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Die Erfindung betrifft ein Verfahren gemäß Oberbegriff von Anspruch 1 und ein Bremssystem gemäß Oberbegriff von Anspruch 11.
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Kraftfahrzeuge mit zumindest teilweise elektrischem Antrieb, die auch unter dem Begriff Hybridfahrzeuge bekannt sind, erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Bei einer Bremsung kann der elektrische Antrieb als Generator betrieben werden, um die Bewegungsenergie des Fahrzeugs zumindest teilweise als elektrische Energie zurückzugewinnen und in einer Batterie zu speichern. Üblich ist beispielsweise ein mit den Rädern der Hinterachse verbundener elektrischer Antrieb.
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Da die Bremsleistung von Generatoren bei niedrigen Geschwindigkeiten stark abnimmt, sind Hybridfahrzeuge zusätzlich mit auf Reibung basierenden Radbremsen ausgestattet. Diese können hydraulisch (z. B. über einen vom Fahrer mit dem Bremspedal betätigten Hauptbremszylinder), elektrohydraulisch (z. B. über eine von einem elektrischen Aktuator betätigte Zylinder-Kolben-Anordnung) oder elektromechanisch (z. B. durch Verfahren eines Reibbelags mittels eines Elektromotors) betrieben werden.
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Für eine maximale Energierückgewinnung ist es wünschenswert, die Bremsverzögerung möglichst vollständig durch den oder die Generatoren bzw. rekuperativen Bremsen aufzubringen. Bei rekuperativen Bremsen (besonders bei solchen mit einer hohen Leistung) können sich dabei, je nachdem auf welche Achse das rekuperative Bremsmoment wirkt, folgende fahrdynamische Einflüsse auf das Fahrverhalten des Fahrzeugs ergeben:
Wenn das rekuperative Bremsmoment nur auf die Hinterachse wirkt (der elektrische Antrieb also als Heckantrieb konfiguriert ist) kann diese überbremst werden, wobei an der Hinterachse eine im Verhältnis zur Vorderachse zu starke Bremskraft aufgebracht wird, d. h. die Bremskraftverteilung weicht von der idealen bzw. hydraulisch installierten Bremskraftverteilung ab, woraus eine Übersteuertendenz resultieren kann.
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Wenn das rekuperative Bremsmoment nur auf die Vorderachse wirkt, wie bei einem im Antriebstrang angeordneten Generator eines Fahrzeugs mit Frontantrieb, kann diese überbremst werden, wobei die Abweichung von der idealen Bremskraftverteilung weniger deutlich ist, da ein übliches Fahrzeug ohnehin ca. 2/3 seiner Bremsleistung über die Vorderachse absetzt. Weiterhin führt ein Überbremsen der Vorderachse zu einer stärkeren Untersteuertendenz des Fahrzeugs, was fahrdynamisch weniger kritisch bzw. in der Regel für den Fahrer leichter beherrschbar ist als eine Übersteuertendenz. Dennoch ist hierdurch auch die Lenkfähigkeit des Fahrzeugs negativ beeinträchtigt.
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Aus der
DE 10 2008 017 480 A1 ist ein Verfahren zum Betrieb einer Fahrzeugbremsanlage bekannt, bei dem das an der Hinterachse anliegende Rekuperationsmoment derart begrenzt wird, dass der an mindestens einem Fahrzeugrad dieser Hinterachse anliegende Schlupf eine jeweils diesem Fahrzeug individuell zugeordnete erste Schlupfschwelle nicht oder nur unwesentlich überschreitet.
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Um den Schlupf zu ermitteln, wird die Radgeschwindigkeit der betroffenen Räder mit einer Fahrzeugreferenzgeschwindigkeit verglichen. Hierbei kann es zu Fehlern kommen, da die aus Radgeschwindigkeitssensorsignalen gebildete Fahrzeugreferenzgeschwindigkeit sich beim Verzögern selbst schon im Schlupf befinden kann, also geringer als die reale Fahrzeuggeschwindigkeit sein kann. Außerdem ist die Fahrzeugreferenzgeschwindigkeit bei Kurvenfahrt eine mittlere Fahrzeuggeschwindigkeit, die Räder laufen jedoch entsprechend der Spurweite des Fahrzeugs außen schneller bzw. auf einem größeren Kurvenradius und innen langsamer bzw. auf einem kleineren Kurvenradius. Es gibt also allein durch Kurvenfahrt einen Schlupf bzw. eine Geschwindigkeitsdifferenz der Räder zur Fahrzeugreferenzgeschwindigkeit.
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Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, eine frühzeitige und zuverlässige Erkennung einer Gefahr des Überbremsens der rekuperativ gebremsten Räder zu gewährleisten.
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Diese Aufgabe wird durch ein Verfahren gemäß Anspruch 1 bzw. ein Bremssystem gemäß Anspruch 11 gelöst.
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Es wird also ein Verfahren zum Betreiben eines Bremssystems für ein mindestens zweiachsiges Kraftfahrzeug bereitgestellt, bei dem die Räder einer ersten Achse mit einer rekuperativen Bremse, also einem Generator, verbunden sind und die Räder mindestens einer Achse mit Radbremsen ausgestattet sind, wobei alle Räder des Kraftfahrzeugs Radgeschwindigkeitssensoren aufweisen. Erfindungsgemäß wird das Soll-Bremsmoment der rekuperativen Bremse begrenzt, wenn eine Schlupfgröße, welche mit einem Maß für das Ist-Bremsmoment zumindest eines Rades der ersten Achse gewichtet wird, einen oberen Schwellenwert überschreitet.
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Bei einer Bremsbetätigung durch den Fahrer wird also gemäß dem Verzögerungswunsch ein Bremsmoment aufgebaut, wobei zweckmäßigerweise in einem ersten Verzögerungsbereich das Bremsmoment vollständig mittels der rekuperativen Bremse aufgebaut. Wenn die maximale Verzögerung der rekuperativen Bremse den Verzögerungswunsch nicht umsetzen kann oder die mit dem Generator verbundene Batterie einen zu hohen Füllstand aufweist, so wird auch mittels der Radbremsen ein Bremsmoment aufgebaut. Wird das Bremsmoment vollständig mittels dem mit einer Achse des Fahrzeugs verbundenen Generator aufgebaut, um die Effizienz zu maximieren, so treten deutliche Abweichungen von der idealen Bremskraftverteilung auf.
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Erfindungsgemäß wird eine über Bremsmoment relativierte Schlupfüberwachung genutzt, um eine frühzeitige Erkennung einer drohenden Instabilität des Fahrzeugs zu ermöglichen. Dann wird das Soll-Bremsmoment der rekuperativen Bremse begrenzt und vorzugsweise mittels Radbremsen, welche nicht der ersten Achse zugeordnet sind, ein zusätzliches Bremsmoment aufgebaut, um die gewünschte Verzögerung zu erreichen – die Bremskraftverteilung nähert sich der idealen Bremskraftverteilung an. Durch die gewichtete Schlupfgröße ist eine schnelle und zuverlässige Erkennung einer drohenden Instabilität des Fahrzeugs (bzw. eines Schlupfeinlaufs) gewährleistet, und darüber hinaus ist die Gefahr einer Fehlerkennung auf einer Fahrbahn mit hohem Reibwert gering. Somit kann in geeigneten Fahrsituationen ein maximales rekuperatives Bremsmoment bereitgestellt werden, ohne dass der Fahrkomfort und/oder die Fahrsicherheit beeinträchtigt ist.
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Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform der Erfindung weist das Fahrzeug vier Räder auf, welche in zwei Achsen angeordnet sind, und die Schlupfgröße wird aus der Differenz zwischen einer Radgeschwindigkeit eines Rads der ersten Achse und einer Radgeschwindigkeit eines Rads einer zweiten Achse ermittelt. Durch den Vergleich zwischen einer mit dem Generator verbundenen Achse und einer freilaufenden Achse lässt sich mit geringem Aufwand eine geeignete Schlupfgröße ermitteln. Unter Radgeschwindigkeit kann hierbei sowohl die Raddrehzahl als auch die über den Raddurchmesser verknüpfte Geschwindigkeit der Lauffläche verstanden werden.
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Gemäß einer besonders bevorzugten Ausführungsform der Erfindung wird eine erste Schlupfgröße aus der Differenz der Radgeschwindigkeiten von Rädern einer linken Fahrzeugseite ermittelt und eine zweite Schlupfgröße aus der Differenz von Radgeschwindigkeiten einer rechten Fahrzeugseite, wobei die erste Schlupfgröße mit einem Maß für das an dem linken Rad der ersten Achse anliegende Ist-Bremsmoment gewichtet wird und die zweite Schlupfgröße mit einem Maß für das an dem rechten Rad der ersten Achse anliegende Ist-Bremsmoment gewichtet wird. Dadurch, dass die Räder seitenweise betrachtet werden, wird der Einfluss einer Kurvenfahrt kompensiert und der Schwellenwert kann kleiner gewählt werden, um eine empfindlichere Erkennung einer Gefahr des Überbremsens zu ermöglichen. Beispielsweise bei Verwendung von Radnabenmotoren als Generator kann auch ein seitenweise unterschiedliches Bremsmoment der rekuperativen Bremse auftreten bzw. für eine aktive Fahrdynamikregelung genutzt werden.
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Hierbei ist es ganz besonders bevorzugt, dass die gewichtete erste Schlupfgröße mit einem ersten Schwellenwert und die gewichtete zweite Schlupfgröße mit einem zweiten Schwellenwert verglichen werden, wobei vorzugsweise das Soll-Bremsmoment nur dann begrenzt wird, wenn sowohl die erste Schlupfgröße den ersten Schwellenwert überschreitet als auch die zweite Schlupfgröße den zweiten Schwellenwert überschreitet. Dies ermöglicht es, in unkritischen Fahrsituationen eine Begrenzung des rekuperativen Bremsmoments wegen einer lokalen und kurzzeitigen Störung zu vermeiden.
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Es ist vorteilhaft das Kraftfahrzeug einen Querbeschleunigungssensor und/oder einen Gierratensensor und/oder einen Lenkwinkelsensor aufweist, und das der/die Schwellenwert/e nach Maßgabe einer gemessenen Querbeschleunigung und/oder einer gemessenen Gierrate und/oder eines gemessenen Lenkwinkels bestimmt wird. Diese Sensoren sind häufig wegen einer Fahrdynamikregelung ohnehin vorhanden und eignen sich alleine oder in Kombination gut zur Erkennung einer Kurvenfahrt.
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Besonders vorteilhaft ist es, wenn der/die Schwellenwert/e bei Vorliegen einer Geradeausfahrt größer ist/sind als bei Vorliegen einer Kurvenfahrt. Somit kann bei einer Geradeausfahrt ein höherer Anteil des Gesamtbremsmoments mittels des Generators aufgebaut werden, solange keine zusätzlichen Querkraftreserven erforderlich sind.
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Zweckmäßigerweise wird das Maß für das Ist-Bremsmoment eines Rades der ersten Achse anhand einer Summe aus einem momentanen Bremsmoment einer diesem Rad zugeordneten Radbremse und einem momentan anliegenden Bremsmoment der mit diesem Rad verbundenen rekuperativen Bremse ermittelt. Das momentane Bremsmoment der Radbremsen kann z. B. aus dem Druck in dem Hauptbremszylinder und einer anhand der Auslegung des Bremssystems bestimmten Konstante ermittelt werden. Prinzipiell kann aber auch der Druck in den einzelnen Radbremsen und/oder die auf den Bremssattel wirkende Kraft gemessen werden.
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Hierbei ist es besonders zweckmäßig, wenn das für die Gewichtung verwendete Maß für das Ist-Bremsmoment auf einen vorgegebenen Minimalwert gesetzt wird, sobald das ermittelte Ist-Bremsmoment diesen vorgegebenen Minimalwert unterschreitet. Dies vermeidet eine irrtümliche Begrenzung des rekuperativen Bremsmoments, wenn dieses aufgrund eines geringen Betrags die Fahrstabilität nicht wesentlich beeinträchtigen kann.
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Vorzugsweise erfolgt die Begrenzung des Soll-Bremsmoment der rekuperativen Bremse derart, dass das neue Soll-Bremsmoment einem vorgegebenen Bruchteil des bisherigen Soll-Bremsmoments entspricht und/oder das neue Soll-Bremsmoment mindestens um einen vorgegebenen Differenzwert kleiner als das bisherige Soll-Bremsmoment ist. Somit wird eine hinreichende Änderung des Gesamtbremsmoments sichergestellt und damit ein schnelles Wiederbeschleunigen des überbremsten Rades.
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Es ist vorteilhaft, dass die Begrenzung des Soll-Bremsmoments angehoben wird, wenn die gewichtete Schlupfgröße einen unteren Schwellenwert unterschreitet, wobei vorzugsweise die Begrenzung des Soll-Bremsmoments nur dann angehoben wird, wenn die gewichtete Schlupfgröße den oberen Schwellenwert für mindestens eine vorgegebene Zeitdauer nicht überschritten hat. Bei einer periodisch bzw. kontinuierlich ablaufenden Schlupfüerwachung kann somit während eines längeren Bremsvorgangs die Effizienz der Rekuperation erhöht werden.
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Die Erfindung betrifft weiterhin ein Bremssystem für ein Kraftfahrzeug, welches Radbremsen an allen Rädern und eine rekuperative Bremse an den Rädern mindestens einer ersten Achse aufweist, wobei alle Räder des Kraftfahrzeugs Radgeschwindigkeitssensoren aufweisen, das ein elektronisches Steuergerät aufweist, welches mit den Radsensoren verbunden ist und ein erfindungsgemäßes Verfahren ausführt. Das elektronische Steuergerät kann zweckmäßigerweise ein Bremssystem ansteuern und somit bereits die für das erfindungsgemäße Verfahren benötigten Sensoren aufweisen.
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Zweckmäßigerweise ist das elektronische Steuergerät mit einem Sensor zur Erfassung einer Betätigung der Bremse, wie einem Bremspedalwegsensor, verbunden und ein Soll-Bremsmoment für die rekuperative Bremse wird nach Maßgabe der erfassten Betätigung und eines Vergleichs der gewichteten Schlupfgröße mit einem Schwellenwert bestimmt. Durch eine flexible Kombination von Radbremsen und rekuperativer Bremse kann die vom Fahrer gewünschte Verzögerung eingeregelt werden.
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Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform der Erfindung werden die Radbremsen hydraulisch betrieben und können mit einer vom Fahrer betätigten ersten Druckquelle, wie einem Hauptbremszylinder, sowie einer fahrerunabhängig betätigbaren zweiten Druckquelle, wie einer Zylinder-Kolben-Anordnung mit einem elektrischen Aktuator, verbunden werden.
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Gemäß einer besonders bevorzugten Ausführungsform der Erfindung aktiviert das elektronische Steuergerät bei einer Begrenzung des Soll-Bremsmoments der rekuperativen Bremse die zweite Druckquelle, um mittels der Radbremsen, welche nicht der ersten Achse zugeordnet sind, ein kompensierendes Bremsmoment aufzubauen. Somit bleibt die Gesamtverzögerung des Fahrzeugs bei einer Verringerung des rekuperativen Bremsmoments konstant.
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Ferner betrifft die Erfindung die Verwendung eines erfindungsgemäßen Bremssystems in einem Kraftfahrzeug, bei welchem jedem Rad mindestens einer Achse ein in der Radnabe angeordneter elektrischer Antrieb zugeordnet ist. Die Radnabenmotoren ermöglichen eine radindividuelle Ansteuerung und weisen eine besonders geringe Trägheit gegenüber Änderungen des Soll-Bremsmoments auf.
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Weitere bevorzugte Ausführungsformen ergeben sich aus den Unteransprüchen und der nachfolgenden Beschreibung eines Ausführungsbeispiels.
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Es zeigen
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1 ein beispielgemäßes Kraftfahrzeug, und
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2 einen schematischen Ablaufplan eines erfindungsgemäßen Verfahrens.
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1 zeigt ein Kraftfahrzeug 1, das ein zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens geeignetes rekuperatives Bremssystem aufweist. Bei dem beispielgemäßen Fahrzeug handelt es sich um ein Hybridfahrzeug, welches einen Verbrennungsmotor 5 und einen oder mehrere elektrische Antriebsmotoren 6 umfasst, die als Generator zur Ladung der Batterie angesteuert werden können, um eine oder mehrere nicht gezeigte Fahrzeugbatterien aufzuladen. Zur Steuerung des elektrischen Antriebs ist dabei eine Motorsteuereinheit 12 vorgesehen, welche mit dem eine hydraulische Bremsanlage steuernden elektronischen Steuergerät 11 in Verbindung steht. Im gezeigten Beispiel wirkt die rekuperative Bremse 6 auf die Hinterachse HA des Fahrzeugs. Für das erfindungsgemäße Verfahren ist es jedoch prinzipiell nicht relevant, welche Räder 4-a, 4-b, 4-c, 4-d zusätzlich zu den Reibbremsen 2-a, 2-b, 2-c, 2-d rekuperativ gebremst werden. Die Räder einer oder mehrerer Achsen können mit einer im Antriebsstrang angeordneten elektrischen Maschine verbunden sein, aber auch eine Konfiguration mit Radnabenmotoren an den Rädern mindestens einer Achse kann mit dem erfindungsgemäßen Verfahren angesteuert werden.
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Ein Bremswunsch des Fahrers wird über eine Bremsbetätigungseinheit
9 festgestellt, die ein Bremspedal
7, ein erstes Bremsdruckerzeugungsmittel
8, insbesondere einen Hauptbremszlinder, und einen Pedalweg- oder Pedalwinkelsensor
24 umfasst. Diese leitet Bremsmittel (dargestellt als durchgezogene Linie) und elektrische Signale (dargestellt als gestrichelte Linie) an das elektronische Steuergerät
11 weiter. Das Fahrzeug weist Radgeschwindigkeitssensoren
3-a,
3-b,
3-c,
3-d auf, die ihre Signale ebenfalls an das elektronische Steuergerät
11 senden, wodurch z. B. eine Schlupfregelung des Bremsdrucks in den einzelnen Radbremsen
2-a,
2-b,
2-c,
2-d erfolgen kann. Elektronisches Bremsensteuergerät
11 und Motorsteuereinheit
12 tauschen für eine rekuperative Bremsung benötigte Informationen wie die momentane Fahrzeuggeschwindigkeit und die momentan verfügbare Generatorverzögerung bzw. das maximal mögliche rekuperative Bremsmoment aus. Sofern also die Batterie nicht bereits vollständig geladen ist, kann der elektrische Antrieb als Generator betrieben werden. Hinsichtlich weiterer Details des hydraulischen Layouts und der Ansteuerung der einzelnen Magnetventile wird auf die
DE 10 2011 003 346 A1 für ein hydraulisches und die
DE 10 2010 040 097 A1 für ein elektrohydraulisches Bremssystem verwiesen. Die Radbremsen der mit dem Generator verbundenen Achse können auch elektromechanisch ausgeführt sein, wobei ein Stellmotor als Aktuator die Bremsbeläge betätigt.
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Betätigt der Fahrer das Bremspedal 7, erfolgt zunächst eine Abbremsung des Fahrzeugs nur durch den Generator 6, wobei das vom ersten Bremsdruckerzeugungsmittel 8 verschobene Bremsmittelvolumen vorzugsweise in einen Druckspeicher abgeleitet wird. Die Bremskraftverteilung weicht insbesondere im Fall eines mit der Hinterachse verbundenen Generators von der idealen Bremskraftverteilung ab. Besonders im Fall einer Fahrbahn mit niedrigem Reibwert kann es dazu kommen, dass die Hinterräder die Bremskraft nicht mehr übertragen können und ihre Radgeschwindigkeit bzw. Raddrehzahl stark abnimmt. Zur Vermeidung eines Verlusts der Fahrstabilität muss dann das rekuperative Bremsmoment begrenzt werden. Zweckmäßigerweise erfolgt auf den Rädern der nicht mit dem Generator verbundenen Achse bzw. der Vorderachse ein Druckaufbau in den Radbremsen, um trotz verringertem rekuperativen Bremsmoment die gewünschte Fahrzeugverzögerung zu erhalten. Um einen rechtzeitigen Eingriff in die rekuperative Bremsung zu ermöglichen, und somit eine Instabilität des Fahrzeugs bereits im Ansatz zu verhindern, ist also eine frühzeitige Erkennung einer fahrdynamisch bedenklichen Situation erforderlich.
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2 zeigt den schematischen Ablaufplan einer bevorzugten Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens, welches eine frühzeitige Erkennung von übermäßigem Schlupf an einer Achse (an welcher also eine Gefahr des Überbremsens besteht) ermöglicht. In diesem Beispiel wird davon ausgegangen, dass die Räder der Hinterachse mit einem Generator bzw. einer rekuperativen Bremse verbunden sind. Prinzipiell kann das erfindungsgemäße Verfahren auch dann eingesetzt werden, wenn die Räder der Vorderachse oder alle Räder mit einem Generator verbunden sind. Zweckmäßigerweise wird das Verfahren von einer Recheneinheit bzw. einem Mikrocontroller des elektronischen Bremsensteuergeräts durchgeführt.
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Das Verfahren beginnt mit Schritt 201, wobei die Radgeschwindigkeiten vVL, vHL, vVR und vHR der Räder 4-a, 4-b, 4-c und 4-d von den Radgeschwindigkeitssensoren 3-a, 3-b, 3-c und 3-d gemessen werden (die Indizes bedeuten V: vorne bzw. Vorderachse, H: hinten, L: links, R: rechts). Die Motorsteuereinheit ermittelt das momentane Ist-Bremsmoment MG des Generators und übermittelt es über einen Fahrzeugdatenbus an das elektronische Steuergerät. Der momentane Druck p im ersten Bremsdruckerzeugungsmittel 8 bzw. ein Maß für das an den einzelnen Rädern 4-c, 4-d der mit dem Generator 6 verbundenen ersten Achse HA anliegende Bremsmoment der Radbremse 2-c, 2-d wird gemessen.
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In Schritt 202 wird aus den gemessenen Radgeschwindigkeiten die Radgeschwindigkeitsdifferenz Δi mit i = L, R bzw. der Schlupf zwischen Vorder- und Hinterrad auf jeder Fahrzeugseite ermittelt, indem jeweils die Radgeschwindigkeit hinten von der vorne subtrahiert wird: ΔL = vVL – vHL
ΔR = vVR – vHR
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Somit ist sowohl bei Kurven- als auch Geradeausfahrt ein größerer Schlupf der betroffenen Achse zur Fahrzeuggeschwindigkeit erkennbar.
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Weiterhin wird aus Bremsdruck p und anliegendem rekuperativen Bremsmoment MG das Summenbremsmoment Mi mit i = L, R ermittelt, welches an dem linken bzw. rechten Hinterrad anliegt: ML = k·p + MG/2
MR = k·p + MG/2
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In Schritt 203 wird überprüft, ob das Summenbremsmoment ML an dem linken und MR an dem rechten Hinterrad ein vorgegebenes Mindestbremsmoment Mmin überschreitet. Ist dies nicht der Fall, so wird in Schritt 204 das Summenbremsmoment jeweils auf das vorgegebene Mindestbremsmoment gesetzt: ML < MMin ⇒ ML := MMin
MR < MMin ⇒ MR := MMin
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Damit die folgenden Berechnungen sinnvolle Werte liefern, wird also das Summenbremsmoment auf einem geeigneten Mindestwert Mmin > 0 Nm gehalten, der vorzugsweise 200 Nm beträgt.
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Anschließend wird in Schritt
205 eine Bremsmoment-Raddrehzahldifferenz-Relation Θ
i, i = L, R berechnet:
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Die Raddrehzahldifferenz wird also jeweils mit einem geeigneten Faktor l multipliziert, welcher vorzugsweise 600 Nm beträgt, und anschließend durch das Summenbremsmoment MR ≥ MMin dividiert. Somit steht nun für jede Fahrzeugseite jeweils eine zum Summenbremsmoment des entsprechenden Rads in Relation gesetzte Raddrehzahldifferenz Θi zur Verfügung.
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In Schritt 206 wird überprüft, ob der Betrag der Querbeschleunigung |αq| einen vorgegebenen Schwellenwert α überschreitet, um zwischen einer Kurvenfahrt und einer Geradeausfahrt zu unterscheiden. Der Schwellenwert α liegt besonders bevorzugt unterhalb von 0,2 g, wobei g die Erdbeschleunigung bezeichnet, insbesondere bei 0,1 g.
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Wenn |α
q| > α gilt, also eine Kurvenfahrt vorliegt, wird in Schritt
207 die Bremsmoment-Raddrehzahldifferenz-Relation Θ
i mit einem vorgegebenen Kurvenschwellenwert β verglichen:
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Bei einer Kurvenfahrt, also dem Vorliegen einer großen Querbeschleunigung, wird für den Schlupfschwellenwert zweckmäßigerweise eine Größe unterhalb von 2 m/s gewählt, insbesondere 2 km/h.
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Ist hingegen |α
q| ≤ α, liegt also eine Geradeausfahrt vor, so wird in Schritt
208 die Bremsmoment-Raddrehzahldifferenz-Relation Θ
i mit einem vorgegebenen Geradeausschwellenwert γ verglichen:
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Vorzugsweise werden bei einer Geradeausfahrt die ermittelten Raddrehzahl- bzw. Radgeschwindigkeitsdifferenzen mit einem Schwellenwert γ verglichen, der unterhalb von 4 m/s liegt und insbesondere 4 km/h beträgt.
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Die unterschiedlichen Schwellenwerte für Kurven- und Geradeausfahrt berücksichtigen die Tatsache, dass bei Vorliegen von Querdynamik, also dem Auftreten von Querkräften, der vorhandene Reibwert nicht vollständig für das Bereitstellen einer Längsverzögerung „aufgebraucht” werden darf, um die auf das Fahrzeug wirkenden Kräfte übertragen zu können (Kamm'scher Kreis). Daher werden der Schwellenwert β bei Kurvenfahrt und der Schwellenwert γ bei Geradeausfahrt zur Erkennung von übermäßigem Schlupf genutzt, wobei β vorzugsweise also kleiner ist als γ.
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Eine erfindungsgemäße Gewichtung einer Schlupfgröße mit einem Ist-Bremsmoment bzw. eine Berechnung der hier erläuterten bevorzugten Relation von Raddrehzahldifferenz zu Summenbremsmoment ist besonders deshalb vorteilhaft, da ein bereits bei kleinen Summenbremsmomenten am betroffenen Rad entstehender Schlupf stärker gewichtet wird. Dies tritt üblicherweise auf niedrigem Fahrbahnreibwert μ auf, und somit ist eine sehr frühe und empfindliche Schlupferkennung möglich. Da bei niedrigem Fahrbahnreibwert μ bereits ein kleines Bremsmoment fahrdynamisch kritisch und somit relevant ist, ist diese sehr frühe Schlupferkennung optimal geeignet, um die Notwendigkeit einer Anpassung des rekuperativen Bremsmoments zu erkennen. Bei höheren Summenbremsmomenten wird hingegen die Raddrehzahldifferenz weniger stark gewichtet und somit eine zu empfindliche Schlupferkennung auf höheren Fahrbahnreibwerten μ vermieden.
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In Schritt 209 wird überprüft, ob das rekuperative Bremsmoment MG größer als ein Schwellenwert ε ist. Dieser Schwellenwert ε für das minimale rekuperative Bremsmoment beträgt vorzugsweise 100 Nm, wobei am jeweiligen Rad dann 50 Nm anliegen. Bei sehr geringem rekuperativen Bremsmoment ist eine Verringerung des Rekuperationsmoments MG,Soll als Sollwert des reuperativen Bremsmoments nicht sinnvoll, da eine auftretende Instabilität in diesem Fall durch Eingriffe in die Radbremsen besser beeinflussbar ist.
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Daher wird in Schritt 210 nur dann eine Begrenzung des Rekuperationsmoments MG,Soll vorgenommen, wenn das rekuperative Bremsmoment MG den Schwellenwert ε überschritten hat.
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Anschließend wird das Verfahren in Schritt 211 beendet, bzw. neue Messwerte für Radgeschwindigkeiten, Bremsmomente und Querbeschleunigung ermittelt und das Verfahren somit zyklisch wiederholt, um kontinuierlich auf sich verändernde Reibwertbedingungen reagieren zu können. Durch ein erfindungsgemäßes Verfahren ist ein frühzeitiger Eingriff in das Rekuperationsmoment möglich, welcher rechtzeitig das Überbremsen der betroffenen Achse mindert und somit eine ungewollte Instabilität bzw. ein Übersteuern oder Untersteuern des Fahrzeugs verhindert.
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Zweckmäßigerweise werden die genannten Bedingungen regelmäßig überprüft und bei Überschreiten der vorgegebenen Schwellwerte für die Schlupfgröße wird eine Funktion zur Reduzierung des Rekuperationsmoments durchgeführt, um eine Schlupfreduktion an der betroffenen Achse bzw. den überbremsten Rädern zu erzielen und diese in einem fahrstabilen Schlupfband zu halten. Es ist besonders vorteilhaft, wenn die Begrenzung des Rekuperationsmoments als Soll-Bremsmoments der rekuperativen Bremse derart erfolgt, dass das Soll-Bremsmoment der rekuperativen Bremse stufenlos oder schrittweise reduziert wird, wenn innerhalb eines vorgegebenen Zeitraums erneut eine Gefährdung der Fahrstabilität festgestellt wird bzw. die Schlupfgröße erneut einen vorgegebenen Schwellenwert überschreitet. Prinzipiell kann diese Reduzierung des Rekuperationsmoments auch beim ersten Überschreiten eines Schwellwerts vorgenommen werden, insbesondere dann, wenn die Schlupfgröße einen weiteren Schwellenwert überschreitet, der größer als die bisher genannten Schwellenwerte ist.
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Indem das erfindungsgemäße Verfahren eine Gewichtung der Schlupfgröße mit dem aktuell anliegenden Bremsmoment vornimmt, kann eine besonders empfindliche Erkennung einer Gefahr des Überbremsens der rekuperativ gebremsten Achse, insbesondere der Hinterachse, erreicht werden, ohne dass die Wahrscheinlichkeit von Fehlerkennungen übermäßig ansteigt. Somit kann das bei den vorliegenden Bedingungen mögliche rekuperative Bremsmoment optimal ausgenutzt werden, d. h. die Energierückgewinnung ohne Beeinträchtigung von Fahrkomfort oder Fahrsicherheit maximiert werden.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 102008017480 A1 [0006]
- DE 102011003346 A1 [0032]
- DE 102010040097 A1 [0032]