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ANWENDUNGSGEBIET UND STAND DER TECHNIK
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Die Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren zur Finish-Bearbeitung von Umfangsflächen rotationssymmetrischer Werkstückabschnitte sowie auf eine zur Durchführung des Verfahrens geeignete Vorrichtung.
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Das Finishen, das auch als Superfinishen bezeichnet wird, ist ein spanendes Feinbearbeitungsverfahren mit unbestimmten Schneiden. Durch Finishen können Werkstückoberflächen von rotationssymmetrischen oder nicht-rotationssymmetrischen Werkstückabschnitten an Werkstücken wie Kurbelwellen, Nockenwellen, Getriebewellen oder anderen Bauteilen für Kraft- und Arbeitsmaschinen zur Erzeugung einer gewünschten Oberflächenfeinstruktur bearbeitet werden. Beim Finishen im Einstechverfahren wird ein mit körnigem Schneidmittel besetztes Finish-Werkzeug an die zu bearbeitende Umfangsfläche angedrückt. Zur Erzeugung der für den Materialabtrag erforderlichen Schnittgeschwindigkeit wird das Werkstück um seine Werkstückachse gedreht. Gleichzeitig wird eine parallel zur Werkstückoberfläche oszillierende Relativbewegung zwischen dem Werkstück und dem an der Umfangsfläche anliegenden Finish-Werkzeug erzeugt. Durch die Kombination der Rotationsbewegung des Werkstückes und der überlagerten Oszillationsbewegung kann ein so genanntes Kreuzschliffmuster erzeugt werden, wodurch die bearbeiteten Werkstückoberflächen z.B. als Laufflächen für Gleitlager oder Wälzlager oder dergleichen besonders geeignet sind. Bei dem zu bearbeiteten Werkstückabschnitt kann es sich beispielsweise um ein Hauptlager oder ein Hublager einer Kurbelwelle oder um ein Nockenwellenlager handeln.
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Im Unterschied zum Schleifen ist das Finishen ein thermisch neutrales Bearbeitungsverfahren, bei dem keine mit Mikrorissen oder Oberflächenspannungen durchsetzte Weichhaut entsteht. Das Finishen wird häufig nach einem Schleifprozess als letztes spanabhebendes Bearbeitungsverfahren einer Prozesskette eingesetzt, um die Weichhaut zu entfernen, die ursprüngliche Gefügestruktur wieder freizulegen, den Traganteil der aufgerauten Oberflächenstruktur zu erhöhen und die Bauteilgeometrie bezüglich Rundheit und kurzwelligen Fehlern in Axialrichtung und Umfangsrichtung zu verbessern.
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Das Schleifen ist dabei die letzte formgebende Bearbeitungsoperation. Beim Schleifen ist die Geometrie des Schleifwerkzeugs der Maschinensteuerung bekannt, so dass das Werkstück entsprechend der durch die Maschinensteuerung bewirkten Werkzeugführung durch Schleifen konturiert werden kann. Eine Voraussetzung für diese Formgebung ist das regelmäßige Abrichten oder Einmessen der Schleifwerkzeuge. Der Schleifprozess ist aber in der Regel nicht in der Lage, die durch die Finish-Bearbeitung erzielbaren Oberflächeneigenschaften zu erzielen.
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Bei der Finish-Bearbeitung rotationssymmetrischer Lagerstellen steht normalerweise die Erhaltung der axialen Kontur im Vordergrund. Eine Verbesserung der Formwerte an zylindrischen Lagerstellen findet überwiegend in radialer Richtung statt und steht stark in Abhängigkeit zur Vorbearbeitung. So können beispielsweise kurzwellige Fehleranteile z.B. mit mehr als 15 Wellen am Umfang, relativ prozesssicher verbessert werden, während langwellige Anteile, wie z.B. Ovale, Dreiecke oder Vierecke, durch Finishen in der Regel nicht positiv beeinflusst werden können. Das Zerspanungsvolumen durch den Finish-Prozess liegt in der Regel unter ca. 10 µm. Um die Geometrie bestmöglich zu erhalten, wird der Materialabtrag des Finish-Prozesses im Normalfall auf die Vorbearbeitung abgestimmt.
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Das Schleifen ist in der Regel die letzte formgebende Bearbeitungsoperation. Das bedeutet, dass die Konturierung einer rotationssymmetrischen Lagerstelle im Wesentlichen durch den dem Finish-Prozess vorgeschalteten Schleifprozess erfolgt. Ein kontinuierliches Abrichten der Schleifscheibe ist für die Formgebung und Gestaltung der Lagerstelle zwingend notwendig. Je nach Anforderung und Zeichnungstoleranz an die Lagerstelle reduziert oder verlängert sich der Abricht-Zyklus. Der Schleifprozess ist aber in der Regel nicht in der Lage, die durch die Finish-Bearbeitung erzielbaren Oberflächeneigenschaften zu erzielen.
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Bei der Bearbeitung von Lagerabschnitten an Wellen sind die Geometrieanforderungen häufig so, dass einzelne oder alle Lagerabschnitte eine leicht ballige Gestalt aufweisen sollen. Eine ballige (tonnenförmige, konvexe) Gestalt rotationssymmetrischer Lagerabschnitten kann dazu beitragen, Lagerschäden aufgrund von Flucht- und Formfehlern der im Lager zusammenwirkenden Komponenten zu vermindern. Entsprechende, vom Kunden vorgegebene finale Mantellinienanforderungen bezüglich Balligkeit drücken sich in der Regel in Durchmesserunterschieden von wenigen Mikrometern zwischen unterschiedlichen axialen Positionen des Lagerabschnitts aus.
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Beim Schleifen von Kurbelwellen-Lagerabschnitten kann eine ballige Makroform durch entsprechende Abrichtung der Umfangsflächen der beim Schleifen verwendeten Schleifscheiben erreicht werden (vgl. z.B.
EP 1 181 132 B1 ,
5).
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Die
EP 1 514 642 A2 beschreibt eine Vorrichtung zur Finish-Bearbeitung von Wellen, insbesondere von Kurbel- und Nockenwellen, mit einem Werkzeugträger und einem endlosem Schleifband, das einen flexiblen Träger und eine Schleifmittelschicht mit Hartstoff aufweist. Die Vorrichtung dient zur Bearbeitung eines um seine Rotationsachse rotierenden Werkstückes. Ein Schleifbandantrieb treibt das Schleifband während einer Werkstückbearbeitung kontinuierlich an. Es ist eine Spannvorrichtung für das Schleifband vorgesehen. Der Werkzeugträger hat einen Bearbeitungskopf mit zwei zueinander beabstandeten Bandumlenkungen, die einen Arbeitsbereich des Bearbeitungskopfes begrenzen, wobei das Schleifband über die Bandumlenkungen geführt ist und im Arbeitsbereich an der zu bearbeitenden Umfangsfläche des Werkstückes vorbeiläuft. Dem umlaufenden Schleifband ist außerhalb des Arbeitsbereiches eine Vorrichtung zum Abrichten der Schleifmittelschicht zugeordnet, welche ein während der Werkstückbearbeitung gegen die Schleifmittelschicht des mit einer auf die Werkstückbearbeitung abgestimmten Bandgeschwindigkeit umlaufenden Schleifbandes zustellbares Abrichtwerkzeug aufweist. Bei einer Ausführungsform hat das Abrichtwerkzeug quer zur Bandlaufrichtung eine ballige Kontur, die beim Abrichten auf die Schleifmittelschicht übertragen wird. Dadurch kann am bearbeiteten Werkstückabschnitt eine leicht ballige Kontur erzeugt werden.
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AUFGABE UND LÖSUNG
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Es ist eine Aufgabe der Erfindung, ein Verfahren und eine Vorrichtung für einen Finish-Prozess bereitzustellen, die es gestatten, mit Hilfe der Finish-Bearbeitung aus einer Vorbearbeitung resultierende Formwerte bearbeiteter Werkstückabschnitte nicht nur zu erhalten und ggf. leicht zu verbessern, sondern bei Bedarf auch gezielt beeinflussen und erzeugen bzw. verändern zu können. Insbesondere soll die Möglichkeit geschaffen werden, mittels Finishen nicht-zylindrische Werkstückabschnitte mit vorgebbarer balliger Gestalt zu erzeugen.
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Zur Lösung dieser Aufgabe stellt die Erfindung ein Verfahren mit den Merkmalen von Anspruch 1 bereit. Weiterhin wird eine zur Durchführung des Verfahrens geeignete Vorrichtung mit den Merkmalen von Anspruch 5 bereitgestellt. Vorteilhafte Weiterbildungen sind in den abhängigen Ansprüchen angegeben. Der Inhalt sämtlicher Ansprüche wird durch Bezugnahme zum Inhalt der Beschreibung gemacht.
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Bei der beanspruchten Erfindung wird dem Finish-Werkzeug bzw. dem für den Materialabtrag maßgeblichen, mit Schneidmittel versehenen Teil des Finish-Werkzeugs während einer geradlinigen Linearbewegung parallel zur Rotationsachse des Werkstücks eine dieser Linearbewegung überlagerte Schwenkbewegung aufgezwungen, so dass der abrasive Teil des Finish-Werkzeugs entlang einer mindestens teilweise gekrümmten Werkzeuglaufbahn geführt wird.
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Hierdurch lassen sich am bearbeiteten Werkstückabschnitt unterschiedliche, axial nebeneinander liegende Axialabschnitte gezielt mit unterschiedlich starkem Materialabtrag finishen, wodurch eine gewünschte, in Axialrichtung nicht geradlinig verlaufende Mantellinienform gezielt erzeugt werden kann. Die Mantellinienform kann somit mit Hilfe einer speziellen Maschinenkonfiguration gegenüber der aus der Vorbearbeitung resultierenden Mantellinienform verändert werden. Somit ist eine formgebende Bearbeitung mittels Finishen möglich.
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Bei manchen Bearbeitungsvarianten erfolgt die Steuerung der Maschine so, dass in einer Endphase eines Linearhubes der linearen Maschinenachse ein in Bewegungsrichtung der Linearbewegung vorauseilender vorderer Endabschnitt des Finish-Werkzeugs näher an der Werkstückachse liegt und/oder mit höherer lokaler Andrückkraft an die Umfangsfläche angedrückt wird als ein nacheilender hinterer Endabschnitt. Hierdurch sind generell konvexe bzw. ballige Formen erzielbar. Zu den Formen gehören insbesondere eine voll-ballige Mantellinienform, eine zylindrisch-ballige Mantellinienform oder eine zylindrisch-logarithmische Mantellinienform.
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In konstruktiver Hinsicht kann dies bei einer Vorrichtung dadurch realisiert werden, dass im Vergleich zu herkömmlichen Maschinenkonzepten eine zusätzliche bzw. weitere gezielt ansteuerbare Maschinenachse, nämlich eine rotatorische Maschinenachse, vorgesehen wird, um durch eine Überlagerung zweier linearer Bewegungsachsen und einer Rotationsachse eine zweidimensionale, nahezu beliebige Bahnkurve für das Finish-Werkzeug zu realisieren.
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Eine robuste und zuverlässig arbeitende Variante einer Vorrichtung zeichnet sich dadurch aus, dass die translatorische Maschinenachse einen Horizontalschlitten aufweist, der eine rotatorische Maschinenachse mit einem Rundtisch umfasst, welche relativ zum Schlitten mit Hilfe eines numerisch gesteuerten Drehantriebs, beispielsweise eines Servomotors, um eine der Schwenkachse entsprechende horizontale Rotationsachse verdrehbar ist. Der Rundtisch kann eine Steinführung tragen, die eine translatorische Maschinenachse aufweist, um den Werkzeughalter entlang einer Vorschubrichtung zu bewegen, die senkrecht zur Schwenkachse verläuft und der Andrückrichtung entspricht.
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Es wäre auch möglich, die Maschinenachsen auf andere Weise zu kombinieren, beispielsweise indem eine rotatorische Maschinenachse mit einem Rundtisch vorgesehen ist, der eine Linearführung für eine translatorische Maschinenachse trägt.
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Es ist auch möglich, dass die rotatorische Achse als eine in das Finish-Werkzeug integrierte Achse realisiert wird, also an der Werkzeugseite des Werkzeughalters liegt. Auch hierdurch kann erreicht werden, dass das abrasive Schneidmittel entlang der gewünschten bogenförmigen Laufbahn zwangsgeführt wird, um beispielsweise eine ballige Gestalt am Werkstückabschnitt zu generieren.
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KURZBESCHREIBUNG DER ZEICHNUNGEN
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Weitere Vorteile und Aspekte der Erfindung ergeben sich aus den Ansprüchen und aus der nachfolgenden Beschreibung von bevorzugten Ausführungsbeispielen der Erfindung, die nachfolgend anhand der Figuren erläutert sind. Dabei zeigen:
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1 eine Seitenansicht einer Bearbeitungssituation bei einem Ausführungsbeispiel eines Verfahrens zur Finish-Bearbeitung einer Umfangsfläche eines Werkstücks;
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2 eine axiale Ansicht der Bearbeitungssituation aus 1;
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3 Details zur Kinematik der Werkzeugbewegung;
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4 ein Ausführungsbeispiel einer Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens in Seitenansicht (4A) und Vorderansicht (4B); und
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5 ein Ausführungsbeispiel eines Finish-Werkzeugs mit integrierter Schwenkachse.
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DETAILLIERTE BESCHREIBUNG DER AUSFÜHRUNGSBEISPIELE
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Anhand der 1 und 2 werden einige für das Verständnis von Ausführungsformen der Erfindung hilfreiche Zusammenhänge und Begriffe erläutert. Dabei zeigt 1 eine Seitenansicht einer typischen Bearbeitungssituation bei einem Ausführungsbeispiel eines Verfahrens zur Finish-Bearbeitung einer Umfangsfläche 195 eines rotationssymmetrischen Werkstückabschnitts an einem Werkstück 190. Das Werkstück wird mithilfe einer Dreheinrichtung zur Erzeugung einer Drehbewegung des Werkstücks um eine Werkstückrotationsachse bzw. Werkstückachse 192 mit konstanter Drehgeschwindigkeit gedreht. Bei dem zu bearbeitenden Werkstückabschnitt kann es sich beispielsweise um ein Hauptlager einer Kurbelwelle oder eine Lagerfläche einer anderen Welle, beispielsweise einer Nockenwelle oder einer Ausgleichswelle, handeln.
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Um an dem Werkstückabschnitt mittels Finishen einen Materialabtrag zu bewirken, wird ein Finish-Werkzeug 100 mit einer in einer Andrückrichtung AR wirkenden Andrückkraft F an die zu bearbeitende Umfangsfläche bzw. an den zu bearbeitenden Werkstückabschnitt angedrückt. Hierzu hat die Finish-Maschine eine entsprechende Andrückeinrichtung.
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Der Materialabtrag wird dadurch unterstützt, dass mithilfe einer Oszillationseinrichtung eine parallel zur Werkstückoberfläche ausgerichtete oszillierende Relativbewegung zwischen dem Werkstück und dem Finish-Werkzeug erzeugt wird (siehe Doppelpfeil OSZ). Im Beispielsfall ist die Oszillationseinrichtung auf Seiten des Finish-Werkzeugs angebracht, so dass das Finish-Werkzeug in einer senkrecht zur Andrückrichtung AR verlaufenden Oszillationsrichtung OR oszillierend bewegt wird, während das Werkstück sich lediglich um die Werkstückachse 192 dreht. Die Oszillationseinrichtung umfasst hier einen pneumatischen Schwinger, der das Finish-Werkzeug relativ zum Werkzeughalter 180 bewegen kann.
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Weiterhin ist eine translatorische Maschinenachse (numerisch gesteuerte Linearachse) vorgesehen, die eine der Oszillationsbewegung überlagerte Linearbewegung des Finish-Werkzeugs in einer Linearhubrichtung LR bewirken kann, welche parallel zur Werkstückachse 192 verläuft. Diese Linearbewegung (Doppelpfeil LIN) kann bei Bedarf über eine Linearhublänge erfolgen, die größer als der Oszillationshub ist.
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Weiterhin ist eine rotatorische Achse (numerisch gesteuerte Rotationsachse) zur Erzeugung einer der Linearbewegung überlagerten Schwenkbewegung des Finish-Werkzeugs vorgesehen. Die Schwenkbewegung (gekrümmter Doppelpfeil SW) erfolgt um eine Schwenkachse SA, die senkrecht zur Werkstückachse und senkrecht zur Andrückrichtung AR verläuft.
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Die Steuerung der Finishmaschine ist im Beispielsfall so konfiguriert, dass eine Schwenkposition des Finish-Werkzeugs, d.h. die aktuelle Drehposition um die Schwenkachse SA, in Abhängigkeit von einer Axialposition der Linearbewegung LIN steuerbar ist. Damit wird die Orientierung der Oszillationsrichtung OSZ in Bezug auf das Maschinekoordinatensystem im Beispielsfall eine Funktion der Axialposition der Linearbewegung und der Schwenkposition und verläuft phasenweise nicht parallel, sondern in variierendem spitzem Winkel zur Werkstückachse.
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Das am freien Ende eines Werkzeughalters 180 montierte Finish-Werkzeug 100 weist einen Schneidmittelträger 110 auf, der typischerweise aus Werkzeugstahl oder einem anderen metallischen Werkstoff gefertigt ist und an seiner Rückseite Einrichtungen zur Montage des Finish-Werkzeugs am Werkzeughalter 180 umfasst. An der Vorderseite des Schneidmittelträgers ist ein Schneidbelag 120 zum Beispiel mithilfe eines Klebers oder mittels Schrauben befestigt. Der durch einen Sinterwerkstoff gebildete Schneidbelag enthält eine Vielzahl von Schneidmittelkörnern, die im Beispielsfall homogen innerhalb einer Matrix aus einem Bindemittel verteilt sind. Schneidmittelkörner können beispielsweise Diamantkörner oder Körner aus kubischem Bornitrid (CBN) sein. Als Bindemittel kommt beispielsweise ein keramischer oder ein metallischer Werkstoff in Betracht.
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Der Schneidbelag hat an seiner dem Schneidmittelträger zugewandten Grundseite normalerweise einen Rechteckquerschnitt. Definitionsgemäß ist die Längsrichtung L des Schneidbelags diejenige Richtung, die bei der Finish-Bearbeitung im Wesentlichen parallel zur Werkstückrotationsachse verläuft. Senkrecht zur Längsrichtung L verläuft die Querrichtung Q in der Weise, dass Längsrichtung und Querrichtung in einer Ebene senkrecht zur Andrückrichtung liegen.
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Auf der dem Schneidmittelträger abgewandten Seite bildet der Schneidbelag eine abrasive, konkav-zylindrische Schneidfläche 125, mit der der Schneidbelag während der Finish-Bearbeitung mehr oder weniger großflächig an der zu bearbeitenden Umfangsfläche anliegt. Wie in 2 gut zu erkennen ist, hat die Schneidfläche in Querrichtung Q eine konkave Form, deren Krümmungsradius im Wesentlichen dem Soll-Krümmungsradius des zu bearbeitenden Werkstückabschnitts am Ende der Finish-Bearbeitung entspricht.
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Anhand der schematischen 3 werden Details der Kinematik der Werkzeugbewegung bei der Erzeugung einer voll-balligen axialen Geometrie eines Werkstückabschnitts 194 des Werkstücks 190 erläutert. Die Verhältnisse sind nicht maßstabsgerecht dargestellt. Das Werkstück 190 rotiert um seine Werkstückachse 192. Das Finish-Werkzeug 100 wird mittels der Andrückeinrichtung in Andrückrichtung AR an die rotationssymmetrische Werkstückaußenfläche angedrückt. Das Finish-Werkzeug oszilliert relativ zum Werkzeugträger in Oszillationsrichtung OSZ senkrecht zur Andrückrichtung. Der Oszillationsbewegung ist eine parallel zur Werkstückrotationsachse 192 verlaufende Linearbewegung LIN überlagert, für die eine numerisch gesteuerte Linearachse der Finish-Maschine vorgesehen ist.
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Der Linearhub, d.h. die Hublänge der Linearbewegung, ist in 3 übertrieben dargestellt. Typischerweise liegt der Oszillationshub im Bereich einiger Millimeter, beispielsweise im Bereich von ±0.5 mm bis ±3 mm. Der durch die Linearbewegung zusätzlich erzielbare Hub kann in der gleichen Größenordnung liegen, also beispielsweise zwischen 1 mm und 3 mm. Auch andere Hublängen und Hublängenverhältnisse sind möglich.
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Der achsparallelen Linearbewegung ist eine Schwenkbewegung des Finish-Werkzeugs um eine senkrecht zur Linearrichtung und senkrecht zur Andrückrichtung verlaufende Schwenkachse überlagert. Um die dargestellte konvexe, d.h. tonnenförmige Gestalt des Umfangsabschnitts zu erreichen, wird die Schwenkbewegung so gesteuert, dass in einer Endphase eines Linearhubs, also in der zweiten Hälfte eines Linearhubs nach Überschreiten einer Mittelposition, nach Vorgabe eines Steuerprogramms ein in Bewegungsrichtung der Linearbewegung vorauseilender vorderer Endabschnitt des Finish-Werkzeugs näher an der Werkstückachse 192 liegt bzw. mit höherer lokaler Andrückkraft an die Umfangsfläche angedrückt wird als ein in der Bewegungsrichtung nacheilender hinterer Endabschnitt. Bewegt sich das Finish-Werkzeug beispielsweise in die erste Richtung R1 in 3 nach links, so wird der vordere Endabschnitt E1 mit stärkerer lokaler Andrückkraft an die Werkstückoberfläche angedrückt als der nacheilende zweite Endabschnitt E2. Hierzu verläuft die Andrückrichtung in einem von 90° abweichenden Winkel zur Werkstückrotationsachse 192. In der mittleren Phasen der linearen Hubbewegung ist die Andrückrichtung senkrecht zur Werkstückrotationsachse ausgerichtet und beide Endabschnitte des Finish-Werkzeugs werden mit etwa gleicher lokaler Andrückkraft an die Umfangsfläche angedrückt. Bei Annäherung an den Umkehrpunkt auf der anderen Seite (in die zweite Richtung R2) eilt nun der zweite Endabschnitt E2 dem ersten Endabschnitt E1 voraus und wird mit stärkerer lokaler Andrückkraft an die Umfangsfläche angedrückt als der erste Endabschnitt E1.
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Der maximale Schwenkwinkel der Schwenkbewegung, d.h. der maximale Winkel zwischen momentaner Orientierung der Andrückrichtung und der Nullpunktslage (Andrückrichtung senkrecht zur Werkstückrotationsachse 192) ist normalerweise sehr klein und liegt in der Regel unterhalb von 1°, ggf. auch unterhalb von 0.1°. Der Schwenkwinkel kann z.B. im Bereich 0.01° bis 0.1° liegen.
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Die Oszillationsrichtung OR verläuft mit dieser Kinematik immer parallel zur Werkstückoberfläche in einer die Werkstückachse 192 enthaltenden Axialebene. Die Andrückkraft wirkt bei dieser Kinematik unabhängig von der axialen Position des Finish-Werkzeugs immer im Wesentlichen in Normalenrichtung zum gerade bearbeiteten Teil des Werkstückabschnitts, also senkrecht zur Werkstückoberfläche. Bei gleichmäßiger Rotationsgeschwindigkeit des Werkstücks und gleichmäßiger Oszillationsfrequenz wird der lokale Materialabtrag im Wesentlichen durch die lokal herrschende Andrückkraft bestimmt, so dass mithilfe der Finish-Bearbeitung die ballige Gestalt mit konvexer Mantellinie erzeugt werden kann.
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Um zu erreichen, dass die gewünschte Andrückkraft unabhängig vom lokalen Durchmesser des gerade bearbeiteten Teils des Werkstückabschnitts allein durch die Ansteuerung der Andrückeinrichtung bestimmt wird, ist der Linearbewegung und der Schwenkbewegung noch eine in Andrückrichtung verlaufende lineare Ausgleichsbewegung überlagert.
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Es ist ersichtlich, dass nach dem gleichen Prinzip auch andere axiale Geometrien erzeugt werden können. Wird die Schwenkbewegung beispielsweise so gestaltet, dass die Andrückrichtung AR in einem breiteren Bereich um die axiale Mitte des Umfangsabschnitts senkrecht zur Werkstückrotationsachse 192 ausgerichtet bleibt und nur in den Endphasen nahe der Umkehrpunkte das Finish-Werkzeug verschwenkt wird, so kann beispielsweise eine zylindrisch-ballige axiale Geometrie erzeugt werden, bei der sich im Mittelbereich ein zylindrischer Teil des Werkstückabschnitts befindet, der zu den axialen Rändern hin zur Verkleinerung des Durchmessers verrundet wird. Auch eine zylindrisch-logarithmische oder ein konkave Mantellinienform kann auf diese Weise erzeugt werden.
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Das Ausmaß der Balligkeit, beispielsweise gegeben durch den Radienunterschied ΔR zwischen dem Bereich mit größtem Radius bzw. Durchmesser und dem Bereich mit kleinstem Radius bzw. Durchmesser liegt normalerweise in der Größenordnung einiger Mikrometer, beispielsweise zwischen 1 und 5 µm.
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Anhand von 4 wird ein Ausführungsbeispiel einer Vorrichtung 400 zur Finish-Bearbeitung von Umfangsflächen erläutert, mit der die besondere Werkzeugkinematik realisiert werden kann. 4A zeigt hierzu eine Seitenansicht parallel zur Bewegungsrichtung einer horizontalen, linearen Maschinenachse, die den Linearhub ausführt. 4B zeigt eine Vorderansicht der Vorrichtung in einer senkrecht zu dieser Linearrichtung stehenden Horizontalrichtung, die der Achsrichtung einer rotatorischen Maschinenachse entspricht.
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An einem vertikalen Träger 410 der Vorrichtung ist eine lineare Maschinenachse LA mit horizontaler Achsrichtung vorgesehen. Durch diese wird die beschriebene Linearbewegung erzeugt. Die lineare Maschinenachse umfasst einen Horizontalschlitten 420, der entlang von horizontalen Führungsschienen 425 geführt ist und mithilfe eines Servomotors (nicht gezeigt) über eine Kugelrollspindel bewegt wird. Der Schlitten 420 trägt eine rotatorische Maschinenachse, welche einen Rundtisch 430 umfasst, der relativ zum Schlitten 420 mithilfe eines numerisch gesteuerten Drehantriebs um eine horizontale Rotationsachse verdreht werden kann, die der Schwenkachse SA entspricht. Der um die Schwenkachse verdrehbare Rundtisch 430 trägt an seiner Vorderseite eine sogenannte Steinführung 440, die eine translatorische Maschinenachse beinhaltet, um den Werkzeughalter 180 entlang einer senkrecht zur Schwenkachse SA verlaufenden Vorschubrichtung zu verschieben, welche der Andrückrichtung AR entspricht. Am vorderen Ende des Werkzeughalters ist das Finish-Werkzeug 100 angebracht, welches das Werkstück 190 bearbeitet, das für die Bearbeitung mithilfe einer Dreheinrichtung so angetrieben wird, dass es sich um seine Werkstückrotationsachse 192 mit einer vorgegebenen Drehzahl (bei spielsweise zwischen 50 min–1 und 300 min–1 dreht.
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Die Vorrichtung kann wie folgt arbeiten. Während das Werkstück 190 um die Werkstückachse 192 gedreht wird, führt das Finish-Werkzeug 100 entlang der Bewegungsachse der Oszillationseinrichtung eine schnelle Oszillationsbewegung in Oszillationsrichtung OR aus. Zusätzlich wird zur Erzeugung einer axialen Geometrie des bearbeitenden Werkstückabschnitts dem Finish-Werkzeug eine interpolierende Bewegung durch die Steinführung überlagert. Die Steinführung führt hierzu entlang der horizontalen Bewegungsrichtung der Linearachse LA einen relativ langsamen und großen Hub aus. Gleichzeitig schwenkt der Rotationstisch 430 die Steinführung 440 um die Schwenkachse SA, während die Linearachse, die den Werkzeughalter 180 linear verschieben kann, einen entsprechenden Längenausgleich bewirkt. Auf diese Weise wird dem Finish-Werkzeug eine bogenförmige Werkzeuglaufbahn aufgezwungen. Dadurch kann am bearbeiteten Werkstückabschnitt durch Finishen eine runde oder beliebige andere axiale Werkzeuglaufbahn erzeugt werden, wodurch eine entsprechende Mantellinienform am Werkstück erzeugt werden kann.
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Durch die Veränderung des Schwenkwinkels in Verbindung mit der Bewegung der linearen Maschinenachse LA sind alle denkbaren Konturen in axialer Richtung des bearbeiteten Umfangsabschnitts zu gestalten und zu beeinflussen. Konvexe wie auch konkave Linienformen der Mantellinie können erzielt werden.
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Durch die hiermit geschaffene Möglichkeit, mittels Finishen die Mantellinienform von Lagerstellen in axialer Richtung gezielt beeinflussen zu können, kann in zukünftigen Fertigungsprozessen gegebenenfalls auf das bei herkömmlichen Prozessen vorgelagerte Fertigschleifen verzichtet werden. Dadurch, dass die Finish-Bearbeitung nun als formgebende Bearbeitung ausgelegt sein kann, steht der Finish-Prozess nicht mehr in Abhängigkeit zur Vorbearbeitung bzw. ist weniger von der Vorbearbeitung abhängig. Der Finish-Prozess kann dadurch gegebenenfalls auch leistungsfähiger mit größerem Zerspanungsvolumen ausgelegt werden. Auf die früher üblichen Abrichtzyklen bei Schleifwerkzeugen nach einer gewissen Anzahl bearbeiteter Lagerstellen kann gegebenenfalls unter Nutzung dieser neuartigen Finish-Technologie verzichtet werden. Eine hohe Schwingungsfrequenz der Oszillationsbewegung (typischerweise mindestens 10 Hz) parallel zur axialen Kontur gewährleistet einen Selbstschärfeffekt des Finish-Werkzeugs, so dass ein Abrichten eines Finish-Werkzeugs anders als bei Schleifwerkzeugen nicht erforderlich ist. Somit kann die Prozesskette deutlich reduziert und Investitionen können eingespart werden.
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Bei dem bisher dargestellten Beispiel ist die rotatorische Schwenkachse eine Maschinenachse, während das Finish-Werkzeug ein konventionelles passives Finish-Werkzeug ist. Bei anderen Ausführungsbeispielen kann auf eine rotatorische Schwenkachse in der Finish-Vorrichtung verzichtet werden. Stattdessen kann die Schwenkbewegung bzw. eine entsprechende Schwenkachse in ein aktiv ansteuerbares Finish-Werkzeug integriert sein. 5 zeigt hierzu beispielhaft ein Finish-Werkzeug 500 mit integrierter Schwenkachse. Der Schneidmittelträger 510 des Finish-Werkzeugs 500 ist hierzu mehrteilig konstruiert. Ein maschinenseitiger fester Teil 512 wird mit geeigneten Befestigungsmitteln fest am Werkzeugträger 110 befestigt. Der feste Teil trägt einen gegenüber dem festen Teil beweglichen Teil 514, der gegenüber dem festen Teil um eine Schwenkachse SA begrenzt verschwenkbar ist. Der Schneidbelag 520 ist an der Vorderseite des beweglichen Teils 514 befestigt. Die Schwenkbewegung des beweglichen Teils mit Schneidbelag gegenüber dem festen Teil wird mithilfe von Aktoren ACT bewerkstelligt, die beispielsweise mithilfe von Piezoelementen aufgebaut sein können. Die Aktoren werden über die Steuereinheit der Finish-Vorrichtung angesteuert und bewirken eine Verschwenkung des beweglichen Teils gegenüber dem festen Teil in Abhängigkeit von der Linearbewegung der translatorischen Achse parallel zur Werkstückrotationsachse.
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Bei dieser Variante kann der bewegliche Teil 514 mit dem Schneidbelag 520 als Finish-Werkzeug angesehen werden, während der feste Teil 512 als Teil des Werkzeughalters 180 angesehen werden kann. Die Variante der 1, 2 und 4 unterscheidet sich dann von der Variante aus 5 dadurch, dass im ersten Fall die Schwenkachse an der Maschinenseite des Werkzeughalters und im letzten Fall auf der Werkzeugseite des Werkzeughalters angeordnet ist.