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Bei der Sicherstellung des Fahrkomforts und der Vermeidung von Verkehrsunfällen spielen Fahrerassistenzsysteme eine immer größere Rolle. Zu unterscheiden ist hierbei zwischen Systemen, welche beispielsweise in Form einer automatischen Notbremsung oder eines Ausweichmanövers in die Fahrdynamik eingreifen, und solchen, die sich auf eine akustische, visuelle oder haptische Warnung des Fahrers beschränken. Aufgrund des hohen Absicherungsaufwandes und den hohen Anforderungen an die Umfelderfassung kommen Systeme der erstgenannten Kategorie nur in ausgewählten Situationen zum Einsatz. Warnende Fahrerassistenzsysteme hingegen unterliegen der Reaktion des Fahrers, d.h., eine Warnung muss spätestens 1 bis 2 Sekunden vor dem letztmöglichen Reaktionszeitpunkt (z.B. ein Bremseingriff) erfolgen.
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In einer Vielzahl von Situationen kann zu diesem Zeitpunkt mit herkömmlichen Mitteln noch nicht über die Notwendigkeit einer Warnung entschieden werden. 1 zeigt eine derartige Situation beispielhaft: Der Fahrer des Fahrzeugs 1 möchte nach links in die Vorfahrtsstraße einbiegen. Dazu hat er zunächst nach links, anschließend nach rechts abgesichert. Zu diesem Zeitpunkt kam von links noch kein Fahrzeug 3, wohl aber von rechts (Fahrzeug 2). Der Fahrer wartet auf das Passieren des Fahrzeugs 2 von rechts und fährt danach los, ohne nochmals nach links abzusichern. Dies führt in der dargestellten Situation zum Unfall. Um diesen Unfall zu vermeiden, sollte der Fahrer des Fahrzeugs 1 also vor dem von links herannahenden Fahrzeug 3 gewarnt werden. Gleichzeitig ist es jedoch inakzeptabel, den Fahrer während des Wartens auf jedes Fahrzeug aufmerksam zu machen, welchem Vorfahrt zu gewähren ist. Vielmehr sollte die Warnung nur dann erfolgen, wenn absehbar ist, dass der Fahrer gleich losfahren wird. Ein Problem hierbei besteht darin, dass sich die Anfahrentscheidung erst sehr spät in beobachtbaren Aktionen (z.B. einem Loslassen der Bremse oder dem Betätigen des Gaspedals) äußert. Typischerweise erfolgt eine solche Aktion erst nach demjenigen Zeitpunkt, zu welchem eine Warnung das Anfahren und somit den Unfall noch zu vermeiden vermag.
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Im Stand der Technik bekannt ist ein System, welches das Anfahren in einer ähnlichen Situation aktiv unterbindet. Dies hat jedoch den Nachteil, dass der Fahrer selbst nicht mehr die vollständige Kontrolle über das Fahrzeug hat. In Situationen, in denen der Fahrer die Situation besser einschätzen kann als das Fahrzeug (z.B. weil der Fahrer sieht, dass das in 1 von links kommende Fahrzeug 3 nach rechts abbiegen wird), kann sich dies negativ auf die Akzeptanz eines solchen Systems bei Anwendern auswirken.
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Ein weiterer relevanter Stand der Technik ist in Form sogenannter Start/Stopp-Systeme zum Einsparen von Kraftstoff und der Verringerung des Ausstoßes von Verbrennungsgasen bekannt. Hierbei wird die Verbrennungsmaschine eines Fahrzeugs dann gestartet, wenn der Fahrer eine Aktion zum Fortsetzen der Fahrt vornimmt. Diese kann beispielsweise das Lösen einer Bremse und/oder das Durchtreten eines Kupplungspedals sein. Auch wenn moderne Fahrzeuge den Motorwiederstart nach der Stopp-Phase sehr rasch durchführen, ist eine unweigerliche Folge des Motorstopps eine Verzögerung bis zum tatsächlichen Fortsetzen der Fahrt. Dies verringert die Akzeptanz von Start/Stopp-Systemen bei einigen Anwendern. Die Folge ist, dass die Systeme von den Anwendern deaktiviert und die mit ihnen verbundenen Vorteile somit nicht erzielt werden.
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Es ist daher eine Aufgabe der vorliegenden Erfindung, die vorgenannten Nachteile des Standes der Technik auszuräumen.
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Die vorliegende Erfindung löst die vorstehend genannte Aufgabe durch ein Verfahren mit den Merkmalen gemäß Anspruch 1. Zusätzlich werden ein Fahrzeug, ein Fahrerassistenzsystem und ein Fahrroboter zur Lösung der vorgenannten Aufgabe vorgeschlagen. Das erfindungsgemäße Verfahren dient der Voraussage eines voraussichtlichen Anfahrzeitpunktes für ein Fahrzeug in einer "Vorfahrt-gewähren"-Position. Der voraussichtliche Anfahrzeitpunkt kann auch als "geeigneter" Anfahrzeitpunkt verstanden werden, und bezeichnet denjenigen Zeitpunkt, ab welchem ein Verharren in einer Wartesituation aufgrund vorfahrtsberechtigten Verkehrs im Umfeld eines Fahrzeugs beendet werden könnte, ohne die Verkehrssicherheit zu beeinträchtigen. Das Fahrzeug kann beispielsweise als straßenzugelassenes Kraftfahrzeug mit Verbrennungsmotor und/oder Elektroantrieb ausgestaltet sein. Erfindungsgemäß wird zunächst eine Information eines Umfeldes des Fahrzeugs sensorisch ermittelt. Dies kann beispielsweise unter Verwendung bereits bekannter und für weitere Zwecke im Serieneinsatz vorgesehener Sensoren erfolgen. Solche Sensoren basieren häufig auf Ultraschall, Radar, Lidar, sowie auf optischen Sensoren. Die ermittelten Sensoren werden anschließend hinsichtlich eines zukünftigen Wegfalls von solchen Umständen ausgewertet, welche ein Verharren des Fahrzeugs in der "Vorfahrt-Gewähren"-Position bedingen. Hierbei werden beispielsweise Verkehrsteilnehmer im Fahrzeugumfeld erkannt und deren Hierarchieebene bezüglich einer vorliegenden Vorfahrtsregelung mit der eigenen Hierarchieebene verglichen. Zur Berücksichtigung der aktuellen Vorfahrtsregelung können Verkehrsschilder ausgewertet werden und/oder digitale Datenbanken (z.B. Straßenkarte mit Informationen zur Vorfahrtsregelung) konsultiert werden. Zusätzlich können herannahende Fahrzeuge über Car2Car-Kommunikation die eigene Präsenz, die eigene Fahrtrichtung und/oder ihren Informationsstand zu einer eigenen Hierarchieebene bezüglich der vorliegenden Vorfahrtsregelung an das betrachtete Fahrzeug senden. Sobald das betrachtete Fahrzeug im Umfeld keine Verkehrsteilnehmer identifiziert, welche einem Fortsetzen der Fahrt entgegenstehen, kann die Fahrt fortgesetzt werden. Durch Extrapolation der Geschwindigkeiten und Bewegungsrichtungen im Umfeld ermittelter Verkehrsteilnehmer kann der Zeitpunkt auch vorhergesagt werden. Entsprechend kann der voraussichtliche Anfahrzeitpunkt als Zeitpunkt des zukünftigen Wegfalls der das Fahrzeug zum Verharren veranlassenden Umstände bestimmt werden. Mögliche Anwendungsfälle für einen vorhergesagten Zeitpunkt zum Fortsetzen der Fahrt ergeben sich für den Fachmann in großer Zahl. Einzelne Aspekte und Anwendungsfälle werden nachfolgend ohne einschränkende Wirkung auf den Schutzbereich erläutert.
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Die Unteransprüche zeigen bevorzugte Weiterbildungen der Erfindung.
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Bevorzugt werden sämtliche Umstände, welche ein Verharren des Fahrzeugs in der vorstehend beschriebenen "Vorfahrt-gewähren"-Position bedingen, ausgewertet. Auf diese Weise ist ein Fortsetzen der Fahrt ohne Kollisionsrisiko möglich. Wie auch für den vorgenannten Kerngedanken der vorliegenden Erfindung gilt in diesem Zusammenhang, dass nicht jeder erkannte Verkehrsteilnehmer die Weiterfahrt verhindert, nur weil ihm zu einem späteren Zeitpunkt Vorfahrt zu gewähren ist. Mit anderen Worten kann selbstverständlich auch eine Bewertung der im Umfeld befindlichen Verkehrsteilnehmer dahingehend erfolgen, ob die Fahrt bereits vor der Annäherung eines potentiellen Kollisionsgegners risikofrei fortgesetzt werden kann.
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Die Bewertung der Verkehrssituation kann ein Auswerten einer digitalen Datenbank umfassen, welche entweder im Fahrzeug selbst oder auf einem stationären Server abgelegt ist. Zusätzlich können zwischen den Fahrzeugen ausgetauschte Nachrichten bei der Auswertung berücksichtigt werden, mittels welcher die Fahrzeuge sich gegenseitig über ihre Präsenz, ihre Bewegungsrichtungen und voraussichtlichen Routen informieren. Sowohl in der Datenbank als auch in den zwischen den Fahrzeugen ausgetauschten Car2Car-Nachrichten können Informationen zur vorliegenden Vorfahrtsregelung enthalten sein. Alle diese Informationen verbessern die Grundlage zur Vorhersage desjenigen Zeitpunkts, an welchem die Fahrt fortgesetzt werden kann.
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Ein Anwendungsfall des vorstehend genannten erfindungsgemäßen Verfahrens besteht in einem Ausgeben einer Warnung eines Fahrerassistenzsystems. Hierbei wird zusätzlich ein Kennwert für eine richtungsabhängige Aufmerksamkeitsverteilung eines Führers des Fahrzeugs ermittelt. Mit anderen Worten wird ermittelt, wie hoch die richtungsabhängige Wahrscheinlichkeitsverteilung dafür ist, dass der Führer des Fahrzeugs jeweils über hinreichende Informationen zur Verkehrssituation verfügt, mit anderen Worten einen potentiellen Kollisionsgegner eigenständig erkannt hat. Sofern dabei ermittelt wird, dass der Fahrer über hinreichende Informationen verfügt bzw. ermittelt wird, dass der Fahrer (vermutlich) eine korrekte Einschätzung der Verkehrssituation vorgenommen hat, kann eine Warnung vor den betreffenden Verkehrsteilnehmern bzw. vor der gesamten Verkehrssituation unterbleiben. Sofern der ermittelte Kennwert jedoch eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür erkennen lässt, dass der Fahrer einen zweiten Vorfahrt genießenden Verkehrsteilnehmer nicht zum Anlass für ein Verharren in seiner aktuellen Position nehmen wird, kann, nachdem die Möglichkeit einer Kollision mit einem ersten Verkehrsteilnehmer nicht fortbesteht, eine Warnung vor einer möglichen Kollision mit dem ersten Verkehrsteilnehmer ausgegeben werden. Mit anderen Worten wird erfindungsgemäß ermittelt, dass der Fahrer des Fortbewegungsmittels lediglich eine Untergruppe der potentiellen Kollisionspartner berücksichtigt, eine Warnung ausgegeben, um zu verhindern, dass der Fahrer die Fahrt fortsetzt, obwohl ein weiterer potentieller Kollisionspartner, den der Fahrer zuvor nicht berücksichtigt hat, die Gefahrenzone noch nicht verlassen hat. Auch hierbei können die Reaktionszeiten des Fahrers berücksichtigt werden, so dass in einem vordefinierten Zeitraum vor dem Passieren des letzten vom Fahrer berücksichtigten potentiellen Kollisionspartners die Warnung vor der Kollision mit einem nicht berücksichtigten Kollisionspartner ausgegeben wird. Auf diese Weise kann eine zu frühzeitige Warnung vor dem nicht berücksichtigten Verkehrsteilnehmer vermieden werden, so dass die Anwenderakzeptanz für ein Fahrzeug steigt, welches ein erfindungsgemäßes Verfahren auszuführen eingerichtet ist.
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Der Kerngedanke der vorliegenden Erfindung kann auch zum Unterdrücken einer Warnung eines Fahrerassistenzsystems verwendet werden. Auch hierbei wird ein Kennwert für eine richtungsabhängige Aufmerksamkeitsverteilung eines Führers des Fahrzeugs ermittelt. In diesem Zusammenhang gelten die obigen Ausführungen zur Ermittlung des Kennwerts sowie zum Kennwert selbst entsprechend.
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Zusätzlich wird die Möglichkeit einer Kollision mit einem ersten Vorfahrt genießenden Verkehrsteilnehmer durch das Fahrerassistenzsystem ermittelt. Dies geschieht unter der Voraussetzung, dass der Fahrer die Fahrt vor dem voraussichtlichen Anfahrzeitpunkt fortsetzt, wie er gemäß dem Kern der vorliegenden Erfindung ermittelt worden ist. Erfindungsgemäß wird die Ausgabe der vorgenannten Warnung vor der ermittelten möglichen Kollision unter der Voraussetzung unterdrückt, dass der ermittelte Kennwert eine hinreichende Wahrscheinlichkeit erkennen lässt, dass der Fahrer den ersten Vorfahrt genießenden Verkehrsteilnehmer zum Anlass eines Verharrens nehmen wird. Mit anderen Worten wird der Fahrer durch das Assistenzsystem gerade dann nicht vor der Kollisionsgefahr gewarnt, wenn die Auswertung seines Verhaltens vermuten lässt, dass er die Gefahr bereits selbständig erkannt und insbesondere korrekt bewertet hat. Auf diese Weise können unnötige Warnungen durch das Fahrerassistenzsystem vermieden werden, was den Informationsgehalt der dennoch ausgegebenen Warnungen für den Fahrer drastisch erhöht. Insbesondere kann dadurch verhindert werden, dass sich der Fahrer an die Hinweise des Fahrzeugs gewöhnt und dadurch in seinem eigenen Absicherungsverhalten nachlässt. Ein derartiges Nachlassen wäre als kritisch zu bewerten, da es in Situationen, in denen das auf Kollisionskurs befindliche Fahrzeug sensorisch nicht detektiert werden kann, zur Erhöhung des Unfallrisikos beitragen kann.
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Der Kennwert für die richtungsabhängige Aufmerksamkeitsverteilung kann ermittelt werden, indem eine Blickrichtung(sverteilung) und/oder eine Kopfstellung(sverteilung) des Fahrers als Funktion der Zeit aufgenommen und ausgewertet werden. Entsprechende Referenzwerte können in einer lokalen Datenbank bereitgehalten werden, um aktuell ermittelte Kennwerte dahingehend zu beurteilen, ob die Wahrscheinlichkeit, dass der Fahrer den Vorfahrt genießenden Verkehrsteilnehmer zum Anlass eines Verharrens nehmen wird, hinreichend hoch ist. Die abgespeicherten Referenzwerte für den Kennwert können in Abhängigkeit einer jeweiligen Verkehrssituation abgespeichert sein. Insbesondere können Klassen gebildet werden, welche Schwellenwerte für akzeptable bzw. geeignete richtungsabhängige Aufmerksamkeitsverteilungen umfassen. Mögliche Klassen können beispielsweise "Rechtsabbiegen an einer Kreuzung", "Linksabbiegen an einer Kreuzung", Geradeausfahren an einer Kreuzung bei Herkunft aus einer "Vorfahrt-Gewähren"-Position, "Rechtsabbiegen an einer T-Kreuzung", "Linksabbiegen an einer T-Kreuzung" o.Ä. sein. Je nach Art der Klasse ergibt sich eine andere geeignete Aufmerksamkeitsverteilung für alle möglichen Blickrichtungen bzw. Kopfstellungen für den Fahrer. Durch Auswertung im Fahrzeug befindlicher Sensoren können geeignete Kennwerte ermittelt und mit abgespeicherten Referenzen verglichen werden. Anhand dieses Vergleiches wird anschließend entschieden (ja/nein), ob eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass eine Warnung durch das Fahrerassistenzsystem angezeigt erscheint oder ob dies nicht der Fall ist.
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Ein weiterer möglicher Anwendungsfall für das erfindungsgemäße Verfahren ist das Vorbereiten eines Fahrzeugs in einer "Vorfahrt-Gewähren"-Position für eine Weiterfahrt. Zusätzlich zu den oben ausgeführten Schritten gemäß dem Kerngedanken der vorliegenden Erfindung wird eine bevorstehende Zeitdauer bis zu dem ermittelten voraussichtlichen Anfahrzeitpunkt mit einem vordefinierten Wert verglichen und im Ansprechen auf ein Erreichen des vordefinierten Wertes durch die bevorstehende Zeitdauer eine Aktion zum Vorbereiten des Fahrzeugs auf die Weiterfahrt automatisch durchgeführt. Der vordefinierte Wert kann in Abhängigkeit der Aktion bestimmt werden. Beispielsweise kann vorgesehen sein, dass bereits eine halbe bis eine Sekunde vor dem voraussichtlichen Anfahrzeitpunkt ein Verbrennungsmotor des Fahrzeugs aus einem Stopp-Betriebszustand gestartet werden soll, um zum voraussichtlichen Anfahrzeitpunkt bereits hinreichend Leistung bereitstellen zu können. Wird durch das erfindungsgemäße Verfahren zu einem Zeitpunkt X ermittelt, dass zwei Sekunden später die Fahrt fortgesetzt werden kann, kann nach dem Verstreichen von eineinhalb Sekunden der Verbrennungsmotor gestartet werden, um zum Zeitpunkt x + 2 Sekunden unverzüglich anfahren zu können. Dies kann die Akzeptanz für bestimmte Funktionen des Fahrzeugs verbessern.
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Alternativ oder zusätzlich zum automatischen Starten eines Verbrennungsmotors kann auch der Betriebszustand einer Infotainment-Anlage des Fahrzeugs im Ansprechen auf ein Erreichen des vordefinierten Wertes verändert werden. Beispielsweise kann das Bild eines TV-Signals ausgeschaltet werden, noch bevor die Fahrt fortgesetzt wird. Auf diese Weise wird der Anwender unmittelbar vor der Fortsetzung der Fahrt nicht mehr durch das TV-Signal abgelenkt und hat hinreichend Zeit, die aktuelle Verkehrssituation zu erfassen und zu bewerten. Alternativ oder zusätzlich können elektrisch betriebene Aufladungssysteme für eine Verbrennungsmaschine bereits vor dem Fortsetzen der Fahrt gestartet werden, wodurch ihre Funktion bereits im Anfahrmoment durch Bereitstellung einer erhöhten Motorleistung assistieren kann.
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Gemäß einem zweiten Aspekt der vorliegenden Erfindung wird ein Fahrerassistenzsystem vorgeschlagen, welches einen Umgebungssensor, eine Auswerteeinheit und insbesondere einen Innenraumsensor (je nach Ausgestaltung des gewünschten Funktionsumfangs) umfasst. Der Umgebungssensor ist eingerichtet, Informationen zur Verkehrssituation des Fahrzeugumfeldes zu ermitteln. Die Auswerteeinheit ist im Stande, die ermittelten Sensorsignale auszuwerten und gegebenenfalls mit Referenzwerten zu vergleichen. Anschließend kann die Auswerteeinheit Ausgabegrößen generieren, welche beispielsweise zur Ladung eines Anwenders, zur Vorbereitung des Fahrzeugs auf die Weiterfahrt und/oder zum Unterdrücken der Ausgabe eines Warnsignals verwendet werden können. Auf diese Weise ist das Fahrerassistenzsystem eingerichtet, ein Verfahren gemäß den obigen Erläuterungen auszuführen. Die Merkmale, Merkmalskombinationen und die sich aus diesen ergebenden Vorteile entsprechen den in Verbindung mit dem erfindungsgemäßen Verfahren Ausgeführten derart ersichtlich, dass zur Vermeidung von Wiederholungen auf die obigen Ausführungen verwiesen wird.
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Gemäß einem dritten Aspekt der vorliegenden Erfindung wird ein Fahrroboter vorgeschlagen, welcher einen Umgebungssensor, eine Auswerteeinheit und einen Aktuator zur Längsführung und/oder zur Querführung eines Fahrzeugs umfasst. Der Aktuator kann mit anderen Worten Bremseingriffe vornehmen, eine Beschleunigung des Fahrzeugs veranlassen und/oder Lenkmanöver einleiten. Solche Fahrroboter werden mitunter auch für die Realisierung der Einparkassistenz und Durchführung autonomer Parkmanöver verwendet. Für den Umgebungssensor und die Auswerteeinheit gelten die in Verbindung mit dem Fahrerassistenzsystem gemachten Ausführungen entsprechend. Der Fahrroboter ist erfindungsgemäß eingerichtet, ein Verfahren auszuführen, wie es in Verbindung mit dem erstgenannten Erfindungsaspekt im Detail beschrieben worden ist. Die Merkmale, Merkmalskombinationen und die sich aus diesen ergebenden Vorteile entsprechen denen des erfindungsgemäßen Verfahrens derart ersichtlich, dass auch bezüglich des Fahrroboters auf die obigen Ausführungen verwiesen wird.
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Gemäß einem vierten Aspekt der vorliegenden Erfindung wird ein Fahrzeug vorgeschlagen, welches ein Fahrerassistenzsystem gemäß dem zweitgenannten Erfindungsaspekt und/oder einen Fahrroboter gemäß dem drittgenannten Erfindungsaspekt umfasst. Das Fahrzeug kann beispielsweise ein Straßenfahrzeug sein, welches unabhängig von seiner Motorisierung bzw. seinem Einsatzzweck die Verkehrssicherheit erhöht, indem es ebenfalls die Merkmale, Merkmalskombinationen und Vorteile der drei erstgenannten Erfindungsaspekte realisiert.
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Weitere Einzelheiten, Merkmale und Vorteile der Erfindung ergeben sich aus der nachfolgenden Beschreibung und den Figuren. Es zeigen:
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1 zeigt eine "Vorfahrt-Gewähren"-Situation an einer T-Kreuzung. Das Ego-Fahrzeug 1 möchte entsprechend dem Pfeil P1 als Linksabbieger in eine vorfahrtsberechtigte Straße einbiegen. Mögliche Kollisionspartner stellen ein von rechts kommendes Fahrzeug 2 und ein von links kommendes Fahrzeug 3 dar. Das Ego-Fahrzeug 1 muss entsprechend dem Verkehrsschild 7 und der für die vorfahrtsberechtigte Straße geltende grün geschaltete Lichtzeichenanlage 5 in der dargestellten Position verharren, bis ein sicheres Abbiegen möglich ist. Entsprechend den Pfeilen P2, P3 ist die beabsichtigte Bewegungsrichtung der Fahrzeuge 2, 3 "geradeaus". Mit anderen Worten kreuzt das Fahrzeug 1 beim beabsichtigten Manöver die Trajektorien beider Fahrzeuge 2, 3. Entsprechend dem hervorgehobenen aktuellen Hauptblickwinkel 4 als Beispiel für eine richtungsabhängige Aufmerksamkeitsverteilung des Führers des Fahrzeugs 1 ist davon auszugehen, dass der Führer des Fahrzeugs 1 das Fahrzeug 3 nicht gesehen hat oder dessen Präsenz mittlerweile nicht mehr parat hat. Zwar wartet der Führer des Fahrzeugs 1 vor der Weiterfahrt, bis das Fahrzeug 2 die Kreuzung passiert hat, jedoch ist mit einer unverzüglichen Fortsetzung der Fahrt zu rechnen, was zur Kollision 6 mit dem Fahrzeug 3 führen könnte. Sofern das Fahrzeug 1 das Fahrzeug 3 ermittelt hat, könnte eine sofortige Warnung durch das Fahrerassistenzsystem des Fahrzeugs 1 ausgegeben werden, um den Fahrzeugführer zu warnen. Jedoch hat das Fahrzeug 2 die Kreuzung noch nicht passiert, so dass zumindest noch die Möglichkeit besteht, dass der Fahrer des Fahrzeugs 1 den Blick in Richtung des Fahrzeugs 3 wendet und die Kollisionsgefahr eigenständig erkennt. Erfindungsgemäß ist daher vorgesehen, die Ausgabe der Warnung in der dargestellten Situation zunächst zu verzögern unterdrücken bzw. erst zum spätest möglichen Zeitpunkt zur Abwendung der Kollision auszugeben. Sofern der Fahrer des Fahrzeugs 3 im weiteren Verlaufe seiner Fahrt den Fahrtrichtungsanzeiger rechts betätigt, die Fahrt verlangsamt und ein bevorstehendes Abbiegen des Fahrzeugs 3 somit für den Fahrer des Fahrzeugs 1 erkennbar wird, ist ihm eine unnötige Warnung durch sein Fahrerassistenzsystem erspart geblieben. In diesem Fall kann das Abbiegen des Fahrzeugs 3 auch zum Anlass genommen werden, einen Verbrennungsmotor des Fahrzeugs 1 automatisch zu starten, um nach dem Räumen der Kreuzung durch das Fahrzeug 2 schnellstmöglich die Fahrt fortsetzen zu können.
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2 zeigt Komponenten des in 1 diskutierten Fahrzeugs 1. Dieses weist eine Kamera 8 als Umgebungssensor auf, welche mit einem elektronischen Steuergerät 9 als Auswerteeinheit informationstechnisch verbunden ist. Ein Bildschirm 10 einer Head Unit ist im Armaturenbrett des Fahrzeugs 1 angeordnet, ebenfalls informationstechnisch mit dem elektronischen Steuergerät 9 verbunden und zur Ausgabe einer optischen Warnung eingerichtet. Zudem ist eine optische Kamera 11 als Innenraumsensor in Richtung des Fahrers gerichtet vorgesehen, welche Kopf- und Augenbewegung des Fahrers erfassen und dem elektronischen Steuergerät 9 kommunizieren kann. Ein Datenspeicher 12 ist eingerichtet, Referenzwerte zur Bewertung des Fahrerverhaltens ebenso wie eine Datenbank zur vorliegenden Vorfahrtsregelung zur Auswertung durch das elektronische Steuergerät 9 bereitzustellen. Ein Aktuator 14 eines Fahrroboters ist eingerichtet, die Verbrennungsmaschine 15 und eine (nicht dargestellte) Lenkung des Fahrzeugs 1 zu bedienen, um Fahrmanöver autonom durchführen zu können. Zusätzlich verfügt das elektronische Steuergerät 9 über einen Anschluss zu einer Antenne 13 eines Drahtloskommunikationssystems, über welches es zusätzliche Informationen von einem Server oder von anderen Verkehrsteilnehmern im näheren Umfeld erhalten kann.
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3 zeigt ein erstes Flussdiagramm veranschaulichend Schritte eines Ausführungsbeispiels des Kerngedankens der vorliegenden Erfindung. Im ersten Schritt 100 werden Informationen zum Umfeld des Fahrzeugs ermittelt. Dies kann beispielsweise unter Verwendung eines Kamerasystems, eines Radarsystems, eines Ultraschallsystems, eines Lidar-Systems oder Lasersystems erfolgen. In Schritt 200 werden anschließend die erfassten Informationen des Umfeldsensors ausgewertet und hinsichtlich eines zukünftigen Wegfalls von Umständen, welche ein Verharren des Fahrzeugs in der "Vorfahrt-Gewähren"-Position bedingen, mit abgespeicherten Referenzwerten verglichen. Die abgespeicherte Referenz kann auch Bewegungsmodelle für Verkehrsteilnehmer umfassen, anhand welcher deren zukünftige Positionen vorhergesagt werden können. In Schritt 300 wird aus einer digitalen Datenbank ermittelt, aus welchen Richtungen des aktuellen Fahrzeugumfelds Vorfahrt genießende Verkehrsteilnehmer herannahen könnten. Anschließend wird in Schritt 400 ein voraussichtlicher bzw. geeigneter Anfahrzeitpunkt als Zeitpunkt des zukünftigen Wegfalls der Umstände, welche das Verharren des Fahrzeugs in der "Vorfahrt-Gewähren"-Position bedingen, automatisch vorhergesagt.
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4 zeigt ein zweites Flussdiagramm veranschaulichend Schritte eines zweiten Ausführungsbeispiels eines Verfahrens gemäß der vorliegenden Erfindung. Die ersten vier Schritte 100 bis 400 des dargestellten Ausführungsbeispiels entsprechen den in 3 diskutierten. In Schritt 500 wird ein Kennwert für eine richtungsabhängige Aufmerksamkeitsverteilung eines Führers des Fahrzeugs ermittelt. Dies umfasst die Kopfbewegungen sowie die Blickrichtungen über der Zeit, wobei länger zurückliegende Blickrichtungen bzw. Kopfstellungen ein geringeres Gewicht als kurze Zeit zurückliegende bzw. aktuelle Blickrichtungen erhalten. Anschließend wird in Schritt 600 eine Warnung vor möglichen Kollisionen mit einem ersten Verkehrsteilnehmer durch das Fahrerassistenzsystem des Fahrzeugs unter der Voraussetzung ausgegeben, dass der ermittelte Kennwert eine hinreichende Wahrscheinlichkeit erkennen lässt, dass der Fahrer einen zweiten Vorfahrt genießenden Verkehrsteilnehmer nicht zum Anlass eines Verharrens nehmen wird, nachdem die Möglichkeit einer Kollision mit einem ersten Verkehrsteilnehmer nicht mehr besteht. Zur Bewertung der Wahrscheinlichkeit kann eine in einer lokalen Datenbank abgespeicherte Referenz konsultiert und mit dem ermittelten Kennwert verglichen werden.
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5 zeigt ein drittes Flussdiagramm veranschaulichend Schritte eines dritten Ausführungsbeispiels eines erfindungsgemäßen Verfahrens. Hierbei stimmen die Schritte 100 bis 500 mit den in Verbindung mit 4 erläuterten Schritten überein. In Schritt 700 wird eine mögliche Kollision mit einem ersten Vorfahrt genießenden Verkehrsteilnehmer durch das Fahrerassistenzsystem unter der Voraussetzung ermittelt, dass der Fahrer die Fahrt vor dem voraussichtlichen Anfahrzeitpunkt fortsetzt. Mit anderen Worten wird bezüglich des ersten Verkehrsteilnehmers zunächst unabhängig von der Aufmerksamkeitsverteilung des Fahrers eine Kollisionsrelevanz ermittelt. In Schritt 800 wird die Ausgabe einer Warnung vor der ermittelten möglichen Kollision unter der Voraussetzung unterdrückt, dass der ermittelte Kennwert eine hinreichende Wahrscheinlichkeit erkennen lässt, dass der Fahrer den ersten Vorfahrt genießenden Verkehrsteilnehmer zum Anlass eines Verharrens in einer "Vorfahrt-Gewähren"-Position nehmen wird.
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6 zeigt ein viertes Flussdiagramm, veranschaulichend Schritte eines vierten Ausführungsbeispiels eines erfindungsgemäßen Verfahrens. Dabei entsprechen die Schritte 100 bis 400 den in 3 dargestellten Schritten. Zusätzlich wird in Schritt 900 eine bis zum voraussichtlichen bzw. geeigneten Anfahrzeitpunkt bevorstehende Zeitdauer mit einem vordefinierten Wert verglichen und im Ansprechen auf ein Erreichen des vordefinierten Wertes (z.B. 0,5 Sekunden, 1 Sekunde, 1,5 Sekunden oder 2 Sekunden) durch die bevorstehende Zeitdauer in Schritt 1000 automatisch eine Aktion zum Vorbereiten des Fahrzeugs auf die Weiterfahrt durchgeführt. Dies umfasst ein Abschalten einer optischen Ausgabe eines TV-Signals und ein Starten eines Verbrennungsmotors aus einem Stopp-Betriebszustand. Auf diese Weise werden Fahrer und Fahrzeug rechtzeitig auf die ermittelte Möglichkeit einer unmittelbar bevorstehenden Weiterfahrt vorbereitet.
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Das im Rahmen der vorliegenden Erfindung vorgestellte Verfahren kann Modelle für das Situationsbewusstsein eines Fahrers nutzen, um aus dessen Blickverhalten bzw. Kopfstellung die Wahrscheinlichkeit zu bestimmen, dass der Fahrer eine bestimmte Information wahrgenommen oder nicht wahrgenommen hat. Zwei Publikationen für entsprechende Modelle werden nachfolgend genannt.
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M. Liebner, C. Ruhpanner, F. Klanner, H. Klöden, "Verwendung generischer Fahrerverhaltensmodelle zur Vorhersage der Fahrerabsicht", Juni 2013,
DE 10 2013 212359.
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S. Epping, "Fahrerverhaltensvorhersage unter Berücksichtigung des Situationsbewusstseins", Technische Universität München, Masterarbeit.
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Eine besonders einfache Prädiktion eines voraussichtlichen Anfahrzeitpunktes ist unter der Annahme möglich, dass sich die detektierten Verkehrsteilnehmer mit konstanter Geschwindigkeit fortbewegen. Eine sensorische Auswertung des Fahrzeugumfeldes und entsprechende Anpassung der prädizierten Aufenthaltszeitpunkte von Verkehrsteilnehmern ist selbstverständlich jederzeit möglich. Sofern erfindungsgemäß ermittelt wird, dass der voraussichtliche Anfahrzeitpunkt sie sinnvoll erscheinen lässt, kann auch das Abschalten der Verbrennungsmaschine und ein späteres Wiederstarten der Verbrennungsmaschine automatisch vorgenommen werden.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Ego-Fahrzeug
- 2, 3
- Fremdfahrzeuge
- 4
- Blickwinkel
- 5
- Lichtzeichenanlage
- 6
- Kollisionspunkt
- 7
- Verkehrszeichen
- 8
- Kamera
- 9
- Elektronisches Steuergerät
- 10
- Bildschirm
- 11
- Kamera
- 12
- Datenspeicher
- 13
- Antenne
- 14
- Aktuator
- 15
- Verbrennungsmotor
- 100 bis 1000
- Verfahrensschritte
- P1, P2, P3
- Trajektorien
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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