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Die vorliegende Erfindung betrifft Verfahren zur Ermittlung des aufgebrachten Drehmoments an einem Lenksystem eines Kraftfahrzeugs.
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Bei einem üblichen Lenksystem werden lenkbare Räder von einem Fahrer über eine Betätigungseinheit, insbesondere durch Verdrehen eines Lenkrades gelenkt. Das Drehen des Lenkrades bewirkt eine Verschiebung einer Zahnstange, die wiederum die Räder schwenkt. Die Lenkbewegung des Fahrers wird bei Servolenkungen durch einen zusätzlichen Elektromotor unterstützt. Die Lenkunterstützung erfolgt dabei im Allgemeinen durch kennfeldgesteuerte bzw. -geregelte Systeme, bei denen die Lenkunterstützung in Abhängigkeit von der Fahrzeuggeschwindigkeit aufgebracht wird.
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Elektrische Servolenksysteme benutzen in Allgemeinen einen separaten, dem Lenksystem zugeordneten Drehmomentsensor zur Messung des Lenkmomentes, welches vom Fahrer auf das Lenkrad aufgebracht wird. Dieser Drehmomentsensor dient zumeist ausschließlich der Messung des Drehmoments, kann aber auch mit einem Drehwinkelsensor kombiniert sein. Darüber hinaus ist auch eine indirekte Drehmomentmessung bekannt, bei der über den Verdrehwinkel zweier mit einem dafür ausgelegten elastischen Element, wie einem Drehstab, verbundener Teile der Lenksäule oder des Lenkgetriebes das Drehmoment ermittelt wird. Bekannt ist auch eine direkte Drehmomentmessung an einem Bauteil des Lenkungsstrangs, beispielsweise nach einem magnetoelastischen Prinzip. In jedem Fall ist aber ein Momentensensor erforderlich, der üblicherweise der Servolenkung zugeordnet ist (EPAS-System) und ggf. in das EPAS-System integriert ist.
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Das Drehmomentensignal wird je nach dem Konzept der Steuerung bzw. Regelung des Lenksystems benutzt, um die Lenkbefehle des Fahrers im Sinne einer gleichsinnigen Lenkunterstützung zu verstärken oder aber ein konstantes Drehmoment am Lenkrad einzuregeln, um dem Fahrer eine Rückmeldung über den Lenkwinkel oder andere fahrdynamische Fahrparameter zu geben.
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So offenbart beispielsweise die
DE 10 2004 035 744 A1 eine Steuerung der Drehbewegung lenkbarer Räder als Ergebnis einer Lenkbewegung an einem Lenkrad. Hierin ist ein Mittel zur Erfassung des aufgebrachten Lenkmoments in Form eines Drehmomentsensors vorgesehen, welches eine darin angeordnete Torsionsstange besitzt.
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Aus der
DE 600 24 692 T2 ist ein elektrisches Servolenksystem bekannt. Dieses beinhaltet einen kombinierten Positions-/Drehmomentsensor, welcher das durch die lenkende Person auf das Lenkrad aufgebrachte Lenkmoment erfasst.
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Auch die
DE 195 36 989 A1 zeigt eine Lösung für ein Lenksteuersystem für ein mit angetriebenen lenkbaren Rädern ausgestattetes Fahrzeug. Dieses umfasst ebenfalls einen Drehmomentsensor, welcher das durch die lenkende Person auf ein Lenkrad aufgebrachte Lenkmoment an der Lenkwelle erfasst.
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Weiterhin lehrt auch die
DE 102 56 694 A1 den Aufbau einer Lenkvorrichtung, welche ebenfalls Komponenten in Form eines Drehmoment-/Positionssensors zum Überwachen des an ein Lenkrad angelegten Drehmoments besitzt.
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Darüber hinaus sind Lenksysteme bekannt, bei denen keine mechanische Verbindung zwischen den lenkbaren Rädern und dem Lenkrad besteht (Steer by wire). Die Räder werden dabei in Abhängigkeit vom Verdrehwinkel und der Umdrehungsgeschwindigkeit des Lenkrades mit Hilfe von entsprechenden Motoren geschwenkt.
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Nachteilig bei den bekannten Systemen ist, dass eingesetzte Drehmomentsensoren aufwendig konstruiert und teuer sind.
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Hierzu ist der
DE 101 03 404 A1 der Aufbau eines Lenksystems mit einem Handmomentensteller und einem Radwinkelsteller zu entnehmen. Im Normalbetrieb weist das Lenksystem keine mechanische Verbindung zwischen Lenkrad und Lenkgetriebe auf, da diese über eine steuerbare Kupplung voneinander entkoppelt sind (Steer by Wire). Um der lenkenden Person ein reales Feedback hinsichtlich der Reaktionskräfte zu vermitteln, ist das Lenkrad mit entsprechenden Reaktionskraftmotoren gekoppelt. Zwischen den Reaktionskraftmotoren und dem Lenkrad sind einzelne Lenkwinkelsensoren angeordnet. Weiterhin beinhaltet der Lenkstrang einen elastischen Torsionsstab, so dass das über das Lenkrad aufgebrachte Drehmoment über eine durch die Lenkwinkelsensoren erfasste Lenkwinkeldifferenz errechnet werden kann. Um nun auch bei einem etwaigen Ausfall oder Einsparen des Lenkwinkelsensors eine zutreffende Aussage über das jeweilige Lenkmoment zu treffen, wird vorgeschlagen, den durch den Servomotor aufgenommenen Strom heranzuziehen, über den auf das durch den Servomotor abgegebene Drehmoment geschlossen werden kann. Alternativ wird im Zusammenhang mit einem möglichen Ausfall des Lenkwinkelsensors vorgeschlagen, zuvor abgespeicherte Zusammenhänge zwischen elektrischen Betriebswerten des Servomotors und einem auf die Lenkeinrichtung aufgebrachten Lenkmoment heranzuziehen. Eine weitere Möglichkeit zur Bestimmung des Lenkmoments wird in der Verwendung des Ausgangssignals eines an den Reaktionskraftmotoren angeordneten Kommutierungssensors sowie eines der Lenkwinkelsensoren gesehen.
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Ein weiterer Ansatz geht aus der
DE 602 12 030 T2 hervor, welche auf ein Verfahren zur Steuerung eines elektrischen Servolenksystems gerichtet ist. Eine mögliche Ausführungsform beinhaltet eine Drehmoment-Schätzschaltung, welche u. a. der Schätzung des durch die lenkende Person angelegten Drehmomentes dient. Hierzu werden die erfassten Signale über die Winkelstellung der Lenksäule und das Eingangssignal für den Elektromotor genutzt, auf deren Basis besagte Abschätzung erfolgt. Aufgrund der Möglichkeit zur Abschätzung passender Schätzwerte für das Lenkmoment auf Basis der Abschätzung des angelegten Drehmomentes und des Ritzeldrehmoments durch die Drehmoment-Schätzschaltung ist ein herkömmlicher Ritzeldrehmomentsensor überflüssig.
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Moderne Fahrzeuge sind darüber hinaus üblicherweise mit Fahrdynamiksystemen ausgestattet, die beispielsweise die Stabilität des Fahrzeugs beeinflussen können. Ein solches Fahrdynamiksystem ermittelt permanent Daten zur Fahrerunterstützung. Durch die Verknüpfung von zum Beispiel Schlupfregel-, Brems- und Fahrstabilitätssystemen (ABS, ASC, DSC, ESP usw.) gelingt es, die aktive Sicherheit und den Fahrkomfort zu steigern und so den Fahrer zu entlasten, sie helfen dem Fahrer, sein Fahrzeug auch in kritischen Situationen sicher zu beherrschen.
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Derartige Systeme treten erst dann in Aktion, wenn beispielsweise die Reifen Gefahr laufen, die Haftung zu verlieren, d. h. bevor die Räder durchdrehen, rutschen oder blockieren. Radsensoren überwachen z. B., wie schnell sich die Räder während des Bremsvorgangs drehen. Neigt ein Rad zum Blockieren, wird automatisch der Bremsdruck am entsprechenden Radbremszylinder soweit verringert, bis das Rad wieder unter normalem Schlupf läuft.
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Bei der Antriebsschlupfregelung sorgen Sensoren dafür, dass die Antriebskraft beim Beschleunigen mit minimalem Schlupf übertragen wird. Unabhängig von der Stellung des Gaspedals wird nur so viel Motorleistung zugelassen, wie in der momentanen Fahrsituation ohne durchdrehende Rad möglich ist. Durch Erfassung der Radgeschwindigkeiten durch Sensoren erkennt dieses System ob die Räder sicher greifen. Neigen die angetriebenen Räder zum Durchdrehen, greift die Regelung in das Motormanagement ein und nimmt unabhängig von der momentanen Gaspedalstellung des Drehmoments zurück.
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Bei der dynamischen Stabilitätskontrolle ermitteln zusätzliche Sensoren weitere Fahrzustände, um die Fahrsicherheit bei abrupten Ausweichmanövern oder plötzlichen Gefahrsituationen zu erhöhen. Eine Erweiterung des ABS erhöht die Fahrstabilität besonders beim Bremsen in Kurven. Das Regelungssytem regelt die Bremsdrücke unterhalb der ABS-Regelschwelle durch unterschiedlich hohe Bremsdrücke rechts und links für stabilisierende Gegenmomente. Weiterhin sind dynamische Bremsmanagement-Systeme bekannt, die das Bremsen des Fahrers unterstützen bzw. den Bremsvorgang beispielhaft beschleunigen.
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Sensoren ermitteln die Gierrate, die angibt, wie schnell sich das Fahrzeug um seine Hochachse dreht, die Querbeschleunigung, als Mass für Kurvenradius- und Geschwindigkeit, den Lenkwinkel, der die gewünschte Richtung angibt und den Bremsdruck, den der Fahrer über das Pedal ausübt sowie die Drehzahl der einzelnen Räder. Die oben genannten Ausführungen sind nur beispielhaft zu verstehen, Fahrdynamikdaten werden auch durch weitere Systeme ermittelt und genutzt.
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Die Aufgabe der vorliegenden Erfindung besteht darin, Verfahren zur Ermittlung des aufgebrachten Drehmoments an einem Lenksystem zu schaffen, die möglichst kostengünstig herstellbar sind, und trotzdem zuverlässig funktionieren und genau messen.
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Erfindungsgemäß wird die Aufgabe jeweils durch das Verfahren nach Anspruch 1 und das Verfahren nach Anspruch 2 gelöst.
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Mit Hilfe der Verfahren ist es somit ohne einen explizit dafür vorgesehenen Drehmomentsensor möglich, das Drehmoment zu ermitteln, das auf den Lenkstrang aufgebracht wird. Der kostenaufwendige und als zusätzliches Bauteil Platz benötigende Drehmomentsensor kann entfallen. Auch kann auf einen Lenkwinkelsensor, der üblicherweise in die Lenksäule oder in das Lenkgetriebe integriert ist, verzichtet werden. Erfindungsgemäß wird erstmalig aus den bis dahin nur für die Fahrdynamik ermittelten Daten ein Wert abgeleitet, der für das Lenksystem wesentlich ist und von diesem umgesetzt werden kann.
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Die Erfindung nutzt also die Erkenntnis, dass z. B. der ohnehin vorhandene Elektromotor, der die Drehung des Lenkungsstranges bzw. eine Verschiebung einer Zahnstange, die die Räder schwenkt, unterstützt, mit Hilfe des integrierten Positionsgebers stets eine exakte Position bestimmen kann. Grundsätzlich sind für das erfindungsgemäße Verfahren sämtliche Elektromotoren geeignet, die einen Positionsgeber beinhalten, wie beispielsweise bürstenlose Elektromotoren. Alternativ kann die Stellung der gelenkten Räder auch durch einen Winkelsensor im Lenkungsstrang oder einen Linearsensor im Lenkgetriebe ermittelt werden.
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Anhand der einzigen Figur, die eine Prinzipdarstellung einer elektrischen Servolenkung ohne Drehmomentsensor zeigt, wird die Erfindung näher erläutert. Das gezeigte Ausführungsbeispiel soll dabei nur beispielhaft gelten und die Erfindung nicht beschränken.
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Wie sich der zugehörigen Legende entnehmen lässt, ist zwischen den gezeigten Komponenten eine strukturelle Verbindung, Signalfluss oder Kraftfluss bzw. Energiefluss möglich. Weiterhin sind Systemgrenzen und Subsystemgrenzen durch unterschiedliche Strichstärken dargestellt.
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Ein Fahrer 14 bringt ein Lenkmoment über eine Lenksäule 16 auf ein Lenkgetriebe 18 auf. Das Lenkgetriebe 18 weist ein Ritzel 22 auf, über das das Lenkmoment auf die Zahnstange 10 übertragen wird. Optional kann an einer Zahnstange 10 ein Zahnstangen-Positionssensor 12, beispielsweise ein PLCD-Sensor-System, angeordnet sein. Der Zahnstangen-Positionssensor 12 ermittelt die Position der Zahnstange 10 im Verhältnis zu einem ortsfesten Bauteil, vorzugsweise einem Zahnstangengehäuse.
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Das Lenkmoment wird durch ein Reduktionsgetriebe 24 unterstützt, das wiederum von einem Elektromotor 26 angetrieben wird. Der Elektromotor 26 der die Drehung des Lenkungsstranges bzw. eine Verschiebung einer Zahnstange, die die Räder schwenkt, unterstützt, beinhaltet einen Positionssensor 20 (Winkelsensor), durch den auf die aktuelle Stellung der Räder rückgeschlossen werden kann.
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Die durch die Positionssensoren 12, 20 ermittelten Werte werden an ein Steuergerät 32 übermittelt. Über das Steuergerät 32 wird der Elektromotor 26 gesteuert. Das Steuergerät 32 ermittelt also unter anderem das optimale Unterstützungsmoment für das Reduktionsgetriebe 24.
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An das Steuergerät 32 wird im gezeigten Ausführungsbeispiel weiterhin eine ermittelte Momentenverteilung eines Allradsystems 34, der ermittelte eingelegte Gang einer Getriebesteuerung 36, das ermittelte Motormoment einer Motorsteuerung 38, sowie der Lenkwinkel, die Gierrate, die Querbeschleunigung und die Raddrehzahlen, jeweils ermittelt von einem Fahrdynamiksystem 40, übermittelt. Zur Ermittlung des Drehmomentes reichen die Daten des Fahrdynamiksystems 40 und des Elektromotors 26 bzw. des Positionssensors 20 aus, die weiteren ermittelten Daten können erfindungsgemäß aber ebenfalls zur Analyse wesentlicher Fahrdaten herangezogen werden. Das Steuergerät 32 nutzt die Daten auch zur Regelung von Verfahren wie z. B. ABS, ASC, DSC, ESP usw.
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Das erfindungsgemäße Verfahren nach Anspruch 1 ist durch eine Sensierung und Regelung des Lenkmomentes ohne eigenen Lenkmomentensensor bekannter Bauarten durch eine Auswertung der parametrierten Mess- und Regelgrößen mindestens aus dem Fahrdynamiksystem 40 des Fahrzeuges und des Positionsgebers 20 des Elektromotors 26, d. h. ohne Drehmomentsensierung und Lenkwinkelsensierungshardware, gekennzeichnet.
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Die Erfindung ist nicht auf das beschriebene Ausführungsbeispiel beschränkt, sondern umfasst vielmehr auch alle gleichwirkenden Ausführungsformen.