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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Behandeln eines Bauteils, das in einer Gussform von einer Gießtemperatur unter eine Solidustemperatur abgekühlt und dabei aus einer Schmelze erstarrt ist, wobei eine Oberfläche des Bauteils mittels eines Kühlmittels auf eine Abschrecktemperatur abgeschreckt und eine Temperatur der Oberfläche unterhalb eines Umwandlungspunkts gehalten wird, bis zu dem sich an der Oberfläche ein Oberflächengefüge ausbildet, das gegenüber einem Gussgefüge im Innern des Bauteils eine höhere Zugfestigkeit aufweist.
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Ein Verfahren der vorgenannten Art ist die Herstellung von Bainitischem Gusseisen mit Kugelgraphit (auch: „Austempered Ductile Iron“ oder ADI) gemäß EN 1564 bekannt. Hierzu wird ein Gussbauteil nach dem Entnehmen aus der Gussform wieder auf Austenitisierungstemperatur von etwa 900 °C aufgeheizt, nach der vollständigen Austenitisierung in einem Salzbad auf eine Temperatur zwischen 220 und 450 °C abgeschreckt und mehrere Stunden unterhalb der Umwandlungstemperatur A1 (723 °C) des binären Systems Eisen-Kohlenstoff gehalten.
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Im Austenit sind die Legierungselemente des Gusseisens in Lösung und an der Oberfläche bleiben sie durch die starke lokale Energieabfuhr beim Abschrecken auch weitgehend in Lösung. An der Oberfläche entsteht so ein feines Gefüge mit einem gegenüber dem Rest des Bauteils deutlich erhöhten Kohlenstoffgehalt und damit höherer Zugfestigkeit. Gegenüber anderen Verfahren zum Oberflächenhärten – beispielsweise Flammhärten – zeichnet sich ein nach dem vorgenannten Verfahren behandeltes Bauteil durch einen fließenderen Übergang von dem harten Gefüge an der Oberfläche zum normalen Gussgefüge im Innern des Bauteils aus.
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Im Hintergrund der Erfindung ist das „Anlassen von Innen“ zum Oberflächenhärten von Schmiedebauteilen allgemein bekannt, wobei das Bauteil noch auf Schmiedetemperatur durch kurzes Eintauchen in kaltes Wasser oberflächlich abgeschreckt wird und sich die Oberfläche anschließend durch Restwärme aus dem Bauteil wieder auf eine Anlasstemperatur erwärmt.
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Bauteile mit abgeschreckter Oberfläche müssen häufig nach der Behandlung an anderer Stelle spanend bearbeitet werden, insbesondere um passgenaue Anschlüsse zu anderen Bauteilen herzustellen. Diese Bearbeitung wird durch die Oberflächenhärtung des gesamten Bauteils erschwert oder sogar unmöglich.
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Weiterhin sind im Hintergrund der Erfindung Verfahren zum lokalen Härten, insbesondere Flamm- und Strahlhärten bekannt, wobei ein Gussbauteil nach Entnehmen aus der Gussform lokal erhitzt und anschließend abgeschreckt wird.
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Aufgabe
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Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, die Oberfläche des Bauteils nur lokal zu behandeln.
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Lösung
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Ausgehend von dem bekannten Verfahren wird nach der Erfindung vorgeschlagen, dass zum Abschrecken des Bauteils das Kühlmittel in mindestens einen Hohlraum der Gussform eingebracht und anschließend das Bauteil noch in der Gussform durch Restwärme auf eine Anlasstemperatur unterhalb des Umwandlungspunkts erhitzt wird. Durch das Einbringen des Kühlmittels in einen hierfür vorgesehenen Hohlraum der Gussform wird die Abkühlung und damit die Behandlung der Oberfläche lokal auf dessen unmittelbare Umgebung beschränkt. Gegenüber den bekannten Verfahren wird die Restwärme sowohl im Bauteil als auch in der Gussform genutzt, um die Anlasstemperatur zu erreichen. Das erfindungsgemäße Verfahren zeichnet sich so einerseits durch eine signifikant schnellere Herstellung des behandelten Bauteils und andererseits – gegenüber den bekannten Verfahren zum lokalen Härten – durch einen fließenderen Übergang zwischen den Gefügen in dem abgeschreckten Oberflächenbereich und im Innern des Bauteils.
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Vorzugsweise wird im Rahmen eines erfindungsgemäßen Verfahrens die Oberfläche des Bauteils ausgehend von mehreren Hohlräumen jeweils lokal begrenzt abgeschreckt. In einem solchen erfindungsgemäßen Verfahren können gezielt mehrere diskrete Bereiche des Bauteils behandelt werden, wobei in den übrigen Bereichen die anschließende spanende Bearbeitung nicht eingeschränkt ist.
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Bevorzugt wird im Rahmen eines erfindungsgemäßen Verfahrens das Kühlmittel flüssig in den mindestens einen Hohlraum eingebracht und verdampft beim Abkühlen der Oberfläche des Bauteils. In einem solchen erfindungsgemäßen Verfahren wird zusätzlich zur Temperaturdifferenz zwischen Kühlmittel und Oberfläche die Verdampfungsenthalpie des Kühlmittels zur Kühlung der Oberfläche genutzt.
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Vorteilhafter Weise wird in einem erfindungsgemäßen Verfahren das Kühlmittel vor einem Eingießen der Schmelze in die Gussform in einer geschlossenen Patrone in den mindestens einen Hohlraum eingebracht, die von der Schmelze erhitzt wird und durch das Erhitzen das Kühlmittel freigibt. Eine solche Patrone kann beispielsweise von einem Kunststoff ummantelt sein oder einen oder mehrere Deckel aus einem Kunststoff aufweisen, der sich beim Aufheizen durch die Schmelze auflöst. In einem solchen erfindungsgemäßen Verfahren können Bereiche des Bauteils abgeschreckt werden, zu denen eine Leitung für ein strömendes Kühlmittel nicht oder nur mit hohem Aufwand geführt werden kann.
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Insbesondere kann in einem solchen erfindungsgemäßen Verfahren der mindestens eine Hohlraum in einem eingelegten Kern der Gussform ausgebildet sein. Mit einem solchen erfindungsgemäßen Verfahren kann auch die innere Oberfläche eines weitgehend geschlossenen Hohlraums des Bauteils abgeschreckt und behandelt werden.
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Weiter vorzugsweise ist in einem erfindungsgemäßen Verfahren die Schmelze ein Gusseisen und die Oberfläche des Bauteils wird von etwa 1000 °C auf etwa 300 °C abgeschreckt. Alternativ kann die Schmelze ein anderes Material mit komplexem Phasendiagramm sein, das eine Behandlung durch gezieltes Abkühlen ermöglicht. Beispielsweise kann die Schmelze ein Buntmetall, eine Aluminiumlegierung, ein Glas oder ein Thermoplast sein und mit keramischen Hartstoffen oder anderen Zusätzen versehen sein.
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Besonders bevorzugt ist in einem erfindungsgemäßen Verfahren das Kühlmittel Wasser auf Umgebungstemperatur. In einem solchen erfindungsgemäßen Verfahren ist die Kühlung besonders einfach und kostengünstig. Alternativ kann das Kühlmittel ein flüssiges Salz, ein Flüssigkeits-Gas-Gemisch, eine andere Flüssigkeit, beispielsweise Alkohol oder ein Gas, beispielsweise Luft sein.
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In einer vorteilhaften Ausführung eines erfindungsgemäßen Verfahrens ist die Gussform eine Dauerform. In einem solchen erfindungsgemäßen Verfahren können insbesondere Bauteile aus Nichteisenmetallen, Gläsern oder Kunststoffen, auch versetzt mit keramischen Hartstoffen oder anderen Zusätzen abgeschreckt werden.
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Vorzugsweise weist in einem solchen erfindungsgemäßen Verfahren der mindestens eine Hohlraum eine Trennwand zu einer Kavität zur Aufnahme der Schmelze mit einer minimalen Dicke von bis zu 10 mm auf. Durch eine derart dünne Trennwand kann die Wärme aus dem Bauteil besonders schnell von dem Kühlmittel aufgenommen werden.
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Weiter vorzugsweise ist in einem solchen erfindungsgemäßen Verfahren die Trennwand ein auswechselbares Verschleißelement. Bei Verschleiß der thermisch besonders hoch belasteten Trennwand kann in einem solchen erfindungsgemäßen Verfahren die Gussform weiter verwendet werden.
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Ausführungsbeispiel
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Die Erfindung wird nachfolgend anhand von Ausführungsbeispielen erläutert. Die Figuren zeigen jeweils eine Gussform mit einem darin erstarrten und gemäß dem erfindungsgemäßen Verfahren behandelten Bauteil.
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Das in 1 dargestellte erste Bauteil 1 ist ein Differentialgehäuse für einen Personenkraftwagen. Das erste Bauteil 1 weist einen Lagerbereich 2 mit einer Wandstärke von 10 mm auf. Die Gussform 3 für den Sandguss des ersten Bauteils 1 weist einen nicht dargestellten, eingelegten Kern auf, der die innere Oberfläche 4 des Bauteils 1 formt. Der Kern ist porös und weist an dem Lagerbereich 2 einen Hohlraum auf, in den ein Stahlrohr 5 mit einem Durchmesser 6 von 8 mm eingelegt ist. Das Stahlrohr 5 endet etwa 6 mm vor dem Lagerbereich 2 und weist am ansonsten geschlossenen Ende 7 vier nicht dargestellte seitliche Bohrungen mit Durchmesser je 2 mm auf.
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Zur Herstellung des ersten Bauteils 1 wird in die Gussform 3 Schmelze für die Herstellung von Gusseisen mit Kugelgraphit (EN-GJS-400-12) eingegossen. Eineinhalb Minuten nach dem Guss – das Bauteil 1 ist erstarrt und auf etwa 1000 °C abgekühlt – wird der Lagerbereich 2 durch das Stahlrohr 5 über eine halbe Minute mit 700 ml Wasser unter Umgebungstemperatur abgeschreckt. Hierbei kühlt der Lagerbereich 2 mit einer Abkühlrate von ca. 15 °C/s auf eine Zieltemperatur zwischen 250 °C und 350 °C ab. Durch die in den ungekühlten Bereichen des Bauteils 1 vorhandene Restwärme steigt die Temperatur des gekühlten Lagerbereichs „ nicht mehr über A1. Dadurch bildet sich in dem Lagerbereich 2 lokal ein ADI-ähnliches Gefüge mit einer Zugfestigkeit über 950 N/mm2 bei einer Dehnung von mindestens 7 % aus.
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Das in 2 gezeigte zweite Bauteil 8 ist ein Radträger für einen Personenkraftwagen. Das zweite Bauteil 8 weist zwischen Anschlussbereichen 9 für Radnabe und Spurstange einen im Betrieb mechanisch hoch belasteten Übergangsbereich 10 mit einer Wandstärke von 25 mm auf. Die Gussform 11 für das zweite Bauteil 8 ist eine Dauerform und weist ein nicht dargestelltes ausgewechselbares Verschleißelement aus Blech auf, das die Oberfläche 12 des Bauteils 8 im Übergangsbereich 10 formt. Die Gussform 11 weist an dem Übergangsbereich 10 einen Hohlraum auf, in den ein doppelwandiges Stahlrohr 13 mit einem Durchmesser 14 von 10 mm eingelegt ist. Das Stahlrohr 13 ist am Ende 15 – etwa 2 mm vor dem Übergangsbereich 10 – geschlossen. Das nicht dargestellte Innenrohr ist zu dem Ende 15 offen.
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Zur Herstellung des zweiten Bauteils 8 wird in die Gussform 11 eine Schmelze für die Herstellung von Aluminium A356 eingegossen. Eine Minute nach dem Guss – das Bauteil 8 ist erstarrt und ist auf etwa 500 °C abgekühlt – wird der Übergangsbereich 10 durch das Stahlrohr 13 über 30 Sekunden mit 0,7 Liter Wasser unter Umgebungstemperatur abgeschreckt. Hierbei kühlt der Übergangsbereich 10 mit einer Abkühlrate von ca. 15 °C/s auf eine Zieltemperatur zwischen 100 °C und 150 °C ab. Durch die in den ungekühlten Bereichen des Bauteils 8 vorhandene Restwärme steigt die Temperatur des gekühlten Übergangsbereichs 10 nicht mehr über 240 °C. Dadurch bildet sich in dem Übergangsbereich 10 lokal ein wärmebehandeltes-ähnliches Gefüge mit einer Zugfestigkeit über 350 N/mm2 bei einer Dehnung von mindestens 7 % aus.
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Das in 3 gezeigte dritte Bauteil 16 ist ein Leitschaufelgehäuse für eine Turbine. Das dritte Bauteil 16 weist einen Schaufelanbindungsbereich 17 mit einer Wandstärke von 45 mm auf. Die Gussform 18 für den Sandguss des dritten Bauteils 16 weist einen nicht dargestellten, eingelegten Kern auf, der die innere Oberfläche 19 des Bauteils 16 formt. Der Kern ist porös und weist einen zu dem Schaufelanbindungsbereich 17 führenden Hohlraum auf, in den ein Stahlrohr 20 mit einem Durchmesser 21 von 10 mm eingelegt ist. Das Stahlrohr 20 endet etwa 6 mm vor dem Schaufelanbindungsbereich 17 und ist am Ende 22 offen.
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Zur Herstellung des dritten Bauteils 16 wird in die Gussform 18 eine Schmelze für die Herstellung von Stahl (1.4828) eingegossen. Eine Viertelstunde nach dem Guss – das Bauteil 16 ist erstarrt und ist auf etwa 850 °C abgekühlt – wird der Schaufelanbindungsbereich 17 durch das Stahlrohr 20 über eine Minute mit eineinhalb Liter Wasser unter Umgebungstemperatur abgeschreckt. Hierbei kühlt der Schaufelanbindungsbereich 17 mit einer Abkühlrate von ca. 15°C/s auf eine Zieltemperatur unterhalb von 600 °C ab. Durch die in den ungekühlten Bereichen des Bauteils 16 vorhandene Restwärme steigt die Temperatur des gekühlten Schaufelanbindungsbereichs 17 nicht mehr über A1. Dadurch bildet sich in dem Schaufelanbindungsbereich 17 lokal ein Gefüge ohne σ-Phase.
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Das in den 4a und 4b gezeigte vierte Bauteil 23 ist ein Zylinderkurbelgehäuse für einen Personenkraftwagen. Das vierte Bauteil 23 weist fünf Lagerstühle 24 mit einer Wandstärke von 25 mm auf. Die Gussform 25 für den Sandguss des vierten Bauteils 23 weist einen nicht dargestellten, eingelegten Kern auf, der die innere Oberfläche 26 des vierten Bauteils 23 formt. Der Kern ist porös und weist an jedem der Lagerstühle 24 je zwei Hohlräume auf, in die je ein gebogenes Stahlrohr 27 mit einem Durchmesser 28 von 10 mm eingelegt ist. Das Stahlrohr 27 endet etwa 5 mm vor dem jeweiligen Lagerstuhl 24 und ist am Ende 29 offen. Außerdem weist der Kern vier Luftpfeifen 30 mit einem Durchmesser 31 von je 8 mm auf.
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Zur Herstellung des vierten Bauteils 23 wird in die Gussform 25 eine Schmelze für die Herstellung von Gusseisen mit Lamellengraphit (EN-GJL-250) eingegossen. Eine Viertelstunde nach dem Guss – das Bauteil 23 ist dann auf etwa 1000 °C abgekühlt – werden die Lagerstühle 24 durch die Stahlrohre 27 für eine Dauer von mindestens fünfzig Sekunden mit je vier Liter Wasser unter Umgebungstemperatur abgeschreckt. Hierbei kühlen die Lagerstühle 24 mit einer Abkühlrate von etwa 15 °C/s auf eine Zieltemperatur zwischen 250 und 350 °C ab. Der dabei entstehende Wasserdampf wird durch die Luftpfeifen 30 abgeführt. Durch die in den ungekühlten Bereichen des Bauteils 23 vorhandene Restwärme erfolgt die nachfolgende Abkühlung stark verlangsamt. Dadurch bildet sich in den Lagerstühlen 24 lokal ein feinstreifiges Bainit-ähnliches Gefüge mit einer Zugfestigkeit über 350 N/mm2 aus.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Bauteil
- 2
- Lagerbereich
- 3
- Gussform
- 4
- Oberfläche
- 5
- Stahlrohr
- 6
- Durchmesser
- 7
- Ende
- 8
- Bauteil
- 9
- Anschlussbereich
- 10
- Übergangsbereich
- 11
- Gussform
- 12
- Oberfläche
- 13
- Stahlrohr
- 14
- Durchmesser
- 15
- Ende
- 16
- Bauteil
- 17
- Schaufelanbindungsbereich
- 18
- Gussform
- 19
- Oberfläche
- 20
- Stahlrohr
- 21
- Durchmesser
- 22
- Ende
- 23
- Bauteil
- 24
- Lagerstuhl
- 25
- Gussform
- 26
- Oberfläche
- 27
- Stahlrohr
- 28
- Durchmesser
- 29
- Ende
- 30
- Luftpfeife
- 31
- Durchmesser
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Nicht-Patentliteratur
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- EN 1564 [0002]
- EN-GJS-400-12 [0020]
- EN-GJL-250 [0026]