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Die
Erfindung betrifft ein Materialsystem zur Verwendung beim 3D-Drucken
und ein Verfahren zur Herstellung eines dreidimensionalen Gegenstandes mittels
3D-Drucken sowie einen damit hergestellten Gegenstand gemäß den Oberbegriffen
der Patentansprüche
1 bis 3. Ein derartiges Materialsystem und ein derartiges Verfahren
sind z.B. aus der
DE
100 26 955 A1 , aus der
DE 101 43 218 A1 , aus der
DE 197 23 892 C1 oder aus
der
DE 10 2006
040 305 A1 bekannt.
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Schichtaufbauende
Verfahren zur Herstellung von dreidimensionalen Gegenständen finden zunehmend
breitere Anwendungsfelder, insbesondere sind hier zu nennen: Rapid
Prototyping, Rapid Tooling und Rapid Manufacturing. Derartige Verfahren können flüssigkeitsbasiert
sein, z.B. Stereolithographie oder 3D-Drucken wie in der
DE 101 43 218 A1 oder
DE 10 2006 040 305
A1 sowie pulverbasiert wie in der
DE 197 23 892 C1 .
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Bei
dem von 3D Systems entwickelten Stereolithographie-Verfahren fährt ein
fokussierter UV-Laserstrahl über
die Oberfläche
eines photopolymerisierbaren Harzes und härtet dessen Oberflächenschicht
in selektiven Teilbereichen aus. Dieser Vorgang wird für eine Vielzahl
von Schichten wiederholt und so ein fester Gegenstand gebildet.
Anstelle des UV-Lasers kann auch ein IR-Strahl verwendet werden.
Nachteilig an diesem Verfahren ist u.a. die verhältnismäßig geringe Volumenbaugeschwindigkeit, also
die Produktivität.
Die geringe Produktivität
der Verfahren schränkt
derzeit einen breiten Einsatz der Techniken in Rapid Manufacturing
bzw. Kleinserienfertigung ein.
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Das
alternative Verfahren gemäß der
DE 101 43 218 A1 bedruckt
die Oberfläche
eines photopolymerisierbaren Harzes selektiv mit einem Photo-Initiator
und löst
dann die Polymerisation aus durch Bestrahlung mittels einer zusätzlichen
Härteeinheit,
vorzugsweise ein Laser. Entsprechend wird gemäß der
DE 197 23 892 C1 eine Pulverschicht
mit einem Moderiermittel bedruckt und später durch Einbringung von Energie
der moderierte Bereich verfestigt. Dieser Vorgang wird für eine Vielzahl
von Schichten wiederholt und so ein fester Gegenstand gebildet.
Nachteilig an diesen Verfahren ist u.a. der zusätzliche apparative und steuerungstechnische
Aufwand für
eine zweite Bestrahlungseinheit, die die Produktivität des Verfahrens
einschränkt
und die Kosten nach oben treibt.
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Die
DE 100 26 955 A1 offenbart
ein Materialsystem für
das 3D-Drucken,
welches einen Binder und ein diesen lösendes Lösungsmittel enthält sowie einen
Initiator für
eine Vernetzungsreaktion des Binders. Die
DE 10 2006 040 305 A1 offenbart
ein 3D-Druckverfahren, bei dem eine flüssige oder pulverige Schicht
aus polymerisierbaren Mono- oder Oligomeren mit einem Polymerisationsinitiator
selektiv bestrahlt wird und dann selektiv polymerisiert und aushärtet.
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Für viele
Anwendungen weisen thermoplastische Werkstoffe geeignetere Eigenschaften
auf als Duromere. Bei einer Verwendung thermoplastischer Partikel
in einem 3D-Druckverfahren weisen die generativ hergestellten Gegenstände jedoch
häufig
unzureichende Materialfestigkeit auf.
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Die
Aufgabe der vorliegenden Erfindung besteht daher darin, ein für das 3D-Drucken
geeignetes Materialsystem mit thermoplastischen Partikeln sowie
ein entsprechendes 3D-Druckverfahren
anzugeben, mit welchen Gegenstände
höherer
Materialfestigkeit herstellbar sind.
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Diese
Aufgabe wird bezüglich
des anzugebenden Verfahrens zur Herstellung eines dreidimensionalen
Gegenstandes mittels 3D-Drucken
durch folgende Schritte gelöst:
- – Auftragen
einer Schicht aus thermoplastischen Kunststoffpartikeln,
- – Bestrahlen
eines ausgewählten
Teils der Schicht, entsprechend einem Querschnitt des Gegenstandes,
mit einem Druckfluid, wobei das Druckfluid vernetzbare Mono- und/oder
Oligomere enthält,
- – wobei
ein Vernetzungsinitiator bereit gestellt wird,
- – Aktivieren
des Vernetzungsinitiators, so dass eine Vernetzungsreaktion initiert
wird und die Schicht im ausgewählten
Teil der Schicht vernetzt und aushärtet,
- – Wiederholen
der Schritte des Auftragens, des Bestrahlens und des Aktivierens
für eine
Mehrzahl von Schichten, so dass die verbundenen Teile der benachbarten
Schichten sich verbinden, um den Gegenstand zu bilden,
dadurch
gekennzeichnet,
dass oberflächenmodifizierte
Kunststoffpartikeln verwendet werden, deren Oberflächen reaktive
Gruppen aufweisen, welche mit dem Druckfluid vernetzen.
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Als
geeignete Oberflächenmodifikation
wird dabei jede signifikante Änderung
der Vernetzbarkeit der Polymere der Oberfläche gegenüber denen der Volumenphase
angesehen.
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Der
Vorteil gegenüber
einem Verfahren, bei dem unmodifizierte thermoplastische Kunststoffpartikeln
verwendet werden, d.h. ohne reaktive Gruppen, besteht in der wesentlich
höheren
Materialfestigkeit derartig hergestellter Gegenstände.
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Unmodifizierte
thermoplastische Kunststoffpartikeln werden durch Bedrucken mit
einem vernetzbaren Druckfluid und dessen Vernetzung lediglich eingeschlossen
und somit rein mechanisch in das sie umgebende ausgehärtete Druckfluid
eingeklemmt. Im Gegensatz dazu bilden sich erfindungsgemäß echte
chemische Bindungen zwischen den modifizierten thermoplastischen
Kunststoffpartikeln und dem sie umgebenden vernetzten Druckfluid
aus. Derartige chemische Bindungen bedingen die erhöhte Materialfestigkeit
des generativ hergestellten Thermoplast-Duromer-Composites.
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Die
Bezeichnung Strahl umfasst nicht nur einen kontinuierlichen Strahl,
sondern auch einzelne Tropfen.
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Geeignete
thermoplastische Kunststoffe sind z.B. PS, PMMA, SAN, PC, PA, PSU,
PES, PEEK, PPS und weitere sowie deren Gemische.
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Geeignete
Druckfluide sind z.B. Styrole, Acrylate oder Methacrylate und deren
Gemische, insbesondere Hydroxyethylmethacrylat = HEMA, Isobornylmethacrylat
= IBOMA, t-Butylacrylat = TBA sowie Vernetzer, z.B. Triethylenglycoldimethacrylat
= TRGDMA.
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Geeignete
Vernetzungsinitiatoren sind z.B. Photo- oder Thermoinitiatoren,
d.h. Stoffe, bei denen durch entsprechende Bestrahlung α-Spaltung
von Ketoverbindungen erfolgt und sich dabei Startradikale für eine radikalische
Polymerisation bilden. Geeignete Photoinitiatoren sind z.B. Cyclohexylphenylketone,
insbesondere Uvicure 204 oder Irgacure 184 von Ciba, und Acylphosphinoxide,
z.B. Irgacure 615 oder 819 von Ciba. Geeignete Thermoinitiatoren
sind z.B. Azoverbindungen wie Azodiisobutyronitril AIBN oder Peroxide
wie Dibenzoylperoxid BPO.
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Geeignete
oberflächenmodifizierte
Kunststoffpartikeln sind solche, deren Oberflächen reaktive Gruppen aufweisen,
welche mit dem Druckfluid nach Initierung der Vernetzungsreaktion
vernetzen. Übliche
Thermoplaste sind chemische weitgehend inert. Die Einbringung reaktiver
Gruppen erfordert daher vergleichsweise hohe Energie, die durch
Irradiation (Bestrahlung) mit energiereicher Strahlung und den Impakt
(Eintrag) energiereicher Teilchen eingebracht werden kann.
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Geeignete
physikalische Oberflächenmodifikationen
sind z.B. die Plasma-Aktivierung oder die Korona-Entladung. Dabei
setzt man die Kunststoffpartikeln einem Plasma, d.h. einem ionisierten
Gas aus, wodurch nahezu beliebige Oberflächenmodifikationen durch Anlagerung
und/oder Ablösung
funktioneller Gruppen bewirkt werden können. Dies reicht von starker
Hydrophilie durch Einbringung polarer Gruppen mittels eines O2-Plasmas oder N2-Plasmas, über das
Aufbrechen bestehender Verbindungen ohne Einbringung von Fremdatomen
mittels eines Edelgasplasmas (z.B. Ar) bis zu starker Hydrophobie durch
Einbringung unpolarer Gruppen mittels eines CF4-Plasmas.
Auch Kombination mit den bekannten physikalischen und chemischen
Gasphasenabscheidungen (PVD, CVD) sind möglich.
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Geeignete
chemische Oberflächenmodifikationen
sind z.B. Säurebäder in Chlorsulfonsäure oder Chromsäure, welche
eine echte chemische Modifikation der Partikeloberflächen durch
den Einbau polarer Carbonyl- und Carboxylgruppen bewirken.
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Alternativ
kann eine Oberflächenbeschichtung
auf die Kunststoffpartikeln aufgebracht werden, die einerseits kovalente
Bindungen mit den Partikelmolekülen
eingeht und andererseits ausreichend reaktive Gruppen für eine Vernetzung
mit dem Druckfluid aufweist.
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Die
Aufgabe wird bezüglich
des anzugebenden mehrphasigen Materialsystems zur Verwendung beim
3D-Drucken durch folgende Komponenten gelöst:
Thermoplastische Kunststoffpartikeln
zum Aufbau von Partikelschichten und
ein Druckfluid zum selektiven
Bedrucken der Partikelschichten, wobei das Druckfluid vernetzbare
Mono- und/oder Oligomere enthält,
und
einen zu aktivierenden Vernetzungs-Initiator
dadurch
gekennzeichnet,
dass die Kunststoffpartikeln oberflächenmodifiziert sind,
derart, dass sie reaktive Gruppen aufweisen.
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Der
Vernetzungsinitiator kann auf und/oder in den Partikeln und/oder
im Druckfluid enthalten sein.
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Die
reaktiven Gruppen auf der Oberfläche der
thermoplastischen Partikeln reagieren nach Aktivierung des Initiators
mit den vernetzbaren Mono- und/oder Oligomeren des Druckluids. Das
Druckfluid vernetzt und härtet
aus und bindet die thermoplastischen Partikeln über die vormals reaktiven Gruppen chemisch
an. Daraus resultiert eine verbesserte Materialfestigkeit gegenüber einer
reinen mechanischen Umklammerung.
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Die
Aufgabe wird bezüglich
des anzugebenden schichtweise hergestellten dreidimensionalen Gegenstandes
enthaltend thermoplastische Partikeln in einer duromeren Matrix
dadurch gelöst,
dass die thermoplastischen Partikeln chemisch an die duromere Matrix
gebunden sind.
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Das
Eigenschaftsprofil des resultierenden Gegenstandes kann an besondere
Anforderungen angepasst werden durch Einbringung von speziellen Füllstoffen
in das schichtweise aufzubringende Pulver.
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So
können
fein dispergierte anorganische (z.B. ZrO2,
Al2O3, SiO2) Nanopartikeln (Durchmesser 10 bis 100
nm) die Festigkeit und Steifigkeit deutlich verbessern.
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Für andere
Anwendungen kann die Einbringung von Elastomerfeinbartikeln (Durchmesser
1 bis 50 μm)
vorteilhaft sein, da sie die Schlagzähigkeit erhöhen.
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Zur
Verbesserung der Steifigkeit können auch
Präpolymerisat-Partikeln, z.B. Acrylatpartikeln (Durchmesser
0,1 bis 150 μm)
eingebracht werden, insbesondere aus MMA mit hohem Elastizitätsmodul. Besonders
vorteilhaft ist diesbezüglich
eine zusätzliche
Vernetzung zwischen Monomeren bzw. Oligomeren und dem polymeren
Füllstoff.
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Bei
Bedarf können
dem Schichtmaterial auch Lichtschutzmittel, Flammschutzmittel, Farbstoffe
und/oder Antioxidantien usw. als Additive beigegeben werden, um
Serienbauteile direkt fertigen zu können.
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Nachfolgend
werden anhand von zwei Ausführungsbeispielen
das erfindungsgemäße Verfahren
und das erfindungsgemäße Materialsystem
näher erläutert:
Gemäß einem
ersten Ausführungsbeispiel
wird ein Polyamid-Pulver üblicher
Partikelgrößenverteilung einer
Plasma-Aktivierung
in einem O2-Niederdruckplasma (50 Pascal)
unterworfen. Dadurch werden reaktive polare Gruppen in die Partikeloberfläche eingebracht.
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Auf
die oberflächenmodifizierten
PA-Partikeln wird als Druckfluid ein methacrylat-basierendes Monomergemisch
selektiv aufgebracht und dann eine Vernetzungsreaktion initiert.
Es bilden sich echte chemische Bindungen zwischen den modifizierten thermoplastischen
PA-Partikeln und dem sie umgebenden vernetzten Druckfluid aus. Diese
Bindungen bedingen die erhöhte
Materialfestigkeit des generativ hergestellten Thermoplast-Duromer-Composites.
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Gemäß einem
zweiten Ausführungsbeispiel wird
ein Polyamid 12 (z.B. Vestosint 2162 von Degussa) mit einen Überschuss
endständiger
Aminogruppen bzw. einen Überschuss
endständiger
Säuregruppen
verwendet. Das PA-Pulver weist übliche
Partikelgrößenverteilung
auf. Die PA-Partikeln werden mit einem mit Epoxidgruppen modifizierten
PMMA beschichtet. Die Epoxidgruppen des modifizierten PMMA reagieren
mit den Amino- bzw. den Säuregruppen
des Polyamids und bilden kovalente Bindungen aus. Auf die derart
oberflächenmodifizierten PA-Partikeln
wird als Druckfluid wieder ein methacrylat-basierendes Monomergemisch
selektiv aufgebracht und dann eine Vernetzungsreaktion initiert, bei
der sich echte chemische Bindungen zwischen den modifizierten thermoplastischen
PA-Partikeln und dem sie umgebenden vernetzten Druckfluid ausbilden.
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Ein
geeignetes modifiziertes PMMA wird wie folgt hergestellt: 0,96 mol
Methylmethacrylat (96,1 g) und 0,04 mol Glycidylmethacrylat (5,7
g) werden in 250 ml Tetrahydrofuran (THF) gelöst. Man gibt 1,5 g Azoisobutyrolnitril
als Initiator zu, das man unter Rühren löst, und leitet anschließend durch
die Lösung
10 min bei 25°C
einen Sauerstoff-freien Stickstoffstrom (99,999 %) unter Rühren. Danach
wird die Lösung
in einem verschlossenen Glaskolben 8 h bei 55°C und weitere 14 h bei 60°C aufbewahrt.
Anschließend lässt man
die Lösung
auf 25°C
abkühlen
und tropft sie dann in 4 l technisches Methanol ein, wobei das Polymer
in Form weißer
Flocken ausfällt.
Man rührt die
entstehende Suspension 1 h bei 25°C
nach und filtriert dann das Polymer über einen gesinterten Glasfilter ab.
Anschließend
wird mit 250 ml Methanol nach gewaschen. Das Polymer wird dann über nach im
Trockenschrank bei 60°C
getrocknet, d.h. von Methanolresten befreit. Das hergestellte Polymerisat
ist Poly(Methylmethacrylat-co-Glycidylmethacrylat) und hat eine
Dichte von 1,15 g/cm3.
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Das
so von Restmonomer gereinigte Polymer kann für einen nachfolgenden Coatingprozess
in verschiedenen niedrig siedenden Lösungsmitteln gelöst werden – geeignet
sind u. a. n-Propanol,
THF, Toluol, Methylenchlorid und Chloroform, welche ggf. auch als
Mischung eingesetzt werden können.
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Für die Beschichtung
des PA-Pulvers mit dem modifizierten PMMA werden 75 g des modifizierten
Polymethylmethacrylats unter ständigem
Rühren bei
80°C in
3.016 ml n-Propanol aufgelöst
und warm gehalten. 1000 g PA12 Pulver (Vestosint 2162) werden in
eine Wirbelbeschichtungsanlage gefüllt. Die aufbereitete Lösung wird
warm mit einer Zufuhrgeschwindigkeit von 6 ml/min in die Beschichtungsanlage
eingespritzt. Die Luft wird bis 80°C aufgeheizt, bevor sie in die
Anlage zugeführt
wird. Das Ergebnis ist ein PA12 Pulver mit einer PMMA-Beschichtung mit einer
Dicke von circa 0,95 μm.
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Ein
geeignetes Druckfluid setzt sich wie folgt zusammen:
Styrol
(50%), HEMA (15%), MSA (15%), TRGDMA (10%), PVAc (8%), Irg.651 (2%)
und Irg.819 (1%)
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Aufgrund
der Vernetzung zwischen den oberflächenmodifizierten PA-Partikeln
und dem Druckfluid resultiert eine verbesserte Materialfestigkeit
gegenüber
einer reinen mechanischen Umklammerung.
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Das
erfindungsgemäße Verfahren
und das erfindungsgemäße Materialsystem
erweisen sich in den Ausführungsformen
der vor stehend beschriebenen Beispiele als besonders geeignet für das Rapid Manufacturing
thermoplastischer Bauteile in der Kleinserienfertigung, insbesondere
in der Automobilindustrie.
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Insbesondere
können
so erhebliche Vorteile bezüglich
der Materialfestigkeit erzielt werden.