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Die heutige Standardzusammensetzung von Schwarzpulver ist folgende:
- – 75% Kaliumnitrat,
- – 10% Schwefel,
- – 15% Holzkohle.
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Kaliumnitrat ist der Sauerstoffträger. Schwefel erhöht die Entzündbarkeit und reduziert die Bildung von Kohlenmonoxid. Je nach Holzgattung und Herstellungsart der Holzkohle können Schwarzpulver mit verschiedenen Eigenschaften hergestellt werden. Das Holz soll weich aber nicht harzhaltig sein. Als Holzarten kommen deshalb im Wesentlichen in Betracht Buche, Erle und Faulbaum. Es hat immer wieder Bemühungen gegeben, auf die Eigenschaften der Holzkohle über Oberflächenbehandlung, Korngröße und -verteilung sowie durch Zugabe von Modifikatoren wie z. B. Graphit und Dextrin Einfluss zu nehmen [Knop, J.: Schwarzpulver, aktuelle Anwendungen des ältesten Sprengstoffes der Menschheit, 30. Informationstagung, Sprengtechnik, Siegen, 28.–29. März 2008].
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Der letzte Versuch zur Verbesserung der Wirksamkeit von Schwarzpulver wurde 1969 in Norwegen unternommen, der von einer gemeinsamen Vermahlung der oben genannten drei Komponenten in einer Strahlmühle ausgeht. In einer ringförmigen Kammer wird das mit Druckluft beschleunigte Material durch Prallbeanspruchung gemahlen. In einem nachgeschalteten Zyklon erfolgt eine Klassierung und Rückführung des Grobanteils [Loevold; Kjiell; Nittedal: Verfahren zur Herstellung von Schwarzpulvermehl,
DE 20 05 549 C , 5. Juli 1973]. Die Einführung dieses Verfahrens scheiterte unter anderem auf Grund unzureichend dichter Schleusen zwischen Mühle und Peripherie. Die Folge waren Explosionen durch Kettenreaktionen infolge ungeklärter Funkenbildungen.
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Unter dem Aktenzeichen
DE 24 59 624 A1 erfolgte siebzehn Monate später der Versuch, die Explosionsgefahr bei gemeinsamer Strahlmahlung von Kohle, Schwefel und Kaliumnitrat wie in
DE 20 05 549 C durch einen zweistufigen Strahlmahlprozess herab zu setzen. Danach erfolgt in der ersten Stufe die Strahlmahlung von Salpeter. Die Strahlgeschwindigkeit des Salpeters wird vor dem Eintritt in die zweite Strahlmahlstufe verringert und in einem Tröpfchennebel aus Wasser angefeuchtet (85 bis 95% Feuchtigkeit). Erst danach erfolgt ein Vermischen mit Kohle und Schwefel, wodurch die frischen rauhen Bruchflächen der Kohleteilchen eine besonders günstige Adsorption des Salpeters ermöglichen.
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Andere Bemühungen befassten sich mit der entmischungsfreien Herstellung von Schwarzpulver-Presslingen beim Zusatz von Graphit. Es wurde eine um 10% größere Abbrandgeschwindigkeit erzielt [Moog Nico Feuerwerk GmbH und CO. KG, WANO Schwarzpulver GmbH: Schwarzpulver-Pressling,
DE 87 16 612 U1 , 17.12.1987, Moog Nico Feuerwerk GmbH und CO. KG, WANO Schwarzpulver GmbH: Schwarzpulver,
DE 37 04 747 C2 , 01.06.1989].
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Die übliche Mahlung von Stoffgemischen ist Stand der Technik. Die in
US 2002/004 705 8 A1 angegebenen Mahlungen von Mischungen von Partikeln aus Kohle und Oxidationskatalysatoren wie Nitratsalzen [0209] haben das Übliche „particle size reduction” [0234] zum Ziel. Außerdem handelt es sich um Nassmahlung, die für Prozesse der mechanischen Aktivierung nicht anwendbar ist.
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Den Begriff „mechanische Aktivierung” durch Mahlen erläutert
DE 41 39 367 C2 , lehrt jedoch einen solchen Vorgang aufgrund der damit verbundenen Gefahren zu vermeiden. Als vorteilhaft wird das Nassmahlverfahren dargestellt, da hier eine mechanische Aktivierung geringer ausfällt (Seite 2 sowie Seite 3, Zeile 51).
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In einem russischen Patent
RU-2235085C1 werden pyrotechnische Gemische von Aluminiumpulver (35 bis 50%) und Molybdäntrioxid (MoO
3) in einer neutralen Kohlenwasserstofflösung z. B. Benzin, die 30 bis 50% der Gesamtmasse ausmacht, in einer Kugelmühle „mechanisch aktiviert”. Da das Ziel zum Einen die Vergrößerung der Oberfläche und zum Anderen die Aufhebung von Inhomogenitäten der Mischungspartner ist, wird der Begriff „mechanische Aktivierung” nicht im Sinne der Definition und der Wirkungsweise dieser Art der Beanspruchung genutzt (siehe dazu Winnacker Küchler, Chemische Technik, 5. Aufl., Bd. 1, S. 203 ff, 2006). Grundsätzlich ist eine mechanische Aktivierung bei jeder Form der Nassmahlung nicht möglich, da die Mahlkörper durch das Medium abgebremst werden und ihre Schlagwirkung Strukturveränderungen, die charakteristisch sind für die mechanische Aktivierung, nicht erreichen. Es ist außerdem bekannt, dass das gemeinsame trockene Vermahlen pyrotechnischer Mischungen zur Explosion führt. Zudem sind Schwarzpulver und pyrotechnische Mischungen aus Metallen und Oxidationsmitteln nicht vergleichbar.
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Bisher ist es nicht gelungen, die bereits seit 100 Jahren praktizierte Technologie im Hinblick auf die Steigerung der spezifischen Energie entscheidend zu verbessern.
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Es wurde nun gefunden, dass durch eine mechanische Aktivierung der Einsatzstoffe Holzkohle und Schwefel mittels einer neuen Schwingmühlen-Technologie ein entscheidender Einfluss auf den Explosionsenergiebetrag von Schwarzpulver genommen werden kann. Nach bisherigem Erkenntnisstand kann durch die mechanische Aktivierung der Einsatzstoffe Schwefel (S) und Kohlenstoff (C) das Explosionsenergiepotential so entscheidend erhöht werden, dass verglichen mit herkömmlichem Schwarzpulver, ein neues Produkt entsteht.
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Bei der mechanischen Aktivierung handelt es sich im Wesentlichen um eine Stoßbeanspruchung des Mahlgutes, wobei Strukturstörungen durch Gitterdeformationen aufgeprägt werden, die zu einer Erhöhung des Enthalpiebetrages führen. Wird das mechanisch aktivierte Material einer Reaktion zugeführt, wird die gespeicherte Energie wieder abgegeben, was im Falle des Schwarzpulvers zu einer entscheidenden Erhöhung der spezifischen Energie des Schwarzpulvers führt.
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Strukturstörungen werden üblicherweise durch Röntgendiffraktometrie nachgewiesen. Dabei werden Intensitätsmessungen der Röntgenpeaks vorgenommen. Kristalline Systeme, wie Elementarschwefel, lassen sich durch spezifische Röntgenbeugungsdiagramme, die Reflexionen bei bestimmten Beugungswinkeln (2 θ) wiedergeben, charakterisieren. Im Falle von Kristallgitterstörungen z. B. durch mechanische Beanspruchung vermindern sich die Peakhöhen und die Peakflächen, was durch Intensitätsabnahme messbar ist.
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Wenn man die Intensität an einer bestimmten Gitterebene z. B. von Schwefel als I0 vor der mechanischen Beanspruchung und die Intensität nach der mechanischen Beanspruchung mit 1 bezeichnet, ergibt sich ein Verhältnis von I/I0. Jedem Verhältnis von I/I0 sind bestimmte Eigenschaften des kristallinen Systems zugeordnet. Es handelt sich um eine reproduzierbare Größe, die einen bestimmten energetischen Zustand charakterisiert. Wenn man das Gemisch Schwefel-Holzkohle betrachtet, sind die durch mechanische Beanspruchung aufgeprägten Gitterstörungen durch die Höhe der Röntgenpeaks des Schwefels z. B. für die Hauptgitterebene 222 messbar. Ein I/I0 von z. B. 0,5 für Schwefel an der Gitterebene 222 bedeutet, dass bei dieser messbaren Stoffeigenschaft das Schwarzpulver eine bestimmte genau messbare spezifische Energie freisetzt. Damit ergibt sich eine signifikante Kontrollmethode für die Bestimmung der Stoffeigenschaft des Schwarzpulvers, wenn nach der Aktivierung des Systems Schwefel-Holzkohle die Vermengung mit KNO3 erfolgt ist.
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Die spezifische Energie des Schwarzpulvers wird von der Geschwindigkeit des Geschosses abgeleitet. Dazu wird die Mündungsgeschwindigkeit des Geschosses mit einer Fotozelle gemessen und die kinetische Energie nach der Gleichung (1)
berechnet. Dividiert man das Ergebnis durch die Schwarzpulvermasse, erhält man die spezifische Energie entsprechend Gleichung 2:
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Die Vorteile der veränderten Stoffeigenschaften des Schwarzpulvers gegenüber konventionellem Schwarzpulver sind:
- – Optimale Ausnutzung der Energie,
- – Rohstoffeinsparung,
- – Verringerung der Verbrennungsrückstände.
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Die Vorteile konzentrieren sich auf die Wehrtechnik, indem mit entscheidend kleineren Pulvermengen die gleiche Wirkung erzielt wird.
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Nachfolgend werden anhand von 3 Beispielen die neuen Stoffeigenschaften von Schwarzpulver nach mechanischer Aktivierung des Systems Schwefel-Holzkohle belegt. Ein konventionelles Schwarzpulver besitzt eine spezifische Energie von etwa 250 Joule/g.
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Beispiel 1:
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In einer Exzenter-Schwingmühle vom Typ ESM 653 ks 0,5 wurde ein Binärsatz (40% Schwefel, 60% Holzkohle) mit 500 kWh/t mechanisch aktiviert. Die röntgenographische Kontrolle ergab an der Gitterebene 222 für Elementarschwefel ein I/I0 von 0,3.
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Die ballistische Prüfung wies eine Erhöhung der spezifischen Energie des Schwarzpulvers um 29.8% entsprechend 322 Joule/g nach.
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Beispiel 2:
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Der Binärsatz wurde mit der gleichen Maschine, aber mit einem Energieaufwand von 100 kWh/t mechanisch aktiviert. Die röntgenographische Kontrolle ergab ein I/I0 von 0,9.
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Bei der ballistischen Prüfung betrug die Erhöhung der spezifischen Energie von 5.5% entsprechend 261 Joule/g.
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Beispiel 3:
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In diesem Fall wurde der Energieaufwand für die mechanische Aktivierung auf 925 kWh/t erhöht. Bei der röntgenographischen Kontrolle wurde ein I/I0 von 0,1 ermittelt. Die ballistische Prüfung ergab eine Erhöhung der spezifischen Energie des Schwarzpulvers von 35% entsprechend 333 Joule/g.
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Die innige Vermengung des mechanisch aktivierten Binärsatzes mit Kaliumnitrat wird unter Wasserzugabe in einem Kollergang vorgenommen.