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Die vorliegende Erfindung betrifft ein Hörgerät und ein Verfahren zum Einstellen und Betreiben eines Hörgeräts, insbesondere eines Hörgeräts für Personen mit einem Tinnitus-Symptom.
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Hörgeräte dienen dazu, Hörverluste bei Schwerhörigen auszugleichen und stellen somit wichtige Hilfsmittel zur Alltagsbewältigung und zur sozialen Eingliederung Hörgeschädigter dar. Sie werden in verschiedenen Bauformen als Hinter-dem-Ohr-Geräte, Ex-Hörer-Geräte, Im-Ohr-Geräte, Taschenhörgeräte, Hörbrillen und Knochenleitungshörgeräte gebaut. Im allgemeinen umfaßt ein Hörgerät ein Mikrofon, um den Umgebungsschall aufzufangen, einen analogen oder digitalen Signalverarbeitungsteil, einen analogen oder digitalen Verstärker sowie einen Lautsprecher, um den verstärkten Umgebungsschall an das Innenohr zu übermitteln. Besondere Probleme stellen sich, wenn der Träger eines Hörgeräts gleichzeitig an einem Tinnitus-Symptom leidet.
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Der Tinnitus ist eine akustische Wahrnehmung, die zusätzlich zum Schall auf einem oder auf beiden Ohren wahrgenommen wird. Typischerweise beruht diese Wahrnehmung auf einer Störung der Hörfunktion. Der Schall in der Umgebung des Betroffenen hat also nichts mit dem Höreindruck des Tinnitus zu tun. Typischerweise ist das Tinnitus-Geräusch nur für den Betroffenen wahrnehmbar, im Gegensatz zum sehr seltenen „objektiven Tinnitus”, bei dem eine meßbare körpereigene Schallquelle vorliegt. Die beim Tinnitus auftretenden scheinbaren Geräusche sind sehr vielfältig. Typische akustische Eindrücke werden als Brummton oder Pfeifton, Zischen, Rauschen, Knacken oder Klopfen beschrieben. Das Tinnitus-Geräusch kann dabei eine gleichbleibende Intensität aufweisen oder aber einen rhythmisch-pulsierenden Charakter haben. Häufig wird das Geräusch als Ton bei einer oder mehreren definierten Frequenzen wahrgenommen, beispielsweise als ein Pfeifen bei ungefähr 1 kHz. Die Frequenz des Tinnitus sowie seine Starke lassen sich durch Messungen gut bestimmen. Beispielsweise wird dazu der Hörfrequenzbereich durchgefahren und dem Betroffenen werden Signale abnehmender Lautstärke präsentiert. Im Bereich des Tinnitus werden diese Signale nicht mehr wahrgenommen, weil sie durch das Tinnitus-Geräusch überdeckt werden. Dies ist schematisch in der 1 gezeigt. Darin ist gezeigt, wie ein natürliches Sprachsignal 10 mit einem Pegel 15 von dem Tinnitus-Geräusch 20 im Bereich um 1 kHz überdeckt wird. In diesem Bereich liegen typischerweise die Sibilanten, die dann nicht wahrgenommen werden. Dies führt zu einer verminderten Sprachverständlichkeit.
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Es sind beispielsweise Hörgeräte bekannt, die auch als Tinnitusmasker genutzt werden und als Tinnitus-Instrumente bezeichnet werden. Dabei wird durch das Hörgerät beispielsweise ein breitbandiges Rauschsignal erzeugt, das den Höreindruck des Tinnitus-Geräuschs in den Hintergrund rücken soll.
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Weiterhin ist bekannt, bei Tinnitus-Betroffenen den Verstärkungspegel des Hörgeräts im Bereich um die Tinnitusfrequenz herum anzuheben, so daß der entsprechende Frequenzbereich des Umgebungsschalls über das Tinnitus-Geräusch angehoben wird. Dies soll beispielsweise die Verständlichkeit von Sprache erhöhen. Dieses Verfahren ist in 2 gezeigt. Durch ein Hörgerät wird nun der allgemeine Schallpegel 30 um eine mittlere Verstärkung Vm angehoben, wodurch ein verstärktes Sprachsignal 40 erzeugt wird. Das Hörgerät ist jedoch so eingestellt, daß es den Pegel im Bereich 35 um die Tinnitusfrequenz herum noch stärker als die mittlere Verstärkung Vm anhebt, so daß das Sprachsignal in diesem Bereich 35 über das Tinnitus-Geräusch angehoben wird. Von Betroffenen wird diese Pegel-Anhebung allerdings oft als äußerst störender Höreindruck beschrieben, da aufgrund der hohen Schallenergie in diesem Bereich das Ohr übersteuert. Es wird berichtet, daß dadurch keine besondere Steigerung der Sprachverständlichkeit erzielt wird, sondern im Gegenteil eher eine Verminderung der Sprachverständlichkeit auftritt.
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Im Hinblick auf die oben genannten Nachteile des Standes der Technik schlägt die vorliegende Erfindung ein Hörgerät gemäß Anspruch 1, ein Diagnosegerät gemäß Anspruch 11 sowie Verfahren gemäß Anspruch 14 vor. Weitere Aspekte, Vorteile und Einzelheiten der vorliegenden Erfindung ergeben sich aus den Unteransprüchen, der Beschreibung sowie den beigefügten Zeichnungen.
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Gemäß einem ersten Ausführungsbeispiel der vorliegenden Erfindung umfaßt ein Hörgerät mindestens ein Filter, das eingerichtet ist, ein Umgebungsschallsignal in einem vorbestimmten Frequenzbereich abzusenken oder zu sperren.
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Entgegen der in 2 gezeigten bisherigen Praxis, den Pegel im Bereich der Tinnitusfrequenz anzuheben, senkt das Hörgerät in einem Frequenzband um die Tinnitusfrequenz herum den Pegel des aufgenommenen Umgebungsschalls ab oder sperrt dieses Frequenzband gar. Überraschenderweise hat sich nämlich gezeigt, daß für Tinnitus-Patienten ein angenehmer Höreindruck entsteht, wenn in einem Frequenzbereich um die Tinnitusfrequenz herum der Pegel des Umgebungsschallsignals abgesenkt wird oder dieses Frequenzband ganz gesperrt wird. Darüber hinaus steigt die Sprachverständlichkeit, wenn dieser Frequenzbereich ausgeblendet wird. Zur Absenkung bzw. Sperrung können beispielsweise Bandsperrfilter, wie etwa ein Kerbfilter, verwendet werden. Es hat sich insbesondere als günstig für den Höreindruck erwiesen, wenn das Filter relativ steilflankig ausgebildet ist.
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Gemäß einer Weiterbildung der vorliegenden Erfindung kann mindestens einer der folgenden Parameter des Filters am Hörgerät einstellbar werden: die Mittenfrequenz des Filters, die Dämpfung und/oder Verstärkung des Filters, die Flankensteilheit des Filters und die Bandbreite des Filters. Selbstverständlich können auch beliebige Kombinationen der vorhergehenden Parameter eingestellt werden. Auf diese Weise ist es möglich, die für einen jeweiligen Patienten optimale Filtereinstellung zu ermitteln und so den besten Höreindruck für den Patienten bereitzustellen.
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Gemäß noch einer Weiterbildung ist das Hörgerät weiterhin eingerichtet, das Umgebungsschallsignal außerhalb des vorbestimmten Frequenzbereichs zu verstärken. Auf diese Weise kann eine Schwerhörigkeit des Tinnitus-Patienten wirksam gelindert werden. Durch die Anhebung des Schallpegels außerhalb des Frequenzbereichs um die Tinnitusfrequenz treten die bekannten und erwünschten Wirkungen eines Hörgeräts ein. In Kombination mit dem Filter wird trotz der Verstärkung des Schallsignals ein angenehmer Höreindruck beibehalten und sogar die Sprachverständlichkeit erhöht.
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Gemäß noch einer Weiterbildung sind außerhalb des vorbestimmten Frequenzbereichs jeweils Bereiche mittlerer Verstärkung vorgesehen und zwischen den Bereichen mittlerer Verstärkung und einer jeweiligen abfallenden oder ansteigenden Flanke des vorbestimmten Frequenzbereichs ist jeweils ein Überhöhungsbereich vorgesehen, in dem das Umgebungsschallsignal stärker als die mittlere Verstärkung verstärkt wird. Auf diese Weise werden gerade die Frequenzen am Rand des Bandsperr-Filters hervorgehoben. Dies kann insbesondere zu einem verbesserten Sprachverständnis fuhren. Vermutlich liegt dies daran, daß zumindest nieder- bzw. hochfrequente Anteile der im herausgefilterten Frequenzband liegenden Phoneme, beispielsweise Sibilanten, an sich ausreichend sind, um das Phonem zu erkennen. Werden die Randbereiche des Filters stärker angehoben, so fallt es dem Hörgeräte-Träger leichter, diese nieder- bzw. hochfrequente Anteile herauszuhören und die betreffenden Phoneme zu erkennen.
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Gemäß einer anderen Weiterbildung umfaßt das Hörgerät eine Einrichtung zur Phasendrehung des Umgebungsschallsignals, wobei der Winkel, um den die Phase gedreht wird, am Hörgerät einstellbar ist. Die Phasendrehung des Signals um einen bestimmten Phasenwinkel kann zu einem angenehmeren Höreindruck führen und insbesondere bei bestimmten Formen des Tinnitus zumindest eine teilweise Auslöschung des Tinnitusgeräuschs bewirken.
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Gemäß noch einer anderen Weiterbildung umfaßt das Hörgerät weiterhin ein vom Hörgerät getrennt ausgebildetes Mikrofon. Durch die Trennung des Mikrofons vom Hörgerät können unerwünschte Rückkopplungen vermieden werden. Weiterhin kann das Mikrofon an einer günstigen Stelle am Träger oder im Raum angeordnet werden, so daß es den Umgebungsschall besonders gut auffangen kann. Das Mikrofon kann beispielsweise drahtlos mit dem Hörgerät verbunden sein. Die drahtlose Verbindung kann beispielsweise mittels einer Bluetooth®-Verbindung, einer Funkverbindung, einer Radiofrequenzverbindung oder einer WLAN-Verbindung bereitgestellt werden.
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Gemäß noch einer Weiterbildung umfaßt das Hörgerät weiterhin einen Sinustongenerator, dessen Frequenz, und vorzugsweise auch dessen Amplitude, am Hörgerät durchstimmbar ist. Auf diese Weise kann der Tinnitus-Patient seine Tinnitusfrequenz mit dem Hörgerät ermitteln. Insbesondere gibt es Tinnitus-Varianten, bei denen die Tinnitusfrequenz wandert. Mithilfe des durchstimmbaren Sinusgenerators kann der Tinnitus-Patient die neue Tinnitusfrequenz ermitteln und anschließend das Filter entsprechend anpassen.
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Gemäß einem weiteren Ausführungsbeispiel der vorliegenden Erfindung wird ein Diagnosegerät für Hörgeräteakustiker bereitgestellt. Das Diagnosegerät umfaßt einen Sinustongenerator, dessen Frequenz, und vorzugsweise auch dessen Amplitude, durchstimmbar ist, sowie ein Filter, vorzugsweise ein Kerbfilter, das eingerichtet ist, ein Umgebungsschallsignal in einem vorbestimmten Frequenzbereich abzusenken oder zu sperren.
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Mit einem solchen Diagnosegerät kann ein Hörgeräteakustiker zum einen die Lage einer Tinnitusfrequenz bei einem Patienten und zum anderen gleich eine passende Filtereinstellung für ein Hörgeräte ermitteln. Insbesondere kann das Diagnosegerät die Einstellung eines der folgenden Parameter des Filters erlauben: eine Mittenfrequenz, eine Dämpfung und/oder Verstärkung, eine Flankensteilheit, eine Bandbreite, eine Breite eines Überhöhungsbereichs, eine Höhe eines Überhöhungsbereichs oder Kombinationen der vorhergehenden Parameter. Das Diagnosegerät kann weiterhin eingerichtet sein, das Umgebungsschallsignal außerhalb des vorbestimmten Frequenzbereichs zu verstärken und/oder außerhalb des vorbestimmten Frequenzbereichs jeweils Bereiche mittlerer Verstärkung vorgesehen sind und zwischen den Bereichen mittlerer Verstärkung und einer jeweiligen abfallenden oder ansteigenden Flanke des vorbestimmten Frequenzbereichs jeweils ein Überhöhungsbereich vorgesehen ist, in dem das Umgebungsschallsignal stärker als die mittlere Verstärkung verstärkt wird und/oder eine Einrichtung zur Phasendrehung des Umgebungsschallsignals bereitgestellt ist, wobei der Winkel, um den die Phase gedreht wird, einstellbar ist. Auf diese Weise können weitere Parameter, die für verbesserte Sprachverständlichkeit und einen angenehmeren Höreindruck wichtig sind, vom Hörgeräteakustiker ermittelt und dann am Hörgerät patientengenau eingestellt werden.
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Gemäß noch einem Ausführungsbeispiel umfaßt ein Verfahren zum Einstellen eines Hörgeräts die Schritte des Bereitstellens eines Hörgeräts, wie es oben beschrieben wurde, und des Einstellen einer Mittenfrequenz des Filters, so daß die Mittenfrequenz im wesentlichen mit einer Tinnitus-Frequenz eines Patienten übereinstimmt. Die Tinnitus-Frequenz kann dabei insbesondere mit dem oben beschriebenen Diagnosegerät ermittelt werden. Darüber hinaus kann das Verfahren noch das Einstellen mindestens eines der folgenden Parameter des Filters umfassen: eine Verstärkung und/oder Dämpfung, eine Flankensteilheit, eine Bandbreite, eine Breite eines Überhöhungsbereichs, eine Höhe eines Überhöhungsbereichs oder Kombinationen der vorhergehenden Parameter.
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Anhand der beigefügten Zeichnungen werden nun Ausführungsbeispiele der vorliegenden Erfindung erläutert. Dabei zeigt:
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1 akustische Gegebenheiten bei einem Tinnitus-Patienten;
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2 eine Hörgeräteeinstellung gemäß dem Stand der Technik;
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3 ein Hörgerät gemäß einem Ausführungsbeispiel der vorliegenden Erfindung;
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4 eine Filtereinstellung gemäß einem Ausführungsbeispiel der vorliegenden Erfindung;
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5 ein Filter gemäß einem weiteren Ausführungsbeispiel der vorliegenden Erfindung;
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6 eine Hörgeräteeinstellung mit Verstärkung und einem Filter gemäß einem anderen Ausführungsbeispiel der vorliegenden Erfindung;
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7 eine Hörgeräteeinstellung mit Verstärkung und einem Filter gemäß noch einem weiteren Ausführungsbeispiel der vorliegenden Erfindung.
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3 zeigt ein Hörgerät 100 gemäß einem Ausführungsbeispiel der vorliegenden Erfindung. Das Hörgerät 100 weist ein Mikrofon 110 auf, das den Umgebungsschall 10 auffängt. Das Mikrofon 110 kann mit dem Hörgerät 100 integriert ausgebildet sein. Gemäß anderen Ausführungsformen kann das Mikrofon 110 aber auch als separate Einheit ausgebildet sein. Durch die Trennung des Mikrofons 110 vom Hörgerät 100 können beispielsweise unerwünschte Rückkopplungen vermieden werden. Weiterhin kann das Mikrofon an einer günstigen Stelle am Hörgeräte-Träger oder im Raum angeordnet werden, so daß es den Umgebungsschall besonders gut auffangen kann. Das Mikrofon 110 kann über eine Kabelverbindung oder auch drahtlos mit dem Hörgerät verbunden sein. Eine drahtlose Verbindung kann beispielsweise mittels einer Bluetooth®-Verbindung, einer Funkverbindung, einer Radiofrequenzverbindung oder einer WLAN-Verbindung bereitgestellt werden.
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Das Hörgerät 100 weist weiterhin einen Lautsprecher 120 auf, der das vom Hörgerät 100 verarbeitete Umgebungsschallsignal an das Ohr überträgt. Dabei kann das vom Mikrofon 110 aufgenommene Umgebungsschallsignal beispielsweise von einem Verstärker verstärkt werden, so daß eine Pegelanhebung des Signals erfolgt. Das Hörgerät 100 weist weiterhin ein Filter 130 auf, das zur Verarbeitung des Umgebungsschallsignals verwendet wird.
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Insbesondere ist das Filter 130 eingerichtet, das Umgebungsschallsignal in einem vorbestimmten Frequenzbereich abzusenken oder zu sperren. Überraschenderweise kann dadurch für Tinnitus-Patienten ein angenehmer Höreindruck erzeugt werden. Darüber hinaus steigt die Sprachverständlichkeit, wenn der Frequenzbereich um die Tinnitusfrequenz herum ausgeblendet wird. Geeignete Filterformen werden weiter unten anhand der 4 bis 7 erläutert.
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Das Hörgerät 100 weist weiterhin optional eine Einrichtung 140 auf, mit der ein oder mehrere Parameter des Filters 130 eingestellt werden können. Insbesondere kann die Einrichtung 140 erlauben, eine Mittenfrequenz, eine Verstärkung und/oder Dämpfung, eine Flankensteilheit, eine Bandbreite, eine Breite eines Überhöhungsbereichs und/oder eine Höhe eines Überhöhungsbereichs einzustellen. Die vorhergehend genannten Parameter können dabei einzeln oder gemeinsam eingestellt werden. Auf diese Weise ist es möglich, die für einen jeweiligen Patienten optimale Filtereinstellung zu ermitteln und so den besten Höreindruck für den Patienten bereitzustellen. Die Einrichtung 140 kann dabei auch als separates Gerät ausgebildet sein, das lediglich mit einem Kabel oder auch drahtlos mit dem Hörgerät verbunden ist. Beispielsweise kann ein solches Handteil Schieberegler und/oder Drehknöpfe zum Einstellen der Filterparameter aufweisen. Gemäß einer Ausführungsform wird eine Software bereitgestellt, die beispielsweise auf einem Mobiltelefon, einem sogenannten Smartphone, ablaufen kann und über eine Funkschnittstelle eine Verbindung mit dem Hörgerät aufbauen kann. Beispielsweise kann eine Bluetooth®-Schnittstelle des Smartphones verwendet werden, um die Verbindung zum Hörgerät 100 herzustellen. Die beschriebene Software erlaubt dem Benutzer, die Filterparameter einzustellen, beispielsweise über simulierte Schieberegler und/oder Drehregler, und sendet diese Filterparameter über die Schnittstelle an das Hörgerät. Auf diese Weise kann ein Patient das Filter 130 seines Hörgeräts 100 bequem anpassen.
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Das Hörgerät 100 weist weiterhin optional eine Einrichtung 150 zur Phasendrehung des Umgebungsschallsignals auf, wobei der Winkel, um den die Phase gedreht wird, am Hörgerät einstellbar ist. Die Phasendrehung des Signals um einen bestimmten Phasenwinkel kann zu einem angenehmeren Höreindruck führen und insbesondere bei bestimmten Formen des Tinnitus zumindest eine teilweise Auslöschung des Tinnitusgeräuschs bewirken.
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Schließlich weist das Hörgerät 100 optional noch einen Sinustongenerator 160 auf. Die Frequenz, und typischerweise auch die Amplitude, des Sinustongenerators 160 sind über eine Einrichtung am Hörgerät 100 durchstimmbar. Auf diese Weise kann der Tinnitus-Patient seine Tinnitusfrequenz mit dem Hörgerät 100 selbst ermitteln. Dazu fährt er den Frequenzbereich des Sinusgenerators 160 durch. Bei einer jeweiligen Frequenz senkt der Patient die Amplitude kontinuierlich oder in Schritten soweit ab, bis er kein Signal mehr wahrnimmt. Im Bereich um die Tinnitusfrequenz herum sollte der Patient das Signal sehr schnell verlieren oder gar nicht erst wahrnehmen, da es vollständig vom Tinnitus-Geräusch überdeckt wird. Die Suche der Tinnitusfrequenz kann im Hörgerät auch als vorbereitetes Verfahren angelegt sein, beispielsweise als Software-Implementation, so daß der Patient zur Durchführung der Frequenzsuche lediglich ein Startsignal setzen muß. Das Durchstimmen der Frequenzen und das kontinuierliche bzw. gestufte Absenken der Amplitude wird dann programmgemäß vom Hörgerät vorgenommen. Dies kann insbesondere bei Tinnitus-Varianten hilfreich sein, bei denen die Tinnitusfrequenz wandert. Mithilfe des durchstimmbaren Sinusgenerators 160 kann der Tinnitus-Patient die neue Tinnitusfrequenz ermitteln und anschließend das Filter 130 entsprechend anpassen.
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Die 4 zeigt eine Filtereinstellung gemäß einem Ausführungsbeispiel der vorliegenden Erfindung. Dabei wird angenommen, daß der Tinnituspatient ein Tinnitusgeräusch 20 mit einer mittleren Frequenz von ungefähr 1 kHz aufweist. Wie in 4 gezeigt ist die Intensität, d. h. der Pegel, des Tinnitusgeräuschs 20 so hoch, daß er in einem Frequenzbereich um 1 kHz herum ein natürliches Sprachsignal 10 überdeckt. Da in dem überdeckten Frequenzbereich beispielsweise die Sibilanten liegen, wird die Sprachverständlichkeit vermindert. Das Filter ist als Bandsperrfilter in einem Frequenzbereich 60 um die Tinnitusfrequenz herum ausgebildet. Dabei wird das Umgebungsschallsignal 10, also insbesondere ein Sprachsignal, im Frequenzbereich 60 abgesenkt oder gar ganz gesperrt. Das durch diese Pegelabsenkung im Frequenzbereich 60 erzeugte Sprachsignal 50 wird dann vom Hörgerät über einen Lautsprecher ausgegeben. Entgegen der gängigen Praxis der Anhebung des Signalpegels im Frequenzbereich um die Tinnitusfrequenz herum hat sich überraschenderweise gezeigt, daß die beschriebene Pegelabsenkung zu einem angenehmeren Höreindruck und sogar zu einer besseren Sprachverständlichkeit führt. Insbesondere hat sich gezeigt, daß die Qualität des Höreindrucks besonders gut ist, wenn das Filter relativ steilflankig ausgebildet ist, d. h. wenn seine abfallende Flanke 62 und seine ansteigende Flanke 64 relativ steil sind. Insbesondere wird darauf hingewiesen, daß das in 4 gezeigte Filter lediglich eine Pegelabsenkung im Frequenzbereich 60 bewirkt, jedoch keine Verstärkung des Signals außerhalb des Frequenzbereichs 60. Insofern wird durch die Filtereinstellung gemäß 4 noch keine Verbesserung einer Schwerhörigkeit erzielt sondern lediglich eine Verbesserung der Hörqualität in Bezug auf den Tinnitus.
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Anhand von 5 werden nun einzelne Parameter der Filtereinstellung erläutert. Insbesondere können einzelne oder alle dieser Parameter am Hörgerät einstellbar sein, um eine auf den jeweiligen Patienten zugeschnittene Filtereinstellung zu ermitteln. Als Filter kann dabei ein Bandsperrfilter, beispielsweise ein Kerbfilter, verwendet werden. Zudem wird auch auf eine Verstärkung des Umgebungsschallsignals abgestellt, die zur Verbesserung des Hörens beiträgt, wenn der Hörgeräteträger nicht nur an Tinnitus leidet, sondern auch auf mindestens einem Ohr eine Schwerhörigkeit aufweist. Zunächst weist das Filter eine Mittenfrequenz fm auf, die im wesentlichen in der Mitte zwischen den beiden Flanken 62, 64 liegt. Typischerweise ist die Mittenfrequenz einstellbar und kann auf bzw. in die Nähe der Tinnitusfrequenz gelegt werden. Darüber hinaus weist das Filter eine Bandbreite B auf, die im wesentlichen die Breite des Frequenzbereichs 60 bestimmt, in dem das Filter aktiv ist. Auch die Breite B ist einstellbar und kann beispielsweise an die Frequenzbreite des Tinnitusgeräuschs angepaßt werden. Die jeweilige einzustellende Bandbreite ist von der Ausprägung des Tinnitusgeräuschs abhängig. Eine Eigenschaft des Filters ist die Steilheit der Flanken 62, 64, die in db/Oktave angegeben wird und auch mit der Ordnung des Filters verknüpft ist. Auch die Flankensteilheit bzw. die Ordnung des Filters läßt sich typischerweise einstellen, wobei steilflankige Filter, die einer höheren Ordnung des Filters entsprechen, erfahrungsgemäß bessere Hörempfindungen vermitteln. Darüber hinaus kann es Bereiche 30 geben, in denen der Umgebungsschall 10 von seinem Pegel 15 um eine mittlere Verstärkung Vm auf einen verstärkten Pegel angehoben wird. Auch die Verstärkung Vm ist einstellbar und kann insbesondere auch für bestimmte Frequenzbänder unterschiedlich sein. Durch die Anhebung des Pegels in den Bereichen 30 kann eine Schwerhörigkeit des Hörgeräteträgers überwunden oder zumindest vermindert werden. Darüber hinaus kann das Filter optional an der abfallenden Flanke 62 und/oder an der ansteigenden Flanke 68 Überhöhungsbereiche 66, 68 aufweisen. Ein jeweiliger Überhöhungsbereich 66, 68 weist eine Überhöhungsbreite ÜB sowie eine Überhöhung ÜH auf. Sowohl die Überhöhungsbreite ÜB als auch die Überhöhung ÜH können separat einstellbare Parameter des Filters sein. Weiterhin ist zu erwähnen, daß auch lediglich an der abfallenden Flanke 62 oder an der ansteigenden Flanke 64 ein Überhöhungsbereich ausgebildet sein kann. So kann es beispielsweise zu einem verbesserten Sprachverständnis führen, wenn Frequenzen unterhalb von 1 kHz, die benachbart zu dem abgesenkten Frequenzbereich 60 liegen, deutlicher verstärkt werden, da sie niederfrequente Anteile von Phonemen enthalten, deren Hauptanteil durch die Absenkung im Frequenzbereich 60 herausgefiltert wird. Durch die Überhöhung im Bereich 66 an der abfallenden Flanke 62 werden diese niederfrequenten Anteile überverstärkt und können, trotz des Filters, zu einem Erkennen des Phonems fuhren. Hingegen kann im höherfrequenten Bereich 68 an der ansteigenden Flanke keine phonetische Information enthalten sein, so daß eine Überhöhung in diesem Bereich keinen Vorteil bei der Sprachverständlichkeit bietet, jedoch einen unangenehmeren Höreindruck erzeugt. Insofern kann es geboten sein, die Überhöhung lediglich an der abfallenden Flanke 62 vorzusehen. Ob das Vorsehen einer Überhöhung sinnvoll ist und wie die Überhöhung ausgebildet werden sollte, hängt von der Lage und Form des Tinnitusgeräuschs ab. Insofern sollte eine individuelle Anpaßbarkeit an den Tinnituspatienten durch das Hörgerät vorgesehen sein.
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In 6 ist eine Hörgeräteeinstellung mit einer mittleren Verstärkung und einem Filter gemäß einem Ausführungsbeispiel der vorliegenden Erfindung gezeigt. Dabei wird in einem Frequenzbereich 660 das Umgebungsschallsignal 10 mittels des Filters abgesenkt, so daß der Tinnituspatient in diesem Bereich 660 ein gedämpftes Signal 50 hört. Dabei kann die Dämpfung des Signals so groß sein, daß sie unter der Hörschwelle des Patienten liegt, so daß dieser im Bereich 660 lediglich das Tinnitusgeräusch 20 wahrnimmt. Außerhalb des Frequenzbands 660 wird das Umgebungsschallsignal auf einen mittleren Pegel 630 angehoben, so daß hier ein verstärktes Signal 640, insbesondere ein verstärktes Sprachsignal, vorliegt. An den Rändern des ausgeblendeten bzw. gedämpften Frequenzbandes 660 fällt der Pegel steilflankig an den Flanken 662 und 664 ab. Auf diese Weise wird ein Hörgerät bereitgestellt, bei dem eine Schwerhörigkeit des Trägers vermindert bzw. überwunden wird und gleichzeitig trotz eines Tinnitusleidens ein angenehmer Höreindruck und eine gute Sprachverständlichkeit hergestellt wird.
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In 7 ist eine Hörgeräteeinstellung mit Verstärkung und einem Filter gemäß einem weiteren Ausführungsbeispiel der vorliegenden Erfindung gezeigt. Wie oben beschrieben senkt das Filter im Frequenzband 760 den Signalpegel ab, wobei die Absenkung relativ steilflankig erfolgt. Weiterhin sind Überhöhungen 766, 768 in den zu den Flanken 762, 764 des Filters benachbarten Bereichen vorgesehen. Wie bereits oben erläutert, können ein oder zwei solcher Überhöhungsbereiche die Sprachverständlichkeit weiter erhöhen, da nieder- und/oder höherfrequente Anteile von im Frequenzband 760 gelegenen Phonemen überverstärkt werden.
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Gemäß einem weiteren Ausführungsbeispiel der vorliegenden Erfindung wird ein Diagnosegerät (nicht gezeigt) für Hörgeräteakustiker bereitgestellt. Das Diagnosegerät umfaßt einen Sinustongenerator, dessen Frequenz, und vorzugsweise auch dessen Amplitude, durchstimmbar ist, sowie ein Filter, vorzugsweise ein Kerbfilter, das eingerichtet ist, ein Umgebungsschallsignal in einem vorbestimmten Frequenzbereich abzusenken oder zu sperren. Damit weist das Diagnosegerät im wesentlichen die Merkmale des oben beschriebenen Hörgeräts auf und kann so dazu dienen, die optimalen Filtereinstellungen professionell durch einen Hörgeräteakustiker zu ermitteln. Insbesondere wird durch ein solches Diagnosegerät der Hörgeräteakustiker zum einen die Lage versetzt, eine Tinnitusfrequenz bei einem Patienten und zum anderen gleich eine passende Filtereinstellung für das Hörgerät zu ermitteln. Insbesondere erlaubt das Diagnosegerät die Einstellung vorhergehend beschriebenen Filterparameter sowie einer Phasendrehung.
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Abschließend wird darauf hingewiesen, daß die vorhergehenden Erläuterungen beispielhaft für ein Tinnitusgeräusch bei einer Hauptfrequenz gezeigt wurden. Die vorliegende Erfindung kann jedoch ohne weiteres auch für Tinnitusgeräusche bei zwei oder mehr Frequenzen eingesetzt werden, wobei dann für eine jeweilige Tinnitusfrequenz jeweils ein Filter der oben beschriebenen Art bereitgestellt wird. Vorzugsweise lassen sich die Filterparameter für jedes Filter separat einstellen. Insbesondere gilt die Anwendung für mehrere Tinnitusfrequenzen nicht nur für Hörgeräte, sondern auch für die beschriebenen Diagnosegeräte.
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Die vorliegende Erfindung wurde anhand von Ausführungsbeispielen erläutert. Diese Ausführungsbeispiele sollten keinesfalls als einschränkend für die vorliegende Erfindung verstanden werden.