Geschwindigkeitsbeschränkungen und Überholverbote. Sofern im Navigationssystem eine Fahrtroute programmiert ist, können auch Informationen über voraussichtliche Abbiegevorgänge geliefert werden.
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Im gezeigten Beispiel ist weiterhin ein Fahrerwunschmodul 38 vorgesehen, das die insgesamt im Rechnersystem 16 verfügbaren Informationen auswertet, mit dem Ziel, etwaige Wünsche und Absichten des Fahrers zu erkennen und bevorstehende Aktionen des Fahrers vorherzusagen. Dabei wertet das Fahrerwunschmodul 38 insbesondere die Eingriffe des Fahrers in das Antriebs- und Bremssystem und die Lenkung aus, den Zustand des Blinkers und ggf. die vom Navigationssystem gelieferte Routeninformation. Es können jedoch auch zusätzliche Sensoren, beispielsweise Blicksensoren vorgesehen sein, die es ermöglichen, das Aufmerksamkeitsniveau des Fahrers sowie die Ziele zu erkennen, auf die er seine Aufmerksamkeit richtet, beispielsweise Blicke in den Rückspiegel. In einer weiteren Ausbaustufe kann das Fahrerwunschmodul auch Systeme zur Analyse des Fahrerverhaltens umfassen, so dass typisch Verhaltensweisen des Fahrers "gelernt" und bei der Vorhersage von Fahrerwünschen berücksichtigt werden können.
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Es versteht sich, dass die Umfeldsensorik 10 zusätzlich zu den hier beschriebenen Komponenten auch weitere Sensoren aufweisen kann, beispielsweise Nahbereichs-Radarsensoren zur Erfassung von Objekten im toten Winkel, ein Rückraumradar, Ultraschallsensoren, LIDAR-Sensoren und dergleichen, und das im Rechnersystem 16 auch noch andere bekannte Assistenzfunktionen implementiert sein können, beispielsweise ein Tote-Winkel-Assistent zur Warnung vor Objekten im toten Winkel bei einem beginnenden oder erwarteten Spurwechsel, oder ein Kollisionswarnsystem oder Kollisionsvermeidungssystem.
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Die Funktion des Lateralassistenten 32 soll im folgenden anhand einiger Beispiele erläutert werden.
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2 illustriert eine Verkehrssituation, in der ein mit dem Fahrerassistenzsystem (und folglich auch mit dem Radarsensor 12) ausgerüstetes Fahrzeug 40 auf einer Straße 42 fährt, die je Fahrtrichtung nur eine einzige Fahrspur 44, 46 aufweist. Das Fahrzeug 40 nähert sich auf der Fahrspur 44 einem vorausfahrenden langsameren Fahrzeug 48, in diesem Fall einem Lkw. Das Fahrzeug 40 verfolgt dabei zunächst eine Trajektorie 50, die ungefähr der Spurmitte entspricht, und wird durch den Spurhalteassistenten 30 auf dieser Trajektorie gehalten.
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Zu einem Zeitpunkt, an dem das Fahrzeug 40 einen Punkt A längs der Fahrstrecke passiert, hat der Radarsensor 12 das vorausfahrende Fahrzeug 48 bereits geortet, doch ist der Abstand dieses Fahrzeugs noch so groß und die Relativgeschwindigkeit so klein, dass noch kein Eingriff in die Längsführung oder Querführung erforderlich ist. Zu diesem Zeitpunkt ist auch noch offen, ob der Fahrer des Fahrzeugs 40 ein Überholmanöver beabsichtigt oder nicht.
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Unter der Annahme, dass das Fahrzeug 40 weiter mit der eingestellten Wunschgeschwindigkeit fährt, berechnet der Lateralassistent 32 nun einen Zeitpunkt, an dem ein Überholmanöver sinnvollerweise beginnen sollte. Im gezeigten Beispiel entspricht dieser Zeitpunkt dem Punkt C längs der Fahrstrecke. Dieser Zeitpunkt ist so gewählt, dass die Abstandsregelung durch den Längsführungsassistenten 28 noch nicht einzusetzen braucht und somit das Fahrzeug 40 am Punkt C noch nicht verzögert zu werden braucht, auch dann nicht, wenn der Fahrer kein Überholmanöver beabsichtigt. Weiterhin überprüft der Lateralassistent 32, ob die Gegenspur frei ist, jedenfalls soweit die mit Hilfe der Umfeldsensorik erkennbar ist, und ob ein Überholmanöver möglich wäre. Dabei werden unter anderem die vom Radarsensor 12 erhaltenen Ortungsdaten entgegenkommender Fahrzeuge 52 ausgewertet. Vorzugsweise wird auch anhand des Navigationssystems der weitere Verlauf der Straße 42 überprüft, um sicherzustellen, dass sich die Fahrzeuge 40 und 48 nicht unmittelbar vor einer Kurve befinden. Ebenso kann überprüft werden, ob durch das Videosystem oder ggf. das Navigationssystem das Bestehen eines Überholverbots festgestellt wurde.
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Wenn unter Berücksichtigung all dieser Umstände ein Überholmanöver als möglich erscheint, so leitet der Lateralassistent 32 zu einem geeigneten Zeitpunkt vor dem erwarteten Beginn des Überholmanövers (Punkt C) ein Lenkmanöver ein, durch das das Fahrzeug 40 auf eine Trajektorie 54 geführt wird, die gegenüber dem vorausfahrenden Fahrzeug 48 und der ursprünglichen Trajektorie 50 nach links versetzt ist, so dass das Fahrzeug 40 nun zwar noch innerhalb der Fahrspur 44, jedoch nahe des linken Randes dieser Fahrspur fährt. Im gezeigten Beispiel beginnt dieses Lenkmanöver zu einem Zeitpunkt, an dem das Fahrzeug 40 einen Punkt B längs der Fahrstrecke passiert.
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Durch dieses Lenkmanöver wird zum einen die Sicht nach vorn für den Fahrer des Fahrzeugs 40 verbessert, so dass er besser einschätzen kann, ob ein Überholmanöver tatsächlich möglich ist. Zugleich wird auch die Sicht für die Umfeldsensorik verbessert, so dass auch diese die Verkehrssituation besser einschätzen kann. Der laterale Versatz des Fahrzeugs 40 auf der Trajektorie 54 wird so berechnet, dass einerseits ein größtmögliches Sichtfeld (für den menschlichen Fahrer und/oder für die Umfeldsensorik) erreicht wird, andererseits jedoch ein ausreichender Sicherheitsabstand zur Gegenspur 46 bestehen bleibt.
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Weiterhin kann das Lenkmanöver vom Fahrer des Fahrzeugs 40 als Anregung verstanden werden, ein Überholmanöver einzuleiten. Wenn der Fahrer dann am Punkt C dieser Anregung tatsächlich folgt, so ergibt sich der weitere Vorteil, dass das Fahrzeug 40 nur noch eine kleinere Querbewegung auszuführen braucht und somit der Fahrkomfort erhöht wird. Ein weiterer wesentlicher Vorteil besteht darin, dass das Fahrzeug 40 früher auf die Gegenspur 46 wechselt, und dass dementsprechend auch die Umfeldsensorik 10 früher erkennt, dass sich das vorausfahrende Fahrzeug 48 nicht mehr im Fahrschlauch des Fahrzeugs 40 befindet und es somit nicht mehr erforderlich ist, eine Verzögerung des Fahrzeugs zu veranlassen, um den nötigen Sicherheitsabstand einzuhalten. Das Fahrzeug 40 kann somit seine ursprüngliche Geschwindigkeit unvermindert beibehalten, auch dann, wenn der Fahrer den Überholvorgang erst etwas verspätet einleitet.
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Im dem Moment, an dem der Fahrer am Punkt C tatsächlich den Überholvorgang einleitet, um einer Überholtrajektorie 56 zu folgen, wird der Lateralassistent 32 deaktiviert und dem Fahrer die Kontrolle über die Querführung des Fahrzeugs überlassen. Wenn der Überholvorgang beendet ist und das Fahrzeug 40 auf die Spur 44 zurückkehrt, wird der Spurhalteassistent 30 wieder aktiviert.
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Wenn der Fahrer am Punkt C nicht das Überholmanöver einleitet oder schon zu einem früheren Zeitpunkt bremst oder gegenlenkt, um wieder von der Trajektorie 54 auf die Trajektorie 50 zurückzukehren, so kann dies so interpretiert werden, dass der Fahrer nicht die Absicht hat, das vorausfahrende Fahrzeug 48 zu überholen, und dementsprechend wird durch den Längsführungsassistenten 28 in üblicher Weise die Abstandsregelung durchgeführt.
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3 illustriert eine Situation, in der eine zunächst einspurige Richtungsfahrbahn sich auf zwei Spuren 58, 60 verbreitert, während sich das mit dem Fahrerassistenzsystem ausgerüstete Fahrzeug 40 dem vorausfahrenden Fahrzeug 48 nähert. Auch in diesem Fall wird das Fahrzeug 40 durch den Lateralassistenten 32 schon bevor ein Spurwechsel auf die linke Spur 60 tatsächlich möglich ist auf die nach links versetzte Trajektorie 54 gelenkt. Die Vorteile sind im wesentlichen die gleichen wie bei dem zuvor beschriebenen Beispiel, wobei die verbesserte Sicht nach vorn hier eine geringere Rolle spielt. Dafür besteht jedoch der zusätzliche Vorteil, dass dem Fahrer eines nachfolgenden Fahrzeugs 62 frühzeitig signalisiert wird, dass der Fahrer des Fahrzeugs 40 einen Spurwechsel beabsichtigt.
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Wenn der Fahrer den Spurwechsel tatsächlich vornimmt, wird der Lateralassistent 32 vorübergehend deaktiviert. Sofern jedoch die Umfeldsensorik 10 die Möglichkeit bietet, zu prüfen ob die rechte Spur 58 nach dem Überholvorgang wieder frei ist und das Fahrzeug 40 auf die rechte Spur zurückkehren kann, so kann der Lateralassistent 32 erneut aktiviert werden, um das Fahrzeug 40 innerhalb der linken Fahrspur 60 auf eine nach rechts versetzte Trajektorie zu lenken, einerseits um die Rückkehr auf die rechte Spur 58 komfortabler zu gestalten, andererseits jedoch auch mit dem Ziel, dem Fahrer eine frühestmögliche Rückkehr auf die rechte Spur 58 vorzuschlagen.
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Die anhand von 3 illustrierte Funktionsweise ist analog auch auf einer durchgehend mehrspurigen Richtungsfahrbahn möglich, wobei dann an die Stelle des Kriteriums, dass sich die Fahrbahn verbreitert, das Kriterium tritt, dass mit Hilfe eines Seiten- oder Rückraumradars der Umfeldsensorik festgestellt, dass die Nebenspur frei ist.
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Wenn in den bisher beschriebenen Beispielen der Fahrer eine verhältnismäßig große Zeitlücke für den Längsführungsassistenten eingestellt hat, so kann der Lateralassistent 32 auch eine Verkürzung dieser Zeitlücke (innerhalb der zulässigen Grenzen) veranlassen, wenn er das Fahrzeug auf die versetzte Trajektorie 54 lenkt. Dadurch kann die Wahrscheinlichkeit einer unnötigen und störenden Verzögerung des Fahrzeugs unmittelbar vor Einleitung des Spurwechsels weiter verringert werden. Da der Spurwechsel von der versetzten Trajektorie 54 aus schneller vollzogen werden kann, wird durch die Verkürzung der Zeitlücke die Sicherheit nicht beeinträchtigt.
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4 illustriert eine Situation, in der das Fahrzeug 40 ähnlich wie in 2 auf der Straße 42 mit nur einer Fahrspur 44, 46 je Fahrtrichtung fährt. In diesem Fall ist jedoch kein vorausfahrendes Fahrzeug vorhanden, sondern das Fahrzeug 40 passiert ein Sichthindernis 64 am Straßenrand, im gezeigten Beispiel einen parkenden Lkw, der die Sicht des Fahrers auf den rechten Fahrbahnrand einschränkt. Vor allem im Stadtverkehr, wo auch mit Fußgängerverkehr zu rechnen ist, stellt eine solche Sichtbehinderung generell ein Sicherheitsrisiko dar.
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Anhand der Umfeldsensorik 10 erkennt der Lateralassistent 32 diese Situation, und er veranlasst einen Lenkeingriff, durch den das Fahrzeug 40 von der ursprünglichen Trajektorie 50 auf eine nach links versetzte Trajektorie 54 gelenkt wird. Die laterale Ablage der Trajektorie 54 von der Fahrbahnmitte ist in diesem Fall so gewählt, dass der Sichtwinkel für den Fahrer, in 4 durch eine gestrichelte Linie 66 angedeutet, möglichst groß wird, so dass der Fahrer einen möglichst großen Teil des Fahrbahnrandes hinter dem Sichthindernis 64 einsehen kann, ohne dass jedoch ein ausreichender Sicherheitsabstand zum linken Rand der Fahrspur 44 unterschritten wird.
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In diesem Fall ist der Lateralassistent 32 auch in der Lage, das Ausmaß der Sichtbehinderung quantitativ zu erfassen, und es kann zweckmäßig sein, wenn der Lateralassistent 32 an den Längsführungsassistenten 28 ein Signal übermittelt, das eine angemessene Verringerung der Wunschgeschwindigkeit bewirkt, so dass die Fahrgeschwindigkeit an die aktuellen Sichtverhältnisse angepasst wird.
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Sowohl die Wahl der versetzten Trajektorie 54 als auch die Anpassung der Geschwindigkeit haben zugleich den Vorteil, dass etwa notwendige Ausweichmanöver (z.B. wenn der Fahrer des Lkw die Fahrertür öffnet) durch den Fahrer des Fahrzeugs 40 selbst oder durch das Kollisionsvermeidungssystem schneller und effizienter und mit geringerer Querbeschleunigung durchgeführt werden können.
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5 illustriert eine Situation, in der das Fahrzeug 40 sich auf der Fahrbahn 44 einer Kreuzung 68 nähert und die Sicht auf das Verkehrsgeschehen auf der kreuzenden Straße 70 durch ein Sichthindernis 72 am rechten Straßenrand eingeschränkt wird, beispielsweise durch Bebauung. Der Sichtwinkel für den Fahrer des Fahrzeugs 40 ist wieder durch die gestrichelte Linie 66 markiert. Auch in diesem Fall lenkt der Lateralassistent das Fahrzeug 40 auf eine seitlich versetzte Trajektorie 54, die auf maximale Sicht optimiert ist. Das Sichthindernis 72 wird in diesem Fall in erster Linie von dem Videosystem erkannt werden, und die Information, dass eine Querstraße kreuzt, kann vom Navigationssystem bezogen werden.
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Auch in der in 5 gezeigten Situation kann es, vor allem wenn die von dem Fahrzeug 40 befahrene Straße vorfahrtberechtigt ist, zweckmäßig sein, die Wunschgeschwindigkeit entsprechend der Sichtbehinderung zu reduzieren.
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In 6 ist die grundlegende Funktionsweise des hier beschriebenen Fahrerassistenzsystems noch einmal anhand eines Flussdiagramms dargestellt.
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In Schritt S1 wird, während das Fahrzeug fährt, überprüft, ob bestimmte vordefinierte Bedingungen für die Aktivierung des Lateralassistenten 32 erfüllt sind. Diese Bedingungen können insbesondere einschließen, dass der Längsführungsassistent 28 und/oder der Spurhalteassistent 30 aktiv sind. Weiterhin muss mindestens ein Kriterium erfüllt sein, dass es als sinnvoll erscheinen lässt, von der üblichen Funktionsweise des Spurhalteassistenten 30 abzuweichen. Beispiele für diese Kriterien sind etwa, dass sich ein möglicherweise bevorstehender Überhol- oder Spurwechselvorgang abzeichnet oder dass die Umfeldsensorik ein Sichthindernis detektiert. Ggf. können Aktivierungsbedingungen auch auf der Grundlage einer Analyse des Fahrerverhaltens im Fahrerwunschmodul 38 automatisch generiert werden.
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Solange die Aktivierungsbedingungen nicht erfüllt sind, wird der Schritt S1 zyklisch wiederholt. Wenn mindestens eine Aktivierungsbedingung erfüllt ist, wird in Schritt S2 unter Berücksichtigung dieser Bedingung eine laterale Sollposition berechnet, die eine bestmögliche Vorbereitung auf den Spurwechsel- oder Überholvorgang und/oder eine bestmögliche Sicht für den Fahrer ermöglicht. Gegebenenfalls können auch noch weitere Kriterien für die Berechnung der optimalen Sollposition herangezogen werden. Jedenfalls handelt es sich bei der Sollposition um eine Position, die eine bestimmte laterale Ablage gegenüber der Spurmitte definiert und die, sofern auch der Spurhalteassistent 30 aufgrund der erkannten Spurmarkierungen eine Sollposition berechnet, von dieser vom Spurhalteassistenten berechneten Sollposition verschieden ist.
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In Schritt S3 wird dann die Querführung des Fahrzeugs durch den Lateralassistenten ermöglicht, und durch Eingriff in die Lenkung wird das Fahrzeug auf einer Trajektorie gehalten, die der in Schritt S2 berechneten Sollposition entspricht. Die dazu nötigen Lenkeingriffe können ähnlich wie bei der Funktion des Spurhalteassistenten geschwindigkeitsabhängig sein. Wahlweise wird, soweit es sinnvoll ist, in Schritt S3 auch der Längsführungsassistent in einen Ausnahmemodus geschaltet, der vom normalen Betriebsmodus abweicht, beispielsweise durch Verringerung der Zeitlücke, Verringerung der Wunschgeschwindigkeit oder Änderung anderer Parameter, die die Funktionsweise des Längsführungsassistenten bestimmen.
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In Schritt S4 wird dann geprüft, ob die in Schritt S1 festgestellten Aktivierungsbedingungen auch weiterhin erfüllt sind. Solange das der Fall ist, werden die Schritte S3 und S4 in einer Schleife zyklisch wiederholt. Wenn in Schritt S4 festgestellt wird, dass keine Aktivierungsbedingung mehr besteht, wird in Schritt S5 der Lateralassistent 32 deaktiviert, und die Querführung wird entweder an den Fahrer selbst oder an den Spurhalteassistenten 30 übergeben. Gegebenenfalls wird der Längsführungsassistent wieder auf den Normalmodus zurückgeschaltet.
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Im Anschluss an Schritt S5 erfolgt ein Rücksprung zu Schritt S1, und die Verkehrssituation wird wieder daraufhin überwacht, ob Aktivierungsbedingungen für den Lateralassistenten gegeben sind.