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Die Erfindung betrifft ein Mittel zur Behandlung von Herpes labialis.
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Herpes-Infektionen gehören zu den in der allgemeinen Bevölkerung am häufigsten auftretenden chronischen viralen Infektionen. 85–90 % der Weltbevölkerung sind seropositiv, wobei 20–40 % der Betroffenen regelmäßig auftretende Rezidive ausbilden.
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Herpes labialis ist eine Infektion der Lippen und des perioralen Gewebes, verursacht durch den Herpes simplex Virus Typ 1 (HSV-1). 99 % der HSV-1-Infektionen geht in der Regel eine asymptomatische Primärinfektion vor dem 5. Lebensjahr voraus, wonach das Virus lebenslang in den neuronalen Ganglien persistiert. Die Reaktivierung des Virus kann mit und ohne klinische Symptome erfolgen. Triggerfaktoren sind beispielsweise Stress, UV-Exposition, hormonelle Schwankungen, Immunschwäche oder mechanische Verletzungen.
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Die Klinik von Herpes labialis umfasst erythematische, juckende und herpetiforme Bläschen, wobei die Abheilung mit gelblichen Krusten einhergeht. Üblicherweise dauert eine Herpesinfektion zwischen 10 und 14 Tagen und heilt narbenfrei ab. Die Läsionen im Gesicht sind oftmals unansehnlich, die Rezidive unangenehm. Die Infektion mit HSV-1 verläuft bei immungeschwächten Personen in der Regel schwerer.
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Die Therapie von Herpes labialis erfolgt durch Virostatika, wie z.B. Aciclovir oder bei Aciclovir-resistenten Stämmen mit Foscarnet. Bei schwacher Ausprägung wird topisch, bei schwerem Befall systemisch behandelt.
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Insbesondere besteht bei einigen medizinischen und kosmetischen Applikationen für eine dauerhafte Pigmentierung der Lippen und der Lippenkonturen, bei denen exogene, farbechte Pigmente unterhalb der dermo-epidermalen Junktionszone in die Haut eingebracht werden, ein sehr großes Problem in der durch mechanische Belastung reaktivierten Herpes labialis Infektion. 99 % aller HSV-1 seropositiven Patienten, die an Herpes labialis leiden, erleben eine Reaktivierung der Herpes-Infektion nach der Pigmentierung. Die Herpes labialis Infektion hat dabei oft die Folge, dass die Farbpigmente aus dem betroffenen Areal abgebaut werden und eine Nachpigmentierung nötig ist, welche bei fehlender Prophylaxe und Therapie ein erneutes Herpes-Rezidiv hervorrufen kann.
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Aufgabe der Erfindung ist es daher, ein Mittel bereitzustellen, dass sich für die Prophylaxe und Therapie von Herpes labialis eignet, insbesondere um Rezidiven bei Durchführung einer permanenten Pigmentierung der Lippen oder der Lippenkonturen vorzubeugen bzw. diese wirkungsvoll zu behandeln.
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Erfindungsgemäß wird diese Aufgabe gelöst durch die Verwendung von Calcium-Spirulan bei der topischen Prophylaxe oder Therapie von Herpes-Erkrankungen. Die Aufgabe wird auch gelöst durch Calcium-Spirulan, das zur Verwendung bei der topischen Prophylaxe oder Therapie von Herpes-Erkrankungen vorgeschlagen wird. Schließlich wird die Aufgabe gelöst durch ein Mittel zur topischen Prophylaxe oder Therapie von durch Herpes-Viren verursachte Hautkrankheiten, das Calcium-Spirulan enthält.
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Die jeweils von den unabhängigen Ansprüchen abhängigen Ansprüche stellen vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung dar.
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Zwar ist schon seit langem bekannt, dass das speziell aus dem Cyanobacterium Arthrospira platensis gewonnene sulfatierte Polysaccharid Calcium-Spirulan (Ca-SP) gegen das Humane Immundefizienz Virus (HIV) und die zur Unterfamilie der α-Herpesvirinae gehörenden Simplexviren Herpes Viren Typ I und Typ II als Inhibitor der Virenreplikation wirksam ist (vgl. Hayashi K, Hayashi T, Kojima I. A natural sulfated polysaccharide, calcium spirulan, isolated from spirulina platensis: in vitro and ex vivo evaluation of anti-herpes simplex virus and anti-human immunodeficiency virus activities. AIDS Research and Human Retroviruses 1996; 12 (15): 1463-71).
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Diese Erkenntnis betrifft jedoch ausschließlich die Hemmung der Virusreplikation in Untersuchungen in vitro, wobei die Wirkung von Calcium-Spirulan auf intrazelluläre Vorgänge zurückgeführt worden ist. Eine topische Anwendung von Calcium-Spirulan wurde nicht vorgeschlagen, es ist aufgrund der bekannten Daten auch nicht ersichtlich, warum ein äußerlicher Auftrag von Calcium-Spirulan in vivo den in vitro nachgewiesenen Effekt zeigen sollte.
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Mit den der vorliegenden Anmeldung zugrundeliegenden Untersuchungen konnte jedoch gezeigt werden, dass die inhibitorische Wirkung von Calcium-Spirulan auf der Blockierung der Anheftung von HSV-1 an die Zelloberfläche (attachment, adhesion) oder der Blockierung der Aufnahme des Virus in die Zelle (entry, penetration) beruht. Damit einhergehend besteht die Grundidee der Erfindung darin, Calcium-Spirulan (Ca-SP) als topisch zu verwendendes Mittel insbesondere zur Prophylaxe bei medizinischen oder kosmetischen Eingriffen im Bereich der Lippen einzusetzen. Tatsächlich zeigen klinische Untersuchungen mit einer Calcium-Spirulan aufweisenden Formulierung gute Ergebnisse bei der Prophylaxe und der Therapie von Infektionen mit Herpes simplex Virus Typ 1 bei Herpes labialis.
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Die Erfindung wird anhand bevorzugt ausgestalteter Ausführungsbeispiele und anhand der beigefügten Zeichnungen näher erläutert. Es zeigen:
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1 die inhibitorischen Effekte von Aciclovir, des Mikroalgenextrakts, von Calcium-Spirulan und der Kombination von Calcium-Spirulan mit dem Mikroalgenextrakt auf die Infektion von Vero-Zellen durch Herpes simplex Typ 1 (HSV-1) Viren im Plaque reduction assay bei Zugabe der Inhibitoren zu einem Zeitpunkt 2 h vor Infektion (A), gleichzeitig mit der Infektion (B) und 1 h nach Infektion (C) mit dem Virus;
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2 die inhibitorischen Effekte von Aciclovir, des Mikroalgenextrakts, von Calcium-Spirulan und der Kombination von Calcium-Spirulan mit dem Mikroalgenextrakt auf die Infektion von HaCaT-Zellen durch Herpes simplex Typ 1 (HSV-1) Viren im Plaque reduction assay bei Zugabe der Inhibitoren zu einem Zeitpunkt 2 h vor Infektion (A), gleichzeitig mit der Infektion (B) und 1 h nach Infektion (C) mit dem Virus;
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3 die inhibitorischen Effekte von Aciclovir, des Mikroalgenextrakts, von Calcium-Spirulan und der Kombination von Calcium-Spirulan mit dem Mikroalgenextrakt auf die Infektion von Vero-Zellen durch Herpes simplex Typ 1 (HSV-1) Viren anhand der mittels qPCR bestimmten viralen DNA bei Zugabe der Inhibitoren zu einem Zeitpunkt 2 h vor Infektion (A), gleichzeitig mit der Infektion (B) und 1 h nach Infektion (C) mit dem Virus;
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4 die Abhängigkeit der inhibitorischen Wirkung von Aciclovir, Heparin, Calcium-Spirulan, Mikroalgenextrakt und der Kombination von Calcium-Spirulan mit dem Mikroalgenextrakt vom Zeitpunkt der Zugabe der Inhibitoren relativ zum Infektionszeitpunkt bei Vero-Zellen;
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5 die Abhängigkeit der inhibitorischen Wirkung von Aciclovir, Heparin, Calcium-Spirulan, Mikroalgenextrakt und der Kombination von Calcium-Spirulan mit dem Mikroalgenextrakt vom Zeitpunkt der Zugabe der Inhibitoren relativ zum Infektionszeitpunkt bei HaCaT-Zellen;
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6 das Ergebnis eines vergleichenden Versuchs, bei dem Vero-Zellen einerseits zunächst bei 4 °C in Abwesenheit von Inhibitoren infiziert und nach Infektion mit Inhibitoren bei 37 °C kultiviert wurden (A) und andererseits vor der Infektion mit Inhibitoren bei 37 °C kultiviert, bei 4 °C infiziert und anschließend in Abwesenheit von Inhibitoren bei 37 °C kultiviert wurden (B); und
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7 das Ergebnis eines vergleichenden Versuchs, bei dem HaCaT-Zellen einerseits zunächst bei 4 °C in Abwesenheit von Inhibitoren infiziert und nach Infektion mit Inhibitoren bei 37 °C kultiviert wurden (A) und andererseits vor der Infektion mit Inhibitoren bei 37 °C kultiviert, bei 4 °C infiziert und anschließend in Abwesenheit von Inhibitoren bei 37 °C kultiviert wurden (B).
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Die Versuche wurden an Vero-Zellen und HaCaT-Zellen mit Aciclovir, dem aus der
EP 2 563 478 B1 bekannten Mikroalgenextrakt, Calcium-Spirulan und einer Kombination von Calcium-Spirulan mit dem aus der
EP 2 563 478 B1 bekannten Mikroalgenextrakt durchgeführt.
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Bei Vero-Zellen handelt es sich um eine für virologische Untersuchungen etablierte Zelllinie, die aus normalen Nierenzellen der Grünen Meerkatze gewonnen wurde. Sie besitzen eine fibroblastenähnliche Morphologie und sind mit unterschiedlichen Viren infizierbar.
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Bei HaCaT-Zellen (Human adult low Calcium high Temperature Keratinocytes) handelt es sich um eine permanente, epitheliale humane Zelllinie, die als phänotypisch spontan transformiert, aber nicht tumorigen eingestuft wird. HaCaT-Zellen weisen eine hohe Immortalität auf, bilden in Zellkultur einen Monolayer aus und eignen sich insbesondere als Zellkulturmodell für Fragestellen bezüglich der menschlichen Haut.
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Aciclovir ist ein bekannter Arzneistoff, der üblicherweise zur Behandlung bestimmter Viren aus der Familie der Herpesviren verwendet wird.
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Nach unveröffentlichten Daten bewirkt der Mikroalgenextrakt eine innerhalb von 24–72 h nach dessen Zugabe um ca. 10–15 % gesteigerte Zellteilungsrate bei menschlichen Keratinozyten in Zellkultur, wobei im 3D-Epidermismodell ebenfalls anhand einer durch Einwirken des Mikroalgenextrakt verminderte Freisetzung von IL-1 alpha ein entzündungshemmender Effekt beobachtet werden kann. Darüber hinaus weist der Mikroalgenextrakt eine Reihe von antibakteriellen Effekten auf – so zeigt der Mikroalgenextrakt Wirkung beispielsweise gegen Staphylococcus aureus und Propionibacterium acnes.
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1 bis 5 zeigen die antivirale Wirkung von Calcium-Spirulan und des Extrakts sowie deren Kombination bei HSV-1 Infektion in Vero- und HaCaT-Zellen, wobei der antivirale Effekt aller Wirkstoffe bei HaCaT-Zellen deutlich stärker als bei Vero-Zellen ausfällt.
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Insbesondere zeigt die Kombination von Ca-Spirulan und Mikroalgenextrakt einen starken Effekt auf humane Keratinozyten, der auch in einer Fertigrezeptur erlangt werden kann, wobei die stärkste Inhibierung von HSV-1 erreicht wird, wenn die Substanzen vor oder gleichzeitig mit dem Virus auf die Zellen einwirken können. Aus der Kinetik lässt sich auf frühe Effekt des Extrakts und Calcium-Spirulan auf die Virus-Zell-Interaktion schließen.
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6 und 7 zeigen, dass Calcium-Spirulan die frühe Phase der Interaktion zwischen dem Herpes simplex Virus und der Wirtszelle vergleichbar Heparin hemmt. (Die Wirkung von Herparin geht auf die mit HSV konkurrierende durch Heparansulfat vermittelte zelluläre Bindung zurück; vgl. E Lycke et al. Binding of herpes simplex virus to cellular heparan sulphate, an initial step in the adsorption process. Journal of General Virology. 72: 1131–1137(1991)). Dieses lässt darauf schließen, dass Calcium-Spirulan mit der Anheftung von HSV-1 an die Zelloberfläche (attachment, adhesion) interferiert oder mit der Aufnahme des Virus in die Zelle (entry, penetration).
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Weiter wurde in einer von der Anmelderin durchgeführten klinischen Studie mit einem Mittel, das als Wirkstoff den aus der
EP 2 563 478 B1 bekannten Ca-Spirulan enthaltenden Mikroalgenextrakt enthält, zur Vorbereitung eines Permanent Makeups im Bereich der Lippen im Vergleich zur prophylaktischen topischen und systemischen Anwendung anderer Wirkstoffe festgestellt, dass bei einer prophylaktischen topischen Behandlung mit dem Mikroalgenextrakt enthaltenden Mittel gegenüber 90 % aller topisch mit Aciclovir behandelten Patienten lediglich 60 % der Ca-SP-behandelten Patienten Herpes labialis entwickelten. Andersherum ausgedrückt erwies sich die topische Behandlung mit Aciclovir bei nur 10 % der mit Acivlovir behandelten Patienten als wirksam, die topische Behandlung mit dem Mikroalgenextrakt hingegen war bei 40 % der mit dem Mikroalgenextrakt behandelten Patienten erfolgreich.
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Darüber hinaus konnte festgestellt werden, dass bei denjenigen Patienten, bei denen sich nach Aufbringen eines Permant-Makeups Herpes labialis ausbildete, die Abheilung bei ca. der Hälfte der Patienten ohne Krustenbildung erfolgte, wohingegen bei topischer/systemischer Behandlung mit anderen Medikamenten ein Ausbleiben von Krusten bei lediglich 10–15 % der Patienten beobachtet werden konnte.
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Ein weiterer Vorteil bei der Applikation des Mikroalgenextrakt enthaltenden Mittels liegt darin, dass im Verhältnis zu etwa 40 % herkömmlich behandelten Patienten nur etwa 20 % der Patienten über trockene Lippen klagen.
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Diese Untersuchung zeigt, dass Calcium-Spirulan in der topischen Anwendung gegen Herpes labialis wirksam ist. Dabei haben die weiteren im Mikroalgenextrakt enthaltenden Bestandteile antibakterielle, entzündungshemmende und pflegende Eigenschaften, die dem Herpes labialis vorbeugen und/oder den Heilungsprozess unterstützen.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Diese Liste der vom Anmelder aufgeführten Dokumente wurde automatisiert erzeugt und ist ausschließlich zur besseren Information des Lesers aufgenommen. Die Liste ist nicht Bestandteil der deutschen Patent- bzw. Gebrauchsmusteranmeldung. Das DPMA übernimmt keinerlei Haftung für etwaige Fehler oder Auslassungen.
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Zitierte Patentliteratur
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- EP 2563478 B1 [0021, 0021, 0029]
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Zitierte Nicht-Patentliteratur
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- Hayashi K, Hayashi T, Kojima I. A natural sulfated polysaccharide, calcium spirulan, isolated from spirulina platensis: in vitro and ex vivo evaluation of anti-herpes simplex virus and anti-human immunodeficiency virus activities. AIDS Research and Human Retroviruses 1996; 12 (15): 1463-71 [0010]
- E Lycke et al. Binding of herpes simplex virus to cellular heparan sulphate, an initial step in the adsorption process. Journal of General Virology. 72: 1131–1137(1991) [0028]