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Die Erfindung betrifft ein Verfahrsystem mit einem Chassis gemäß des ersten Patentanspruchs. Derartige Verfahrsysteme sind radgestützt und umfassen Mittel für einen Antrieb und Steuerung desselben. Sie dienen zum Verfahren von mobilen Aufbauten und sind damit Fahrzeuge.
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Verfahrsysteme der eingangs genannten Art dienen üblicherweise Stell-, Positionier- oder Transportbewegungen mobiler Aufbauten wie z. B. Robotersystemen, Gerätschaften oder Transportsysteme auf einem überwiegend glatten Untergrund bevorzugt in beengten räumlichen Verhältnissen. Dazu zählen im weitesten Sinne auch Kraftfahrzeuge mit speziellen Einparkfunktionen, d. h. mit speziellen z. B. über Steuerungsrechner in ihren Lenkbewegungen aneinander angepassten und ggf. automatisierbaren Lenkungsvorrichtungen für alle Räder.
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[1] beschreibt beispielhaft einen verfahrbaren Roboter HERMES mit zwei Antriebselementen mit je einem eigenen motorisch angetriebenen Rad. Zwei weitere Motoren dienen der Lenkung dieser beiden Räder auf einem Untergrund, wobei die Lenkbewegung auf der Stelle geschieht. Dabei belasten sie jedoch durch die entstehende erhöhte Reibung insbesondere sensitive Bodenbeläge.
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Ebenso beschreiben [4, 5, 6] Verfahrsysteme mit einer manuell oder motorisch angesteuerten Lenkung.
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Dagegen sind in [2, 3, 4, 5] je ein Verfahrsystem mit einem Chassis und mit mindestens einem angetriebenen Rad beschrieben, bei dem der Lenkwinkel über das Antriebsmoment verstellt wird.
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Davon ausgehend liegt die Aufgabe der Erfindung darin, ein Verfahrsystem vorzuschlagen, welches universell einsetzbar bereits von der Konzeption her die vorgenannte erhöhte Reibung insbesondere der Antriebsysteme auf dem Untergrund ausschließt.
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Die Aufgabe wird durch ein Verfahrsystem mit mindestens einer Schleppstützrolle und mindestens zwei passiv lenkenden Antriebselementen, die zumindest ein Dreieck für eine kippsichere Auflage eines Chassis z. B. für einen mobilen Aufbau aufspannen gemäß des ersten Patentanspruchs gelöst. Unteransprüche geben vorteilhafte Ausgestaltungen der Vorrichtung wieder.
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Die Erfindung umfasst ein Verfahrsystem vorzugsweise mit einem eigenen Chassis umfassend mindestens eine passiv lenkende Schleppstützrolle sowie mindestens zwei Antriebselemente, jeweils umfassend eine vertikal ausgerichtete in einem Lagergehäuse frei drehbar gelagerte Welle, an deren Ende eine Gondel mit einer motorischen Antriebseinheit mit Rad vorgesehen ist, wobei das Rad exzentrisch zu der drehbar gelagerten Welle angeordnet ist. Die Räder der Antriebseinheiten sind grundsätzlich in beide Drehrichtungen antreibbar. Die Schleppstützrollen und die Antriebselemente sind bevorzugt ohne Anschlag, d. h. uneingeschränkt oder unendlich um die Schwenkachse der Schleppstützrolle bzw. um die Welle schwenkbar. Schleppstützrollen und Antriebselemente spannen ein Vieleck mit mindestens drei Ecken auf und bilden damit eine kippsichere Unterlage für einen mobilen Aufbau.
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Wesentlich ist dabei, dass die Drehbewegung der Antriebselemente um die Wellen im Rahmen des Gesamtkonzepts gezielt und individuell behindert werden kann, d. h. durch auf die Wellen wirkende Bremsen blockierbar ist. Das Antriebselement weist somit keinen eigenen Schwenkantrieb oder eigenen Wellenantrieb für die Welle auf, sondern wird passiv über den Radantrieb gelenkt.
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Ein passiv lenkendes Antriebselement der vorgenannten Art umfasst somit eine vertikal ausgerichtete in einem Lagergehäuse um eine Schwenkachse drehbar gelagerte Welle, eine an dieser befestigten und damit schwenkbaren motorischen Antriebseinheit mit einem exzentrisch zu der Schwenkachse angeordneten Rad mit Kontakt zum Untergrund und einer auf die Welle wirkenden Bremse. Mit der Fixierung der Welle ist die Schwenkachse des Rades ebenfalls fixiert. Die Bremse dient also der Arretierung der Schwenkbewegung um die Schwenkachse, damit der Fixierung der Radausrichtung auf dem Untergrund und der Festlegung der Abrollrichtung des Rades. Ist die Welle nicht fixiert, rollt das Rad auf dem Untergrund auf einer Kreislinie um die Schwenkachse ab und ändert seine Ausrichtung so lange, bis ein Anziehen der Bremse eine weitere Schwenkung verhindert. Die Schwenkung des Rades erfolgt nicht mehr mit einem stehenden Rad punktuell um den Auflagebereich, sondern wesentlich reibungsärmer exzentrisch um den Auflagebereich mit einer bogenförmigen Abrollbewegung des Rades. Dabei kann es vorteilhaft sein, das Verfahrsystem über die Schleppstützrollen auf dem Untergrund zu fixieren, d. h. mindestens eine Schleppstützrolle mit einer Feststellbremse für die Rolle und/oder die Ausrichtung der Rolle auszustatten.
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Der Radantrieb stellt somit das einzige motorische Antriebsaggregat des Antriebselements dar und dient nicht nur der lateralen Fortbewegung, sondern gemeinsam mit der Feststellbremse auch der Lenkung.
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Das Lagergehäuse weist in seiner Gestaltung Befestigungsmittel zu einem zu bewegenden Aufbau auf und ist vorzugsweise als ringförmiger Flansch zum Einsetzen in eine aufbauseitige Bohrung konzipiert.
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Jedes Antriebselement und damit das Verfahrsystem umfasst vorzugsweise Mittel zur Erfassung der Winkelstellung der Welle im Lagergehäuse sowie eine Steuerungseinheit zur selbstständigen Ansteuerung des Antriebs und der Feststellbremse in Abhängigkeit einer einzugebenen Bewegungsrichtung und der Winkelstellung. Die Mittel und die Steuerungseinheit arbeiten entweder analog (z. B. Potentiometer als Mittel) oder bevorzugt digital (z. B. inkrementalen Drehwinkelgeber als Mittel). Durch die Steuerungseinheit erfolgt auch eine simultane Ansteuerbarkeit der Antriebe und Feststellbremsen mehrerer Antriebselemente oder auch die eigenständige Umsetzung von allgemeinen Steuerungsbefehlen eines Bedieners.
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Es liegt auch im Rahmen der Erfindung, ein Verfahrsystem mit insgesamt mindestens vier Antriebselemente und/oder Schleppstützrollen auszugestalten, bei dem mindestens eines der vorgenannten Elemente zusätzlich mit einem Hubmechanismus ausgestattet ist und damit ein zumindest partielles Anheben des Chassis mit mindestens einem anderen der vorgenannten Elemente ermöglicht wird. Auf diese Weise lassen sich Unebenheiten oder Stufen im Untergrund vom Verfahrsystem überwinden, indem durch den Hubmechanismus das Verfahrsystem Element für Element auf oder über das Hindernis gehoben werden kann.
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Die Erfindung wird anhand von Ausführungsbeispielen mit folgenden Figuren näher erläutert. Es zeigen
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1a bis c drei beispielhafte Ausführungsformen eines Verfahrsystems in prinzipieller Aufsicht sowie
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2a bis d eine perspektivische Darstellung, zwei Seitenansichten und eine Schnittdarstellung eines Antriebselements.
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Ein Verfahrsystem gemäß der Erfindung umfasst, wie in 1a bis c wiedergegeben, zumindest ein Chassis 1, mindestens zwei Antriebselemente 2 mit jeweils einer vertikal ausgerichteten frei drehbar gelagerten Welle 3 und einem exzentrisch zu dieser angeordneten Rad 4 sowie mindestens eine passiv lenkende Schleppstützrolle 5. Die dargestellten Kreise 6 um die frei drehbaren Wellen 3 geben jeweils die Abrolllinien der Räder 4 auf einem Untergrund relativ zu dem Chassis 1 wieder. Die in den 1a bis c gezeigten Ausrichtungen der Räder 4 zum Chassis 1 sind zufällig. Die Antriebselemente verfügen jeweils über ein Rad mit Lauffläche aus Hartgummi, angetrieben mit einem Elektromotor mit Bremse, Untersetzungsgetriebe und Drehgeber.
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Das bevorzugte Verfahrsystem ist in 1c wiedergeben. Es umfasst zwei Antriebselemente, die an ein Chassis mit vier passiven gefederten Schleppstützrollen montiert werden, wobei mit den Schleppstützrollen als tragende Elemente und mit den Antriebselemente als Vortriebselemente eine Aufgabenteilung vorgesehen ist.
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Die besonderen Vorteile dieses modularen Aufbaus der Erfindung liegen in der einfachen Montage und in der Möglichkeit eines Baukastenkonzepts. Dabei lassen sich die gleichartigen Antriebselemente und Schleppstützrollen individuell und durch Verschraubungen (flanschähnliche Verbindung) in genormten Aufnahmen in verschiedene Chassisformen einfach umsetzen, sodass in kurzer Zeit und mit geringem Investitionsaufwand jeweils ein Verfahrsystem für individuelle Aufgaben montierbar ist. Außerdem lassen sich einzelne Komponenten durch einen modularen Aufbau leichter warten (unterschiedliche Wartungsintervalle von passiven und motorischen Komponenten, einfaches Einsenden und Austausch von defekten Komponenten).
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Ein weiterer Vorteil liegt in der geringen lateralen Ausdehnung der Antriebselemente während des Betriebs, was insbesondere bei Gehhilfen (entspricht vorzugsweise der Ausführungsform gem. 1c) eine maximale Beweglichkeit auf kleinem Raum und damit eine geringe Unfallgefahr ermöglicht.
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Die vorgenannten Antriebselemente 2 sind im Detail in den 2a bis d dargestellt. 2d zeigt dabei eine seitliche Schnittdarstellung des Antriebselements in der in 2c dargestellten Schnittebene 12. Eine Motor-Getriebeeinheit 7 (Antriebseinheit, umfasst Drehgeber für Radstellung und Radbremsen) mit Unterfahrschutz 13, die als Gondel an dem unteren Ende der Welle 3 befestigt ist, dient als Antrieb für das vorgenannte Rad 4. Die Welle 3 ist wiederum frei drehbar in einem Lagergehäuse 8 gelagert, ist mit einem z. B. inkrementalen Drehwinkelgeber 9 als Mittel zur Erfassung der Winkelstellung der Welle im Lagergehäuse sowie einer auf die Welle wirkende blockierbare Bremse 10, z. B. eine in jeder Winkelstellung betätigbare Feststellbremse ausgestattet. Vorzugsweise wird die Bremse elektrisch betrieben, wobei die Bremse im stromlosen Zustand eine Wellenverdrehung blockiert. Im Ausführungsbeispiel ist unten am Lagergehäuse 8 eine Flanschplatte 11 zur Montage des Antriebselements z. B. an ein Chassis vorgesehen.
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Wird die Bremse gelöst und das Rad angetrieben, erzeugt es wegen seines seitlichen Offsets eine Drehung um die vertikale Drehachse der Welle (vgl. Kreise 6 in 1a bis c) und fährt auf einer Kreisbahn um sie herum. In diesem Betriebszustand wird die Abrollrichtung des Rades in die gewünschte Richtung geschwenkt. Die vertikale Welle 3 sowie die Motor-Getriebeeinheit 7 schwenken dabei mit dem Rad mit.
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Durch dieses Lenken vorzugsweise während des Stillstands des Chassis des Verfahrsystems vorzugsweise mit zwei Antriebselementen (vgl. 1a bis c) wird Omnidirektionalität (Möglichkeit der ebenen Bewegung mit drei Freiheitsgraden, d. h. zwei laterale Bewegungen und eine Drehbewegung) erreicht: Indem man die Feststellbremsen aller, bevorzugt beider Antriebselemente löst, kann man die Antriebsräder synchron um die jeweilige Vertikalachse rotieren lassen, sodass sie parallel zueinander bleiben, jedoch alle möglichen Richtungen (360 Grad) einnehmen können. Hierzu ist es ausreichend, wenn die Räder jeweils maximal einen Halbkreis überstreichen können. Durch diese Einschränkung kommt die Konstruktion ohne Kabelschleifen oder Schleifkontakte aus, gleichzeitig wird einer Redundanz vorgebeugt, sodass die Räder in alle Richtungen eindeutig ausgerichtet werden können. Während die Bremsen gelöst sind und die Räder lenken, bewegt sich das Chassis über dem Untergrund nicht.
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Werden die Wellen in den Lagergehäusen durch die Bremsen blockiert (vorzugsweise durch Abschalten des Stroms), können die Räder nicht mehr um die jeweilige Vertikalachse rotieren, sondern treiben die Plattform in die Richtung an, in die sie gerade ausgerichtet sind. Da die Antriebselemente so angesteuert werden, dass die Räder stets parallel und mit gleicher Vorschubgeschwindigkeit (Drehzahl) zueinander ausgerichtet bzw. angetrieben sind, bewegt sich das Verfahrsystem linear in eine Richtung (ein Freiheitsgrad).
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In einem Sonderfall, wenn die horizontalen Antriebsachsen von zwei Räder eines Verfahrsystems vorzugsweise mit zwei Antriebselementen (vgl. 1a bis c) eine Gerade bilden, verfügt die Plattform über einen zweiten Freiheitsgrad, der aus der Differenzgeschwindigkeit (Drehzahl) beider Räder herrührt und als Drehung um den Mittelpunkt des Radstandes auftritt. Dieser Sonderfall, bekannt als Differential Drive ist der Hauptbetriebsmodus des Verfahrsystems. Die Räder sollen gelenkt werden, wenn erhöhte Manövrierfähigkeit ohne eine Drehung der gesamten Roboterplattform gefordert ist.
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Die regelungstechnische Funktionsweise der Antriebselemente ist folgende:
Der Drehgeber (für die Radstellung, ist vorzugsweise in der Motor-Getriebeeinheit 7 integriert) des Antriebsmotors dient der Gewährleistung der Odometrie (Positionsbestimmung eines Fahrzeuges durch die Beobachtung seiner Räder). Dabei wird in jeder beliebigen Stellung der Räder deren Drehzahl und Drehdauer festgehalten, um die Position des Verfahrsystems zu bestimmen. In Differential Drive Stellung (vorgenannte ineinander fallende Antriebsachsen der beiden Antriebsräder) wird die Drehbewegung der Plattform (zweiter Freiheitsgrad) ebenfalls nur durch die beiden vorgenannten Drehgeber bestimmt. Die oberen Drehwinkelgeber 9 der vertikalen Welle 3 dienen der Erfassung der Stellung der Räder im omnidirektionalen Modus, während deren Bewegung im Anschluss wieder von den Drehgebern der Antriebsmotoren bestimmt wird.
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Die Aufgabe des Drehwinkelgebers zur Schwenkwinkelbestimmung kann durch den Drehgeber für das Rad (mit bekannten Raddurchmesser und Abstand des Rades zur Schwenkachse) der Antriebseinheit 7 gemeinsam mit einem entsprechenden Auswertealgorithmus übernommen werden (Kostenersparnis). Die momentane Einstellung wird dann zu einem vorgegebenen Referenzwert berechnet.
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Die sich mit der Welle drehenden Komponenten des Antriebselements sind vorzugsweise so dimensioniert, dass deren Schwerpunkt sich genau auf der Drehachse der vertikalen Welle befindet. Dadurch entstehen keine Unwuchten insbesondere bei schnellen Ausrichtbewegungen (beim Drehen der Welle). Auswirkungen von Restmomenten, die Kräfte auf das Chassis und ein Mitreißen desselben verursachen könnten, werden auf diese Weise reduziert.
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Literatur:
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Chassis
- 2
- Antriebselement
- 3
- Welle
- 4
- Rad
- 5
- Schleppstützrolle
- 6
- Kreis
- 7
- Motor-Getriebeeinheit
- 8
- Lagergehäuse
- 9
- inkrementaler Drehwinkelgeber
- 10
- Bremse
- 11
- Flanschplatte
- 12
- Schnittebene
- 13
- Unterfahrschutz